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Gewinnabführung der S-Bahn GmbH für die Jahre 2001 bis 2008 mit Kommentierung

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Zum Thema S-Bahn Ausschreibung:

  • In welchem Umfang sind die Arbeitskräfte bei einer Ausschreibung der S-Bahn geschützt?
  • Die Ausschreibung der S-Bahn als Türöffner zur Privatisierung der S-Bahn
  • Was tun?

In der Pressemitteilung der Ländern Berlin und Brandenburg wird versichert, dass „der Arbeitnehmerschutz maximal gewährleistet werde: Vertraglich festgelegt werden klare Regelungen zur Arbeitsplatzsicherung, zum Personalübergang, zur Tariftreue, zum Mindestlohn und zur Ausbildungsverpflichtung, die sowohl den im Fahrgeschäft Beschäftigten als auch dem Werkstattpersonal zugutekommen[1]Pressemitteilungen des Senats vom 26.5. und 2.5.2020 . Was bedeutet dieses Versprechen?

Es gibt neben dieser Pressemitteilung noch eine unveröffentlichte Protokollerklärung[2]Protokollerklärung zur Senatsvorlage „Vergabe sowie von Fahrzeuglieferungs- und Instandhaltungsleistungen für die Teilnetze Nord-Süd und Stadtbahn der Berliner S-Bahn“ (S-3279/2020). Es wird darauf ankommen, was sich von dieser Erklärung in der Ausschreibung bzw. den Vergabeunterlagen wieder findet.

Am 17. Juni wurde die Vorinformation für die Ausschreibung der S-Bahn nachgebessert. Da heißt es lapidar:    

„Der Auftragnehmer wird verpflichtet, bei der Ausführung der zu vergebenden Dienstleistungen seine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die bei der Ausführung der Leistung eingesetzt werden, hierfür mindestens nach den geltenden Entgelttarifen eines in Berlin oder Brandenburg geltenden Tarifvertrages zu entlohnen. Nähere Einzelheiten enthalten die Vergabeunterlagen[3] https://ted.europa.eu/udl?uri=TED:NOTICE:282656-2020:TEXT:DE:HTML&tabId=1“.

Auf der Basis der bestehenden Rechtsvorschriften sollen die Fragen beantwortet werden:

  1. Welche Arbeitskräfte muss ein neuer Betreiber übernehmen und
  2. welche Arbeitsbedingungen muss ein neuer Betreiber einhalten?
  3. Was heißt Tariftreue?

Die Antwort auf diese drei Fragen möchte ich in 5 Punkten zusammenfassen:

  1. Die Folgen der S-Bahn Ausschreibung für die Arbeitskräfte ist mit einer Ausgliederung vergleichbar.Ausgliederung (Outscourcing) ist die Fremdvergabe betriebsinterne Tätigkeiten, z.B. die Vergabe des Betriebs der werkseigenen Kantine im Daimler Werk in Berlin-Marienfelde an ein  Gastronomie Unternehmen.Ausgliederungen sind in den vergangenen zwei bis drei Jahrzehnten wie ein Sturm durch die gesamte Wirtschaft gefegt: Alles wird ausgegliedert: Vom werkseigenen Kantinenbetrieb über die Reinigungskräfte bis zu vielen allen anderen betriebsinternen Tätigkeiten. Auch landeseigene Unternehmen in Berlin gliederten aus: Sie gründeten landeseigene Tochterfirmen ohne Tarifbindung; die Beschäftigten dieser Töchter wurden dann als billige Arbeitskräfte Tätigkeiten bei der Mutter eingesetzt. Die rund 3.000 Beschäftigten der Charité Tochter CFM Facility Management GmbH, die Beschäftigten der über 20 Töchter der Vivantes GmbH und die rund 2.000 Fahrerinnen und Fahrer der Berlin Transport GmbH, einer Tochter der BVG können ein Lied davon singen.
  2. Bei der Ausschreibung der S-Bahn sind wie bei der Ausgliederung einer werkseigenen Kantine die Regeln zum Betriebsübergang zu beachten.

Eine Regel zum Betriebsübergang ist: Der Betreiber muss das gesamte Kantinenpersonal übernehmen.

