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EGfMR Nr. 52051/17 ATEŞ AND OTHERS v. TÜRKİYE

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ENTSCHEIDUNG

Klage Nr. 52051/17

Sabri Alparslan ATEŞ gegen Türkiye

und 2 weitere Anträge

(siehe Liste im Anhang)

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Zweite Sektion) hat in seiner Sitzung vom 28. Februar 2023 als Ausschuss, bestehend aus:

Egidijus Kūris, Präsident,

Pauliine Koskelo,

Frédéric Krenc, Richter,

und Dorothee von Arnim, stellvertretende Kanzlerin der Sektion,

in Anbetracht der:

die von den in der beigefügten Tabelle aufgeführten Beschwerdeführern (im Folgenden: Beschwerdeführer) beim Gerichtshof gemäß Artikel 34 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: Konvention) eingereichten Beschwerden gegen die Republik Türkiye zu dem dort angegebenen Zeitpunkt;

die Entscheidung, die Beschwerde gemäß Artikel 11 der Konvention an die türkische Regierung (“die Regierung”), vertreten durch ihren Bevollmächtigten, Herrn Hacı Ali Açıkgül, Leiter der Menschenrechtsabteilung des Justizministeriums, zu richten und die übrigen Anträge für unzulässig zu erklären;

die Erklärungen der Parteien;

beschließt nach Beratung wie folgt:

GEGENSTAND DER RECHTSSACHE

1. Die Klagen betreffen die Entlassung der Kläger, die angeblich gegen das Fehlen eines sinnvollen Rechts, sich gewerkschaftlich zu organisieren und einer Gewerkschaft ihrer Wahl beizutreten, und gegen den Druck, den der Arbeitgeber in dieser Hinsicht auf sie ausgeübt hatte, protestiert hatten, sowie die Ablehnung ihres Antrags auf Wiedereinstellung in ihr ursprüngliches Arbeitsverhältnis und auf Entschädigung durch die nationalen Gerichte.

2. Die Kläger arbeiteten als Arbeiter in einer Fabrik und waren Mitglieder einer Metallgewerkschaft, Türk Metal iş Sendikası. Zwischen dem 25. Mai 2015 und dem 1. Juni 2015 traten mehrere Mitglieder, darunter auch die Kläger, aus der Gewerkschaft aus.

3. Nach Angaben der Kläger wurden sie und ihre Kollegen nach ihrem Austritt aus der Gewerkschaft von der Gewerkschaft und ihrem Arbeitgeber unter Druck gesetzt. Am Morgen des 2. Juli 2015 forderten mehrere Arbeitnehmer, die in der Frühschicht arbeiteten, darunter auch die Kläger, die Betriebsleitung auf, den Druck, dem sie von der Gewerkschaft ausgesetzt waren, zu beenden, die Büros der Gewerkschaft zu schließen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Da sie keine positive Antwort von der Unternehmensleitung erhielten, beschlossen sie, die Arbeit einzustellen und warteten auf die Erfüllung ihrer Forderungen, während sie die Fabrik besetzten.

4. Am nächsten Tag teilte die Unternehmensleitung den Beschäftigten, die die Fabrik besetzt hielten, mit, dass sie entlassen würden, wenn sie den Betrieb nicht verlassen würden. Am 3. Juli 2015 schickte die Geschäftsleitung den Klägern Hasan Uzun und Murat Tıngöz die Kündigungen zu. Außerdem wurden auch andere Kollegen, die die Fabrik besetzten, entlassen und ihnen wurde mitgeteilt, dass beschlossen worden sei, die Produktion für einen Tag auszusetzen.

5. Am 4. Juli 2015 wurde die Produktion für einen weiteren Tag ausgesetzt, und den Besetzern wurde mitgeteilt, dass sie nicht entlassen würden, wenn sie die Arbeit am 6. Juli 2015 wieder aufnähmen. Am 5. Juli 2015 räumte die Polizei die Besetzer ohne Gewaltanwendung. Die Aktion dauerte somit drei Tage lang an, und die Produktionstätigkeit wurde durch die Abwesenheit der Arbeitnehmer, einschließlich der Kläger, beeinträchtigt. Die Geschäftsleitung teilte den Beschäftigten mit, dass die Fabrik am 6. Juli 2015 wieder geschlossen würde. An diesem Tag entließ die Geschäftsleitung endgültig die Arbeitnehmer, die sich vom 2. Juli bis zum 5. Juli 2015 in und vor der Fabrik aufgehalten hatten, darunter auch die Kläger.

