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Faschistische Einflüsse in Betriebsverfassung und Streikrecht

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Vorbemerkung: Unter dem Gesichtspunkt von Einflüssen aus der Zeit des Faschismus werden im Folgenden die Leitsätze der Betriebsverfassung in den verschiedenen historischen Phasen miteinander verglichen und es werden unter diesem Gesichtspunkt auch die Prägungen des Streikrechts betrachtet.

Der Kampf für mehr Rechte im Betrieb und ein umfassendes Streikrecht ist in Deutschland immer auch ein antifaschistisches Programm unter der Losung “Nie wieder!”

Inhalt:

I. Leitsätze der verschiedenen Betriebsverfassungen im Vergleich

II. Der faschistische Einfluss auf das bestehende Streikrecht


I. Leitsätze der Betriebsverfassungen im Vergleich

Das Betriebsrätegesetz 1920 (BRG), das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit 1934 (AOG) und das Betriebsverfassungsgesetz 1952 (BetrVG 1952) enthalten jeweils einen Leitsatz, der Sinn und Zweck des Gesetzes beschreibt. Anhand eines Vergleichs dieser Leitsätze lässt sich die Orientierung dieser drei Gesetze feststellen.

Das Weimarer Betriebsrätegesetz 1920

Im Betriebsrätegesetz von 1920[1]§ 1 BRG 1920: “Zur Wahrnehmung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellte) dem Arbeitgeber gegenüber und zur Unterstützung des Arbeitgebers in der … Continue reading sollte der Betriebsrat ursprünglich die Aufgabe haben, „den Einfluss der Arbeitnehmer auf die Erzeugung oder die sonstigen Betriebszwecke zu verwirklichen“.

In diesem Sinne bindet der Leitsatz des Betriebsrätegesetzes die Errichtung von Betriebsräten an das Ziel der „Wahrnehmung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellten) dem Arbeitgeber gegenüber“. Die Aufgabe von Betriebsräten, die “gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellten)” wahrzunehmen, wird damit eindeutig im Rahmen des Interessengegensatzes zwischen Arbeit und Kapital beschrieben (dem Arbeitgeber “gegenüber“). Das entspricht auch der Formulierung in der Weimarer Reichsverfassung und beschreibt die Aufgaben des Betriebsrates “gegenüber” dem Arbeitgeber völlig ausreichend.

Doch im Verlauf des Tauziehens zwischen Kapital und Arbeit um die Ausrichtung des Betriebsrätegesetzes wurde eine weitere Aufgabe des Betriebsrates hinzugefügt: Die “Unterstützung des Arbeitgebers in der Erfüllung der Betriebszwecke”. Das Betriebsrätegesetz verlangte vom Betriebsrat die „Betriebsleitung durch Rat zu unterstützen, um dadurch mit ihr für einen möglichst hohen Stand und für möglichst hohe Wirtschaftlichkeit der Betriebsleistungen zu sorgen“[2]§ 66 Nr. 1 BRG 1920; der Betriebsrat solle den Betrieb vor „Erschütterungen bewahren“[3]§ 66 Nr. 3 BRG 1920. Das wurde zugleich als Unterwerfung des Betriebsrates unter die Friedenspflicht verstanden.

So schrieb das Betriebsrätegesetz den Betriebsräten eine Doppelfunktion zu: Als Interessenvertretung der Beschäftigten und als Unterstützung des Arbeitgebers.

Das faschistische AOG von 1934

Das AOG von 1934[4]§ 1 AOG 1934: “Im Betrieb arbeiten der Unternehmer als Führer des Betriebes, die Angestellten und Arbeiter als Gefolgschaft gemeinsam zur Förderung der Betriebszwecke und zum gemeinsamen … Continue reading schließt den ersten Teil des Leitsatzes des BRG, der auf dem Interessengegensatz zwischen Arbeitnehmern und Unternehmer aufbaut, komplett aus und schließt ausschließlich an den zweiten Teil dieses Leitsatzes an: Die “Unterstützung des Arbeitgebers in der Erfüllung der Betriebszwecke” (BRG) heißt im AOG “Zusammenarbeit von Unternehmer und Arbeiter und Angestellten zur Förderung der Betriebszwecke”. Die “Förderung der Betriebszwecke” wird um den Zweck “zum gemeinsamen Nutzen von Volk und Staat erweitert. Dass diese Zusammenarbeit ein Herrschaftsverhältnis ist, wird im AOG dadurch unmissverständlich beschrieben, dass der Unternehmer als Führer und die Arbeiter und Angestellten als Gefolgschaft bezeichnet werden.