Anders als bei einer ausgegliederten Kantine ist allerdings bei einem Betreiberwechsel der S-Bahn nicht die Übernahme aller Arbeitskräfte garantiert, die ihren Arbeitsplatz bei der S-Bahn GmbH verlieren. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung verlangt von dem neuen Betreiber nur die Übernahme der Arbeitskräfte, die bei der S-Bahn GmbH „für die Erbringung der übergehenden Verkehrsdienstleistungen unmittelbar erforderlich sind“[4]siehe § 131 Abs. 3 GWB, wo unter Verweis auf die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 die Rechtsfolgen des § 613 a BGB als Sollvorschrift für die Arbeitskräfte enthalten sind, die „für die Erbringung … Continue reading

Die Länder Berlin und Brandenburg müssen in der Ausschreibung verlangen, dass der neue Betreiber nicht nur diese Arbeitskräfte, sondern alle Arbeitskräfte der S-Bahn GmbH übernimmt, die wegen des Betreiberwechsels ihren Arbeitsplatz bei der S-Bahn GmbH verlieren, auch die Arbeitskräfte in der Instandhaltung. Und der Berliner EVG-Chef Michael Bartl mahnte an, dass „bei der bevorstehenden Ausschreibung auch an die Bereiche Fahrgastinformation Marketing, Planung und Disposition gedacht werden müsse“[5]Pressemitteilung der EVG vom 18. Mai 2020.

Es muss damit gerechnet werden, dass diese Mahnung ungehört verhallt und die Länder Berlin und Brandenburg unter Berufung auf das Gesetz einen Teil der Arbeitskräfte im Regen stehen lassen.

Eine weitere Regel zum Betriebsübergang verlangt, dass nach einem Betreiberwechsel die übernommen Arbeitskräfte unter denselben Arbeitsbedingungen weiter arbeiten, die unter dem alten Betreiber galten[6]In § 10 Satz 3 BerlAVG, wird darauf hingewiesen, dass „die Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 23.Oktober 2007 über öffentliche … Continue reading. Das sind bei einem Betreiberwechsel der S-Bahn alle  Arbeitsbedingungen, die bei der S-Bahn GmbH galten (Arbeitszeit, Löhne, Urlaub usw); insbesondere alle Arbeitsbedingungen, an die die S-Bahn GmbH durch Tarifverträge gebunden ist.

Diese Regel existiert auch bei Ausgliederungen. Trotzdem kämpfen seit Jahren die Beschäftigten der ausgegliederten Töchter von Vivantes und der Charité zäh und ausdauernd für eine Rückkehr zur Mutter[7]Der Kampf der Kolleginnen und Kollegen im Botanischen Garten um ihre Rückkehr zur Mutter,  der Freien Universität (FU), wird ausführlich beschrieben in dem Buch „Der Aufstand der Töchter“ in … Continue reading. Denn diese Regel zum Betriebsübergang kann  nicht verhindern, dass der neue Betreiber den Betrieb dadurch billiger macht, dass er an den Arbeitskräften spart. Die Lohneinsparungen ergeben sich vor allem aus der sogenannten „natürlichen Fluktuation“. Jede Arbeitskraft, die den ausgegliederten Betrieb verlässt, wird entweder überhaupt nicht ersetzt oder durch eine neue billigere Arbeitskraft ersetzt. Es sind vor allem diese Billigarbeitskräfte, die sich für die Rückkehr zur Mutter einsetzen.

  • Der Austausch der von übernommenen Arbeitskräften der S-Bahn GmbH durch billigere Arbeitskräfte wird durch die Tariftreue abgemildert, aber nicht beseitigt.

Tariftreue heißt: Der neue Betreiber muss auch für die Tätigkeiten, die er von der S-Bahn GmbH übernommen hat (Betrieb und Wartung), Arbeitsbedingungen garantieren, die vorher bei der S-Bahn GmbH galten. Dadurch wird es dem neuen Betreiber erschwert, die von der S-Bahn GmbH übernommenen Arbeitskräfte durch billigere Arbeitskräfte auszutauschen.