6. Zu den Gründen für die Entlassung von Sabri Ateş führte der Arbeitgeber im Allgemeinen an, dass der Kläger die Beschäftigten zur Fortsetzung der Besetzung ermutigt und provoziert habe, Parolen skandiert habe, die dem Ruf des Unternehmens geschadet hätten, und diese Handlungen trotz aller Bemühungen und Abmahnungen des Unternehmens fortgesetzt habe. In Bezug auf die beiden anderen Kläger machte der Arbeitgeber geltend, dass sie nicht an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt seien und ihre illegalen Handlungen fortgesetzt hätten, obwohl sie schriftlich und mündlich aufgefordert worden seien, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren und die illegale Besetzung zu beenden, an der sie teilgenommen hätten.

7. Die Kläger erhoben daraufhin beim Arbeitsgericht eine Wiedereinstellungsklage und beantragten, festzustellen, dass die Entlassungen wegen ihrer Gewerkschaftsarbeit erfolgt seien und dass ihr Arbeitsvertrag ohne wichtigen Grund gekündigt worden sei. Das Arbeitsgericht ordnete die Wiedereinstellung der Kläger an, da die Produktion in der Fabrik direkt durch die Entscheidung des Arbeitgebers, nicht aber durch die Arbeitnehmer, eingestellt worden war. Es stellte jedoch fest, dass nichts darauf hindeutete, dass die Kläger wegen ihrer Gewerkschaftsarbeit entlassen worden waren.

8. Nach einer Berufung der Parteien hob der Kassationsgerichtshof am 29. Juni 2016 die Entscheidung des Arbeitsgerichts auf. Er vertrat die Auffassung, dass die angefochtene Maßnahme der Arbeitnehmer angesichts des gewählten Zeitpunkts, der Dauer und der großen Zahl der betroffenen Arbeitnehmer nicht verhältnismäßig gewesen sei. Außerdem betonte es, dass die Versammlungsfreiheit und das Streikrecht in der Verfassung und den von der Türkei ratifizierten internationalen Verträgen anerkannt seien. Es vertrat jedoch die Auffassung, dass diese Freiheit nicht mit dem Ziel ausgeübt werden dürfe, die Tätigkeit des Arbeitgebers zu beeinträchtigen. Es betonte auch, dass sich die Aktion der Kläger nicht gegen den Arbeitgeber richtete, sondern gegen die Gewerkschaft, aus der sie ausgetreten waren, da die Kläger den von dieser Gewerkschaft unterzeichneten Tarifvertrag ablehnten. Schließlich wies es darauf hin, dass Forderungen wie der Ausschluss von Gewerkschaftsvertretern und die Anerkennung anderer Vertreter in einem Betrieb, in dem ein Tarifvertrag in Kraft ist und in dem die betreffende Gewerkschaft zur Ausübung von Gewerkschaftstätigkeiten berechtigt ist, nicht möglich sind. Es sei nicht möglich, dass die Vertreter einer Gruppe, die keine Rechtspersönlichkeit besitzt und keine gesetzliche Grundlage hat, vom Arbeitgeber als Arbeitnehmervertreter anerkannt werden.

9. Aus den zu den Akten gereichten Unterlagen ergibt sich, dass die Kläger vor den inländischen Gerichten nur die angebliche Verletzung ihres Rechts auf Vereinigungsfreiheit gerügt haben.

10. Am 23. November 2016 wies das Verfassungsgericht die Individualbeschwerden der Beschwerdeführer, in denen diese eine Verletzung ihrer Rechte auf ein faires Verfahren und auf Vereinigungsfreiheit sowie einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot geltend gemacht hatten, als offensichtlich unbegründet zurück.

