I. Eine kurze Geschichte der unvollendeten Revolution von 1918

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Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler 1933 war zugleich das Ende der ersten deutschen Republik.

Diese erste Republik war eine Folge der Revolution von 1918/19 und diese Revolution eine Folge des Ersten Weltkrieges. Die erste Forderung der Revolution war, den Krieg sofort zu beenden.

Bis zum Ende des Krieges war Deutschland vorrepublikanisch geprägt. Die Unternehmer verfügten zwar nach der großen Industrialisierungswelle der vorangegangenen Jahrzehnte über die ökonomische Macht, Berlin war ein aus ganz Europa herausragendes industrielles Zentrum. Aber – anders als die französischen Unternehmer 1789 – hatten es die deutschen Unternehmer 1848 nicht vermocht, auch die politische Macht zu erringen. Die Verfügungsgewalt über die Exekutive und das Militär blieb weitgehend in der Hand des Adels, mit dem Kaiser an der Spitze. Der Kaiser ernannte und entließ den Reichskanzler, er war der oberste Heeresführer und entschied über Krieg und Frieden. Der Reichstag besaß lediglich das Recht, den staatlichen Haushalt zu verabschieden. Die abhängig Beschäftigten hatten weder die politische noch die ökonomische Macht.

1914 erklärte Deutschland Russland den Krieg. Die SPD verkündete: „Wir lassen in der Stunde der Gefahr das Vaterland nicht im Stich“. Und die Gewerkschaften verkündeten den so genannten „Burgfrieden“, d.h. sie verzichteten für die Dauer des Krieges auf jeglichen Streik.

Es dauerte eine Zeit, bis sich Widerstand regte. Er wurde nicht über die Gewerkschaften organisiert, sondern über die revolutionären Obleute, die allerdings alle erfahrene Gewerkschafter waren. Die erste öffentliche Kundgebung organisierten jedoch Sozialistinnen am internationalen Frauentag 1915. Der  Widerstand zeigte sich in Arbeitsniederlegungen, die von immer mehr Beschäftigten befolgt wurden. Er richtete sich gegen die immer schlechtere Versorgung der Bevölkerung und gegen den Krieg. Der Streik im Januar 1918 war der größte Massenstreik gegen den Krieg, den es jemals in Deutschland gegeben hat. Die Streikenden forderten unmissverständlich das Ende des Krieges.

Im Herbst 1918 war es dann so weit. Von Kiel aus sprang der Funke auf andere Städte über, bis er am 9. November auch Berlin erreichte. Der Generalstreik am 9. November besiegelte das Ende des Krieges und des Kaiserreichs.

In den folgenden Monaten ging es darum, Entmilitarisierung und Demokratisierung voranzutreiben und zu festigen. Sebastian Haffner hat das in seinem Buch über die Novemberrevolution sehr prägnant beschrieben, auch die bremsende Rolle der SPD in diesem Prozess.

Militarismus zusammen mit Kaisertreue hatten im ersten Weltkrieg Millionen Tote gekostet. Wenn mit dieser Tradition gebrochen werden sollte, durften alle diejenigen, die bisher dafür gestanden hatten, nicht mehr in Amt und Würden bleiben. Aber sie blieben in der Justiz, in der Verwaltung und im Militär und durften weiter über Menschen entscheiden und die Gesellschaft im Inneren prägen. Hinter der Fassade der Demokratie existierte der undemokratische Geist der Kaiserzeit und des Militarismus weiter. „Der Kaiser ging, die Generäle blieben“. Nicht nur die Generäle blieben. Obwohl es große Streiks für die Vergesellschaftung des Kohlebergbaus und der eisenschaffenden Industrie gab, weil sie in besonderen Maße den Krieg vorangetrieben und daran verdient hatten, wurde das große Kapital nicht angetastet. Das war die unvollendete Revolution.

Stattdessen wurden die Revolutionäre bekämpft, also diejenigen, die sich für das Ende von Krieg und für die Republik eingesetzt hatten. Im Frühjahr 1919 und 1920 nach dem Generalstreik gegen den Kapp-Lüttwitz-Ludendorff Putsch wurden von Freikorps Tausende umgebracht. Dieser Putsch im Jahr 1920 war zwei Jahre nach der Revolution der erste Versuch, die ganze Republik zu beseitigen. 1920 konnte der Generalstreik dem noch ein Ende setzen. 13 Jahre später, gelang die Verteidigung der Republik nicht mehr. Alle organisierten Widerstandskräfte wurden zerschlagen. Hitler begann die Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges. Es sollte kein Massenwiderstand im Wege stehen wie im ersten Weltkrieg. Denn  diesen Widerstand betrachteten alle Reaktionäre als Grund für ihre  Niederlage im ersten Weltkrieg (Dolchstoßlegende). Hitler nannte immer wieder diejenigen, die die erste Republik und das Kriegsende durchgesetzt hatten, „Novemberverbrecher“.

Das war die Ausgangslage am 9. November 1938, als die  Reichspogromnacht den Boden für die systematische Vernichtung von Millionen Juden bereitete. Alle Kräfte, die sich dem hätten entgegenstellen könne, waren zerstört: Die Arbeiterparteien, die Gewerkschaften und alle anderen demokratische Organisationen und Parteien.