Tariftreue heißt nicht Tarifbindung. Tarifbindung oder Tarifgebundenheit[8] § 2 Abs. 1 TVG heißt: Das tarifgebundene Unternehmen sind zur Einhaltung bestimmter Arbeitsbedingungen, z.B. Löhne, Arbeitszeit, Urlaub verpflichtet, weil es entweder selbst einen Tarifvertrag mit der Gewerkschaft vereinbart hat oder Mitglied eines Unternehmerverbandes ist, der diesen Tarifvertrag mit den Gewerkschaften abgeschlossen hat[9] § 2 Abs. 1 TVG. Dann haben die Gewerkschaftsmitglieder dises Unternehmens unmittelbar und zwingend[10]§ 4 Abs. 1 TVG einen Anspruch auf diese Leistungen aus Tarifvertrag.

Der neue Betreiber der S-Bahn muss nicht tarifgebunden und damit auch nicht gegenüber der Gewerkschaft verpflichtet sein wie die tarifgebundene S-Bahn GmbH. Stattdessen müssen die neuen Betreiber nur einen Vertrag mit dem Staat unterschreiben, der sie zur Einhaltung von Arbeitsbedingungen aus bestimmten Tarifverträgen zwingt[11]§ 10 BerlAVG lautet:„Öffentliche PersonennahverkehrsdiensteUnbeschadet etwaiger weitergehender Anforderungen nach § 128 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vergeben öffentliche Auftraggeber … Continue reading.

Tariftreue ist eine Sonderregelung bei der Ausschreibung von öffentlichen Personennahverkehrsdiensten (ÖPNVdiensten)[12]Die einschlägigen Regeln zur Tariftreue finden sich im Berliner Auftrags – und Vergabegesetz (BerlAVG), GVBl. 2020, 276. Das geänderte BerlAVG trat am 1. Mai 2020 in Kraft. Es gilt für alle … Continue reading. Bei einer Ausgliederung wie z.B. der werkseigenen Kantine bei Daimler in Berlin-Marienfelde geht ebenfalls die Bindung an die bisherigen Tarifverträge verloren, aber der neue Betreiber wird nicht zur Tariftreue verpflichtet.

Tariftreue heißt nach dem Gesetz nicht, dass sich die Fremdfirmen an die  Arbeitsbedingungen aus allen Tarifverträgen halten müssen, an die die S-Bahn GmbH gebunden ist, sondern nur an Arbeitsbedingungen aus bestimmten Tarifverträgen. Im Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz (BerlAVG) ist ausdrücklich festgelegt, dass die „öffentlichen Auftraggeber in der Bekanntmachung der Ausschreibung sowie in den Vergabeunterlagen die einschlägigen Tarifverträge bestimmen“, an die sich Firmen halten müssen, wenn sie  den Zuschlag bekommen wollen[13]In der Begründung zu den Änderungen des BerlAVG heißt es: „Das Land Berlin wird die Tariftreuespielräume des Europarechts ausnutzen. Das bedeutet, dass nicht nur die Einhaltung … Continue reading). Die Entscheidung, welche Tarifverträge die Tariftreue umfasst, ist „nach billigem Ermessen“ zu treffen[14][14]  siehe in § 10 BerlAVGl: „Die öffentlichen Auftraggeber bestimmen in der Bekanntmachung der Ausschreibung sowie in den Vergabeunterlagen den oder die einschlägigen Tarifverträge nach Satz … Continue reading.

Eine Bestimmung der Tarifverträge, deren Einhaltung in der Ausschreibung vorgegeben wird, fehlt in der Pressemitteilung der Länder Berlin und Brandenburg. Es hätte der folgende einfache  Satz ausgereicht: „Die  Tariftreue nach § 10 Berliner Ausschreibungs- und Vergabe-Gesetz (BerlAVG) umfasst alle Tarifverträge, an die S-Bahn GmbH gebunden ist oder im Laufe  der Dauer des Vertrages über den Auftrag gebunden sein wird“. Dass dieser einfache Satz fehlt, ist kein gutes Zeichen.