Das Betriebsverfassungsgesetz

Der Leitsatz des Betriebsverfassungsgesetzes von 1952[5]§ 49 BetrVG 1952: “(1) Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten im Rahmen der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den Im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und … Continue reading lautete: „Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten … vertrauensvoll … zum Wohl des Betriebes und seiner Arbeitnehmer unter Berücksichtigung des Gemeinwohls zusammen“. Soweit war nicht einmal das Betriebsrätegesetz von 1920 gegangen. Dies hatte zwar als ein Ziel die „Unterstützung des Arbeitgebers in der Erfüllung der Betriebszwecke“ genannt und genau diese Formulierung hatte auch das faschistischen AOG übernommen, aber als ein weiteres Ziel nannte das Betriebsrätegesetz von 1920 die „Wahrnehmung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellten) dem Arbeitgeber gegenüber“, diese Formulierung wurde im AOG gestrichen und findet sich auch im Leitsatz des Betriebsverfassungsgesetzes von 1952 nicht mehr. Der Begriff der “Zusammenarbeit” mit dem Unternehmer, der sich erstmals im AOG findet, wird auch im Betriebsverfassungsgesetz von 1952 verlangt und sogar noch gesteigert, indem eine „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ gefordert wird.

Anknüpfend an den Zweck “zum gemeinsamen Nutzen von Volk und Staat im AOG wird auch im BetrVG von 1952 die Klausel “unter Berücksichtigung des Gemeinwohls” hinzugefügt.

Der bestehende Interessengegensatz zwischen Beschäftigten und Unternehmer, der noch im Leitsatz des Betriebsrätegesetz von 1920 enthalten war („Wahrnehmung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellten) dem Arbeitgeber gegenüber“), wird damit in schlimmer Tradition und im Interesse der Unternehmer geleugnet. Auch dass diese vertrauensvolle Zusammenarbeit zum „Wohl des Betriebes“ zu erfolgen hat, steht in der Tradition der „Betriebsgemeinschaft“, wie sie vom faschistischen AOG verlangt wurde.

Schon im BRG 1920 wurde aus der Verpflichtung des Betriebsrates, „den Arbeitgeber in der Erfüllung der Betriebszwecke zu unterstützen“, die Friedenspflicht des Betriebsrates hergeleitet. Auch im BetrVG 1952 wird aus der vertrauensvollen Zusammenarbeit von Arbeitgeber und Betriebsrat, die Verpflichtung hergleitet, “keine Maßnahmen des Arbeitskampfes gegeneinander (zu) führen.”

Die verheerende Tradition der faschistischen “Betriebsgemeinschaft” und “Volksgemeinschaft” wurde also im Betriebsverfassungsgesetz weiter geführt.[6]Otto Brenner, viele Jahre der Erste Bevollmächtigte der IG Metall, erklärte zum Betriebsrätegesetz 1952: „Die dem Gesetzeswerk innewohnende Ideologie entspricht einer Zeit, die wir 1945 ein für … Continue reading Diese Ideologie wurde im Laufe der Jahre zwar abgeschwächt, aber bis heute nicht aus dem Betriebsverfassungsgesetz getilgt. Bis heute verlangt das Betriebsverfassungsgesetz, dass Arbeitgeber und Betriebsrat „zum Wohl des Betriebes vertrauensvoll zusammen arbeiten“. Bis heute ist “Die Wahrnehmung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellte) dem Arbeitgeber gegenüber” nicht Teil des Leitsatzes des Betriebsverfassungsgesetzes wie das noch für das Betriebsrätegesetz (BRG) 1920 galt[7]§ 1 BRG 1920.

