Dokumentation über Wirken und Einfluss von Alt-Nazis in der BRD ab 1949

In Zuge der Digitalisierung von Unterlagen, Dokumente, Zeitschriften und Broschüren [1] durch meine ehrenamtl. Mitarbeit im Archiv der VVN-VdA sind wir auf erschreckende Zustände in der jungen Bundesrepublik gestoßen, angefangen eigentlich bereits kurz nach dem Ende der Schreckensherrschaft des dt. Faschismus mit vielen Millionen von Toten, bis in den späten 1970-ziger beim Umgang mit Alt-Nazis.

Wir müssen uns nicht wundern, dass in der heutigen Zeit der Rechtsruck immer stärker wird. Wenn wir heute davon reden, dass wir dem Faschismus keine Tür öffnen wollen und ein Verbot der AfD fordern, kann ich (Anm. der Verfasser) nur sagen, dass dies bereits viel zu spät ist.

Wer sich die Geschichte des Umgangs mit den Nazi-Verbrechern anschaut, wird erkennen, dass in der BRD alles Mögliche getan wurde, um diese zu schonen bzw. wieder in Amt und Würden einzusetzen.

So wurden u. a. Prozesse gegen Verantwortlichen dieses faschistischen Systems verschleppt, nicht weiterverfolgt, nicht durchgeführt oder die Angeklagten konnten während den Verhandlungen nach Hause gehen oder wurde mir sehr geringen Strafen verurteilt.

Dies wurde in vielen Aussagen von Betroffenen, Überlebenden der KZ´s, Gerichtsreportagen, Zeitzeugen und sogenannte Nazi-Jäger mit Dokumenten und Zeugenaussagen belegt.

Anhand von Tonaufzeichnungen, Broschüren, Artikeln aus Zeitschriften (u.a.  aus „Der Mahnruf“), Ausschnitten aus Akten (natürlich unter Einhaltung des Datenschutzes) und anderen Materialien ist eine kleine Dokumentation, in Form von einer Aufstellung vorhandenen Dokumente aus dem Archiv, entstanden.


Inhaltsverzeichnis

  1. Nazi-Jäger
    1. Fritz Bauer
    2. Beate Klarsfeld
    3. Peter Neuhof
  2. Broschüren zur Aufdeckung
  3. Weiterführende Artikel/Hinweise
    1. 75 Jahre Grundgesetz und 52 Jahre Radikalerlass

Nazi-Jäger

Ein Nazi-Jäger ist eine Person, die Informationen über mutmaßliche ehemalige Nazis oder SS-Mitglieder und Nazi-Kollaborateure, die am Holocaust beteiligt waren, aufspürt und sammelt, typischerweise zur Verwendung vor Gericht wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. 

Fritz Bauer

Einer der aufrichtigsten, seinen Prinzipien treugeblieben, obwohl er ständig mit schiefen Augen von seinen Kollegen angeschaut wurde, arbeitete er in der Höhle des Teufels um der Gerechtigkeitswillen Nazi-Verbrechen und die Täter des Holocaust aufzudecken und vor dem Richter zu bringen. Ich rede hier von den Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (1903-1968)

Sein Verdienst ist es, dass der berüchtigte Adolf Eichmann [2] Während der Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges leitete er in Berlin das „Eichmannreferat“. Diese zentrale Dienststelle … Continue reading durch die Entführung von Eichmann nach Israel zu seiner gerechten Strafe kam und die Auschwitzprozesse den Lauf nahmen. Dadurch gewann den Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 eine positive Neubewertung.

Fritz Bauer in seinem Amtszimmer im Frankfurter Landgericht, 1965.
© Stefan Moses, München


Beate Klarsfeld

Die berühmteste Ohrfeige in der deutschen Zeitgeschichte 
Es ist der 7. November 1968. Eine Frau ohrfeigt in aller Öffentlichkeit den deutschen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger und bezeichnet ihn als „Nazi“. Diese Frau ist Beate Klarsfeld und diese Ohrfeige steht für ihr jahrzehntelanges Engagement im Kampf gegen alte und neue Nazis. Zusammen mit ihrem Mann Serge hat sie sich der Jagd nach Kriegsverbrechern verschrieben, die sie über Kontinente hinweg aufspürt. Diese Graphic Novel erzählt nicht nur die Geschichte der Ohrfeige, sondern auch die von Beate und Serge Klarsfeld und ihrer Jagd nach Gerechtigkeit. Sie ist eine mutige Frau, die vor Gefahren für sich selbst nicht zurückschreckte und die unbeirrt ihren Weg fortgesetzt hat. Gegen staatliche und persönliche Widerstände ankämpfend, hat sie nie akzeptiert, dass manche NS-Kriegsverbrecher einfach so davonkommen sollten. Ihr größter Erfolg war der Prozess gegen Klaus Barbie, den „Schlächter von Lyon“.

Fotorechte: VVN-VdA, Archiv


Peter Neuhof

Peter Neuhof

ist ein deutscher Journalist. Als Sohn der kommunistisch-jüdischen Widerstandskämpfer Karl und Gertrud Neuhof war er ab seiner frühen Jugend Betroffener der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Während des Kalten Krieges war er als West-Berliner Korrespondent für den Rundfunk der DDR ein außergewöhnlicher Grenzgänger. Heute ist er einer der letzten Zeitzeugen für den Terror im und den Widerstand gegen das NS-Regime.

Weitere Infos über Peter

Foto: Ingo Müller


Das sind nur drei Zeugen, die sich um Kampf für die Aufdeckung und Bestrafung von Nazi-Verbrechern ihr ganze Kraft eingesetzt haben. Es gibt viele Dokumente darüber, die überall in den Archiven verteilt sind. Meine Arbeit wird es sein, Dokumente aus unserem Archiv aufzuspüren, damit dieses dunkle Kapitel sich nie wiederholt.

„Die Trümmer des Hitler – Krieges sind längst weggeschafft, die
zerstörten Städte wieder aufgebaut. Aber! Der Schutt der
Vergangenheit ist in Köpfen noch immer oder schon wieder
vorhanden. Der Weg von Buchwald ist immer noch nicht zu
Ende. Deshalb: Getreu unserem Schwur: Lasst uns ihn
gemeinsam, solidarisch weitergehen“ [3]Peter Neuhof: Auszug aus seiner Rede bei einer Soli-Veranstaltung des DGB gegen die Aberkennung des Status der Gemeinnützigkeit des VVN-BdA, … Continue reading


Broschüren zur Aufdeckung

  • Das ABC des deutschen Militarismus
    Hier sprechen Tatsachen um die Menschen zum Handeln zu bewegen. Zu diesem Zwecke wurde diese Schrift zusammengestellt, getragen von der Verantwortung gegenüber den Toten des … Weiterlesen
  • Bonn – Zentrum des Militarismus, der Kriegs- und Rassenhetze
    Die Verantwortung der Adenauer-Regierung für die nazistisch-antisemitischen Exzesse Broschüre: 1960 Bonn – MilitarismusStandort: GDW-ArchivraumVerfasser: Eine Dokumentation Auszug aus der Dokumentation: Vorbemerkungen: „Die friedliebenden Menschen verurteilen … Weiterlesen
  • Der Fall Lischka
    Dokumentation eines öffentlichen Skandals. “In Köln soll ein Prozeß gegen die Antifaschistin Beate Klarsfeld wegen ” Nötigung, gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und wegen Verstoßes gegen das … Weiterlesen
  • Judenmörder und Kriegsverbrecher am Hebel der Macht in der Bundesrepublik
    Standort: GDW-ArchivraumTitel: Judenmörder und Kriegsverbrecher am Hebel der Macht in der BundesrepublikUntertitel: DokumentationAuftraggeber: Ausschuss für Deutsche Einheit und der Vereinigung Demokratischer Juristen DeutschlandsLaufzeit/Datierung/Jahr: 11.1956 Auszug … Weiterlesen
  • Freislers Geist in Bonns Gesinnungsstrafrecht
    Die Experten der faschistischen Terrorjustiz sind die Fabriken der westdeutschen “ Strafrechtsreform“ Die Bonner Justizbürokratie ist ein Hort belasteter Nazis und Kriegsverbrecher Auftraggeber: Ausschuss für … Weiterlesen

Weiterführende Artikel/Hinweise

  • 13.10.2024: Mahnwache in Gedenken an die getöteten palästinensischen Kinder während des Gazakriegs
    Lesung der Namen der verstorbenen Kinder in Berlin, Unter den Linden 4 | Diese Seite ist Ohne Worte – Nur Trauer und Wut beherrschen den Augenblick
  • SS-Prozess: Sendungen ab 17.05.1969 „Berliner Welle“
    Hier veröffentlichen wir das Manuskript, das Peter Neuhof dem Archiv zur Verfügung gestellt hat. Diese Sendung wurde am 17. Mai 1969 in der „Berliner Welle“ unter dem Thema: Aktuelle Politik ausgestrahlt. Das Manuskript habe ich in mehrere Abschnitte getrennt, damit das 52-seitige Manuskript ausführlicher zu lesen ist. Ganz zum Schluss ist dann die vollständige PDF-Datei … Weiterlesen
  • Peter Neuhof
    ist ein deutscher Journalist. Als Sohn der kommunistisch-jüdischen Widerstandskämpfer Karl und Gertrud Neuhof war er ab seiner frühen Jugend Betroffener der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Während des Kalten Krieges war er als West-Berliner Korrespondent für den Rundfunk der DDR ein außergewöhnlicher Grenzgänger. Heute ist er einer der letzten Zeitzeugen für den Terror im und den Widerstand gegen das NS-Regime. Auf dieser Seite stellen wir Dokumente/Gespräche von und mit Peter Neuhof vor. Dabei handelt es sich … Weiterlesen
  • „Ich war ein Verfolgter des NS-Regimes“
    Konrad Adenauers Narrative nach der Niederlage des NS-Regimes Gastautor: Werner Rügemer „Ich war ein Verfolgter des NS-Regimes“ – mit diesem Narrativ trat Konrad Adenauer nach Ende des NS-Regimes in der Öffentlichkeit auf. So erzählt es auch heute die Konrad Adenauer-Stiftung. Aber der spätere CDU-Vorsitzende und Bundeskanzler war kein Verfolgter des NS-Regimes. Im Gegenteil. Adenauer, führendes … Weiterlesen
  • Ein frommer Nazi erhält: 100 000 DM
    Auf dieser Seite wird aufgezeigt, wie gut es Nazi-Verbrecher in der BRD geht und im Gegenzug dazu müssen deren Opfern für jeden Pfennig, der ihnen zusteht, jahrelang kämpfen müssen. Es werden hier Dokumente aus dem Archiv der VVN-Vda-Westberlin zur Dokumentation benutzt.[1]https://www.lto.de/recht/feuilleton/f/131er-gesetz-ns-beamte-nachkriegszeit-bgh-bverfg-literatur-streit Quelle Beitragsbild: Foto: Bundesarchiv, Bild 192-014 / CC-BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons Verwaltungsgericht begünstigt einen „Alten … Weiterlesen
  • Moabit, Saal 700
    Moabit, Saal 700 – Eine Funkdokumentation von Peter Neuhof und Peter Burau aus dem Jahr 1969. Kurze Einleitung In dieser Funkdokumentation wird aufgezeigt, wie die Bundesdeutsche Justiz, insbesondere hier die Westberliner es nicht so ernst meinten mit der Verfolgung und Bestrafung von NAZI-Kriegsverbrecher und berichten über die Greultaten der Angeklagten Peter Neuhof und Peter Burau. … Weiterlesen
  • Aktualisiert 20.08.2024″Die Bundesrepublik ist ein Asylland für Nazi-Mörder“
    Aus der Dokumentation: „Das Tribunal – Mord am Bullenhuser Damm“ 1986 (Audio) Die Opfer (Audio) Persönliches Vorwort vom Verfasser: Diese Dokumentation zeigt, wie abscheulich, erwachsende Menschen sich gegenüber Kinder verhalten haben und es schildert ebenfalls, wie die westdeutsche Justiz die weiteren Verantwortlichen vor der Bestrafung schützte. Mir blieb die Sprache weg und ich kann es … Weiterlesen

75 Jahre Grundgesetz und 52 Jahre Radikalerlass

"75 Jahre Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland waren und sind auch 75 Jahre Angriffe auf demokratische Rechte und Freiheiten. Auch der sog. „Radikalenerlass“ von 1972 war eine eklatante Verletzung der im Grundgesetz verankerten Rechte." Quelle: 

In diesem Zusammenhang ist ein Referat von Prof. Dr. Fritz Eberhard aus dem Jahre 1976, in den weiterführenden Artikel enthalten. Thema dieses Referat lautet: „Wir brauchen Radikale, die den Übeln des Kapitalismus an die Wurzeln gehen“. Hier geht es um das GG, der Fritz Eberhard mit einer der Väter des GG ist. Doch insbesondere referiert er über den „Erlass zur Beschäftigung von Radikalen im öffentlichen Dienst [Radikalenerlass], 28. Januar 1972″ [4]https://www.1000dokumente.de/index.html?c=dokument_de&dokument=0113_ade&object=abstract&st=&l=de

In der anschließenden Diskussion sprach eine Diskussionsrednerin und erwähnte: „das Jahr seit Jahren, schon seit Anfang der 50 Jahre aktive und sogar belastete Nazis im öffentlichen Dienst sitzen, die unter Umständen heute sogar noch die Prüfer sind…, [5]Anm. Verfasser: für den Erlass

Hier die vollständige Redebeitrag:

Zum vollständigen Beitrag:


References

References
1 durch meine ehrenamtl. Mitarbeit im Archiv der VVN-VdA
2  Während der Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges leitete er in Berlin das „Eichmannreferat“. Diese zentrale Dienststelle des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA, mit dem Kürzel IV B 4) organisierte die VerfolgungVertreibung und Deportation von Juden und war mitverantwortlich für die Ermordung von schätzungsweise sechs Millionen Menschen im weitgehend vom NS-Staat besetzten Europa. Im Mai 1960 wurde er von israelischen Agenten aus Argentinien entführt und nach Israel gebracht, wo ihm ein öffentlicher Prozess gemacht wurde. Er wurde zum Tode verurteilt und in der Nacht vom 31. Mai auf den 1. Juni 1962 durch Hängen hingerichtet.
3 Peter Neuhof: Auszug aus seiner Rede bei einer Soli-Veranstaltung des DGB gegen die Aberkennung des Status der Gemeinnützigkeit des VVN-BdA, https://www.gew-berlin.de/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=94942&token=80a775c97df030a8399a1d9bd3c3b48cdeb59595&sdownload=&n=Rede-von-Peter-Neuhof.pdf
4 https://www.1000dokumente.de/index.html?c=dokument_de&dokument=0113_ade&object=abstract&st=&l=de
5 Anm. Verfasser: für den Erlass

Chinas Initiative zum völkervertraglichen Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen aufgreifen!

Die IALANA nimmt heute Stellung zur Initiative Chinas, auf den Ersteinsatz von Atomwaffen zu verzichten:

China hat bislang wiederholt betont, dass es Atomwaffen nur zur Verteidigung entwickelt und stationiert.  

Nunmehr hat der chinesische Vertreter auf dem 2. Vorbereitungstreffen zur 11. Überprüfungskonferenz zum NPT im Juli 2024 vorgeschlagen, alle fünf offiziellen Atomwaffenstaaten USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien sollten vertraglich auf den Ersteinsatz von Atomwaffen verzichten. IALANA fordert die Bundesregierung auf, dieser Forderung zuzustimmen und die Verbündeten USA, Frankreich und Großbritannien aufzufordern, diesem Vorschlag aufzugreifen und derartige Verhandlungen zu beginnen.

Die USA und die NATO weigern sich bisher diesen Schritt zu gehen. Angesichts der wachsenden strategischen Spannungen ist jedoch eine vertrauensschaffende Maßnahme dringend geboten. Ein völkervertraglicher Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen würde das besonders für Deutschland bestehende Risiko eines Atomkrieges erheblich senken.

Ein derartiger Vertrag wäre ein wichtiger, aber nur kleiner Schritt auf dem Wege der vollständigen Abrüstung aller Atomwaffen unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle. Dazu bleiben alle Staaten der Welt, insbesondere aber die Atomwaffenstaaten völkergewohnheitsrechtlich verpflichtet. Der Internationale Gerichtshof hat in seinem auf Ersuchen der UN-Generalversammlung erstatteten Gutachten 1996 die Verpflichtung aus Art. 6 NPT zum universellen Gewohnheitsrecht erklärt. Die Weigerung der Atomwaffenstaaten, derartige Verhandlungen auch nur zu beginnen, ist ein schwerwiegender Verstoß gegen das Völkerrecht.
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Wer ließ den Friedensvertrag zwischen Russland und der Ukraine im Frühjahr 2022 scheitern?

