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Nachdenken über den Krieg

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Vor einiger Zeit sprach mich eine Frau an: Wenn sie sage: “Ich bin gegen die Lieferung von Panzern in die Ukraine”, sei die Antwort: “Das ist schwierig”. Die Frau weiter: “Nichts ist schwierig. Die Lieferung der Panzer ist die Entrittskarte in den Krieg.”

Die Frau war weit über 80 Jahre.

Ein zwanzig Jahre junger Mensch sagte mir: “Ich habe nie an einen Krieg in Europa gedacht”.

Er war noch nicht geboren, als sich Deutschland nach 74 Jahren 1999 das erste Mal wieder an einem Krieg beteiligte und deutsche Piloten ausgerechnet Jugoslawien bombardierten, das schon im Zweiten Weltkrieg furchbar unter dem deutschen Faschismus gelitten hatte.

Die Süddeutsche Zeitung schrieb vor zwei Wochen: “Zu Beginn des Angriffskrieges hatte Putin die NATO-Staaten davor gewarnt, der Ukraine zu Hilfe zu kommen, und mit Konsequenzen gedroht, “die größer sind als alles, was ihr in der Geschichte erlebt habt””[1]Süddeutsche Zeitung vom 16./17./8. April 2022, Seite 1.

In derselben Ausgabe warnte CIA Chef Bill Burns davor, die nukleare Bedrohung durch Russland zu unterschätzen. “Angesichts der möglichen Verzweifelung von Präsident Putin und der russischen Führung, angesichts der bislang erfahrenen Rückschläge kann keiner von uns die Bedrohung durch einen möglichen Einsatz taktischer oder Atomwaffen geringer Sprengkraft auf die leichte Schulter nehmen. Wir tun es nicht,” sagt er[2]Süddeutsche Zeitung vom 16./17./8. April 2022, Seite 1.

Zwei Wochen später lädt der US-Verteidungsminister auf die Rammstein Air Base ein und schwor 40 Staaten auf eine Aufrüstung der Ukraine ein: “Wir sind hier, um der Ukraine zu helfen, den Kampf gegen Russlands ungerechte Invasion zu gewinnen …”[3]Junge Welt vom 27. April, Seite 1.

Entweder nimmt die USA die Drohung von Putin, Atomwaffen einzusetzen, doch auf die leichte Schulter oder aber die Regierenden der USA nehmen den Einsatz vom Atomwaffen bewusst in Kauf.

Alles Nachdenken und alles Handeln muss auf eine einzige Frage gerichtet sein: Wie kann dieser Krieg eher heute als morgen beendet werden?

Was tut die Bundesregierung?

Sie verurteilt den verbrecherischen Angriffskrieg Putins und liefert Panzer an die Ukraine.

Was tun wir? Wir verurteilen ebenfalls den Einmarsch russischer Truppen und fordern keine Panzer an die Ukraine.

Die Reaktion beschreibt die alte Frau: “Das ist schwierig” und antwortet:

“Die Lieferung der Panzer ist die Eintrittskarte in den Krieg.”

Sie hat den letzten Krieg miterlebt.

Wer den Krieg beenden will, kommt keinen Schritt weiter, wenn er sich immer wieder über den Angriffskrieg und Bruch des Völkerrechts empört und Putin energisch aufruft, die Truppen zurückzuziehen.

dan heißt es nur: “Eben deswegen müssen wir Waffen an die Ukraine liefern. Die Ukraine muss sich verteidigen können. Dazu braucht sie auch Waffen”.

Aber damit beenden wir nicht den Krieg. Wir müssen die andere Seite beschrieben: Was tut die deutsche Bundesregirung, die NATO, die USA? Feuer löscht man nicht mit Benzin.

Es ist ein extrem hohes Risiko, auf eine militärisch Lösung zu setzen. Aber genau das macht die NATO, angetrieben von den USA. Sie wollen den Krieg gewinnen.

Und Russland wird den Krieg nicht verlieren wollen.

Wenn unter diesen Umständen Russland tatsächlich Atomraketen einsetzt, was dann?

Dann wird ein Entsetzen durch die Welt gehen und man wird sagen: “Da sieht man es. Der Agressor Putin. Wir haben es immer gesagt” usw usw.

Aber das wurde auch schon vorher gesagt. Hat es geholfen?

Es muss eine Eskalation bis hin zu einem Atomkrieg vermieden werden.

Wenn man sagt, ein entscheidender Grund für den Krieg sei gewesen, dass die NATO darauf bestanden habe, die Tür für eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine offen zu halten, so wird entgegnet: “Ja, das mag ein Fehler der NATO gewesen sein, aber das rechtfertigt nicht den Angriffskrieg Russlands”.

Doch wer es bei dieser Antwort belässt, schiebt die Verantwortung beiseite, die NATO mit den USA an der Spitze für diesen Krieg haben. Zudem wird er nicht sagen können, wie der Krieg beendet werden kann. Nur wer nach einer Antwort auf die Frage sucht, warum dieser Krieg begonnen wurde, wird auch eine Antwort auf die Frage finden, wie dieser Krieg beendet werden kann. In der Formel Keine Osterweiterung der NATO wird man nicht nur die Ursache, sondern auch den Weg zur raschen Beendigung dieses Krieges finden.

Immer wieder wird argumentiert, die Ukraine sei souverän und müsse selbst entscheiden, ob sie Mitglied in der NATO werden wolle. Aber ebenso souverän ist die NATO, zu entscheiden, ob sie die Ukraine aufnimmt oder eben nicht aufnimmt. Was verpflichtet die NATO, die Ukraine aufzunehmen? Lebt die Schweiz oder Österreich nicht gut mit ihrer Neutralität? Wieso nimmt die NATO wegen einer solchen Frage den Tod von Tausenden Menschen in Kauf?

Die Verantwortlichen, die die Tür zur NATO offen gehalten und es deswegen bewusst auf einen Krieg haben ankommen lassen, sagen es jetzt ganz unmissverständlich: Sie wollen Russland entscheidend schwächen. Und das ist es ihnen wert, einen großen Krieg zu führen – in Europa, weit weg von den USA.

Vielleicht werden sie einmal furchtbare Verbrecher genannt werden.

Und wir, die wir den Krieg nicht verhindert haben? Was wird man über uns sagen?

Ich möchte als einen ersten Schritt empfehlen, den Appell für den Frieden zu unterschreiben. Dieser Appell richtet sein Augenmerk auf das, was den Krieg schnell beenden könnte. Darüber berichten die großen Zeitungen und Fernsehsender wenig. Dieses Deutschland hat eine Verantwortung. Um diese Verantwortung geht es.

References

References
1, 2 Süddeutsche Zeitung vom 16./17./8. April 2022, Seite 1
3 Junge Welt vom 27. April, Seite 1