Das Recht ändern!

1985 versuchte das Bundesarbeitsgericht gegenzusteuern, indem es zur “vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) feststellte: “Das geltende Arbeitsrecht wird durchgängig von zwei gegenüberstehenden Grundpositionen beherrscht mit denen unterschiedliche Interessen von Arbeitgeber – und Arbeitnehmerseite verfolgt werden. Ohne den Interessengegensatz wären die gesetzlichen Regelungen zur Mitwirkung der Arbeitnehmer an sozialen, personellen und wirtschaftlichen Entscheidungen des Arbeitgebers gegenstandslos. Auch das Betriebsverfassungsgesetz setzt diesen Interessengegensatz voraus. Im Betrieb hat der Betriebsrat die Interessen der von ihm repräsentierten Belegschaften wahrzunehmen. Dass wird durch § 2 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz nur insoweit modifiziert, dass anstelle möglicher Konfrontation die Pflicht zur beiderseitigen Koopderation tritt. Dennoch beleibt der Betriebsrat Vertreter der Belegschaft gegenüber dem Arbeitgeber. Er ist zur vertrauensvollen Zusammenarbeit, nicht aber dazu verpflichtet, die Interessen der Belegschaft zurück zu stellen.”[8]BAG v. 21.4.1983 ABR 70/82

Die Verpflichtung des Betriebsrates zur “vertrauenvollen Zusammenarbeit” muss endlich aus dem Gesetz gestrichen werden.


II. Der faschistische Einfluss auf das Streikrecht

Der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts[9]unter Mitwirkung des ersten Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts, Hans Carl Nipperdey beschreibt im Jahr 1955 die Basis, auf der das Bundesarbeitsgericht zum Streikrecht entschied:

Arbeitskämpfe (Streik und Aussperrung) sind im allgemeinen unerwünscht, da sie volkswirtschaftliche Schäden mit sich bringen und den im Interesse der Gesamtheit liegenden sozialen Frieden beeinträchtigen; aber sie sind in bestimmten Grenzen erlaubt, sie sind in der freiheitlichen, sozialen Grundordnung der Deutschen Bundesrepublik zugelassen. Unterbrechungen der betrieblichen Arbeitstätigkeit durch einen solchen Arbeitskampf sind sozialadaequat, da die beteiligten Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit solchen kampfweisen Störungen auf Veranlassung und unter der Leitung der Sozialpartner von jeher rechnen müssen und die deutsche freiheitliche Rechtsordnung derartige Arbeitskämpfe als ultima ratio anerkennt. ….”[10]der vollständige Text: “Arbeitskämpfe (Streik und Aussperrung) sind im allgemeinen unerwünscht, da sie volkswirtschaftliche Schäden mit sich bringen und den im Interesse der Gesamtheit … Continue reading

Diese Wertung von Streiks als “im allgemeinen unerwünscht” mit der anschließende Feststellung, sie seien in der “freiheitlich, sozialen Grundordnung der Deutschen Bundesrepublik zugelassen”, und der sogleich folgenden Einschränkung, dass sie 1. “sozialadäquat”, 2. “auf Veranlassung und unter Leitung der Sozialpartner” zu führen seien, mündete in dem bis heute geltenden Dogma: Streiks müssen auf den Abschluss von Tarifverträgen ausgerichtet sein.

Aus diesem Dogma entwickelt das BAG im Jahr 1963 das Verbot von verbandsfreien Streiks und die herrschende Meinung glaubt, aus diesem Dogma auch die Illegalisierung des politischen Streiks herleiten zu können, obwohl das BAG zu politischen Streiks nie entschieden hat. Diese Beschränkung des Streiks allein auf Tarifverträge bedeutet eine gewollte Entpolitisierung gewerkschaftlichen Handelns auf ihrem wichtigsten Terrain. Es ist eine gezielte Entmündigung der Gewerkschaften.