Am 11. und 12. November 2023 veröffentlichten Hajo Funke und Harald Kujath zwei Beiträge in Telepolis, in denen sie detailliert beschreiben und belegen, dass Russland und die Ukraine wenige Wochen nach Beginn des Krieges Verhandlungen über einen Vertrag zur Beendigung des Krieges führten. Diese Verhandlungen waren weit gediehen und wurden auf Drängen von NATO-Staaten unter Führung der USA abgebrochen. Diese Staaten, die das Scheitern der Verhandlungen betrieben haben, sind also in einem erheblichen Ausmaß dafür verantwortlich, dass dieser Krieg bis heute andauert und endlos viele Tote auf Seiten der Ukraine und Russlands gekostet hat. Sie wollten diesen Krieg nicht beenden. Viele scheinen nichts von diesen Verhandlungen zu wissen. Das ist der Grund, warum wir hier noch einmal auf diese beiden Artikel hinweisen:

Hajo Funke, Harald Kujath „Wie ein früher Frieden im Ukrainekrieg scheiterte“ in Telepolis 10. November 2023[1]https://www.telepolis.de/features/Wie-ein-frueher-Frieden-im-Ukraine-Krieg-scheiterte-9363118.html?seite=all

und:

Hajo Funke, Harald Kujath „Wie der Westen auf Diplomatie setzte – und dann die Ukraine in den Krieg führte“ in Telepolis 10. November 2023[2]https://www.telepolis.de/features/Wie-der-Westen-auf-Diplomatie-setzte-und-die-Ukraine-dann-in-den-Krieg-fuehrte-9385191.html?seite=all

44 Jahre „Friko“

Autorin: Jutta Kausch-Henken, 05.08.2024

Foto: Ingo Müller, Jutta während der Veranstaltung: Hiroshima und Nagasaki Gedenktag am 6.August 2024

Inhaltsverzeichnis


45 Jahre NATO-„Nach“rüstung, Impuls für eine starke Friedensbewegung

Vor 45 Jahren forcierte ein sozialdemokratischer Kanzler die Diskussion, US-amerikanische Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper in Deutschland aufzustellen.

Heute ist es wieder ein sozialdemokratischer Kanzler, der einer Stationierung von weitreichenden US-Waffen in Deutschland – einschließlich von Hyperschallraketen –

zustimmt. Beide Male ging es gegen den Osten. 1979 war es die Sowjetunion, „das Reich des Bösen“, heute ist es Russland, ebenfalls das „Reich des Bösen“.

Wie sich das doch alles gleicht!

Wie alles begann

Schon sehr schnell kam es 1980 gegen den „NATO-Doppelbeschluss“ zu ersten Protesten von Menschen, die sehr schnell das Ausmaß der Gefahr erkannten, die von der geplanten Stationierung der US-Raketen und Marschflugkörper ausging.

Im Laufe von drei Jahren entwickelte sich eine Friedensbewegung in Deutschland West, die tatsächlich nicht mehr zu überhören und übersehen war. Bis 1983 wuchs sie stetig.

In Westberlin ging die Initialzündung einer Bündelung der Kräfte vom Antifaschisten und Spanienkämpfer Fritz Teppich aus. Er gründete mit vier Gleichgesinnten aus der Initiative „Gewerkschafter gegen rechts“ eine AG Frieden und rief in Wilmersdorf eine bezirkliche Friedensinitiative ins Leben. In Erinnerung an die Befreiung von Faschismus und dem Ende des 2. Weltkrieges organisierte diese bereits rund um den 8. Mai 1980 eine Friedenswoche, an der sich Mitglieder aus Kirchengruppen, Parteien und Organisationen sowie Künstlerinnen und Künstler beteiligten. Die „Christliche Friedenskonferenz“ rief zu einem Manifest am 10. Mai in die „Neue Welt“ mit einem Programm der „Künstler für den Frieden“, die sich ebenfalls als Initiative zusammen geschlossen hatte. Im Sommer organisierte die „Berliner Initiative für Frieden, internationalen Ausgleich und Sicherheit“ einen offenen Brief für die Ausweitung der Entspannungspolitik statt Konfliktverschärfung und lud zu Veranstaltungen ein. Am 1. September 1980 rief der DGB (!) Bundesvorstand zum Antikriegstag auf. Der Boden war bereitet.

Die Friedenskoordination (FRIKO)

Fritz Teppich warb dafür, in jedem Westberliner Bezirk eine Initiative zu gründen, sowie alle, die sich gegen die NATO – „Nach“rüstung engagierten, miteinander ins Gespräch zu bringen. Dafür schlug er eine regelmäßig stattfindende Aktivbörse vor, eine „Koordination für Friedensaktionen“. Sie bot die Möglichkeit, sich gegenseitig zu informieren, Kräfte zu bündeln und sich gegenseitig zu unterstützen sowie auch gemeinsame Aktionen zu entwickeln. Es gab keine Mitgliedschaft, keine Abstimmungen, es herrschte das Konsensprinzip. Nur so war die Zusammenarbeit von unterschiedlichsten Gruppen, auch mit divergierenden Meinungen in bestimmten Punkten, möglich.

Man traf sich 1x im Monat im „Teppich-Kreis“, wie die „Friedenskoordination“ damals noch salopp genannt wurde, und schon im September 1980 waren weit über 30 Gruppen anwesend. Im Verlauf der Zeit wuchs die Teilnehmerzahl teilweise auf über 150-200, sodass von jeder Gruppe nur 1-2 Personen teilnehmen konnten, um eine Koordination überhaupt noch gewährleisten zu können.

Überall in Westberlin gab es große und kleine Veranstaltungen, durch die FRIKO waren alle Gruppen gut vernetzt und unterstützten sich gegenseitig. Ostermärsche erhielten Zulauf, um den 8. Mai 1982, 1983 bis 1984 kam es zu Höhepunkten einer konzertierten Aktion aller Kräfte: Massenkundgebungen und große Konzerte mit internationaler Besetzung in der Waldbühne und in den Messehallen machten Hoffnung auf ein Leben in Frieden.

Dann fand nach der Wahl Kohls 1983 die Stationierung doch statt, die SPD hatte kurz zuvor die Kurve noch gekriegt und sich auf die Seite der Friedensbewegten geschlagen.

Ende der allgemeinen Euphorie

Die Friedensbewegung begann langsam zu bröckeln. Viele kehrten ihr den Rücken aus Entmutigung, weil sie die Stationierung doch nicht verhindern konnten. Andere zogen sich nach der Wahl Gorbatschows 1985 und dem darauf folgenden INF-Vertrag 1987zurück, weil sie dachten, jetzt geht’s bergauf mit dem Frieden. Gorbatschow und die Amis vertragen sich ja und alles wird gut!

Auch in Westberlin stellten die bezirklichen Friedensinitiativen nach und nach ihre Arbeit ein. Die „Künstler für den Frieden“, die ich mitbegründet hatte, die „Sportler für den Frieden“ und die „Pädagogen für den Frieden“ zogen sich zurück. Auch die gewerkschaftlichen und kirchlichen Gruppen verschwanden. Die Friedenskoordination aber blieb als Struktur lebendig.

Nach der Auflösung der DDR und ihrer Eingliederung in die BRD 1990 gab es tatsächlich eine kurze Zeit der Entspannung. Die „Wiedervereinigung“ verlief scheinbar reibungslos, weil im „Zwei-Plus-Vier-Vertrag“ beide damaligen deutschen Regierungen „ihre Erklärungen (bekräftigen), dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird“ und in der folgenden Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) die teilnehmenden Staaten in der „Charta von Paris“ festhielten, dass „das Zeitalter der Konfrontation und der Teilung Europas … zu Ende gegangen (ist).“ Man glaubte, alle in Europa reichen sich nun die Hände und errichten einen Frieden von Wladiwostok bis Lissabon.

Wie wir heute wissen, war das ein großer Trugschluss! Denn nur wenige Jahre später folgten neue Verteidigungspolitische Richtlinien, die die Beteiligung von Bundeswehr an Auslandseinsätzen erlaubte, die NATO-Osterweiterung und eine massive Aufrüstung.

Die Mühen der Ebene

Die Friedensbewegung wuchs dennoch nicht wieder an. Zum einen, weil viele, vor allem aus dem „Grünen“-Bereich, schon im „anderen Lager“ angekommen waren. Zum anderen begann nach der Auflösung des Sozialistischen Blocks eine Zeit der Individualisierung und Entsolidarisierung. Der Wegfall einer sozialistischen Vision im Westen traf auf Desillusion und Verlust der eigenen Identität im Osten und paralysierte das Lager derjenigen, die bis dahin an die Möglichkeit einer Veränderung durch eigene Kraft geglaubt hatten.

Die Westberliner mussten sich ebenso wie die ehemaligen Bürger der DDR von jetzt auf gleich an ein Zusammenleben gewöhnen, mehr noch als im Rest der Republik. Das soziale Leben veränderte sich und es brauchte eine Zeit, um politisch miteinander in Kontakt zu kommen.

Die FRIKO bot in dieser schwierigen Zeit einen Anlaufpunkt für Friedensbewegte aus Ost und West. Die monatlichen Plena tagten weiter. Nun nicht mehr nur mit mitgliederstarken Gruppen, sondern vermehrt mit Einzelpersönlichkeiten. Es stießen Menschen und Gruppen aus dem Ostteil der Stadt hinzu. So entstand kurzzeitig sogar die Friedensinitiative „Friedrichsberg/Kreuzhain“.

Monatlich kamen über all die Jahre bis heute immer noch mindestens 25 – 30 Personen, wenn die FRIKO einlud, um über friedenspolitische Themen zu sprechen, sich über geplante Aktionen zu verständigen und gemeinsame zu planen. Und immer, wenn es die politische Situation erforderte, initiierten und organisierten die Aktiven der FRIKO Demonstrationen, Aktionen, Kundgebungen.

Sie verstanden sich als diejenigen, die die Glut über die Zeit aufbewahren und schützen, damit das Feuer des Widerstands nicht ausgeht und wieder entfacht werden kann.

Stationen der FRIKO-Arbeit

Einige der Aktionen, die die FRIKO im Laufe ihrer Geschichte durchgeführt hat, möchte ich beschreiben, damit sie nicht in Vergessenheit geraten und weil sie zeigen, wie ambitioniert und unerschütterlich und überaus kreativ gearbeitet wurde, trotz alledem.

So führte die FRIKO 1984/85 die Kampagne „Unsere Stadt gegen Atomwaffen“ durch, bei der sie sich neben einer Unterschriftensammlung massiv in den Wahlkampf einmischte mit Parteienbefragungen zum Thema Atomwaffen.

Sie initiierte die Gründung des Deutsch-Japanischen Friedensforums, das seitdem jedes Jahr zum 8. Mai in Berlin und zum 6. und 9. August in Japan Begegnungen der Bürgerbewegungen durchführt.

Sie entwickelte die Idee und stiftete 1986 – im UNO-Jahr des Friedens – den ersten Friedensfilmpreis im Rahmen der Berlinale, der nun jährlich vergeben wird.

1987 war sie bei der Demo gegen den Besuch von Ronald Reagan aktiv, die im Kessel endete.

Sie organisierte den erstmals von Ost- und Westgruppen gemeinsam getragenen wochenlangen Protest gegen den Golfkrieg Anfang 1991 mit.

Mitte der 90er Jahre führte sie vor der Abstimmung über den sinnlosen Bau des Eurofighters in Berlin an 50 Plätzen der Stadt eine „Volksbefragung“ durch. Ein selbstgebauter Eurofighter aus Pappmaché besuchte dabei mehrere dieser Plätze und wurde publikumswirksam in Hühnerställe umgebaut.

1998 gestaltete sie in der überfüllten Marienkirche am Neptunbrunnen eine musikalisch-szenische Lesung zum 100. Geburtstag von Paul Robeson mit namhaften Künstlerinnen und Künstlern aus Ost und West.

Während des Angriffskrieges gegen Jugoslawien 1999 hielt sie täglich an der Gedächtniskirche eine Mahnwache ab.

2001 begann die Berliner Kampagne „Kriege verhindern – Angriffskräfte auflösen“.

Die FRIKO war maßgeblich bei der Organisierung und Durchführung des Internationalen Tribunals in Berlin gegen die Kriegsverbrechen der NATO tätig und reagierte unmittelbar auf den Angriff der USA und der Koalition der Willigen in Afghanistan mit Aktionen dagegen.

2002 initiierte sie ein breites Bündnis gegen den Bush-Besuch, das sich den Namen „Achse des Friedens“ gab.

2003 war sie bei Vorbereitung und Durchführung der bundesweiten Großemonstration am 15. Februar mit 500.000 Teilnehmern gegen den geplanten Einmarsch im Irak maßgeblich beteiligt.

15. September 2007 organisierte sie für den Trägerkreis die bundesweite Demo „Frieden für Afghanistan – Bundeswehr raus ‚… dann gibt es nur eins: Sag NEIN!‘“, ebenso wie ein Jahr später für denselben Kreis die Berliner Nachfolgedemo „Dem Frieden eine Chance – Truppen raus aus Afghanistan“. Afghanistan blieb bis zum Abzug der westlichen Truppen ständiges Thema der FRIKO.

Seit 2013 trug die FRIKO zum Wachsen einer bundesweiten Kampagne gegen Kampfdrohnen bei.

Am 10. Oktober 2016 lastete die Organisation einer bundesweiten Demo gegen die zunehmenden Kriegsherde überall auf der Welt und die Beteiligung Deutschlands daran erneut überwiegend auf den Schultern der FRIKO: „Die Waffen nieder – Kooperation statt NATO-Konfrontation – Abrüstung statt Sozialabbau“.

2018 und 2020 startete die FRIKO Kampagnen gegen die zunehmende Hetze gegen Russland: 2018 mit einer Anzeige in mehreren Tageszeitungen und einer Kundgebung am 22.6., dem 77. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion, und im März 2020 mit einem offenen Brief an die russländische Bevölkerung, der innerhalb kürzester Zeit von weit über 2000 Menschen unterzeichnet wurde und in Russland der Presse übergeben wurde.

Sozusagen als Routineaufgabe organisiert die FRIKO alljährlich den Berliner Ostermarsch und erinnert am 8. Mai mit einer Aktion am sowjetischen Ehrenmal auf der Straße des 17. Juni daran, wer die Hauptlast des 2. Weltkrieges getragen und Deutschland vom Faschismus befreit hat.

Sie gewährleistet, dass der 1. September als Antikriegs/Weltfriedenstag nicht vergessen wird, falls die Gewerkschaften ihrer historischen Aufgabe nicht gerecht werden aus Staatsräson oder aus braver Gefolgschaft der wenig friedensbewegten SPD.

Eine Aktionsform die sich großer Beliebtheit erfreut, sei noch erwähnt: unregelmäßig ruft die FRIKO zur satirischen Jubelparade A.M.O.K (=Antimilitaristisches Oberjubel K.O.M.I.T.E.E.), gegen die immer dreister zunehmende Militarisierung der Gesellschaft. Die letzte fand 2019 statt unter dem Slogan: „Codename: Roter Mohn“, auf der die Weiterführung des NATO-Einsatzes in Afghanistan bejubelt wird.

Seit dem Ukrainekrieg und dem Krieg in Gaza gestaltet sich die Weltlage aber immer dramatischer, so dass eine satirische Überhöhung der Realität kaum noch möglich ist.

Ausblick

Statt Diplomatie herrscht nun Kriegslogik, statt Dialogbereitschaft sprechen nun nur noch die Waffen.

Abrüstung und Entspannung war gestern, heute wird Kriegstüchtigkeit von der Bevölkerung gefordert.

Und jetzt sollen wieder US-Mittelstreckenraketen, Marschflugkörper und zusätzlich Hyperschallraketen in Deutschland stationiert werden. Nicht einmal ein vorangegangener Diskussionsprozess dazu hat stattgefunden oder gar eine Beratung und Abstimmung im Bundestag. Der Kreis schließt sich. Es ist höchste Zeit für Widerstand im großen Stil.

Die FRIKO blickt auf eine 44 jährige produktive Zeit zurück, in der sie viel bewegt hat. Nun ist es an der Zeit, dass die lang gehegte Glut wieder ein Feuer entfacht. Wenn nicht jetzt, wann dann ? Die Hoffnung stirbt zuletzt.


Lieben Dank an Jutta Kausch-Henken für diesen Beitrag. Berlin 05.08.2024

Frieden! Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen!

Jutta Kausch-Henken und Christa Weber singen Lieder und sprechen Texte für den Frieden u.a. von Brecht/Eisler, Reinhard Mey, Karl Kraus, Pablo Neruda, Heinrich Heine, Georg Weerth, Walter Mossmann, Degenhard und Hannes Wader. Hier ein kleiner Ausschnitt:


Offener Brief 45 amerikanischer Ärztinnen und Ärzte sowie Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger, die seit dem 7.10.2023 in Gaza bei Hilfseinsätzen mitgewirkt haben

45 amerikanische ÄrztInnen und KrankenpflegerInnen, die in Gaza bei Hilfseinsätzen seit dem 7. Oktober dabei waren, veröffentlichten gestern ( 25.7.2024) einen Brief an Präsident Biden, Vizepräsiden Harris und Präsident Bidens Frau Dr. Jill Biden. Sie schildern darin nicht nur Einblicke in die katastrophale Lage der Zivilbevölkerung – hierbei vor allem für Frauen und Kinder – in Gaza, sondern legen auch Beweise für Verstöße gegen sowohl amerikanisches Recht als auch humanitäres Völkerrecht vor. Sie fordern Biden und Harris dazu auf, dem Staat Israel unverzüglich die militärische, wirtschaftliche und diplomatische Unterstützung zu verweigern.

offene-Brief-aerzte

Armageddon? Warum der Nahe Osten zu explodieren droht.