11. Unter Berufung auf Artikel 11 der Konvention rügten die Kläger eine Verletzung ihres Rechts auf Vereinigungsfreiheit und auf freie friedliche Versammlung. Sie machen geltend, dass sie entlassen worden seien, weil sie gegen das Fehlen eines sinnvollen Rechts, sich gewerkschaftlich zu organisieren und einer Gewerkschaft ihrer Wahl beizutreten, und gegen den Druck, den sie diesbezüglich vom Arbeitgeber erhalten hätten, protestiert hätten.

WÜRDIGUNG DURCH DAS GERICHT

12. In Anbetracht des ähnlichen Gegenstands der Klagen hält es das Gericht für angebracht, sie in einer einzigen Entscheidung gemeinsam zu prüfen.

13. Die Kläger rügen eine Verletzung ihres Rechts auf Vereinigungsfreiheit und ihres Rechts, sich friedlich zu versammeln, im Sinne von Artikel 11 der Konvention, weil sie entlassen worden seien, weil sie gegen das Fehlen eines sinnvollen Rechts, sich gewerkschaftlich zu organisieren und einer Gewerkschaft ihrer Wahl beizutreten, und gegen den Druck protestiert hätten, den sie in dieser Hinsicht vom Arbeitgeber erhalten hätten. Das Gericht ist der Auffassung, dass die von der Klägerin vor dem Gericht erhobenen Rügen allein unter dem Gesichtspunkt des Rechts der Klägerin auf Vereinigungsfreiheit zu prüfen sind (siehe oben, Randnr. 9).

14. Aus dem von den inländischen Gerichten festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass die Kläger wegen eines Streiks entlassen wurden. Der Gerichtshof bekräftigt seine Feststellungen in der Entscheidung Barış u. a./Türkei (Nr. 66828/16 vom 14. Dezember 2021), wonach Streiks grundsätzlich nur dann durch Artikel 11 geschützt sind, wenn sie von Gewerkschaftsorganisationen initiiert werden und als tatsächlicher – und nicht nur vermeintlicher – Teil der gewerkschaftlichen Tätigkeit gelten. Der Gerichtshof hat nie akzeptiert, dass ein Streik, der nicht von einer Gewerkschaft, sondern von deren Mitgliedern oder sogar von Nichtmitgliedern ausgerufen wurde, ebenfalls den Schutz von Artikel 11 genießt (ebd., § 45). Der Gerichtshof weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass nach der Praxis des Europäischen Ausschusses für soziale Rechte die Tatsache, das Streikrecht den Gewerkschaften vorzubehalten, mit Artikel 6 § 4 der Europäischen Sozialcharta vereinbar ist, sofern die Gründung einer Gewerkschaft nicht von übermäßigen Formalitäten abhängig gemacht wird (vgl. auch ebd., § 46).

15. Das Gericht stellt auf der Grundlage des Aktenmaterials fest, dass die Kläger in der vorliegenden Rechtssache nicht entlassen wurden, weil sie an einer von einer Gewerkschaft organisierten Demonstration teilgenommen hatten – aus der sie vor ihrer Klage ausgetreten waren – oder weil sie berufliche Rechte im Rahmen der Gewerkschaftstätigkeit geltend gemacht hatten. Außerdem stellt das Gericht nach dem ihm vorgelegten Material fest, dass die Kläger auch nicht deshalb entlassen wurden, weil sie aus einer bestimmten Gewerkschaft ausgetreten waren oder weil sie beschlossen hatten, keiner bestimmten Gewerkschaft beizutreten, oder weil der Arbeitgeber Druck auf sie ausgeübt hatte. Sie können sich daher nicht auf das durch Artikel 11 geschützte Recht berufen, Gewerkschaften zu gründen und ihnen beizutreten (vgl. auch Barış u. a./Türkei, §§ 53-54, siehe oben).

16. Daraus folgt, dass der Antrag ratione materiae mit den Bestimmungen der Konvention unvereinbar ist und gemäß Artikel 35 §§ 3 (a) und 4 der Konvention zurückgewiesen werden muss.

Aus diesen Gründen erklärt der Gerichtshof einstimmig, die Beschwerden für unzulässig.