Gewerkschaften sind Wächter der Demokratie. Werden sie geschwächt, ist immer auch die Demokratie gefährdet. Die Gewerkschaften und ihre Handlungsfreiheit sind eben keine Bedrohung dieser Demokratie, sondern ihr Wesensmerkmal. Die Beteiligung in einer Demokratie besteht eben nicht nur in der Wahl alle vier Jahr, sondern in der aktiven Beteiligung an politischen Prozessen (Art. 20 GG). Der politische Proteststreik ist Beteiligung am politischen Prozess der Meinungsbildung par excellence.

Es sei daran erinnert: Es waren die abhängig Beschäftigten, die am 9. November 1918 mit einem Generalstreik die erste Republik überhaupt erst erzwangen. Und es waren die abhängig Beschäftigten und ihre Gewerkschaften, die 1 1/2 Jahre später diese Republik gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch verteidigten.

Dem Rückgriff auf die Berücksichtigung des “Gemeinwohls” im BetrVG 1952 entspricht der Rückgriff auf “die im Interesse der Gesamtheit liegenden sozialen Frieden” in der Rechtsprechung zum Streikrecht. Die “Volksgemeinschaft” lässt grüßen.

Das Streikrecht wurde soweit eingeschränkt, dass verbandsfreie und politische Streiks verboten sein sollen. Soweit ist das Recht in der Weimarer Republik nie gegangen. Es existierte zwar mit der Zwangsschlichtung ein sehr restriktives Streikrecht, aber es kannte nicht das prinzipielle Verbot des verbandsfreien und politischen Streiks.

Wie anders als durch den Einfluss faschistischen Gedankenguts kann das erklärt werden?

Wer sich darauf beschränken will, dass der Streik dem Kapital immer ein Ärgernis war und daher der Faschismus als Erklärung nicht herangezogen werden muss, übersieht die besondere historische Situation in der Restaurationszeit unter Adenauer, in der die Weichen für die bis heute geltenden Einschränkungen des Streikrechts gestellt wurden[11]siehe auch der Beitrag “Wer war Hans Carl Nipperdey?” und die Darstellung wesentlicher Inhalt des faschistischen AOG in diesem Zusammenhang. Diese Restauration bestand gerade darin, den antifaschistischen Konsens aufzukündigen, der kurz nach dem Krieg in der Gesellschaft bestanden hatte und von denen geprägt worden war, die während der Nazizeit verfolgt worden waren. Noch der Generalstreik im November 1948 stellte Forderungen an den Staat und war damit ganz selbstverständlich politisch.

Unter den Verfolgten des Naziregimes waren viele Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, die wenige Jahre nach Kriegsende im Zuge der Restauration erleben mussten, dass ihre Handlungsfreiheit substantiell eingeschränkt wurde. Dafür steht Rechtsstreit um die Rechtsmäßigkeit des Zeitungsstreik, der ein politischer Streik war. Alle Gerichte entschieden im Sinne des Gutachtens, das Hans Carl Nipperdey im Auftrag des Bundesverbandes deutscher Arbeitgeber (BDA) verfasst hatte[12]nur das Landesarbeitsgericht entschied, dass der Zeitungsstreik nicht rechtswidrig war. Wie konnte eine derart fundamentale Einschränkung im Streikrecht, also eine Einschränkung der Gewerkschaften auf dem einzigen Feld, auf dem Gewerkschaften überhaupt nur wirksam Handlungsmacht entfalten können, von denen, die in den KZs gesessen hatten, weil sie in der Weimarer Republik die Interessen der abhängig Beschäftigten in den Gewerkschaften und Arbeiterparteien vertreten hatten, nicht als in faschistischer Tradition verhaftet begriffen werden?