Michael Lüders analysiert und erklärt in diesem Video die aktuelle Lage im Nahen Osten.

hier eine kleine Inhaltsangabe mit Zeitangabe seiner Analyse:

  • 0:36 es geht ja um das größere ganze um die Hintergründe, warum also hat sich die Lage dermaßen zugespitzt
  • 0:50 hauptsächliche Grund ist dass Israel innerhalb von zwei Tagen zwei Führungsfiguren der wie es heißt Achse des Widerstandes ermordet hat
  • 3:13 mit wem wollen die Israelis eigentlich verhandeln, wenn Sie Ihre Verhandlungspartner auf palästinensischer Seite umbringen
  • 4:29 es ist immer die Frage wer definiert, wer ein Terrorist in der Region sei
  • 6:49 wie sind die Hamas und Hisbollah entstanden
  • 10:51 die Amerikaner wie auch die Franzosen sich aus dem Libanon vollständig zurückziehen mussten, war eine große Niederlage … der Umstand dass die israelische Armee sich geschlagen geben musste
  • 19:10 wichtig zu verstehen dass sie Hisbollah keine Terrororganisation ist, die vom Iran gesteuert wird sondern es ist eine autochthone [1]autochthon (altgriechisch für „einheimisch, eingeboren, hier entstanden“) bezieht sich auf: autochthone Art, indigene biologische Arten, die seit langem und ohne menschlichen Eingriff in einem … Continue reading in der einheimischen schiitischen Bevölkerung tief verwurzelte Massenbewegung die die Unterstützung eben weiter Teile der Schiiten hat
  • 21:35 ich wüsste nicht warum die Hisbollah ein Grund haben sollte syrische Staatsbürger, die sie ja de facto sind auf den von Israel annektierten Golanhöhen umzubringen das ergibt keinen Sinn
  • 23:23  das Ziel der israelischen Politik mit diesen Maßnahmen mit diesen Akten der Aggression ist es die USA in einen Krieg in den Nahen Osten hineinzuziehen, die Israelis wissen ganz genau dass sie keine Chance haben alleine gegen den Iran militärisch zu bestehen
  • 25:21 ein Krieg gegen den Iran würde die gesamte Region in Brand setzen 
  • 37:12 werfen wir abschließend noch einen Blick auf die Lage im Gazastreifen, ähm ja die schlimmste Meldung ist eigentlich die der WHO der Weltgesundheitsorganisation die darauf hingewiesen hat dass es im Gazastreifen 1,8 Millionen Infektionskrankheiten gibt 1,8 Millionen bei einer Gesamtbevölkerung von 2,3 Millionen 
  • 37:52 Kern des Problems in der Gesundheitsversorgung in Gazastreifen ist das fehlende Wasser es gibt kein sauberes Wasser
  • 39:19 ein Palästinenser am Gasastreifen muss statistisch Auskommen mit 4,2 l Wasser am Tag für trinken rein Körperpflege für allem ja das ist ein Bruchteil dessen was uns in Deutschland zur Verfügung steht 
  • 39:34 das Ziel der israelischen Seite ist natürlich auf Zeit zu spielen das Leben der Palästinenser am Gazastreifen unerträglich zu gestalten dass es am Ende dann eigentlich ein Ausdruck ist der menschlichen Mission ist, dass man sagt „Mensch wir müssen den Palästinenser noch helfen schaffen wir sie doch aus ins Ausland nicht im Gazastreifen kann man sie doch nicht mehr versorgen“ das geht auch nicht und dann werden sie entsorgt werden das wird passieren irgend wann wird es Evakuierungsmaßnahmen für Palästinenser aus dem Gazastreifen geben

References

References
1 autochthon (altgriechisch für „einheimisch, eingeboren, hier entstanden“) bezieht sich auf: autochthone Art, indigene biologische Arten, die seit langem und ohne menschlichen Eingriff in einem Gebiet leben.

Solidarität mit der Jungen Welt!

Die Tageszeitung Junge Welt wehrt sich in einem Gerichtsverfahren vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit gegen ihre Nennung im Verfassungsschutzbericht unter der Rubrik „Linksextremismus“. Es geht darum, ob eine marxistische Zeitung im Rahmen dieser Gesellschaftsordnung ungehindert arbeiten kann. Es ist ein sehr bedeutender Konflikt um die Pressefreiheit und Meinungsfreiheit in diesem Land. Wir dokumentieren im folgenden die Stellungnahmen der Jungen Welt.


Inhaltsverzeichnis

23. Juli 2024: Zur Entscheidung in der ersten Instanz

7. Mai 2021: Appell für Presse- und Meinungsfreiheit


Es war ein schwarzer Tag für die Pressefreiheit in der Bundesrepublik: Am 18. Juli 2024 entschied das Verwaltungsgericht Berlin, dass die Tageszeitung junge Welt weiterhin in den jährlichen Berichten des Verfassungsschutzes als »Linksextremistisch« und damit Verfassungsfeindlich aufgeführt werden darf.

Den Bericht der Jungen Welt zum Prozess und Berichte und Kommentare anderer Medien hier lesen.


In großer Sorge um die Pressefreiheit in diesem Land wenden sich Verlag, Redaktion und Genossenschaft der in Berlin erscheinenden Tageszeitung junge Welt an die deutsche und internationale Öffentlichkeit. Als einzige Tageszeitung in der Bundesrepublik steht die junge Welt unter Dauerbeobachtung durch den Inlandsgeheimdienst. Seit dem Jahr 2004 wird sie regelmäßig im Verfassungsschutzbericht des Bundes im Kapitel »Linksextremismus« aufgeführt und dort als »Gruppierung« eingestuft, die angeblich »verfassungsfeindliche Ziele« verfolgt. Nun handelt es sich bei der jungen Welt nicht um eine politische Organisation, sondern um ein journalistisches Produkt. Wir sehen einen handfesten politischen Skandal darin, dass eine staatliche Behörde sich anmaßt, eine unabhängige Zeitung in dieser Weise an den Pranger zu stellen, weil ihr bestimmte Inhalte nicht gefallen.

In einem offenen Brief an alle Bundestagsfraktionen hatten Redaktion, Verlag und Genossenschaft Mitte März 2021 diesen drastischen Eingriff in die Presse- und Meinungsfreiheit beklagt. Sie wiesen zudem auf »erhebliche Nachteile im Wettbewerb« hin, die der jungen Welt aus der Nennung im VS-Bericht erwachsen. So verweigern die Deutsche Bahn und verschiedene Kommunen und Radiosender unter Verweis auf den Verfassungsschutz-Eintrag das Anmieten von Werbeplätzen, Bibliotheken sperren den Onlinezugang zur Zeitung, und eine Druckerei weigerte sich, eine andere Druckschrift mit einer Anzeige der jungen Welt herzustellen. In Reaktion auf unser Schreiben wandte sich die Bundestagsfraktion der Partei Die Linke mit einer Kleinen Anfrage (BT-Drucksache 19/28956) an die Bundesregierung, um sich im Detail nach den Gründen für die geheimdienstliche Beobachtung der jungen Welt und deren Nennung im VS-Bericht zu erkundigen.

Die Antwort der von Union und SPD geführten Regierung vom 5. Mai 2021 muss beunruhigen, liefert sie doch Argumente für eine sehr weitgehende Einschränkung bürgerlicher Freiheitsrechte, die alle fortschrittlichen Kräfte in diesem Land betreffen. Die Bundesregierung rechtfertigt ihre Eingriffe mit der »verfassungsfeindlichen« weltanschaulichen Orientierung der jungen Welt: »Themenauswahl und Intensität der Berichterstattung zielen auf Darstellung ›linker‹ und linksextremistischer Politikvorstellungen und orientieren sich am Selbstverständnis der jW als marxistische Tageszeitung.« Weiter heißt es, »die Aufteilung einer Gesellschaft nach dem Merkmal der produktionsorientierten Klassenzugehörigkeit (widerspreche) der Garantie der Menschenwürde«. In klaren Worten führt die Bundesregierung aus, dass es ihr darum geht, Relevanz und »Wirkmächtigkeit« der jungen Welt einzuschränken. Das Stigma der Nennung in den VS-Berichten diene auch dem Zweck, »verfassungsfeindlichen Bestrebungen (…) den weiteren Nährboden entziehen zu können«. Um die Reichweite der Zeitung einzuschränken, werden ihre ökonomischen Grundlagen also bewusst angegriffen. Die Bundesregierung kriminalisiert eine Weltanschauung in einer Weise, die an Gesinnungsterror und damit an finsterste Zeiten des Kalten Krieges erinnert. Während sie vermeintliche oder tatsächliche Einschränkungen bürgerlicher Freiheitsrechte in Staaten wie Russland, China oder Kuba wortreich beklagt, werden hierzulande unverschleiert vordemokratische Standards etabliert.

Wir appellieren an die kritische Öffentlichkeit, sich dieser von obrigkeitsstaatlichem Denken geleiteten Einschränkung demokratischer Grundrechte zu widersetzen. Wir bitten Sie: Studieren Sie gründlich die Antwort der Bundesregierung! Fordern Sie Ihre demokratisch gewählten Bundestagsabgeordneten auf, dazu Stellung zu nehmen! Zeigen Sie sich solidarisch mit der Tageszeitung junge Welt – auch im eigenen Interesse! Verlag, Redaktion und Genossenschaft werden sich nicht einschüchtern lassen und auch weiterhin alles dafür tun, dass eine relevante linke Tageszeitung auf dem Markt verfügbar bleibt.


Berlin, 7. Mai 2021

Mit diesem Grinsen im Gesicht unterstützt BK Scholz weiterhin das Töten im GAZA-Streifen.

Foto: Screenshot, Ingo Müller

Auf der Pressekonferenz am 24.07.2024 kündigte Kanzler Scholz mit folgenden Worten die indirekte Unterstützung des Völkermords in GAZA an und lässt zu,

dass Frauen und Kinder ermordet werden!

Auf die folgende Frage antwortete Scholz, mit einem Grinsen im Gesicht, dass einem schlecht werden kann:

Frage: Herr Bundeskanzler meine Frage bezieht sich noch mal auf den Naostkonflikt, sie haben eben, korrigieren Sie mich, wenn ich sie falsch verstanden habe. Sie haben eben gesagt ähm dass das Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshof an der Haltung der Bundesregierung nichts ändert keinen Anlass gibt Änderungen daran vorzunehmen Gilt das auch für die militärische Unterstützung Israels? Konkret wird die Bundesregierung im Licht dieses Gutachtens und im ja Licht kann man nicht sagen im Schatten des Krieges in Gaza weiter Waffen wie im letzten Jahr unter anderem Munition Panzerabwehrwaffen an Israel liefern?

Antwort BK Scholz: Wir haben Israel Waffen geliefert und wir haben kein Entscheidung getroffen das nicht mehr zu tun aber wir entscheiden natürlich jedes Mal im Einzelfall.

Frage: Das heißt, es bleibt weiter möglich, Israel kann damit rechnen, weiterhin Waffen von Deutschland zu bekommen?

Antwort BK Scholz: … wir haben keine andere Entscheidung getroffen, also wir haben nicht entschieden, dass wir keine Waffen liefern werden… .

Ab Minute: 1:03:41 könnt Ihr die Aussagen nachverfolgen.

Interessant sind auch die Aussagen zu folgender Problematik:

1:24:04 Hans zu Nahostkonflikt/IGH-Gutachten

Mir bleiben die Worte weg, wie ein deutscher Bundeskanzler so eine menschenunwürdige Aussagen treffen kann!


Zusammenfassung des Gutachtens des IGH vom 19. Juli 2024 über die Politik und Praktiken Israels in den besetzten Gebieten

Im Folgenden eine Zusammenfassung des Gutachtens, das der Internationale Gerichtshof in Den Haag auf Anforderung der Generalsversammlung der Vereinten Nationen verfasst hat. Die beiden Fragen der Generalversammlung, die der Gerichtshof zu beantworten hatte, werden gleich zum Anfang unter CHRONOLOGIE DES VERFAHRENS wiedergegeben.

Das Inhaltsverzeichnis ist so gestaltet, dass von jedem Punkt dieses Verzeichnisses aus unmittelbar in den entsprechenden Text gesprungen werden kann.

Am Ende folgt der Beschluss des Internationalen Gerichtshofes, der in neun Punkten die Folgen zusammenfasst, die sich aus diesem Gutachten ergeben.


Inhaltsverzeichnis

CHRONOLOGIE DES VERFAHRENS 1-21

I. ZUSTÄNDIGKEIT UND ERMESSENSSPIELRAUM 22-50
A. Zuständigkeit 23-29
B. Ermessensspielraum 30-49

II. ALLGEMEINER KONTEXT 51-71

III. UMFANG UND BEDEUTUNG DER VON DER GENERALVERSAMMLUNG GESTELLTEN FRAGEN 72-83

IV. ANWENDBARES RECHT 84-102

V. ISRAELS POLITIK UND PRAKTIKEN IN DEN BESETZTEN PALÄSTINENSISCHEN GEBIETEN 103-243

A. Die Frage der verlängerten Besatzung 104-110

B. Die Siedlungspolitik 11-156

  1. Überblick 111-114
  2. Transfer der Zivilbevölkerung 115-119
  3. Beschlagnahmung oder Requirierung von Land 120-123
  4. Ausbeutung der natürlichen Ressourcen 124-133
  5. Ausweitung des israelischen Rechts 134-141
  6. Zwangsweise Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung 142-147
  7. Gewalt gegen Palästinenser 148-154
  8. Schlussfolgerung zur israelischen Siedlungspolitik 155-156

C. Die Frage der Annexion der besetzten palästinensischen Gebiete 157-179

  1. Der Begriff der Annexion 158-161
  2. Israelische Handlungen, die einer Annexion gleichkommen 162-173
  3. Das Verbot der gewaltsamen Aneignung von Gebieten 174-179

D. Die Frage der diskriminierenden Gesetzgebung und Maßnahmen 180-229

E. Die Frage des Selbstbestimmungsrechts 230-243

VI. AUSWIRKUNGEN DER ISRAELISCHEN POLITIK UND PRAXIS AUF DEN RECHTLICHEN STATUS DER
BESATZUNG 244-264

A. Der Anwendungsbereich des ersten Teils der Frage (b) und das anwendbare Recht 244-251
B. Die Art und Weise, in der die israelische Politik und Praxis den Rechtsstatus der Besatzung
beeinflussen 252-258

C. Die Rechtmäßigkeit der fortgesetzten Präsenz Israels in den besetzten palästinensischen Gebieten
259-264

VII. RECHTLICHE FOLGEN, DIE SICH AUS DER POLITIK UND PRAXIS ISRAELS UND AUS DER
RECHTSWIDRIGKEIT DER FORTDAUERNDEN PRÄSENZ ISRAELS IN DEN BESETZTEN
PALÄSTINENSISCHEN GEBIETEN ERGEBEN 265-283

A. Rechtliche Konsequenzen für Israel 267-272
B. Rechtliche Konsequenzen für andere Staaten 273-279
C. Rechtliche Konsequenzen für die Vereinten Nationen 280-283

Beschluss des Gerichtshofes


INTERNATIONALER STRAFGERICHTSHOF

Friedenspalast, Carnegieplein 2, 2517 KJ Den Haag, Niederlande, Tel.: +31 (0)70 302 2323 Fax: +31 (0)70 364 9928, Inoffiziell, Zusammenfassung 2024/8

19. Juli 2024

Rechtliche Konsequenzen aus der Politik und den Praktiken Israels in den besetzten Gebieten, einschließlich Ost-Jerusalem

Zusammenfassung des Gutachtens vom 19. Juli 2024

Chronologie des Verfahrens (Rn. 1-21)

Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass der Generalsekretär der Vereinten Nationen am 19. Januar 2023 dem Gerichtshof offiziell den Beschluss der Generalversammlung mitteilte, und zwar die Fragen, die in der von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedeten Resolution 77/247 (im Folgenden die „Generalversammlung“) am 30. Dezember 2022 enthalten sind.

Ziffer 18 der Entschließung lautet wie folgt:

„Die Generalversammlung,

. . .

18. beschließt, in Übereinstimmung mit Artikel 96 der Charta der Vereinten Nationen,

den Internationalen Gerichtshof gemäß Artikel 65 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs zu ersuchen, ein Gutachten zu folgenden Fragen zu erstellen und dabei die Vorschriften und Grundsätze des Völkerrechts, einschließlich der Charta der Vereinten Nationen, des humanitären Völkerrecht, der internationalen Menschenrechtsnormen, die einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats, der Generalversammlung und des Menschenrechtsrats, sowie das Gutachten des Gerichtshofs vom 9. Juli 2004 zu berücksichtigen:

(a) Welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich aus der fortdauernden Verletzung des Völkerrechts durch Israel, des Rechts des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung, der anhaltenden Besatzung, Besiedlung und Annexion der seit 1967 besetzten palästinensischen Gebiete, einschließlich der Maßnahmen zur Änderung der demografischen Zusammensetzung, des Charakters und des Status der der Heiligen Stadt Jerusalem und der Verabschiedung der damit verbundenen diskriminierenden Rechtsvorschriften und Maßnahmen?
(b) Wie wirken sich die unter Ziffer 18 (a) genannten Politiken und Praktiken Israels auf den rechtlichen Status der Besetzung aus und welche rechtlichen Folgen ergeben sich für alle Staaten und die Vereinten Nationen aus diesem Status?"