4.  Regelungen zur Tariftreue werden in eine Ausschreibung deswegen aufgenommen, weil die Beschäftigten nach einem Betreiberwechsel die Bindung an die bisherigen Tarifverträge verlieren, für die sie viele Jahre gekämpft haben. Den Erhalt dieser Tarifbindung garantiert die Ausschreibung nicht. Tarifverträge sind in Recht gegossene Solidarität, deren Erfolge die von den Ländern Berlin und Brandenburg angeordnete Ausschreibung zerstört. Die Gewerkschaften werden gezwungen, erneut für die Tarifbindung zu kämpfen. Nach 15 Jahren bei einer erneuten Ausschreibung verlieren die Beschäftigten wieder die Tarifbindung. Und alles fängt wieder von vorne an. Das alles ist umso gravierender als damit ein Prozess weiter vorangetrieben wird, der nun schon seit über zwanzig Jahren bundesweit anhält. Seit 1996 ist in Deutschland der Anteil der Beschäftigten mit Flächentarifbindung um über 20 Prozent gesunken, in Westdeutschland von 70 % auf 46 % und in Ostdeutschland von 56 % auf 34 %[15]Susanne Kohaut IAB-Forum v. 13. Mai 2020, https://www.iab-forum.de/tarifbindung-geht-in-westdeutschland-weiter-zurueck/. In Sonntagsreden von Unternehmern und Politik wird gerne über diese Entwicklung hinweggeredet. Tatsächlich aber ist sie das Ergebnis einer Jahre lang bewusst betriebenen Tarifflucht, die die Gewerkschaften zunehmend in Bedrängnis bringt; denn der Abschluss von Tarifverträgen ist das Kerngeschäft der Gewerkschaften. 

5. Die Ausschreibung der S-Bahn öffnet das Tor zur Ungleichbehandlung und Spaltung der Belegschaft. Ein neuer Betreiber der S-Bahn, der nicht tarifgebunden ist, kann Arbeitskräfte für dieselbe Tätigkeit zu ganz unterschiedlichen Arbeitsbedingungen einsetzten, je nachdem, welche Regeln für eine Arbeitskraft gelten: Nur die Regeln der Tariftreue oder die Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs, weil die Arbeitskraft von der S-Bahn GmbH übernommen wurde,  oder keine dieser Regeln, weil die Arbeitskraft auf einem ganz anderen Geschäftsfeld eingesetzt wird und auch nicht von der S-Bahn GmbH übernommen wurde.

Es besteht die Gefahr, dass der jetzt bestehende Betriebsrat in mehrere Betriebsräte aufgespalten wird, die auch nicht über einen GBR oder KBR zusammenarbeiten können. Damit wird die bestehende einheitliche betriebliche Interessenvertretung in der S-Bahn GmbH zerschlagen.

Zu den beiden anfangs gestellten Fragen …

1.  Welche Arbeitskräfte muss ein neuer Betreiber übernehmen und

2.  welche Arbeitsbedingungen muss er einhalten?

…. die Antwort:

Ein neuer Betreiber muss weder alle Arbeitskräfte der S-Bahn GmbH übernehmen noch die Arbeitsbedingungen übernehmen, an die die S-Bahn GmbH durch Tarifverträge gebunden ist. Schon gar nicht muss sich ein neuer  Betreiber an die Tarife binden, an die die S-Bahn GmbH gebunden ist.

Privatisierung durch Ausschreibung

Ein Nachteil für die Beschäftigten in privaten Unternehmen ist, dass sie weniger Möglichkeiten haben, politischen Druck auf die Eigentümerseite auszuüben. Regierung und Abgeordnete werden gewählt und müssen sich in der Öffentlichkeit rechtfertigen – auch für die Unternehmen in staatlicher Hand. Wie jeder andere Eigentümer kann auch der Staat als Eigentümer die Weichen im Unternehmen stellen. Sind Unternehmen aber nicht mehr in staatlicher Hand, entfällt diese Möglichkeit der Einflussnahme.

Wir kehren zurück zu dem Beispiel am Beginn unseres Vortrags: Der werkseigenen Kantine im Daimler Werk in Berlin-Marienfelde. Es gibt eine Unterschied zwischen dem Kantinenbetrieb und dem S-Bahn Betrieb: Der werkeigene Kantinenbetrieb wird von der Daimler AG betrieben, während der S-Bahn Betrieb nicht unter der Regie einer landeseigenen Einrichtung betrieben wird. Viel wichtigere Unterschied ist aber ein anderer Unterschied: Während das Daimler Werk und der werkeigene Kantinenbetrieb nie etwas anderes war als ein Privat-Unternehmen, ist der S-Bahnbetrieb in staatlicher Hand. Die S-Bahn GmbH hat zwar die privatrechtliche Rechtsform der GmbH und ist damit formell privatisiert, aber nicht materiell; denn ihre Gesellschafteranteile gehören zu 100 % der Deutschen Bahn AG und die Aktien der Deutschen Bahn AG sind immer noch in staatlichen Händen. Das Kapital konnte also bisher diesen ÖPNVdienst nicht seinen Verwertungsinteressen unterwerfen.