Die Einschränkungen des Streikrechts wenige Jahre nach Kriegsende, können nur mit Blick auf den Faschismus verstanden werden. Im Deutschland der Restaurationszeit unter der Regierung Adenauer zogen wieder in Politik, Verwaltung, Justiz und Polizei diejenigen ein, die wenige Jahre zuvor im Dienste der Faschisten tätig gewesen und immer noch von dem geprägt waren, was sie schon während der Nazizeit vertreten hatten. Die Zerschlagung der Arbeiterparteien und Gewerkschaften und damit die Brechung wirksamen Widerstandes war das erste Ziele dieser Nazi-Politik gewesen.

Der Kampf für ein umfassendes Streikrecht ist in Deutschland mit Blick auf diese Vergangenheit immer auch ein antifaschistisches Programm unter der Losung “Nie wieder!”.

References

References
1 § 1 BRG 1920: “Zur Wahrnehmung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellte) dem Arbeitgeber gegenüber und zur Unterstützung des Arbeitgebers in der Erfüllung der Betriebszwecke sind in allen Betrieben, die in der Regel mindestens zwanzig Arbeitnehmer beschäftigen, Betriebsräte zu errichten.”
2 § 66 Nr. 1 BRG 1920
3 § 66 Nr. 3 BRG 1920
4 § 1 AOG 1934: “Im Betrieb arbeiten der Unternehmer als Führer des Betriebes, die Angestellten und Arbeiter als Gefolgschaft gemeinsam zur Förderung der Betriebszwecke und zum gemeinsamen Nutzen von Volk und Staat.
5 § 49 BetrVG 1952: “(1) Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten im Rahmen der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den Im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl des Betriebes und seiner Arbeitnehmer unter Berücksichtigung des Gemeinwohls zusammen. (2) Arbeitgeber und Betriebsrat haben alles zu unterlassen, was geeignet ist, die Arbeit und den Frieden des Betriebes zu gefährden. Insbesondere dürfen Arbeitgeber und Betriebsrat keine Maßnahmen des Arbeitskampfes gegeneinander führen. Arbeitskämpfe tariffähiger Parteien werden hierdurch nicht berührt.”
6 Otto Brenner, viele Jahre der Erste Bevollmächtigte der IG Metall, erklärte zum Betriebsrätegesetz 1952: „Die dem Gesetzeswerk innewohnende Ideologie entspricht einer Zeit, die wir 1945 ein für alle Mal überwunden glaubten. Ein Textvergleich mit dem Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. Januar 1934 macht deutlich, was ich meine (…) Seit Jahren müssen wir erleben, wie die spezifisch nationalsozialistische Ideologie von der ‚Volks – und Betriebsgemeinschaft‘ dem Gesetz unterschoben wird.“ Brenner weiter: „Dieses Gesetz hat mit Mitbestimmung nur sehr wenig oder gar nichts zu tun. Ja, es ist sogar irreführend, wenn in diesem Zusammenhang das Wort Mitbestimmung verwendet wird.“
7 § 1 BRG 1920
8 BAG v. 21.4.1983 ABR 70/82
9 unter Mitwirkung des ersten Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts, Hans Carl Nipperdey
10 der vollständige Text: “Arbeitskämpfe (Streik und Aussperrung) sind im allgemeinen unerwünscht, da sie volkswirtschaftliche Schäden mit sich bringen und den im Interesse der Gesamtheit liegenden sozialen Frieden beeinträchtigen; aber sie sind in bestimmten Grenzen erlaubt, sie sind in der freiheitlichen, sozialen Grundordnung der Deutschen Bundesrepublik zugelassen. Unterbrechungen der betrieblichen Arbeitstätigkeit durch einen solchen Arbeitskampf sind sozialadaequat, da die beteiligten Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit solchen kampf weisen Störungen auf Veranlassung und unter der Leitung der Sozialpartner von jeher rechnen müssen und die deutsche freiheitliche Rechtsordnung derartige Arbeitskämpfe als ultima ratio anerkennt. Es besteht Freiheit des Arbeitskampfes, Streikfreiheit und Aussperrungsfreiheit. Das ergibt sich nicht nur aus der gesamten historischen Entwicklung seit 1869, namentlich aus der wichtigen Regel des § 152 Abs. 1 GewO und der allgemeinen rechtlichen Überzeugung … sondern neuerdings namentlich auch aus § 49 Abs. 2 Satz 3 BetrVG. Dort ist im Anschluss an das Verbot der Arbeitskämpfe zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ausdrücklich bestimmt, dass Arbeitskämpfe tariffähiger Parteien durch das Verbot nicht berührt werden” (BAG 28.1.1955 – GS 1/54, juris, Rn. 33 ff). Siehe https://research.wolterskluwer-online.de/document/49ed5654-a33e-40b9-bc86-b78a8a8f9f32
11 siehe auch der Beitrag “Wer war Hans Carl Nipperdey?” und die Darstellung wesentlicher Inhalt des faschistischen AOG in diesem Zusammenhang
12 nur das Landesarbeitsgericht entschied, dass der Zeitungsstreik nicht rechtswidrig war