I. ZUSTÄNDIGKEIT UND ERMESSENSSPIELRAUM (Rn. 22-50)

Der Gerichtshof muss zunächst prüfen, ob er für die Erteilung des beantragten Gutachtens zuständig ist und, falls ja, ob es einen Grund gibt, warum der Gerichtshof es in Ausübung seines Ermessens ablehnen sollte, die Frage zu beantworten

A. Zuständigkeit (Rn. 23-29)

Der Gerichtshof befasst sich zunächst mit der Frage, ob er für die Erteilung des Gutachtens zuständig ist. Er stellt fest, dass er sich in Übereinstimmung mit Artikel 96 der Charta und Artikel 65 seiner Satzung vergewissern muss, dass die Frage, zu der er um ein Gutachten ersucht wird, eine „Rechtsfrage“ ist.

Der Gerichtshof erinnert daran, dass die Generalversammlung im Rahmen des vorliegenden Verfahrens zwei Fragen an den Gerichtshof gestellt hat. … Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass es sich hierbei um Rechtsfragen handelt. In Anbetracht der obigen Ausführungen, kommt der Gerichtshof zu dem Schluss, dass der Antrag im Einklang mit den Bestimmungen der Charta und der Satzung des Gerichtshofs gestellt wurde. Der Gerichtshof ist daher für die Abgabe der beantragten Stellungnahme zuständig.

B. Ermessensspielraum (Rn. 30-49)

Die Tatsache, dass der Gerichtshof für die Abgabe eines Gutachtens zuständig ist, bedeutet nicht, dass er verpflichtet, sie auszuüben. In Artikel 65 Absatz 1 der Satzung heißt es: „Der Gerichtshof kann eine auf Ersuchen einer von oder in der Kommission ermächtigten Stelle, ein Gutachten zu einer Rechtsfrage abzugeben, in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen ein solches Gutachten erstellen“. Wie der Gerichtshof wiederholt betont hat, ist dies „so auszulegen, dass der Gerichtshof über einen Ermessensspielraum verfügt, die Abgabe eines Gutachtens abzulehnen, auch wenn die Voraussetzungen für die Zuständigkeit erfüllt sind“. In seiner Funktion als Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen ist der Gerichtshof jedoch der Ansicht, dass ein Ersuchen um ein Gutachten „eine Beteiligung an den Aktivitäten der Organisation darstellt“, und deshalb grundsätzlich nicht verweigert werden sollte“. Nur zwingende Gründe können den Gerichtshof veranlassen, ein in seine Zuständigkeit fallendes Ersuchen um eine Stellungnahme zu verweigern. In Anbetracht der Tatsache, dass einige Teilnehmer an diesem Verfahren geltend gemacht haben, dass es zwingende Gründe dafür gibt, prüft der Gerichtshof jede  dieser aufgeworfenen Fragen der Reihe nach, um zu entscheiden, ob er seine Stellungnahme abgeben möchte.

1. Die Frage, ob das Ersuchen eine Streitigkeit zwischen zwei Parteien betrifft, von denen eine nicht zugestimmt hat (Rn. 33-35).

Zunächst prüft der Gerichtshof das Argument, wonach der Gerichtshof es ablehnen sollte, ein Gutachten zu erstellen, weil der Antrag einen bilateralen Streit zwischen Palästina und Israel betrifft und dieser Antrag sich nicht mit der Zuständigkeit des Gerichtshofes für eine gerichtliche Beilegung dieses Rechtsstreits einverstanden erklärt.

Der Gerichtshof betrachtet den Gegenstand des Ersuchens der Generalversammlung nicht als eine rein bilaterale Angelegenheit zwischen Israel und Palästina. Die Beteiligung der Organe der Vereinten Nationen und zuvor die Rolle des Völkerbundes in der Palästinafragen geht auf das Mandatssystem zurück. Seit der Resolution 181 (II) über die Teilung Palästinas im Jahr 1947 war die palästinensische Frage Gegenstand der Generalversammlung, die sich damit befasste, darüber debattierte und fast jährlich Entschließungen zu diesem Thema verabschiedete. Daher ist dieses Thema von besonderem Interesse und Anliegen der Vereinten Nationen. Der Gerichtshof ist daher der Auffassung, dass die in dem Antrag aufgeworfenen Fragen Teil der Palästinafrage, einschließlich der Rolle der Generalversammlung in diesem Zusammenhang sind.

Der Gerichtshof kann es daher nicht unter Ausübung seines Ermessens die beantragte Stellungnahme mit der Begründung ablehnen, dass der Grundsatz der Zustimmung zur gerichtlichen Beilegung umgangen wird.

2. Die Frage, ob die Stellungnahme des Gerichtshofs die Generalversammlung bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützen würde (Rn. 36-37).

Der Gerichtshof prüft sodann das Argument, wonach der Gerichtshof es ablehnen sollte, zu auf die ihr gestellten Fragen zu antworten, da die Generalversammlung den Gerichtshof nicht um eine Stellungnahme zu einem Thema ersucht, bei dem sie Unterstützung benötigt, sondern sie ersucht den Gerichtshof vielmehr um die Bestätigung bestimmter rechtlicher Schlussfolgerungen, die für die Beilegung eines bilateralen Streits zwischen Palästina und Israel relevant sind. Im vorliegenden Fall wird der Antrag von der Generalversammlung unter Bezugnahme auf ihre eigenen Zuständigkeiten und Aufgaben in der Frage der besetzten palästinensischen Gebiete (siehe A/RES/77/247) gestellt. Der Gerichtshof ist daher nicht der Ansicht, dass es keinen zwingenden Grund gibt, eine Stellungnahme mit der Begründung abzulehnen, dass eine solche Stellungnahme der Generalversammlung bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht helfen würde.

3. Die Frage, ob die Stellungnahme des Gerichtshofs den Verhandlungsprozess zwischen Israel und Palästina beeinträchtigen würde (Rn. 38-40).

Es  geht um die Frage, ob der Gerichtshof es ablehnen sollte, die ihm gestellten Fragen zu beantworten, weil ein Gutachten des Gerichtshofs die israelisch-palästinensischen Verhandlungen und den Prozess, der durch den in der Grundsatzerklärung von 1993 über Interimsmaßnahmen festgelegten Rahmen vorgegeben ist – die Selbstverwaltungsvereinbarungen (nachstehend „Oslo-I-Abkommen“) und das Interimsabkommen von 1995 über das Westjordanland und den Gazastreifen (nachstehend „Oslo-II-Abkommen“ genannt) – beeinträchtigen würde und die israelisch-palästinensischen Streitigkeiten im Westjordanland und im Gazastreifen noch verschärfen kann. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass diese Frage unter den gegebenen Umständen eine Frage von Vermutungen ist und der Gerichtshof nicht über die Auswirkungen seiner Stellungnahme spekulieren kann. Daher kann der Gerichtshof diesen Faktor nicht als einen zwingenden Grund beachten, der Aufforderung der Generalversammlung nicht nachzukommen.

4. Die Frage, ob ein Gutachten die Arbeit des Sicherheitsrates beeinträchtigen würde (Rn. 41-43)

Der Gerichtshof prüft sodann das Argument, wonach der Gerichtshof die Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen ablehnen sollte, oder, selbst wenn der Gerichtshof diese Fragen beantworten würde, darauf achten sollte, dass ihre Antwort nicht die Zuständigkeit für Fragen im Zusammenhang mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt verletzt, da der Sicherheitsrat und nicht die Generalversammlung die Hauptverantwortung trägt, und damit den bestehenden Rahmen für Verhandlungen beeinträchtigt.

Der Gerichtshof stellt fest, dass die Frage, ob die Stellungnahme des Gerichtshofes den Verhandlungsrahmen beeinträchtigen würde, eine Frage der Mutmaßungen ist, über die der Gerichtshof nicht spekulieren sollte. In Anbetracht der Tatsache, dass die Generalversammlung die Kompetenz hat, sich mit Fragen des internationalen Friedens und der Sicherheit zu befassen, wie sie in den von ihm gestellten Fragen aufgeworfen werden, gibt es für den Gerichtshof keinen zwingenden Grund, die angeforderte Stellungnahme abzulehnen.

5. Die Frage, ob der Gerichtshof über ausreichende Informationen verfügt, um ein Gutachten abgeben zu können (Rn. 44-47)

Der Gerichtshof stellt fest, dass einige Teilnehmer das Argument vorgebracht haben, der Gerichtshof solle es ablehnen eine Stellungnahme abzugeben, da er nicht über ausreichende Informationen verfügt und eine Tatsachenfeststellung über einen Zeitraum von Jahrzehnten vornehmen müsste, um die von der Generalversammlung gestellten Fragen zu beantworten. Der Gerichtshof stellt insoweit fest, dass im vorliegenden Fall über 50 Staaten und internationale Organisationen Informationen vorgelegt haben, die für die Beantwortung der Fragen der Generalversammlung relevant sind.

Er stellt ferner fest, dass er auch ein umfangreiches Dossier des Generalsekretärs der Vereinten Nationen geprüft hat, das ausführliche Informationen über die Lage in den besetzten palästinensischen Gebieten enthält. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass ihm in der vorliegenden Rechtssache ausreichende Informationen vorliegen, um Rechtsfragen in einer Weise zu entscheiden, die mit seiner richterlichen Funktion vereinbar ist. Daher gibt es keinen zwingenden Grund, die erbetene Stellungnahme zu diesem Thema abzulehnen

6. Die Frage, ob die Fragen in einer voreingenommenen Weise formuliert sind (Rn. 48-49)

Es geht um die Frage, ob die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen in einer parteiischen Weise gestellt wurden, da sie das Vorliegen von Verstößen gegen das Völkerrecht durch Israel voraussetzen, erinnert der Gerichtshof daran, dass in erster Linie der Gerichtshof die Befugnis hat, die gestellten Fragen auszulegen und gegebenenfalls neu zu formulieren. Die Angemessenheit der Formulierung der Fragen ist daher Sache des Gerichtshofes. Der Gerichtshof kann erforderlichenfalls auch selbst den Umfang und die Bedeutung der Fragen bestimmen.

Im vorliegenden Fall ist der Gerichtshof nicht der Ansicht, dass die Generalversammlung beabsichtigte, die Entscheidungsfreiheit des Gerichtshofes in diesen Fragen zu beschränken. Der Gerichtshof wird sich selbst vergewissern, ob die Politik und die Praktiken Israels gegen die geltenden Regeln und Grundsätze des Völkerrechts verstoßen, bevor die rechtlichen Konsequenzen solcher Verstöße festgelegt werden. Folglich kann der Gerichtshof bei der Ausübung seines Ermessens seine Stellungnahme nicht mit der Begründung ablehnen, dass die die an sie gestellten Fragen voreingenommen oder unausgewogen sind.

Zwischenergebnis zu I.:

In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen gelangt der Hof zu dem Schluss, dass keine zwingenden Gründe vorliegen, die ihn veranlassen, es abzulehnen, die von der Generalversammlung angeforderte Stellungnahme abzugeben.

II. ALLGEMEINER KONTEXT (Rn. 51-71)

Bevor wir uns dem Umfang und der Bedeutung der von der Generalversammlung gestellten Fragen zuwenden, verweist der Gerichtshof auf den allgemeinen Kontext.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs war Palästina Teil des Osmanischen Reichs und wurde unter ein Mandat gestellt, das Großbritannien vom Völkerbund übertragen worden war. Im Jahr 1947 kündigte das Vereinigte Königreich seine Absicht an, die Evakuierung des Mandatsgebiets bis zum 1. August 1948 abzuschließen, wobei dieses Datum später auf den 15. Mai 1948 vorverlegt wurde. In der Zwischenzeit, am 29. November 1947 hatte die Generalversammlung die Resolution 181 (II) über die künftige Regierung Palästinas verabschiedet, die „dem Vereinigten Königreich … und allen anderen Mitgliedern der Vereinten Nationen die Verabschiedung und Umsetzung … des Plans zur Teilung“ des Gebiets empfahl, wie er in der Resolution über die Schaffung zwei unabhängiger Staaten, einem arabischen und einem jüdischen, sowie die Schaffung eines ein internationales Sonderregime für die Stadt Jerusalem enthalten war. Während die jüdische Bevölkerung den Plan akzeptierte, lehnten die arabische Bevölkerung und die arabischen Staaten diesen Plan der Teilung Palästinas ab, unter anderem mit der Begründung, unter anderem, dass er unausgewogen war.

Am 14. Mai 1948 proklamierte Israel seine Unabhängigkeit unter Berufung auf die Generalversammlung, Resolution 181 (II); daraufhin brach ein bewaffneter Konflikt zwischen Israel und einer Reihe von arabischen Staaten aus und der Teilungsplan wurde nicht umgesetzt. Mit der Resolution 62 (1948) vom 16. November 1948 beschloss der Sicherheitsrat, dass „in allen Sektoren Palästinas ein Waffenstillstand geschlossen werden soll“. In Übereinstimmung mit diesem Beschluss wurden 1949 allgemeine Waffenstillstandsabkommen in Rhodos zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten durch die Vermittlung der Vereinten Nationen geschlossen, indem sie die Waffenstillstandslinien zwischen den israelischen und arabischen Streitkräften bestätigte (später oft als „Grüne Linie“ zusammengefasst (wegen der Farbe, mit der sie auf Karten dargestellt wird).

Am 29. November 1948 beantragte Israel unter Berufung auf die Resolution 181 (II) die Aufnahme als  Mitglied in die Vereinten Nationen. Am 11. Mai 1949, als die Generalversammlung Israel als Mitgliedstaat der der Vereinten Nationen aufnahm,  erinnerte die Generalversammlung an die Resolution 181 (II) und nahm Israels Erklärungen „in Bezug auf die Durchführung der genannten Resolution“ (Generalversammlung Entschließung 273 (III)) zur Kenntnis.

Im Jahr 1967 brach ein bewaffneter Konflikt (auch als „Sechstagekrieg“ bekannt) zwischen Israel und den Nachbarländern Ägypten, Syrien und Jordanien aus. Als die Feindseligkeiten eingestellt wurden, hatten die israelischen Streitkräfte alle unter britischem Mandat stehenden Gebiete Palästinas jenseits der Grünen Linie besetzt.

Am 22. November 1967 verabschiedete der Sicherheitsrat einstimmig die Resolution 242 (1967), in der „die Unzulässigkeit von Gebietserwerbungen durch Krieg betont“ und der „Rückzug der israelischen Streitkräfte aus den im jüngsten Konflikt besetzten Gebieten“ gefordert wurde.

Ab 1967 begann Israel mit der Errichtung oder Unterstützung von Siedlungen in den Gebieten, die es besetzte, und ergriff eine Reihe von Maßnahmen, um den Status der Stadt Jerusalem zu ändern. Der Sicherheitsrat, nachdem er mehrfach an den Grundsatz erinnert hatte, dass „der Erwerb von Gebieten durch militärische Eroberung unzulässig ist“, verurteilte diese Maßnahmen und bestätigt  mit der Resolution 298 (1971) vom 25. September 1971, dass „alle legislativen und administrativen Maßnahmen Israels zur Änderung des Status der Stadt von Jerusalem, einschließlich der Enteignung von Grundstücken und Immobilien, der Umsiedlung der Bevölkerung und Rechtsvorschriften, die auf die Einbeziehung des besetzten Teils abzielen, völlig ungültig sind und Israel diesen Status nicht ändern kann“.

Im Oktober 1973 brach ein weiterer bewaffneter Konflikt zwischen Ägypten, Syrien und Israel aus. In der Resolution 338 vom 22. Oktober 1973 rief der Sicherheitsrat die Konfliktparteien dazu auf, alle militärischen Aktivitäten einzustellen und unmittelbar nach dem Waffenstillstand mit der Umsetzung der Resolution 242 (1967) des Sicherheitsrates in allen ihren Teilen zu beginnen.

Am 14. Oktober 1974 erkannte die Generalversammlung mit der Resolution 3210 (XXIX) die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) als Vertreterin des palästinensischen Volkes an. In der Resolution 3236 (XXIX) vom 22. November 1974 erkannte sie an, „dass das palästinensische Volk das das Recht auf Selbstbestimmung in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen hat“.

Am 17. September 1978 unterzeichneten Israel und Ägypten das „Camp-David-Abkommen“, das im folgenden Jahr zu einem Friedensvertrag zwischen den beiden Ländern führte. Später, am 26. Oktober 1994, wurde ein Friedensvertrag zwischen Israel und Jordanien unterzeichnet. In diesem Vertrag wurde die Grenze zwischen den beiden Staaten gemäß den im Rahmen des Mandats für Palästina festgelegten Linien festgelegt.

Am 15. November 1988, proklamierte die PLO unter Bezugnahme auf die Resolution 181 (II), „die Palästina in einen arabischen und jüdischen Staat“ teilte, „die Gründung des Staates Palästina“.

In den Jahren 1993 und 1995 unterzeichneten Israel und die PLO die Abkommen von Oslo I und Oslo II. In einem Austausch von Briefen am 9. September 1993 erkannte die PLO das Recht Israels auf Existenz in Frieden und Sicherheit an, und Israel erkannte die PLO als legitime Vertreterin des palästinensischen Volkes an. Das Oslo-I-Abkommen legte allgemeine Leitlinien für die Verhandlungen zwischen Israel und Palästina. Mit dem Oslo-II-Abkommen wurde unter anderem das von Israel besetzte Westjordanland in drei Teile aufgeteilt, in die Verwaltungsgebiete (A, B und C), wobei das Gebiet C mehr als 60 Prozent des Westjordanlandes umfasst und ausschließlich von Israel verwaltet wird.