Genau das zu ändern ist die Funktion der Ausschreibungsvorschriften für die ÖPNVdienste. Dabei hatten Ausschreibungen ursprünglich  nur die Aufgabe, eine sparsame Führung öffentlicher Haushalte sicherzustellen bei dem staatlichen Einkauf von Waren und Dienstleistungen, die nicht in öffentlicher Regie hergestellt werden. Dadurch, dass das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) auch die Ausschreibung von ÖPNVdiensten vorschreibt[16]§ 131 GWB und BGH X ZB 4/10 aus dem Jahr 2011; nach EU Recht wäre eine Direktvergabe an einen externen Bewerber (vorliegend die S-Bahn GmbH) möglich; vgl. Felix Thoma, Onlineartikel v. 16.4.2020 … Continue reading, wird die Ausschreibung ein Türöffner zu deren Privatisierung. Denn eine Ausschreibung bietet den ÖPNVdienst allen an, auch privaten Unternehmen. Wenn das die Ausschreibung gewinnt, werden Betrieb und Wartung der S-Bahn-Netzteile aus der Hand der die S-Bahn GmbH in die Hand des Kapitals gegeben. Es ist zwar nicht akzeptabel, dass die S-Bahn GmbH Gewinne erwirtschaftet, es ist aber nicht gleichgültig, ob diese Gewinne in die Hände eines neuen privaten Betreibers fließen oder an die DB AG abgeführt werden, solange die DB AG dem Staat gehört.

Die Ergebnisse nach HGB, die die S-Bahn GmbH vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2019 an die Deutsche Bahn AG abführte[17] Anhang des Berichts des Verkehrsministeriums zur  Sitzung des Verkehrsausschusses am 17.06.2020: 

     Ergebnisse der S-Bahn GmbH

Jahr                 Mio EURO
2000    29
2001      8
2002    17
2003      3
2004    -4
2005      9
2006    34
2007    34
2008    56
2009   -93
2010 -222
2011   -42
2012     -7
2013    43
2014    54
2015    67
2016    71
2017    70
2018    49
2019    41     

                     +217 Mio EURO

Bilanz:

Was dem Kapital gegeben wird, wird den Lohnabhängigen, den Ländern Berlin und Brandenburg und der Deutschen Bahn genommen

Was tun?

Es wird versucht, das GWB zu ändern, so dass wieder eine Direktvergabe des  Betriebs und der Wartung der S-Bahn an die S-Bahn GmbH möglich wird. Ob eine entsprechende Bundesratsinitiative Erfolg verspricht oder sich entsprechende Mehrheit im Bundestag finden lassen, ist allerdings mehr als fraglich.

Realistischer wäre eher ein Vorgehen im Rahmen des GWB: Entweder indem gesichert wird, dass die Ausschreibung die S-Bahn GmbH gewinnt oder indem eine Ausnahmereglung des GWB gezogen wird: Das wäre der Betrieb der S-Bahn über ein staatliches Bahn-Unternehmen, in dem der Einfluss der Länder Berlin und Brandenburg so groß ist, dass die Ländern Berlin und Brandenburg  Betrieb und Wartung der S-Bahn ohne Ausschreibung direkt an dieses Unternehmen vergeben können und die Bindung dieses Unternehmens an alle Tarife gesichert wird, an die die S-Bahn GmbH gebunden ist. Eine Beteiligung der Deutschen Bahn AG wäre denkbar und wünschenswert. Dass sich aber die DB AG auf einen solchen Deal einlässt, dazu sind nicht nur Verhandlungen, sondern auch ein entsprechender öffentlicher Druck notwendig. Jedenfalls müssten die Länder Berlin und Brandenburg zunächst bereit sein, das Ausschreibungsverfahren abzubrechen. Das ist auch noch möglich, wenn die Ausschreibung schon veröffentlicht ist. Aber auch das wird nicht ohne entsprechenden erheblichen öffentlichen Druck durchzusetzen sein.     