Antimilitaristische Demo anlässlich der Versammlung der Aktionärinnen und Aktionären von Rheinmetall

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Ergänzung:

Hier geht’s zum Redebeitrag zur antimilitaristische Demo “Rheinmetall entwaffnen!” anlässlich der Hauptversammlung von Rheinmetall, gehalten von Brigitte Renkl, auf der Demo vor dem Brandenburger Tor und zur einer kleinen Fotogalerie.


Zeit: Dienstag 9. Mai 2023 17 Uhr.

Ort: Parteizentrale der Grünen Platz vor dem Neuen Tor 1 Berlin-Mitte.

Stationen: FDP, Bundeswehr-Showroom, Rheinmetall-Büro am Brandenburger Tor.

Die sich vor vielen Jahrzehnten einst als »Friedenspartei« verstandenen Grünen treiben die Militarisierung immer weiter voran und befeuern die kriegerische Eskalation in der Ukraine. Anstatt ernsthaft nach Alternativen zu einem lang andauernden Abnutzungskrieg mit Tausenden Toten auf beiden Seiten zu suchen, möchten die Grünen »Russland ruinieren« (Baerbock) und verkünden »Die Ukraine muss gewinnen. Punkt.« (Göring-Eckardt). Dabei können ihnen Aufrüstungsvorhaben und Waffenlieferungen gar nicht schnell genug gehen. Doch noch mehr Waffen werden dem Sterben kein Ende bereiten. Im Gegenteil.

Bei der letzten Bundestagswahl warben die Grünen noch mit dem Versprechen, Waffenexporte in Kriegsgebiete zu verbieten, heutzutage drängen sie auf die schnelle Lieferung von Kampfpanzern Leopard an die Ukraine. Diese Panzer und etliche andere deutsche Waffen töten auch nach wie vor in Kurdistan. Die Ampel-Regierung unterstützt den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Türkei gegen die kurdische Revolution, gegen den Befreiungskampf für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung. Wenn Baerbock sagt, »Menschenrechte sind nicht verhandelbar«, ist dies pure Heuchelei. Denn gleichzeitig sucht die deutsche Regierung eine enge Kooperation mit dem türkischen Diktator Erdoğan und dem saudi-arabischen Regime.

Der Grundsatz, schwere Waffen nicht in Kriegs- und Krisengebiete zu liefern, wurde gekippt. Der Entwurf für ein neues Rüstungsexportkontrollgesetz ist nicht restriktiver, sondern laxer. Auch dessen Pendant auf EU-Ebene wird weiter ausgehöhlt. Damit sollen unter anderem Gemeinschaftsvorhaben wie die deutsch-französischen Großprojekte für Kampfflugzeuge und Kampfpanzer geschützt werden. Gemeinsame Verteidigungsprogramme und der Ausbau eines europäischen Rüstungskomplexes werden durch die massive Erhöhung der EU-Militärbudgets verstärkt. Deutschland nutzt den Stellvertreterkrieg und eine vermeintliche abstrakte moralische Überlegenheit dafür aus, seine globalen wirtschaftlichen Interessen militärisch noch effektiver durchzusetzen.