In den Osloer Verträgen wurde Israel unter anderem verpflichtet, den palästinensischen Behörden bestimmte Befugnisse und Zuständigkeiten zu übertragen, ausgeübt in den Gebieten A und B des Westjordanlandes von deren Militärbehörden und Zivilverwaltung. Wo solche Übertragungen, die begrenzt und partiell geblieben sind, stattgefunden haben, hat sich Israel in Sicherheitsfragen eine erhebliche Kontrolle bewahrt.

Nach einer Zunahme von Gewalttaten aus dem Westjordanland begann Israel Anfang der 2000er Jahre den Bau eines „durchgehenden Zauns“ (im Folgenden „Mauer“), der sich größtenteils auf das Westjordanland und Ostjerusalem erstreckt.

Ein Plan dieser Art wurde von der israelischen Regierung erstmals im Juli 2001 genehmigt und der erste Teil der betreffenden Arbeiten wurde am 31. Juli 2003 für abgeschlossen erklärt. Ungeachtet der Entscheidung des Gerichtshofes im Jahr 2004, in der er feststellte, dass „der Bau der Mauer durch die Besatzungsmacht Israel in den besetzten palästinensischen Gebieten, einschließlich Ost-Jerusalem und Umgebung, und die damit verbundenen régime völkerrechtswidrig ist“, wurde der Bau der Mauer fortgesetzt, ebenso wie der Ausbau der Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten.

Berichten zufolge lebten bis 2005 im Rahmen eines israelischen „Rückzugsplan“ die Siedler in 21 Siedlungen im Gazastreifen und in vier Siedlungen im nördlichen Westjordanland. Im Jahr 2023 lebten im Westjordanland etwa 465.000 Siedler, verteilt auf rund 300 Siedlungen und Außenposten, während etwa 230.000 Siedler in Ostjerusalem wohnten.

Die Bewohner von Siedlungen und „Außenposten“ in den besetzten palästinensischen Gebieten („Siedler“) sind überwiegend Israelis, sowie nicht-israelische Juden, die nach israelischem Recht die israelische Staatsangehörigkeit besitzen.

Am 29. November 2012 erinnerte die Generalversammlung u.a. an die Resolution 181 (II) du erkannte Palästina den Status eines Nichtmitgliedstaats mit Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen zu (Resolution 67/19). Im Jahr 2016 verabschiedete der Sicherheitsrat die Resolution 2334 (2016), in der er zur „Intensivierung und Beschleunigung der internationalen und regionalen diplomatischen Bemühungen“ aufrief,  zur „Unterstützung mit dem Ziel, unverzüglich einen umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden im Nahen Osten zu erreichen – auf der Grundlage der einschlägigen Resolutionen der Vereinten Nationen, des Madrider Mandats einschließlich des Grundsatzes „Land für Frieden“, der arabischen Friedensinitiative und des Fahrplans des Nahost-Quartetts und des Ende der israelischen Besatzung, die 1967 begann“.

Am 10. Mai 2024 nahm die Generalversammlung die Resolution ES-10/23 an, in der sie „feststellt, dass der Staat Palästina für die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen qualifiziert ist im Einklang mit Artikel 4 der Charta der Vereinten Nationen und daher als Mitglied der Vereinten Nationen zugelassen werden sollte“.

Am 10. Juni 2024 verabschiedete der Sicherheitsrat die Resolution 2735 (2024), in der er „sein unerschütterliches Engagement für die Vision einer Zwei-Staaten-Lösung“ bekräftigte, „mit zwei demokratischen Staaten, Israel und Palästina, Seite an Seite in Frieden in sicheren und anerkannten Grenzen, die mit dem Völkerrecht und den einschlägigen UN-Resolutionen im Einklang stehen“. Der Sicherheitsrat betonte in diesem Zusammenhang „die Bedeutung der Vereinigung des Gazastreifens mit dem Westjordanland unter der Palästinensischen Behörde“.

III. BEWÄLTIGUNG UND BEDEUTUNG DER VON DER GENERALVERSAMMLUNG GESTELLTEN FRAGEN (Rn. 72-83)

Der Gerichtshof wendet sich sodann der Tragweite und Bedeutung der beiden von der Generalversammlung gestellten Fragen zu und erinnert an ihre Formulierung. Der Gerichtshof stellt fest, dass die Fragen das Material definieren, die räumliche und zeitliche Tragweite der Ermittlungen des Gerichtshofs. Was den sachlichen Geltungsbereich betrifft, so nennt die Frage a) drei Arten von Verhaltensweisen, die in Frage (b) als „Politik und Praktiken Israels“ bezeichnet werden:

Erstens: „die anhaltende Verletzung des Rechts des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung durch Israel“;

zweitens: Israels „anhaltende Besetzung, Besiedlung und Annexion der seit 1967 besetzten palästinensischen Gebiete, einschließlich der Maßnahmen zur Veränderung der demografischen Zusammensetzung, des Charakters und Status der Heiligen Stadt Jerusalem“;

drittens: Israels „Verabschiedung von damit verbundenen diskriminierenden Rechtsvorschriften und Maßnahmen“.

In diesem Zusammenhang beschränkt sich der Gerichtshof auf die Feststellung eines allen diesen Verhaltensweisen gemeinsamen Merkmals, nämlich dass die Begriffe der Frage a) davon ausgehen, dass diese Politiken und Praktiken im Widerspruch zum Völkerrecht stehen. Aufgrund seiner richterlichen Funktion muss der Gerichtshof jedoch selbst bestimmen, ob die von der Generalversammlung festgestellten Politiken und Praktiken völkerrechtswidrig sind. Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass die Frage a) eine Bewertung erfordert, ob diese Praktiken Israels, die in dem Antrag genannt werden, mit dem Völkerrecht vereinbar sind.

Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass die Generalversammlung in ihrem Antrag nicht beantragt hat, dass der Gerichtshof eine detaillierte faktische Bestimmung der Politik und der Praktiken Israels vornimmt. Um in einem Gutachten in dieser Rechtssache einen Überblick zu geben, ist es nicht erforderlich, dass der Gerichtshof Tatsachenfeststellungen in Bezug auf konkrete Vorfälle vornimmt, die angeblich gegen das Völkerrecht verstoßen. Der Gerichtshof muss nur die wichtigsten Merkmale der israelischen Politiken und Praktiken beschreiben und auf dieser Grundlage eine Bewertung der Konformität dieser Politiken und Praktiken mit dem internationalen Recht vornehmen.

Was den territorialen Geltungsbereich betrifft, so bezieht sich Frage a) auf „das seit 1967 besetzte palästinensische Gebiet „, das Westjordanland, Ostjerusalem und den Gazastreifen umfasst. Der Gerichtshof stellt fest, dass die verschiedenen Organe und Gremien der Vereinten Nationen häufig ausdrücklich Bezug auf die verschiedenen Teile des besetzten palästinensischen Gebietes nehmen. Der Gerichtshof tut dies auch in dem vorliegenden Gutachten, da dies angemessen ist. Der Gerichtshof erinnert jedoch daran, dass die besetzten palästinensischen Gebiete aus rechtlicher Sicht eine einzige territoriale Einheit sind, deren Einheit, Zusammengehörigkeit und Unversehrtheit zu bewahrt und geachtet werden müssen. Daher werden in dieser Stellungnahme alle Verweise auf die besetzten palästinensischen Gebiete als Verweise auf diese einzige Gebietseinheit verstanden.

Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass in der Anfrage Maßnahmen in Bezug auf die „Heilige Stadt von Jerusalem“ genannt werden. Die gewöhnliche Bedeutung dieses Begriffs ist zweideutig und kann mehrfach ausgelegt werden. Aber der Kontext liefert im vorliegenden Fall eine nützliche Klarstellung. In Anbetracht des Zusammenhangs ist der Gerichtshof der Ansicht, dass die von der Generalversammlung gestellte Frage zur „Heiligen Stadt Jerusalem“ auf Maßnahmen Israels in Ost-Jerusalem beschränkt ist.

Was den zeitlichen Anwendungsbereich betrifft, so wird der Gerichtshof mit der Frage a) aufgefordert, Maßnahmen zu berücksichtigen, die Israel in den besetzten palästinensischen Gebieten seit 1967 eingeführt hat. Das schließt jedoch nicht aus, dass der Gerichtshof Tatsachen aus der Zeit vor der Besetzung berücksichtigt, soweit dies zur ordnungsgemäße Erfüllung seiner richterlichen Aufgaben erforderlich ist.

Der Gerichtshof stellt fest, dass das Ersuchen um ein Gutachten von der Generalversammlung am 30. Dezember 2022 angenommen und der Gerichtshof aufgefordert wurde, sich mit der „andauernden“ oder „fortgesetzten“ Politik Israels und seinen Praktiken zu befassen. Der Gerichtshof ist daher der Ansicht, dass die in dem Antrag der Generalversammlung angesprochenen Politiken und Praktiken nicht das Verhalten Israels umfassen, die Reaktion auf den Angriff, der von der Hamas und anderen bewaffneten Gruppen am 7. Oktober 2023 verübt wurde.

Die Frage (b) besteht aus zwei Teilen.

Im ersten Teil wird der Gerichtshof gebeten zu beurteilen, wie die Politiken und von der Generalversammlung festgestellten Praktiken Israels „den Rechtsstatus der Besatzung beeinträchtigen“. Der Gerichtshof stellt fest, dass die Verwendung des Verbs „beeinflussen“ auf die Möglichkeit hinweist, dass solche Politiken und Praktiken zu einer Änderung des „Rechtsstatus“ führen können. Die Tragweite des ersten Teils der Frage hängt von der Bedeutung des Ausdrucks „rechtlicher Status der Besetzung“ im Gesamtzusammenhang der Frage (b) ab. Im vorliegenden Zusammenhang ist der Gerichtshof der Ansicht, dass der erste Teil der Frage (b) den Gerichtshof auffordert, die Art und Weise festzustellen, in der die Politik und die Praktiken Israels den rechtlichen Status der Besatzung und damit die Rechtmäßigkeit der fortgesetzten Anwesenheit Israels als Besatzungsmacht in den besetzten palästinensischen Gebieten beeinflussen.

Der Gerichtshof stellt fest, dass er sowohl in der Frage a als auch im zweiten Teil der Frage b aufgefordert wird, die Rechtsfolgen zu bestimmen, die sich aus der Politik und den Praktiken Israels bzw. aus seiner fortgesetzten Präsenz als Besatzungsmacht in den besetzten palästinensischen Gebieten ergeben. Soweit der Gerichtshof feststellt, dass eine der Politiken und Praktiken Israels oder seine fortdauernde Präsenz in den besetzten palästinensischen Gebietes gegen das Völkerrecht verstoßen, weist der Gerichtshof darauf hin, dass er die rechtlichen Konsequenzen zu prüfen hat, die sich aus solchen Feststellungen für Israel, für andere Staaten und für die Vereinte Nationen ergeben.

IV. ANWENDBARES RECHT (Abs. 84-102)

Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass die Anwendbarkeit bestimmter völkerrechtlicher Regeln im betroffenen Gebietes vom völkerrechtlichen Status dieses Gebietes abhängt. Der Gerichtshof hat zunächst versucht, den völkerrechtlichen Status der besetzten palästinensischen Gebiete zu ermitteln, und dann bestimmt, welche Regeln des Völkerrechts für die Beantwortung der ihr gestellten Fragen von Bedeutung sind.

Die von der Generalversammlung gestellten Fragen gehen von der Annahme aus, dass die besetzten palästinensischen Gebiete von Israel besetzt sind. In seinem Gutachten von 2004 zur Rechtslage des Baus einer Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten, führte der Gerichtshof die Umstände aus, unter denen ein Besatzungszustand begründet wird. Der Gerichtshof stellte fest, dass in dem bewaffneten Konflikt von 1967 Israel die Gebiete zwischen der Grünen Linie und dem ehemaliger Ostgrenze Palästinas unter dem britischen Mandat, d. h. das Westjordanland und Ostjerusalem besetzte. Der Gerichtshof bestätigte, dass spätere Ereignisse weder den Status der betreffenden Gebiete als besetzte Gebiete noch den Status Israels als Besatzungsmachtnicht verändert haben.

In seinem Wall-Gutachten äußerte sich der Gerichtshof nicht zur Rechtsstellung des Gaza-Streifens, da der Bau der Mauer den Gaza-Streifen nicht berührte. Der Gaza-Streifen ist ein integraler Bestandteil des 1967 von Israel besetzten Gebiets. Nach dem bewaffneten Konflikt von 1967 hat Israel, als Besatzungsmacht den Gazastreifen unter seine effektive Kontrolle gestellt. Im Jahr 2004 hat Israel jedoch einen „Rückzugsplan“ angekündigt. Diesem Plan zufolge sollte Israel seine Militärpräsenz aus dem Gazastreifen und aus mehreren Gebieten im nördlichen Westjordanland zurückziehen. Bis 2005, hatte Israel den Rückzug seiner Armee und die Räumung der Siedlungen im Gazastreifen abgeschlossen.

Der Gerichtshof stellt fest, dass für die Feststellung, ob ein Gebiet besetzt bleibt, das entscheidende Kriterium nach dem Völkerrecht nicht ist, ob die Besatzungsmacht ihren physischen Besitz behält, militärische Präsenz in dem Gebiet zu jeder Zeit, sondern dass es vielmehr darauf ankommt, ob seine Autorität etabliert wurde und ausgeübt werden kann.

Auf der Grundlage der ihm vorliegenden Informationen ist der Gerichtshof der Auffassung, dass Israel weiterhin in der Lage ist bestimmte Schlüsselelemente der Autorität über den Gaza-Streifen auszuüben und weiterhin ausübt, darunter die Kontrolle der Land-, See- und Luftgrenzen, Beschränkungen des Personen- und Warenverkehrs, Erhebung von Einfuhr- und Ausfuhrsteuern sowie die militärische Kontrolle über die Pufferzone, trotz des Rückzugs der Militärpräsenz im Jahr 2005. Dies gilt umso mehr seit dem 7. Oktober 2023.

In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen ist der Gerichtshof der Auffassung, dass der Rückzug aus dem Gaza-Streifen Israel nicht vollständig von seinen besatzungsrechtlichen Verpflichtungen entbunden hat. Die Verpflichtungen Israels haben dem Grad ihrer effektiven Kontrolle über den Gazastreifen zu entsprechen.

Der Gerichtshof wendet sich dann den Regeln und Grundsätzen zu, die für die Beantwortung der Fragen, die ihm vorgelegt werden, relevant sind. Dazu gehören das Verbot der Aneignung von Gebieten durch Androhung oder Anwendung von Gewalt und das Verbot das Selbstbestimmungsrecht der Völker, das in der Charta der Vereinten Nationen verankert und außerdem Teil des Völkergewohnheitsrechts ist.

Darüber hinaus ist das humanitäre Völkerrecht von besonderer Bedeutung. Israels Befugnisse und Pflichten in den besetzten palästinensischen Gebieten fallen unter die Genfer Konvention über die Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten vom 12. August 1949 (die „Vierte Genfer Konvention“), die in den besetzten palästinensischen Gebieten gilt, und sie gelten aufgrund des Völkergewohnheitsrechts.

Gemäß Artikel 154 der Vierten Genfer Konvention ergänzt diese Konvention die in den Abschnitten II und III der Haager Rechts- und Sittenordnung enthaltenen Regeln für Kriege an Land im Anhang zu diesem Übereinkommen. Wie der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung festgestellt hat, ist das Teil des Völkergewohnheitsrechts geworden und somit für Israel verbindlich.

Was die internationalen Menschenrechtsvorschriften betrifft, so stellt der Gerichtshof fest, dass Israel Vertragspartei mehrerer Verträge ist, die Menschenrechtsverpflichtungen enthalten, darunter das Internationale Übereinkommen über die Beseitigung aller Formen von Rassendiskriminierung vom 21. Dezember 1965 („CERD“), der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 16. Dezember 1966 (der“ICESCR“) und der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 (der „ICCPR“).

Der Gerichtshof erinnert daran, dass „die internationalen Menschenrechtsübereinkünfte anwendbar sind ‚in Bezug auf Handlungen, die ein Staat in Ausübung seiner Hoheitsgewalt außerhalb seines eigenen Hoheitsgebiets vornimmt“, insbesondere in besetzten Gebieten“. Der Gerichtshof erinnert ferner daran, dass der Schutz, den die Menschenrechts-Konvention gibt, im Falle eines bewaffneten Konflikts oder einer Besetzung nicht außer Kraft gesetzt wird. Einige Rechte können ausschließlich Angelegenheiten des humanitären Völkerrechts betreffen; andere können ausschließlich Angelegenheiten des Menschenrechte sein; andere wiederum können beide Bereiche des Völkerrechts betreffen.

Unter Bezugnahme auf sein Gutachten zur Mauer stellt der Gerichtshof fest, dass Israel weiterhin an das ICCPR und den ICESCR in Bezug auf ihr Verhalten in den besetzten palästinensischen Gebieten gebunden ist.

In Bezug auf das CERD stellt der Gerichtshof fest, dass dieses Übereinkommen keine ausdrückliche Bestimmung zur Beschränkung des räumlichen Geltungsbereichs der Richtlinie enthält. Im Gegenteil, mehrere seiner Bestimmungen erlegen den Vertragsstaaten Verpflichtungen auf, die in Gebieten unter ihrer Hoheitsgewalt oder in Bezug auf Einzelpersonen anwendbar sind, die ihrer Gerichtsbarkeit unterliegen. Dies bedeutet, dass CERD auch auf Verhaltensweisen eines Vertragsstaates anwendbar i t, die Auswirkungen außerhalb seines Hoheitsgebiets hat. Nach Ansicht des Gerichtshofs muss der Staat Israel seine Verpflichtungen nach CERD auch unter Umständen einhalten, in denen es seine Zuständigkeit außerhalb seines Hoheitsgebiets ausübt.