23. Juni 2020

Benedikt Hopmann

Rechtsanwalt 

Quellen zur vorliegenden Darstellung und zur Darstellung vom 23.5.2020:


References

References
1 Pressemitteilungen des Senats vom 26.5. und 2.5.2020
2 Protokollerklärung zur Senatsvorlage „Vergabe sowie von Fahrzeuglieferungs- und Instandhaltungsleistungen für die Teilnetze Nord-Süd und Stadtbahn der Berliner S-Bahn“ (S-3279/2020)
3 https://ted.europa.eu/udl?uri=TED:NOTICE:282656-2020:TEXT:DE:HTML&tabId=1
4 siehe § 131 Abs. 3 GWB, wo unter Verweis auf die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 die Rechtsfolgen des § 613 a BGB als Sollvorschrift für die Arbeitskräfte enthalten sind, die „für die Erbringung der übergehenden Verkehrsdienstleistungen unmittelbar erforderlich sind“ (Hervorhebung durch Verfasser). Der Kreis der von den Regeln des Betriebsübergangs (§613a BGB) erfassten Arbeitskräfte wird also noch weiter eingeschränkt als nach der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 vorgesehen. Artikel 4 Absatz 5 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007: „Unbeschadet des nationalen Rechts und des Gemeinschaftsrechts, einschließlich Tarifverträge zwischen den Sozialpartnern, kann die zuständige Behörde den ausgewählten Betreiber eines öffentlichen Dienstes verpflichten, den Arbeitnehmern, die zuvor zur Erbringung der Dienste eingestellt wurden, die Rechte zu gewähren, auf die sie Anspruch hätten, wenn ein Übergang im Sinne der Richtlinie 2001/23/EG erfolgt wäre. Verpflichtet die zuständige Behörde die Betreiber eines öffentlichen Dienstes, bestimmte Sozialstandards einzuhalten, so werden in den Unterlagen des wettbewerblichen Vergabeverfahrens und den öffentlichen Dienstleistungsaufträgen die betreffenden Arbeitnehmer aufgeführt und transparente Angaben zu ihren vertraglichen Rechten und zu den Bedingungen gemacht, unter denen sie als in einem Verhältnis zu den betreffenden Diensten stehend gelten“.; die Richtlinie 2001/23/EG ist vergleichbar mit § 613 a BGB
5 Pressemitteilung der EVG vom 18. Mai 2020
6 In § 10 Satz 3 BerlAVG, wird darauf hingewiesen, dass „die Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 23.Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße …zu beachten“ sind. Nach Artikel 4 Absatz 5 dieser Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 können die  Rechtsfolgen des 613 a BGB bei Betreiberwechsel angeordnet werden. Auf die Voraussetzung eines Betriebsübergangs oder Betriebsteilübergangs kommt es nicht an. Nach § 131 Abs. 3 GWB, wo auf die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 verwiesen wird, sollen die Rechtsfolgen des § 613 a BGB für die übernommenen Arbeitskräfte gelten. Eine Mussvorschrift gibt es also nirgendwo. Schon aus diesem Grund ist es notwendig, in der Ausschreibung bzw. in den Vergabeunterlagen für alle übernommenen Arbeitskräfte auch die Übernahme aller bisherigen Arbeitsbedingungen vorzuschreiben.
7 Der Kampf der Kolleginnen und Kollegen im Botanischen Garten um ihre Rückkehr zur Mutter,  der Freien Universität (FU), wird ausführlich beschrieben in dem Buch „Der Aufstand der Töchter“ in der Reihe WIDERSTÄNDIG. Zum Buch der Beschäftigten der CPPZ über ihren Kampf zurück zur Mutter Charité wird demnächst ebenfalls ein kleines Buch in der Reihe WIDERSTÄNDIG erscheinen.
8 § 2 Abs. 1 TVG
9 § 2 Abs. 1 TVG
10 § 4 Abs. 1 TVG
11 § 10 BerlAVG lautet:
„Öffentliche Personennahverkehrsdienste
