Die Kreisvereinigung der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN/BdA) hat gemeinsam mit der Antifaschistischen Erholungs- und Begegnungsstätte Heideruh in Buchholz/ Nordheide eine „Tagesgedenkstättenfahrt nach Wolfenbüttel“ am Sonntag, dem 19. Juni 2022 durchgeführt.
Pünktlich um 08.00 Uhr ging es von Berliner-Ostbahnhof mit dem Bus, vom „Solibus e. V.“ in Richtung Wolfenbüttel. Dieses Busunternehmen ist kein gewöhnliches- und kommerzielles Unternehmen, man kann sich den Bus nur auf Anfragen buchen.
Das Soli-Bus Projekt wurde 2019 gestartet und versteht sich als Teil einer politischen, sozialen Struktur, die eine gemeinschaftliche Mobilität und Teilhabe an bundes- und europaweiten Aktivitäten ermöglicht. Wer mehr hierüber Wissen möchte, schaut hier rein.
Foto: Ingo Müller, 19.06.2022
Dort angekommen wurden wir von Gedenkstättenleiterin Martina Staats, Robert Heldt und Bea Trampenau begrüßt. Sie führten uns durch die Gedenkstätte. Bea Trampenau ist heute Geschäftsführerin der antifaschistischen Erholungs- und Begegnungsstätte Heideruh. Sie berichtet über ihren Vater und seinen Aufenthalt in Wolfenbüttel im April 1945. Es waren 7 Tage, die die 12 Jahre Einzelhaft in Harburg, Hannover und Celle davor in den Schatten stellten ….
Die Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel ist eine Stiftung niedersächsische Gedenkstätten und befindet sich am historischen Ort des ehemaligen Strafgefängnisses Wolfenbüttel, mit einer 1937 eingerichteten Hinrichtungsstätte. Hier wurden von 1937 bis 1945 über 500 Menschen durch das Fallbeil ermordet. Die Gedenkstätte, die sich direkt in der JVA Wolfenbüttel befindet, thematisiert die Geschichte von Justiz und Strafvollzug im Nationalismus. Sie wurde im November 2019 um ein Dokumentationszentrum mit einer multimedialen Dauerausstellung erweitert. Das Doku-Zentrum trägt den Titel:
„Recht. Verbrechen. Folgen. Das Strafgefängnis Wolfenbüttel im Nationalsozialismus.“ [1]https://www.stiftung-ng.de/en/news/news-detailseite/news/detail/News/recht-verbrechen-folgen-in-wolfenbuettel-wurde-die-zentrale-gedenkstaette-zu-justiz-und-strafvoll/
Sie dokumentiert das historische Geschehen im Strafgefängnis sowie die Kontinuitäten und Brüche in der frühen Bundesrepublik, die Entwicklung der Gedenkstätte und die Auswirkungen von Verfolgung, Haft und Hinrichtung für Angehörige bis heute.
Folgender Beitrag zur „Tagesgedenkstättenfahrt“ schrieb Frieder Böhne, Mitglied der VVN-BdA.
Unsere Gedenkstättenfahrt zur JVA Wolfenbüttel am 19. Juni 2022
Eigentlich hatten wir diese Fahrt schon für 2020 geplant. Doch wegen der Corona-Pandemie konnten wir in den letzten beiden Jahren keine Gedenkstättenfahrt organisieren.
Wolfenbüttel, 13km südlich von Braunschweig gelegen, ist durch seine Altstadt und als Lessing-Stadt bekannt. Dass sich hier auch ein Zuchthaus und in der Zeit des Faschismus eine Hinrichtungsstätte befand, erfuhr eine breitere Öffentlichkeit erst in den letzten zwanzig Jahren.
Über 500 Todesurteile wurden hier vollstreckt, davon fast die Hälfte an sogenannten Nacht- und Nebelgefangenen und Zwangsarbeitern aus den von den Faschisten eroberten Gebieten. Daneben saßen hier weitere tausende Opfer der Nazijustiz ihre Haftstrafen ab, darunter viele politische Häftlinge, Kommunisten, Sozialdemokraten, aber auch sogenannte Wehrkraftzersetzer, Feindbegünstiger, Arbeitsscheue und Schwule.
Bea Trampenau, Geschäftsführerin der antifaschistischen Begegnungsstätte Heideruh, mit der wir gemeinsam diese Fahrt durchführte, stellte in einem sehr persönlichen Vortrag das Leben ihres Vaters Richard Trampenau vor, der von 1933 bis 1945 in verschiedenen Zuchthäusern gefangen war und zuletzt in Wolfenbüttel Schrecken und Grausamkeit eines in aussichtsloser Lage befindlichen Mordsystems erleiden musste. Es waren 7 Tage, die die 12 Jahre Einzelhaft in Harburg, Hannover und Celle davor in den Schatten stellten.
Anschließend führte uns die Leiterin der Gedenkstätte durch die neu konzipierte und 2019 eröffnete Ausstellung. Eine Besonderheit dieser Ausstellung ist, dass hier nicht nur die Verbrechen der Faschisten, sondern auch die Kontinuitäten in der Nachkriegszeit thematisiert werden. Über 100 Kommunisten waren hier in den 50ger und 60ger Jahren wegen illegaler Betätigung nach dem KPD-Verbot inhaftiert, oftmals verurteilt von denen, die auch schon vor 1945 in der Justiz tätig waren.
Weitere Informationen zur Gedenkstätte und Zuchthaus:
https://wolfenbuettel.stiftung-ng.de/de/