Mehrere Teilnehmer an diesem Verfahren äußerten unterschiedliche Ansichten über die die Bedeutung der 1993 und 1995 von Israel und der PLO unterzeichneten Osloer Abkommen. Auf der Grundlage der Auslegung dieser Abkommen ist der Gerichtshof der Auffassung, dass sie nicht so verstanden werden können, dass sie Israel von den Verpflichtungen nach den einschlägigen Regeln des Völkerrechts, die in den besetzten Gebieten gelten, entbinden

V. ISRAELISCHE POLITIK UND PRAKTIKEN IN DEN BESETZTEN PALÄSTINENSISCHEN GEBIETEN (Rn. 103-243)

Der Gerichtshof bewertet dann die Konformität der israelischen Politik und Praxis in den besetzten Palästinensischen Gebieten, wie in Frage (a) angegeben, mit seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen.

Bei der Analyse behandelt der Gerichtshof insbesondere die Fragen der anhaltenden Besatzung (A), der israelischen Siedlungspolitik (B.), die Annexion der seit 1967 besetzten palästinensischen Gebiete (C.) und die damit verbundenen Rechtsvorschriften und Maßnahmen, die angeblich diskriminierend sind (D.). Der Gerichtshof prüft, ob und, wenn ja, wie Israels Politik und Praxis das Recht des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung verletzt (E.), nachdem diese anderen Fragen geprüft wurden.

A. Die Frage der verlängerten Besatzung (Rn. 104-110)

In Bezug auf die Frage der verlängerten Besetzung stellt der Gerichtshof fest, dass die Frage a) zum Teil die rechtlichen Konsequenzen betrifft , die sich aus der „anhaltenden Besetzung“ der besetzten Palästinensischen Gebiete durch Israel ergeben. In diesem Zusammenhang stellt der Gerichtshof fest, dass die israelische Besatzung seit mehr als 57 Jahre andauert.

Zur Beantwortung dieses Aspekts der Frage muss sich der Gerichtshof mit dem Verhältnis zwischen Israel als Besatzungsmacht und der geschützten Bevölkerung des besetzten Gebietes befassen, das durch das Besatzungsrecht geregelt wird.

Aufgrund seines Status als Besatzungsmacht übernimmt ein Staat eine Reihe von Befugnissen und Pflichten in Bezug auf das Gebiet, über das er die tatsächliche Kontrolle ausübt. In diesem Zusammenhang hat die Besatzungsmacht die Pflicht, das Gebiet zum Wohle der Bevölkerung zu verwalten. Art und Umfang dieser Befugnisse und Pflichten beruhen immer auf der gleichen Annahme: dass die Besetzung eine vorübergehende Situation ist, um auf militärische Notwendigkeiten zu reagieren, und sie kann nicht den Titel der Souveränität auf die Besatzungsmacht übertragen.

Die Tatsache, dass eine Besetzung von langer Dauer ist, ändert an sich nichts an ihrem rechtlichen Status nach humanitären Völkerrecht. Obwohl der vorübergehende Charakter der Besetzung als Voraussetzung gilt, sind dem Besatzungsrecht keine zeitlichen Grenzen setzt, die als solche den rechtlichen Status der Besetzung ändern würden. Stattdessen muss die Rechtmäßigkeit der Anwesenheit der Besatzungsmacht in dem besetzten Gebiet im Lichte anderer Vorschriften beurteilt werden. Die Besetzung besteht insbesondere in der Ausübung wirksamer Kontrolle auf fremdem Gebiet durch einen Staat. Um zulässig zu sein, muss die Ausübung der tatsächlichen Kontrolle daher jederzeit mit den Vorschriften über das Verbot der Androhung oder Anwendung von Gewalt, einschließlich des Verbots von Gebietserwerb durch Androhung oder Anwendung von Gewalt sowie mit dem Recht auf Selbstbestimmung vereinbar sein. Daher kann die Tatsache, dass eine Besetzung länger andauert, einen Einfluss auf die völkerrechtliche Rechtfertigung der weiteren Präsenz der Besatzungsmacht in dem besetzten Gebiet haben.

Vor diesem Hintergrund sind die Politik und die Praktiken Israels sowie seine anhaltende Präsenz in den besetzten palästinensischen Gebieten zu prüfen, angefangen bei der israelischen Siedlungspolitik.

B. Ansiedlungspolitik (Rn. 111-156)

1. Überblick (Rn. 111-114)

Die von der Generalversammlung gestellte Frage (a) fragt unter anderem nach den Rechtsfolgen, die sich aus der Siedlungspolitik Israels ergeben. Der Gerichtshof ist in diesem Zusammenhang der Ansicht, dass die Unterscheidung, die manchmal zwischen „Siedlungen“ und „Außenposten“ gemacht wird, für den Zweck der Feststellung, ob die fraglichen Gemeinden Teil der israelischen Siedlungspolitik sind, unerheblich ist. Entscheidend ist, ob sie mit Israels Unterstützung eingerichtet oder aufrechterhalten werden.

Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass die israelische Siedlungspolitik zwischen 1967 und 2005 im Westjordanland, in Ost-Jerusalem und im Gaza-Streifen durchgeführt wurdet. Seit der Räumung der israelischen Siedlungen aus dem Gazastreifen im Jahr 2005 hat Israel seine Siedlungspolitik im Westjordanland und in Ostjerusalem fortgesetzt; der Gerichtshof beschränkt daher seine Analyse auf Israels laufende Siedlungspolitik im Westjordanland und Ostjerusalem. Zugleich stellt der Gerichtshof fest, dass die israelische Siedlungspolitik
Siedlungspolitik Israels im Gaza-Streifen bis 2005 nicht wesentlich von der Politik unterschied, die heute im Westjordanland und Ostjerusalem fortgesetzt wird.

2. Transfer der Zivilbevölkerung (Rn. 115-119)

In seinem Gutachten zur Mauer stellte der Gerichtshof fest, dass die israelische Siedlungspolitik gegen Artikel 49 Absatz 6 der Vierten Genfer Konvention verstößt, wo es heißt: „[d]ie Besatzungsmacht darf Teile ihrer eigenen Zivilbevölkerung nicht in das Gebiet, das sie besetzt, deportieren oder transferieren.“

Nach Ansicht des Gerichtshofs ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zusammenhang der Vorschrift noch aus dem Zweck oder die Entstehungsgeschichte der Vierten Genfer Konvention, dass diese Bestimmung nur die gewaltsame Verbringung von Teilen der Zivilbevölkerung der Besatzungsmacht in die besetzten Gebieten verbietet. Im vorliegenden Fall gibt es umfangreiche Beweise für Israels Politik der Bereitstellung von Anreizen für die Umsiedlung von israelischen Privatpersonen und Unternehmen in das Westjordanland sowie für seine industrielle und landwirtschaftliche Entwicklung durch Siedler. Es gibt auch Beweise dafür, dass Israel regelmäßig Außenposten legalisiert, die unter Verstoß gegen die israelische Gesetzgebung errichtet wurden und dass der israelische Siedlungsbau einhergeht mit einer speziell entwickelten zivilen Infrastruktur im Westjordanland und Ostjerusalem, wodurch die Siedlungen in das israelische Staatsgebiet integriert werden.

In Anbetracht der obigen Ausführungen ist der Gerichtshof der Auffassung, dass die Verlegung von Siedlern in das Westjordanland und nach Ostjerusalem durch Israel sowie die Aufrechterhaltung ihrer Präsenz durch Israel gegen Artikel 49 Absatz 6 der Vierten Genfer Konvention verstößt.

3. Beschlagnahme oder Enteignung von Grundstücken (Rn. 120-123)

Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass die Ausweitung der israelischen Siedlungen im Westjordanland und im Osten Jerusalems auf der Beschlagnahmung oder Requirierung großer Landflächen basiert. In der Erwägung, dass im vorliegenden Fall das beschlagnahmte oder für den Ausbau der israelischen Siedlungen requirierte Land der Zivilbevölkerung den Siedlern zugute kommt und zu Lasten der lokalen palästinensischen Bevölkerung geht, kommt der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die israelische Landpolitik nicht im Einklang steht mit Artikel 46, 52 und 55 der Haager Verordnung.

4. Ausbeutung der natürlichen Ressourcen (Rn. 124-133)

Der Gerichtshof wendet sich sodann der Frage der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen zu. Er weist darauf hin, dass nach dem Grundsatz des Völkergewohnheitsrechts, der in Artikel 55 der Haager Regeln enthalten ist, die Besatzungsmacht nur als Verwalter und Nutznießer der natürlichen Ressourcen in den besetzten Gebieten angesehen wird, einschließlich, aber nicht beschränkt auf Wälder und landwirtschaftliche Grundstücke, und es verpflichtet ist, das Kapital dieser Ressourcen zu schützen. Daher darf die Nutzung der natürlichen Ressourcen durch die Besatzungsmacht nicht über das hinausgehen, was für die Zwecke der Besetzung erforderlich ist. In diesem Zusammenhang stellt der Gerichtshof fest, dass die Besatzungsmacht die ständige Pflicht hat, dafür zu sorgen, dass die lokale Bevölkerung ausreichend mit Nahrungsmitteln, einschließlich Wasser, versorgt wird. Außerdem muss die Nutzung der natürlichen Ressourcen in den besetzten Gebieten nachhaltig sein und Umweltschäden vermeiden.

Auf der Grundlage der ihm vorliegenden Beweise ist der Gerichtshof der Ansicht, dass Israels Verwendung der natürlichen Ressourcen in den besetzten palästinensischen Gebieten zu seinen Verpflichtungen nach dem internationalen Recht im Widerspruch steht. Durch die Umleitung eines großen Teils der natürlichen Ressourcen für die eigene Bevölkerung, einschließlich der Siedler, hat Israel gegen seine Verpflichtung, als Verwalter und Nießbraucher zu handeln, verstoßen. Der Gerichtshof ist ferner der Ansicht, dass Israel den Zugang der palästinensischen Bevölkerung zu Wasser, das in der Region zur Verfügung steht, stark einschränkt. Israel handelt nicht im Einklang mit seiner Verpflichtung, in den besetzten palästinensischen Gebieten Wasser in ausreichender Menge und Qualität verfügbar zu halten. In Anbetracht seiner Analyse gelangt der Hof ferner zu folgender Schlussfolgerung, dass die israelische Politik der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen in den besetzten palästinensischen Gebieten unvereinbar mit ihrer Verpflichtung ist, das Recht des palästinensischen Volkes auf dauerhafte Souveränität über sein natürlichen Ressourcen zu respektieren.

5. Ausweitung des israelischen Rechts (Rn. 134-141)

Nun zur Frage der Ausdehnung des israelischen Rechts auf die besetzten palästinensischen Gebiete. Der Gerichtshof erinnert daran, dass die Besatzungsmacht nach Artikel 43 der Haager Landkriegsordnung verpflichtet ist, grundsätzlich das im besetzten Gebiet geltende Recht zu beachten, es sei denn, sie sind absolut daran gehindert, dies zu tun. Grundsätzlich entzieht also das Besatzungsrecht also nicht den zivilen Institutionen der lokalen Bevölkerung im besetzten Gebiet ihre Regelungskompetenz. Vielmehr behält die Besatzungsmacht eine Reihe von Regelungsbefugnissen in Ausnahmefällen und für bestimmte, aufgezählte Gründe.

Auf der Grundlage der ihm vorliegenden Beweise stellt der Gerichtshof fest, dass Israel seinen Rechtsbereich durch Regulierung im Westjordanland erweitert hat. Er stellt insbesondere fest, dass Israel in hohem Maße das in den besetzten palästinensischen Gebieten geltende lokale Recht durch sein Militärrecht ersetzt hat. Darüber hinaus haben regionale und lokale Räte von Siedlern de facto die Gerichtsbarkeit über die Siedlungen im Westjordanland. In Ost-Jerusalem wird das israelische Recht seit Beginn der Besatzung im Jahr 1967 angewandt und Israel behandelt Ost-Jerusalem als sein eigenes Staatsgebiet, in dem das israelische Recht in vollem Umfang und unter Ausschluss jeder anderen inländischen Rechtsordnung angewandt wird.

Im vorliegenden Fall ist der Gerichtshof nicht davon überzeugt, dass die Ausdehnung des israelischen Rechts auf die West-Bank und Ostjerusalem aus einem der in Artikel 64 Absatz 2 der Vierten Genfer Konvention genannten Gründe gerechtfertigt ist. Außerdem kann die umfassende Anwendung der israelischen Gesetze in Ostjerusalem sowie dessen Anwendung auf Siedler im gesamten Westjordanland, nicht als „wesentlich“ für einen der in Artikel 64 Absatz 2 der Vierten Genfer Konvention genannten Zwecke angesehen werden.

Aus diesen Gründen ist der Gerichtshof der Auffassung, dass Israel seine Regelungsbefugnis als Besatzungsmacht in einer Weise asuübt, die mit der in Artikel 43 des Haager Abkommens enthaltenen Regel und Artikel 64 der Vierten Genfer Konvention unvereinbar ist.

6. Zwangsumsiedlung der palästinensischen Bevölkerung (Rn. 142-147)

Der Gerichtshof befasst sich dann mit den Auswirkungen der israelischen Siedlungspolitik darauf, dass die Palästinensische Bevölkerung das Land verlässt.

Der Gerichtshof stellt fest, dass die großflächige Beschlagnahme von Land und der Entzug des Zugangs zu den natürlichen Ressourcen der lokalen Bevölkerung ihre Lebensgrundlage entziehen und dazu führen, dass sie das Land verlassen. Darüber hinaus hat eine Reihe von Maßnahmen der israelischen Streitkräfte die Situation noch verschärft.

Der Gerichtshof erinnert daran, dass nach Artikel 49 Absatz 1 der Vierten Genfer Konvention „[i]ndividuelle oder massenhafte gewaltsame Überstellungen sowie Deportationen von geschützten Personen aus dem besetzten Gebiet in das Gebiet der Besatzungsmacht oder in das Gebiet eines anderen Landes, besetzt oder nicht, unabhängig von ihren Motiven verboten sind“.

In diesem Zusammenhang vertritt der Gerichtshof die Auffassung, dass eine Überstellung – nach Artikel 49 Absatz 1 der Vierten Genfer Konvention – nicht nur „gewaltsam“ sein kann, wenn sie durch Anwendung körperlicher Gewalt erreicht wird, sondern auch, wenn die Betroffenen keine andere Wahl haben, als zu gehen. Darüber hinaus stellt der Gerichtshof fest, dass Evakuierungen als vorübergehende Maßnahmen gedacht sind, die wieder rückgängig gemacht werden, sobald die zwingenden militärischen Gründe nachlassen. Im Gegensatz dazu haben Evakuierungen mit dauerhaftem oder unbestimmtem Charakter gegen das Verbot der gewaltsamen Verbringung verstoßen.

Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass die Politik und die Praktiken Israels, einschließlich der gewaltsamen Vertreibungen, umfangreiche Hauszerstörungen und Beschränkungen des Aufenthalts und der Bewegungsfreiheit Mitglieder der palästinensischen Bevölkerung, die im Gebiet C leben, oft kaum eine andere Wahl lassen, als ihren Wohnsitz zu verlassen. Die Art der israelischen Handlungen, einschließlich der Tatsache, dass Israel häufig Land beschlagnahmt, nach dem Abriss von palästinensischem Eigentum zum Zwecke der Umwidmung in israelische Siedlungen, weist darauf hin, dass diese Maßnahmen nicht vorübergehender Natur sind und daher nicht als zulässige Evakuierungen im Sinne der der Vierten Genfer Konvention angesehen werden können. Nach Ansicht des Gerichtshofs verstoßen die Politik und die Praktiken Israels gegen das Verbot der gewaltsamen Verbringung der geschützten Bevölkerung gemäß Artikel 49 Absatz 1 der Vierten Genfer Konvention.

7. Gewalt gegen Palästinenser (Rn. 148-154)

Nach Prüfung der ihr vorliegenden Beweise im Lichte der einschlägigen Bestimmungen des Völkerrechts, ist der Gerichtshof der Ansicht, dass die Gewalt von Siedlern gegen Palästinenser, das Versäumnis Israels, sie zu verhindern oder wirksam zu bestrafen, und die übermäßige Anwendung von Gewalt gegen Palästinenser zur Schaffung und Aufrechterhaltung eines Zwangsumfelds gegen Palästinenser beiträgt. Im vorliegenden Fall ist der Gerichtshof auf der Grundlage der Beweise, die ihm vorliegen, der Ansicht, dass Israels systematisches Versäumnis, Angriffe von Siedlern auf das Leben oder die körperliche Unversehrtheit von Palästinensern zu verhindern oder zu bestrafen, sowie Israels übermäßiger Anwendung von Gewalt gegen Palästinenser nicht im Einklang mit ihren Verpflichtungen als Besatzungsmacht steht.