Unbeschadet etwaiger weitergehender Anforderungen nach § 128 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vergeben öffentliche Auftraggeber gemäß § 2 Aufträge über öffentliche Personennahverkehrsdienste, wenn sich die Auftragnehmer bei der Angebotsabgabe verpflichten, ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (ohne Auszubildende) bei der Ausführung dieser Dienste mindestens nach den hierfür jeweils geltenden Entgelttarifen zu entlohnen. Die öffentlichen Auftraggeber bestimmen in der Bekanntmachung der Ausschreibung sowie in den Vergabeunterlagen den oder die einschlägigen Tarifverträge nach Satz 1 nach billigem Ermessen und vereinbaren eine dementsprechende Lohngleitklausel für den Fall einer Änderung der Tarifverträge während der Vertragslaufzeit. Außerdem sind insbesondere die Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (Abl. L 315 vom 3. Dezember 2007, S. 1) zu beachten“.
12 Die einschlägigen Regeln zur Tariftreue finden sich im Berliner Auftrags – und Vergabegesetz (BerlAVG), GVBl. 2020, 276. Das geänderte BerlAVG trat am 1. Mai 2020 in Kraft. Es gilt für alle Vergabeverfahren, die ab dem 1. Mai 2020 begonnen werden. Am 2. April 2020 hatte das Berliner Abgeordnetenhaus dieses Gesetz in der Fassung der Vorlage zur Beschlussfassung  – Drucksache 18/2538 – angenommen Die Regelungen zur Tariftreue finden sich also nicht im GWB, sondern in den Ländergesetzen, die dafür auch die Zuständigkeit haben, da diese „Regelungen unter das Recht der Wirtschaft nach Art. 74 Absatz 1 Nr. 11 GG fallen und nach Art. 70 GG i.V.m. Art. 72 Absatz 2 GG der Bund im Rahmen dieser konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz den hier vorliegenden Regelungsgegenstand nicht abschließend gesetzlich geregelt hat (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11.07.2006 – 1 BvL 4/00)“ – so wörtlich die Begründung zu § 9 BerlAVG. Das Kapital entzieht sich in den letzten 20 Jahren nicht nur immer mehr der Tarifbindung, sondern hat selbstverständlich auch kein Interesse an Auflagen zur Tariftreue, die in einem über viele Jahre andauernden Konflikt gegen das Kapital durchgesetzt wurden.
13 In der Begründung zu den Änderungen des BerlAVG heißt es: „Das Land Berlin wird die Tariftreuespielräume des Europarechts ausnutzen. Das bedeutet, dass nicht nur die Einhaltung allgemeinverbindlicher Tarifverträge bei der Ausführung öffentlicher Aufträge verlangt wird. Vielmehr werden nach Ablauf der Umsetzungssperre für die Maßnahmen der Arbeitnehmerentsenderichtlinie vom 28. Juni 2018 Aufträge nur noch an Unternehmen vergeben, die auch die in Berlin geltenden allgemein wirksamen Tarifverträge für ihre mit der Auftragsausführung betrauten Beschäftigten einhalten, sofern die dafür erforderlichen technischen und organisatorischen Vorkehrungen getroffen sind. Hierzu werden Ausführungsbestimmungen über das Verfahren zur Feststellung sowie über die Bekanntgabe der jeweils anwendbaren Tarifverträge erlassen, die als allgemein wirksam anzusehen sind. Damit wird gewährleistet, dass die Bieter in unmissverständlicher Weise nachvollziehen können, welche Entlohnung vertraglich vereinbart wird“ (aus der Begründung in: Drucksache 18/2538
14 [14]  siehe in § 10 BerlAVGl: „Die öffentlichen Auftraggeber bestimmen in der Bekanntmachung der Ausschreibung sowie in den Vergabeunterlagen den oder die einschlägigen Tarifverträge nach Satz 1 nach billigem Ermessen und vereinbaren eine dementsprechende Lohngleitklausel für den Fall einer Änderung der Tarifverträge während der Vertragslaufzeit“
15 Susanne Kohaut IAB-Forum v. 13. Mai 2020, https://www.iab-forum.de/tarifbindung-geht-in-westdeutschland-weiter-zurueck/
16 § 131 GWB und BGH X ZB 4/10 aus dem Jahr 2011; nach EU Recht wäre eine Direktvergabe an einen externen Bewerber (vorliegend die S-Bahn GmbH) möglich; vgl. Felix Thoma, Onlineartikel v. 16.4.2020 zur S-Bahn-Zukunft: https://www.zukunft-mobilitaet.net/171299/analyse/zukunft-s-bahn-berlin-ausschreibung-alternativkonzepte-landeseigentum
17 Anhang des Berichts des Verkehrsministeriums zur  Sitzung des Verkehrsausschusses am 17.06.2020

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