Die deutsche Rüstungsindustrie frohlockt

Die Waffenausfuhr erreichte 2022 den zweithöchsten Wert in der Geschichte der Bundesrepublik. Währenddessen macht die deutsche Rüstungsindustrie Riesengewinne und die Aktienwerte von Firmen wie Rheinmetall haben sich teils verdoppelt. Die Rüstungslobby und die Politik sind eng vernetzt. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) ist zum Beispiel Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags und Mitglied im Präsidium des Förderkreises Deutsches Heer, einem zentralen Lobbyverband der deutschen Rüstungsindustrie.

Die Kriegstreiber*innen fordern stetig mehr Aufträge und bauen ihre Produktionskapazitäten für die nächsten Jahre aus. Die Rheinmetall-Führung plant sogar eine neue Panzerfabrik in der Ukraine, die mit einem eigenen Luftabwehrsystem ausgestattet, jährlich 400 Kampfpanzer produzieren will. »Wir freuen uns, dass nicht nur die Kapitalmärkte uns eine deutlich gewachsene Bedeutung beimessen. Auch weite Teile der Gesellschaft sehen die Notwendigkeit die Streitkräfte schnell und zuverlässig mit moderner Ausrüstung und Bewaffnung auszustatten«, frohlockt Rheinmetall-Chef Papperger. Ausgerechnet am 9. Mai, dem Tag des Sieges über NS-Deutschland, lässt sich der Rheinmetall-Vorstand bei der Aktionär*innenversammlung für das blühende Geschäft mit dem Tod feiern. Die Rheinmetall-Aktionär*innen können sich freuen. Ihnen winkt, wie auch schon in den letzten Jahren, eine satte Dividende. Dafür können sie sich auch bei den Grünen bedanken.

No war but class war!

Wir stellen uns gegen die russische Invasion in die Ukraine und gegen die Kriegspolitik der NATO. Wir denken, die Klasse der Lohnabhängigen hat nichts zu gewinnen, wenn sich die herrschenden kapitalistischen Mächte um geopolitische Einflusssphären streiten. Wenn nicht als Kanonenfutter missbraucht, müssen wir den Gürtel enger schnallen, um den Herrschenden bei ihren imperialistischen Manövern nicht in den Rücken zu fallen. Das genau aber sollten wir! Daher rufen wir dazu auf, am 9. Mai und anlässlich der Rheinmetall-Aktionär*innenversammlung vor die Bundesparteizentrale der Grünen zu ziehen! Danach gehen wir weiter zur FDP, zum Bundeswehr-Showroom und zum Rheinmetall-Büro am Brandenburger Tor. Linke Antimilitarist*innen, Antiimperialist*innen, Feminist*innen, Kurdistan-Solidarische, Gegen-das-Grenzregime-Kämpfende, Gewerkschafter*innen und Klimabewegte – lasst uns den Grünen und allen anderen Kriegstreiber*innen von FDP, SPD und Co in den Rücken fallen und ihnen zeigen, was wir von ihrer Politik halten!

Wir gehen auf die Straße für ein würdiges Leben für alle, gegen die Kriege dieser Welt, gegen Militarisierung und Aufrüstung. Wir brauchen keine 100 Milliarden Euro für die Aufrüstung der Bundeswehr! Wir brauchen 100 Milliarden für Gesundheit, Bildung und den ökologischen Wandel, anstatt sie der Rüstungsindustrie in den Rachen zu werfen. Wir wollen raus aus dem globalen kapitalistischen System, das so viel Ausbeutung und Unterdrückung, Krisen und Kriege produziert. Wir sind für das Bleiberecht aller Geflüchteten und sind solidarisch mit Deserteur*innen aus allen Armeen.

Nazis, Rechte und rechtsoffene Akteur*innen sind bei unserer Demo nicht willkommen!

Rheinmetall Entwaffnen Ortsgruppe Berlin
rheinmetall-entwaffnen-berlin[at]riseup.net
rheinmetallentwaffnen.noblogs.org

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