8. Schlussfolgerung zur Siedlungspolitik Israels (Rn. 155-156)

In Anbetracht der obigen Ausführungen bekräftigt der Gerichtshof (siehe Gutachten Wall), dass die israelische Siedlungen im Westjordanland und in Ostjerusalem und das mit ihnen verbundene Regime unter Verletzung des Völkerrechts errichtet und aufrechterhalten werden. Der Gerichtshof stellt mit großer Sorge Berichte über die Ausweitung der israelischen Siedlungspolitik seit dem Mauer-Gutachten des Gerichtshofs fest.

C. Die Frage der Annexion des besetzten palästinensischen Gebietes (Rn. 157-179)

Der Gerichtshof stellt fest, dass sich die von der Generalversammlung gestellte Frage zum Teil auf die rechtliche Konsequenzen aus der angeblichen Annexion der besetzten palästinensischen Gebiete durch Israel bezieht.

1. Der Begriff der Annexion

Um diesen Aspekt der Frage zu beantworten, muss der Gerichtshof zunächst den Begriff der „Annexion“ definieren. Zweitens prüft der Gerichtshof die Politik und die Praktiken Israels im Hinblick auf die Frage, ob sie einer Annexion gleichkommen. Schließlich erörtert der Gerichtshof die Rechtmäßigkeit der israelischen Politik und Praktiken.

Unter dem Begriff „Annexion“ versteht der Gerichtshof im vorliegenden Zusammenhang den gewaltsamen Erwerb der Besatzungsmacht für das von ihr besetzte Gebiet, nämlich seine Eingliederung in das Gebiet der die Besatzungsmacht. Die Annexion setzt also die Absicht der Besatzungsmacht voraus, die ständige Kontrolle über das besetzte Gebiet zu behalten. Der Gerichtshof weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nach dem Besatzungsrecht die Kontrolle des besetzten Gebietes durch die Besatzungsmacht vorübergehender Natur sein muss. Folglich deutet das Verhalten einer Besatzungsmacht, die die Absicht bekundet, eine ständige Kontrolle über das besetzte Gebiet auszuüben, auf einen Annexionsakt hin.

Die Behauptung der ständigen Kontrolle über das besetzte Gebiet durch die Besatzungsmacht kann sich auf unterschiedliche Weise manifestieren. In diesem Zusammenhang stellt der Gerichtshof fest, dass eine Unterscheidung zwischen zwischen „de jure“ und „de facto“ Annexion gelegentlich vorgenommen wird. Obwohl sie sich in Bezug auf die Mittel unterscheiden, mit denen die Angliederung durchgeführt wird, haben beide Arten der Angliederung das gleiche Ziel: Die Behauptung einer ständigen Kontrolle über das besetzte Gebiet.

2. Israelische Handlungen, die einer Annexion gleichkommen

Vor diesem Hintergrund muss der Gerichtshof prüfen, ob Israel durch sein Verhalten seine ständige Kontrolle über die besetzten palästinensischen Gebiete in einer Weise ausübt, die auf eine Annexion hinauslaufen.

Nach Prüfung der Politik und der Praktiken Israels sowohl in Bezug auf Ost-Jerusalem als auch auf Westjordanland, um festzustellen, ob sie einer Annexion gleichkommen, kommt der Gerichtshof zu der Schlussfolgerung, dass die Politik und die Praktiken Israels, einschließlich der Aufrechterhaltung und Ausweitung der Siedlungen, den Bau der dazugehörigen Infrastruktur und der Mauer, der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, der Proklamation Jerusalems zur Hauptstadt Israels, der umfassenden Anwendung des israelischen Rechts in Ost-Jerusalem und seiner weitgehenden Anwendung im Westjordanland und die israelische Kontrolle über die besetzten palästinensischen Gebiete, insbesondere Ost-Jerusalem und das Gebiet C in West-Bank – dass diese Politiken und Praktiken so konzipiert sind, dass sie auf unbestimmte Zeit in Kraft bleiben und unumkehrbare Auswirkungen vor Ort haben. Daher ist der Gerichtshof der Auffassung, dass diese Politiken und Praktiken auf die Annexion großer Teile des besetzten palästinensischen Gebietes hinauslaufen.

3. Das Verbot der gewaltsamen Aneignung von Gebieten

Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass der Versuch, die Souveränität über ein besetztes Gebiet zu erlangen, wie die Politik und die Praktiken Israels in Ost-Jerusalem und im Westjordanland zeigen, gegen das Verbot der Anwendung von Gewalt in den internationalen Beziehungen und gegen den daraus abgeleiteten Grundsatz des Verbots der gewaltsamen Aneignung von Gebieten gerichtet ist.

Die Art und Weise, mit der sich die Annexion auf den rechtlichen Status der Besatzung und damit die Rechtmäßigkeit der fortdauernden Präsenz Israels auswirkt, wird später im dem Gutachten erörtert.

D. Die Frage der diskriminierenden Rechtsvorschriften und Maßnahmen (Abs. 180-229)

Der Gerichtshof prüft dann die Frage der Rechtsfolgen, die sich aus der Israels Verabschiedung der damit verbundenen diskriminierenden Rechtsvorschriften und Maßnahmen ergeben.

Unter Hinweis auf den Wortlaut der Frage (a) und die Schlussfolgerung, zu der er in Bezug auf die Auslegung der Fragen gelangt ist, stellt er fest, dass er selbst prüfen muss, ob die in der Anfrage der Generalversammlung genannten Rechtsvorschriften und Maßnahmen diskriminierend sind. Insoweit stellt der Gerichtshof zunächst fest, dass er seine Prüfung auf die Rechtsvorschriften und Maßnahmen beschränken muss, die in engem Zusammenhang mit den zuvor erörterten Politiken und Praktiken stehen. Zweitens, geht es um die israelischen Rechtsvorschriften und Maßnahmen nur insoweit, als sie in den besetzten palästinensischen Gebiet gelten. Drittens beschränkt sich die Frage auf den potenziell diskriminierenden Charakter der Israels Gesetzgebung und Maßnahmen.

Nachdem der Gerichtshof somit den Anwendungsbereich der Frage a definiert hat, wendet er sich dem Begriff der Diskriminierung zu. Er ist der Auffassung, dass alle einschlägigen Bestimmungen des Völkerrechts einen gemeinsamen Begriff von der unterschiedlichen Behandlung von Personen haben, die verschiedenen Gruppen angehören. Er stellt in diesem Zusammenhang fest, dass die Existenz des palästinensischen Volkes nicht in Frage steht. Daher ist der Gerichtshof der Ansicht, dass die unterschiedliche Behandlung von Palästinensern zu Diskriminierung führen kann.

Zur Beantwortung der Frage a) prüft der Gerichtshof zunächst, wie sich die Genehmigungspolitik Israels in Ostjerusalem auf die Palästinenser in den besetzten palästinensischen Gebieten auswirkt. Der Gerichtshof wendet sich dann den von Israel verhängten Einschränkungender Bewegungsfreiheit der Palästinenser in den besetzten palästinensichen Gebieten zu. Schließlich wird die israelische Praxis des Abrisses von palästinensischem Eigentum im Westjordanland und in Ostjerusalem behandelt, sowohl im Hinblick auf die Praxis des Strafabrisses als auch im Hinblick auf Abrisse wegen fehlender Baugenehmigung.

Der Gerichtshof stellt in diesem Zusammenhang fest, dass seit 2009 fast 11.000 palästinensische Gebäude abgerissen wurden. Das Gericht kommt aufgrund der ihm vorgelegten Beweise und seiner Prüfung dieser Beweise zu dem Schluss, dass eine breite Palette von Rechtsvorschriften und Maßnahmen, die Israel in seiner Eigenschaft als Besatzungsmacht erlassen hat, Palästinenser aus völkerrechtlich festgelegten Gründen unterschiedlich behandelt. Der Gerichtshof stellt fest, dass diese Differenzierungen in der Behandlung nicht durch vernünftige und objektive Kriterien gerechtfertigt werden kann und keinem legitimen öffentlichen Ziel dienen. Der Gerichtshof ist daher der Ansicht, dass die umfassenden von Israel den Palästinensern in den besetzten palästinensischen Gebieten auferlegten Beschränkungen eine systematische Diskriminierung unter anderem aus Gründen der Ethnie, der Religion oder der ethnischen Herkunft unter Verstoß gegen Artikel 2, Absatz 1 und 26 des ICCPR, Artikel 2 Absatz 2 des ICESCR und Artikel 2 des CERD sind.

Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass die israelischen Rechtsvorschriften und Maßnahmen die Aufrechterhaltung zu einer fast vollständigen Trennung im Westjordanland und in Ostjerusalem zwischen den Siedlern und Palästinensern geführt hat. Aus diesem Grund ist der Gerichtshof der Ansicht, dass die israelischen Rechtsvorschriften und Maßnahmen einen Verstoß gegen Artikel 3 des CERD sind.

E. Die Frage der Selbstbestimmung (Abs. 230-243)

Nach der Feststellung, dass Israels Siedlungspolitik, seine Annexionsakte und die damit verbundenen diskriminierenden Rechtsvorschriften und Maßnahmen gegen das Völkerrecht verstoßen, wendet sich der Gerichtshof dem Aspekt der Frage a) zu, in dem nach den Auswirkungen der Politik und der Praktiken Israels auf die Ausübung des Rechts des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung gefragt wird. Der Gerichtshof hat bereits in seinem Urteil zu dem Wall die Meinung vertreten, dass das Recht des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung besteht. In dem gegenwärtigen Verfahren bestimmt der Gerichtshof zunächst den Umfang dieses Rechts und prüft dann die etwaigen Auswirkungen, die die Politik und die Praktiken Israels auf ihre Ausübung haben.

In Anbetracht seiner Analyse ist der Gerichtshof der Ansicht, dass der anhaltende Charakter der rechtswidrigen israelischen Politiken und Praktiken die Verletzung des Rechts des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung verschlimmern. Als Folge der jahrzehntelangen Politik und Praxis Israels wurde das palästinensische Volk über einen langen Zeitraum seines Rechts auf Selbstbestimmung beraubt. Die Fortführung dieser Politiken und Praktiken untergräbt die Ausübung dieses Rechts auch in der Zukunft. Aus diesen Gründen ist der Gerichtshof der Ansicht, dass die rechtswidrige Politik und die Praktiken Israels einen Verstoß gegen die Verpflichtung Israels darstellen, das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes zu respektieren.

Welche Auswirkungen diese Politiken auf den Rechtsstatus der Besatzung und damit auf die Rechtmäßigkeit der Fortsetzung der Besatzung Israels in den besetzten palästinensischen Gebieten haben, wird im weiteren Verlauf des Gutachtens erörtert.

VI. AUSWIRKUNGEN DER POLITIK UND PRAXIS ISRAELS AUF DEN RECHTSSTATUS DER BESETZUNG (Rn. 244-264)

A. Zum Anwendungsbereich des ersten Teils der Frage b und zum anwendbaren Recht (Rn. 244-251)

Der Gerichtshof wendet sich dann dem ersten Teil der Frage b zu, die die Generalversammlung gestellt hat, und prüft im Lichte der einschlägigen Regeln und Grundsätze des Völkerrechts, ob und, wenn ja, in welcher Weise die Politik und die Praktiken Israels dem rechtlichen Status der Besatzung widersprechen.

Zunächst wird die Tragweite des ersten Teils der Frage (b) näher bestimmt, die von die Generalversammlung gestellt wurde. Insoweit ist der Gerichtshof der Ansicht, dass der erste Teil der Frage (b) nicht die Frage ist, ob die Politik und die Praktiken Israels den rechtlichen Status der Besatzung als solche beeinflussen. Der Gerichtshof ist vielmehr der Ansicht, dass die Tragweite des ersten Teils der zweiten Frage Folgendes betrifft: Es geht um die Art und Weise, in der die Politik und die Praktiken Israels den rechtlichen Status der Besatzung beeinflussen, und damit um die Rechtmäßigkeit der fortdauernden Präsenz Israels als Besatzungsmacht in den besetzten Palästinensischen Gebieten. Diese Rechtmäßigkeit ist nach den Regeln und Grundsätzen des allgemeinen Völkerrechts, einschließlich der Charta der Vereinten Nationen, zu beurteilen.

B. Die Art und Weise, in der die israelische Politik und Praxis den Rechtsstatus der Besetzung ausübt (Rn. 252-258)

Der Gerichtshof hat festgestellt, dass die israelische Politik und Praxis und die Art und Weise, wie sie  vor Ort umgesetzt und angewendet werden, erhebliche Auswirkungen haben auf den rechtlichen Status der Besetzung – durch die Ausdehnung der israelischen Souveränität auf bestimmte Teile der besetzten Gebiete, ihren schrittweisen Anschluss an das israelische Hoheitsgebiet, die Ausübung der israelischen Regierungsfunktionen und die Anwendung ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sowie durch die Überstellung einer wachsenden Zahl ihrer eigenen Staatsangehörigen nach und die Binderung der Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der Bevölkerung in diesen Teilen des Gebiets des palästinensischen Volkes.

Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass die Behauptung der Souveränität Israels und seine Annexion bestimmter besetzter Gebiete einen Verstoß gegen das Verbot der gewaltsamen Aneignung von Territorium darstellen. Dieser Verstoß wirkt sich unmittelbar auf die Rechtmäßigkeit der fortdauernden Präsenz Israels als Besatzungsmacht in den besetzten palästinensischen Gebieten aus. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass Israel aufgrund seiner Besatzungnicht nicht berechtigt ist, die Souveränität über irgendeinen Teil des besetzten palästinensischen Gebiets oder die Ausübung souveräner Befugnisse in diesem Gebiet auszuüben. Auch können Israels Sicherheitsbedenken nicht den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit außer Kraft setzen.

Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass die Auswirkungen der zuvor erörterten Politiken und Praktiken Israels und die Ausübung der Souveränität über bestimmte Teile des besetzten palästinensischen Gebietes, insbesondere im Westjordanland und in Ostjerusalem, das palästinensische Volk bei der Ausübung seiner Rechte behindern und sein Recht auf Selbstbestimmung verletzen. Zu den Auswirkungen dieser Politiken und Praktiken gehören Israels Annexion von Teilen der besetzten palästinensischen Gebiete, die Zersplitterung dieses Gebiets, die Untergrabung der Integrität des palästinensisches Gebietes und der natürlichen Lebensgrundlagen des palästinensischen Volkes sowie die Beeinträchtigung des Rechts des palästinensischen Volkes auf wirtschaftliche Betätigung, soziale und kulturelle Entwicklung.

Die oben beschriebenen Auswirkungen der Politik und der Praktiken Israels, die u.a. dazu führen, dass dem palästinensischen Volk das Recht auf Selbstbestimmung vorenthalten wird, stellen eine Verletzung dieses Grundrechts dar. Diese Verletzung hat direkte Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Anwesenheit Israels als
Besatzungsmacht in den besetzten palästinensischen Gebieten aus. Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass die Besetzung nicht in einer Weise genutzt werden kann, die die besetzte Bevölkerung auf unbestimmte Zeit in einem Zustand der Ungewissheit zu belässt und ihr das Recht auf Selbstbestimmung verweigert, während Teile ihres Territoriums in das eigene Territorium der Besatzungsmacht integriert werden. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass die Existenz des Selbstbestimmungs-rechts des palästinensischen Volkes nicht von Bedingungen der Besatzungsmacht abhängig gemacht werden kann, da es sich um ein unveräußerliches Recht handelt.

In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen wendet sich der Gerichtshof der Prüfung der Rechtmäßigkeit der fortgesetzten
Anwesenheit Israels in den besetzten palästinensischen Gebieten zu.

C. Die Rechtmäßigkeit der fortgesetzten Präsenz Israels in den besetzten palästinensischen Gebieten (Rn. 259-264)

Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass die Verstöße Israels gegen das Verbot des gewaltsamen Gebietserwerbs und des Rechts des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung sich unmittelbar auf die Rechtmäßigkeit der fortdauernden Präsenz Israels als Besatzungsmacht in den besetzten palästinensischen Gebieten auswirken. Der anhaltende Missbrauch seiner Position als Besatzungsmacht durch Israel, die Annexion und die Behauptung einer permanenten Kontrolle über die besetzten palästinensischen Gebiete und die fortgesetzte Vereitelung des Recht des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung, verstößt gegen grundlegende Prinzipien des Völkerrechts und macht die Anwesenheit Israels in den besetzten palästinensischen Gebieten rechtswidrig.

Diese Rechtswidrigkeit bezieht sich auf das gesamte palästinensische Gebiet, das 1967 von Israel besetzt wurde. Dies ist die territoriale Einheit, über die Israel
die Fähigkeit des palästinensischen Volkes, sein Recht auf Selbstbestimmung auszuüben, fragmentiert und vereitelt. Über weite Teile diese territorialen Einheit hat Israel seine Souveränität unter Verletzung des Völkerrechts ausgedehnt. Das gesamte besetzte palästinensische Gebiet ist auch das Gebiet, über das das palästinensische Volk in der Lage sein sollte, sein Recht auf Selbstbestimmung auszuüben, dessen Integrität respektiert werden muss.

In Erwiderung auf ein von drei Teilnehmern vorgebrachtes Argument stellt der Gerichtshof fest, dass die Osloer Abkommen Israel nicht erlauben, Teile der besetzten palästinensischen Gebiete zu annektieren, um seine Sicherheitsbedürfnisse zu erfüllen. Sie ermächtigen Israel auch nicht, eine ständige Präsenz in den besetzten palästinensischen Gebiet für solche Sicherheitsbedürfnisse zu unterhalten.

Der Gerichtshof betont, dass die Schlussfolgerung, dass die fortgesetzte Präsenz Israels in den besetzten Palästinensischen Gebieten illegal ist, Israel nicht von seinen Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten nach dem Völkerrecht, insbesondere dem Besatzungsrecht, gegenüber der palästinensischen Bevölkerung und anderen Staaten in Bezug auf die Ausübung seiner Befugnisse in diesem Gebiet entbindet, bis seine Präsenz beendet ist. Es ist die tatsächliche Kontrolle eines Gebiets, unabhängig von seinem völkerrechtlichen Status, die die Grundlage für die Verantwortlichkeit eines Staates für seine Handlungen gegenüber der Bevölkerung dieses Gebietes oder anderen Staaten bildet.

VII. RECHTLICHE FOLGEN AUS DER POLITIK UND DEN PRAKTIKEN ISRAELS UND VON DER UNRECHTMÄSSIGKEIT DER ANHALTENDEN PRÄSENZ ISRAELS IN DEN BESETZTEN PALÄSTINENSISCHEN GEBIETEN ( Rn. 265-283)

Der Gerichtshof stellt fest, dass die in Frage a) genannten Politiken und Praktiken Israels einen Verstoß des Völkerrechts darstellen. Die Beibehaltung dieser Politiken und Praktiken ist eine rechtswidrige Handlung dauerhaften Charakters, der die internationale Verantwortung Israels nach sich zieht.

Der Gerichtshof hat auch in der Antwort auf den ersten Teil der Frage b) festgestellt, dass die fortgesetzte Anwesenheit von Israel in den besetzten palästinensischen Gebieten rechtswidrig ist. Der Gerichtshof befasst sich daher mit den rechtlichen Folgen, die sich aus den in Frage a) genannten Politiken und Praktiken Israels für Israel ergeben, zusammen mit denen, die sich aus der Unrechtmäßigkeit der anhaltenden Präsenz Israels in den besetzten Palästinensischen Gebieten gemäß Frage b), für Israel, für andere Staaten und für die Vereinten Nationen ergeben.

A. Rechtliche Konsequenzen für Israel (Rn. 267-272)

In Bezug auf die fortgesetzte Präsenz Israels in den besetzten palästinensischen Gebieten ist der Gerichtshof der Ansicht, dass diese Präsenz eine unrechtmäßige Handlung darstellt, die eine internationale Verantwortung nach sich zieht. Es handelt sich um eine fortdauernde unrechtmäßige Handlung, die Israel durch seine Politik und seine Praktiken gegen das Verbot des gewaltsamen Gebietserwerbs und gegen das Recht auf Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes betreibt. Folglich ist Israel verpflichtet, seine Präsenz in den besetzten palästinensischen Gebieten so schnell wie möglich zu beenden.

Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass in Bezug auf die in Frage a) genannten Politiken und Praktiken Israels, die sich als rechtswidrig erwiesen haben, die Verpflichtung besteht, diesen rechtswidrigen Handlungen ein Ende zu setzen. In dieser Hinsicht muss Israel unverzüglich alle neuen Siedlungsaktivitäten einstellen. Israel ist außerdem verpflichtet, alle Gesetze und Maßnahmen aufzuheben, die die rechtswidrige Situation schaffen oder aufrechterhalten, einschließlich derjenigen, die das palästinensische Volk in den besetzten palästinensischen Gebieten diskriminieren, sowie aller Maßnahmen, die darauf abzielen, die demografische Zusammensetzung eines Teils des Gebietes zu verändern.

Israel ist auch verpflichtet, an alle betroffenen natürlichen oder juristischen Personen Wiedergutmachung für den Schaden leisten, den es durch seine völkerrechtswidrigen Handlungen verursacht. Die Wiedergutmachung umfasst Restitution, Entschädigung und/oder Genugtuung. Sie umfasst die Verpflichtung Israels zur Rückgabe von Land und anderem unbeweglichen Eigentum sowie aller Vermögenswerte, die einer natürlichen oder juristischen Person seit Beginn der Besatzung im Jahr 1967 entzogen wurden, und aller Kulturgüter und Vermögenswerte, die Palästinensern und palästinensischen Institutionen entzogen wurden, einschließlich der Archive und Dokumente. Außerdem gehört dazu die Evakuierung aller Siedler aus den bestehenden Siedlungen und der Abbau der von Israel errichteten Teile der Mauer, die sich in den besetzten palästinensischen Gebieten befinden, sowie die Erlaubnis für alle Palästinenser, die während der Besatzung vertrieben wurden, an ihren ursprünglichen Wohnsitz zurückzukehren.

Für den Fall, dass sich eine solche Rückgabe als materiell unmöglich erweisen sollte, ist Israel verpflichtet, in Übereinstimmung mit den anwendbaren Regeln des internationalen Rechts, alle natürlichen oder juristische Personen und Bevölkerungen zu entschädigen, die irgendeine Form von materiellem Schaden infolge der unrechtmäßigen Handlungen Israels während der Besatzung erlitten haben.

Der Gerichtshof betont, dass die Verpflichtungen, die sich aus den völkerrechtswidrigen Handlungen Israels ergeben, Israel nicht von seiner fortdauernden Pflicht entbinden, die internationalen Verpflichtungen zu erfüllen, die es durch sein Verhalten verletzt hat. Insbesondere ist Israel weiterhin verpflichtet, das Recht des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung zu respektieren und seine Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht und den internationalen Menschenrechten zu erfüllen.

B. Rechtsfolgen für andere Staaten (Rn.. 273-279)

Der Gerichtshof wendet sich den rechtlichen Folgen der völkerrechtswidrigen Handlungen Israels in den besetzten palästinensischen Gebieten in Bezug auf andere Staaten zu.

Der Gerichtshof stellt fest, dass zu den von Israel verletzten Verpflichtungen bestimmte Verpflichtungen gehören, erga omnes. Dazu gehört die Verpflichtung, das Recht des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung zu respektieren und die Verpflichtung, die sich aus dem Verbot der Anwendung von Gewalt zum Erwerb von Gebieten ergibt, sowie einige seiner Verpflichtungen aus dem humanitären Völkerrecht und dem internationalen Menschenrecht.

In Bezug auf das Selbstbestimmungsrecht ist der Gerichtshof der Ansicht, dass es zwar Sache der Generalversammlung und des Sicherheitsrats ist, sich zu den Modalitäten zu äußern, die erforderlich sind, um eine Beendigung der illegalen Präsenz Israels in den besetzten palästinensischen Gebieten und die vollständige Verwirklichung des Rechts des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung durchzusetzen. Dazu müssen alle Staaten mit den Vereinten Nationen zusammenarbeiten.

In Bezug auf das Verbot der gewaltsamen Aneignung von Gebieten, unter Berücksichtigung der Entschließungen des Sicherheitsrats und der Generalversammlung ist der Gerichtshof der Ansicht, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, keine Veränderungen des physischen Charakters oder der demografischen Zusammensetzung anzuerkennen, auch nicht die institutionelle Struktur oder den Status des am 5. Juni 1967 von Israel besetzten Gebiets, einschließlich des Ostens Jerusalem, es sei denn, die Konfliktparteien haben sich auf dem Verhandlungswege geeinigt, und in ihren Beziehungen zu Israel zwischen dem Gebiet des Staates Israel und dem palästinensischen Gebiet, das seit 1967 besetzt ist, zu unterscheiden.

Darüber hinaus ist der Gerichtshof der Ansicht, dass in Anbetracht des Charakters und der Bedeutung der Rechte alle Staaten verpflichtet sind, die sich aus der unrechtmäßigen Präsenz Israels in den besetzten palästinensischen Gebieten ergebende Situation nicht als rechtmäßig anzuerkennen. Sie stehen außerdem in der Verpflichtung, keine Hilfe oder Unterstützung zu leisten bei der Aufrechterhaltung der durch Israels illegale Handlungen geschaffenen Situation und der Präsenz Israels in den besetzten palästinensischen Gebieten. Das ist Aufgabe aller Staaten, unter Achtung der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts, um sicherzustellen, dass jede Behinderung des Rechts des palästinensischen Volkes auf Ausübung seiner Selbstbestimmung aufgrund der illegalen Präsenz Israels in den besetzten palästinensischen Gebieten beendet wird. Darüber hinaus haben alle Vertragsstaaten der Vierten Genfer Konvention die Verpflichtung, unter Wahrung der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts, die Einhaltung des humanitären Völkerrechts durch Israel zu gewährleisten.

C. Rechtliche Konsequenzen für die Vereinten Nationen (Abs. 280-283)

Die bereits erwähnte Pflicht zur Nichtanerkennung gilt auch für internationale Organisationen, einschließlich der Vereinten Nationen, in Anbetracht der schwerwiegenden Verstöße gegen die Verpflichtungen des Völkerrechts erga omnes. Die Verpflichtung, die Situation, die durch die unrechtmäßige Anwesenheit Israels in den besetzten palästinensischen Gebieten entstanden ist, und die Anwesenheit Israels in den besetzten palästinensischen Gebieten nicht als rechtmäßig anzuerkennen und die Verpflichtung, im Umgang mit Israel zwischen dem israelischen Staatsgebiet und dem besetzten palästinensischen Gebiet zu unterscheiden, gilt auch für die Vereinten Nationen.

Schließlich ist der Gerichtshof der Ansicht, dass die genauen Modalitäten zur Beendigung der rechtswidrigen Anwesenheit Israels in den besetzten palästinensischen Gebieten eine Angelegenheit ist, die von der Generalversammlung zu behandeln ist, die um diese Stellungnahme ersucht hat, sowie der Sicherheitsrat zu behandeln hat. Daher ist es Sache der Generalversammlung und der Sicherheitsrats, unter Berücksichtigung des vorliegenden Gutachtens zu prüfen, welche weiteren Maßnahmen erforderlich sind, um die illegale Präsenz Israels zu beenden. Der Gerichtshof hält es für wichtig, wie er bereits in seinem Gutachten zur Mauer betont hat, „die dringende Notwendigkeit, dass die Vereinten Nationen als Ganzes ihre Anstrengungen verdoppeln, um den israelisch-palästinensischen Konflikt, der nach wie vor eine Bedrohung für den internationalen Frieden und Sicherheit ist, zu einem raschen Abschluss zu bringen und so einen gerechten und dauerhaften Frieden in der Region zu schaffen“.

Der Gerichtshof ist ferner der Auffassung, dass die Verwirklichung des Rechts des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung, einschließlich seines Rechts auf einen unabhängigen und souveränen Staat, der Seite an Seite in Frieden mit dem Staat Israel innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen für beide Staaten, wie in den Resolutionen des Sicherheitsrates und der Generalversammlung vorgesehen ist, zur regionalen Stabilität und Sicherheit aller Staaten im Nahen Osten beitragen würde. Der Gerichtshof betont, dass seine Antwort auf die ihm von der Generalversammlung gestellten Fragen
auf der Gesamtheit der vom Gerichtshof oben dargelegten Rechtsgrundlagen beruht, von denen jede im Lichte der anderen zu lesen ist, wobei die vom Gerichtshof vorgenommene Abgrenzung der materiellen, territorialen und zeitliche Tragweite der Fragen berücksichtigt werden muss.

*

BESCHLUSS DES INTERNATIONALEN GERICHTSHOFS (Rn. 285)

Aus diesen Gründen,

stellt

DER GERICHTSHOF,

(1) einstimmig, fest, dass er für die Abgabe des beantragten Gutachtens zuständig ist;

(2) beschließt, mit vierzehn Stimmen bei einer Gegenstimme, dem Ersuchen um Abgabe eines Gutachtens stattzugeben;

DAFÜR: Präsident Salam; Richter Tomka, Abraham, Yusuf, Xue, Bhandari, Iwasawa,

Nolte, Charlesworth, Brant, Gómez Robledo, Cleveland, Aurescu, Tladi;

DAGEGEN: Vizepräsident Sebutinde;

(3) ist mit elf zu vier Stimme der Ansicht,

dass die weitere Präsenz des Staates Israel in den besetzten palästinensischen Gebieten rechtswidrig ist;

DAFÜR: Präsident Salam; Richter Yusuf, Xue, Bhandari, Iwasawa, Nolte, Charlesworth,

Brant, Gómez Robledo, Cleveland, Tladi;

DAGEGEN: Vizepräsident Sebutinde; Richter Tomka, Abraham, Aurescu;

(4) ist mit elf zu vier Stimmen der Auffassung,

dass der Staat Israel verpflichtet ist, seine rechtswidrige Tätigkeit Präsenz in den besetzten palästinensischen Gebieten so schnell wie möglich zu zu beenden;

DAFÜR: Präsident Salam; Richter Yusuf, Xue, Bhandari, Iwasawa, Nolte, Charlesworth,

Brant, Gómez Robledo, Cleveland, Tladi;

DAGEGEN: Vizepräsident Sebutinde; Richter Tomka, Abraham, Aurescu;

(5) ist mit vierzehn Stimmen bei einer Gegenstimme der Auffassung,

dass der Staat Israel verpflichtet ist, unverzüglich alle neuen Siedlungsaktivitäten einzustellen und alle Siedler aus den besetzten palästinensischen Gebieten zu evakuieren;

DAFÜR: Präsident Salam; Richter Tomka, Abraham, Yusuf, Xue, Bhandari, Iwasawa,

Nolte, Charlesworth, Brant, Gómez Robledo, Cleveland, Aurescu, Tladi;

DAGEGEN: Vizepräsident Sebutinde;

(6) ist mit vierzehn Stimmen bei einer Gegenstimme, der Auffassung,

dass der Staat Israel verpflichtet ist, den Schaden für alle betroffenen natürlichen oder juristischen Personen in den besetzten palästinensischen Gebieten wiedergutzumachen;

DAFÜR: Präsident Salam; Richter Tomka, Abraham, Yusuf, Xue, Bhandari, Iwasawa,

Nolte, Charlesworth, Brant, Gómez Robledo, Cleveland, Aurescu, Tladi;

GEGEN: Vizepräsident Sebutinde;

(7) ist mit zwölf gegen drei Stimmen der Auffassung,

dass alle Staaten verpflichtet sind, die Situation, die sich aus der unrechtmäßigen Anwesenheit des Staates Israel in den besetzten palästinensischen Gebieten ergibt, nicht als rechtmäßig anzuerkennen und keine Hilfe oder Unterstützung bei der Aufrechterhaltung der durch die fortgesetzte Anwesenheit des Staates Israel in den besetzten palästinensischen Gebieten geschaffenen Situation zu leisten.

DAFÜR: Präsident Salam; Richter Tomka, Yusuf, Xue, Bhandari, Iwasawa, Nolte,

Charlesworth, Brant, Gómez Robledo, Cleveland, Tladi;

DAGEGEN: Vizepräsident Sebutinde; Richter Abraham, Aurescu;

(8) ist mit zwölf gegen drei Stimmen der Auffassung,

dass die internationalen Organisationen, einschließlich der Vereinten Nationen, verpflichtet sind, die Situation, die durch die unrechtmäßige Anwesenheit des Staates Israel in den besetzten palästinensischen Gebieten entstanden ist, nicht als rechtmäßig anzuerkennen

DAFÜR: Präsident Salam; Richter Tomka, Yusuf, Xue, Bhandari, Iwasawa, Nolte,

Charlesworth, Brant, Gómez Robledo, Cleveland, Tladi;

DAGEGEN: Vizepräsident Sebutinde; Richter Abraham, Aurescu;

(9) ist mit zwölf gegen drei Stimmen der Auffassung,

dass die Vereinten Nationen und insbesondere die Generalversammlung, die um diese Stellungnahme ersucht, und der Sicherheitsrat die genauen Modalitäten und die weiteren Maßnahmen prüfen sollte, die erforderlich sind, um die unrechtmäßige Präsenz des Staates Israel in den besetzten palästinensischen Gebieten so schnell wie möglich zu beenden.

DAFÜR: Präsident Salam; Richter Tomka, Yusuf, Xue, Bhandari, Iwasawa, Nolte,

Charlesworth, Brant, Gómez Robledo, Cleveland, Tladi;

DAGEGEN: Vizepräsident Sebutinde; Richter Abraham, Aurescu.

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Präsident SALAM fügt dem Gutachten des Hofes eine Erklärung bei; Vizepräsident Präsident S EBUTINDE fügt dem Gutachten des Hofes eine abweichende Stellungnahme bei; Die Richterin TOMKA fügt dem Gutachten des Gerichtshofes eine Erklärung bei; die Richter TOMKA, ABRAHAM und AURESCU fügen dem Gutachten des Gerichtshofs eine gemeinsame Stellungnahme bei; Richter YUSUF fügt dem Gutachten des Gerichtshofs eine gesonderte Stellungnahme hinzu; Richter XUE fügt eine Erklärung zum Gutachten des Gerichtshofs hinzu; die Richter IWASAWA und NOLTE fügen dem Gutachten des Gerichtshofes gesonderte Stellungnahmen hinzu; die Richter NOLTE und CLEVELAND fügen eine gemeinsame Erklärung bei; die Richter C. HARLESWORTH und BRANT fügen dem Gutachten Erklärungen bei.

Hinweis des Bearbeiters dieser Zusammenfassung: Diese gesonderten Gutachten und Erklärungen von einzelnen Richtern oder einer Gruppe von Richtern wurden nicht übersetzt, können aber in der englischen Fassung nachgelesen werden.