Entschieden in englischer Sprache und schriftlich mitgeteilt am 23. März 2023.

Dorothee von Arnim Egidijus Kūris

Stellvertretender Kanzler Präsident

Hier die Entscheidung in der Originalsprache lesen: https://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-224035

Erklärung der VVN zur Währungsreform 1948

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Mit der Währungsreform, 1948 der westlichen Alliierten in den 3 westlichen Besatzungszonen, in Deutschland (USA, Großbritannien und Frankreich) wurde ein gewichtiger Akt der Teilung Deutschland verzogen. Deutschland wurde nach dem Ende des 2. Weltkrieges in 4 Besatzungszonen (außer den bereits drei genannten war es noch die Sowjetische) aufgegliedert.

Anlässlich dieser Währungsreform gab die VVN eine Erklärung heraus.

Hier der Wortlaut:

Erklärung der VVN zur Währungsreform 1948
Erklärung der VVN zur Währungsreform 1948, “Berliner VVN-Mitteilungen 1. Jahrgang, Nr, 1, 1. Juli 1948)

Quelle: https://vvn-vda-westberlinerarchiv.de/01-02-1948/

Was ist der Unterschiede zwischen der Nato und einem System kollektiver Sicherheit?

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“Wer passt hinein?” – Wie das Bid zeigt, wurde diese Frage bereits 1960 von der Zeitschrift “Der Mahnruf”, dem Mitteilungsblatt für die Mitglieder der VVN Westberlin, gestellt.

Ist es verständlich, wenn sich die Ukraine der NATO anschließen will, nachdem Russland kapitalistisch geworden ist und Truppen in die Ukraine geschickt hat? Ist die NATO im Krieg in der Ukraine plötzlich zu einer Schutzmacht geworden? Gibt es eine Alternative zum Militärbündnis NATO?

Eine neutrale Ukraine, wie es nach 1990 für einige Jahre in der urkainischen Verfassung stand, ist eine größere Garantie für eine souveräne und unabhängige Ukraine als eine Mitgliedschaft in dem Militärbündnis NATO. Der Krieg in der Ukraine ist zu einem erheblichen Teil darauf zurückzuführen, dass die Ukraine diesen Kurs aufgegeben hatte und Mitglied der NATO werden wollte. Dazu wurde sie von den USA gedrängt.

Auch für die Bundesrepublik Deutschland ist die Mitgliedschaft in der NATO ein Verhängnis. Sie bindet sie viel zu sehr an die Politik der USA.

Warum löste sich nicht auch die NATO auf, als sich der Warschauer Pakt auflöste? Warum ist dieses Militärbündnisses nicht durch ein System kollektiver Sicherheit ersetzt worden?

Die USA wollten die NATO als ein Instrument in ihren Händen behalten und über dieses Militarbündnis ihren Einfluss in Europa weiter geltend machen. Das ist der Grund, warum sich die NATO nicht auflöste. So nahm das Unheil seinen Lauf.

Es wäre besser, wenn die Militärallianz NATO durch ein System kollektiver Sicherheit aller europäischen Länder einschließlich Russlands ersetzt würde. Große Teile des deutschen Kapitals halten jedoch an der NATO fest. Ein System kollektiver Sicherheit muss also gegen diese Kräfte durchgesetzt werden. Der Aufruf “Frieden schaffen” stellt die Forderung nach einem System kollektiver Sicherheit in den Mittelpunkt. Diese Forderung steht in der Tradition sozialdemokratischer Außenpolitik, die allerdings die gegenwärtige Sozialdemokratie vollständig aufgegeben hat. Der Aufruf “Frieden schaffen” wird von vielen Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern unterstützt. Es scheint der kleinste gemeinsame Nenner zu sein, auf den sich Kriegsgegnerinnen und – gegner einigen können.

Der Unterschied zwischen einem Verteidigungsbündnis und einem System kollektiver Sicherheit

Es lohnt, sich Klarheit darüber zu verschaffen, was der Unterschiede zwischen einem Verteidigungsbündnis und einem System kollektiver Sicherheit ist. Deshalb sei hier Dieter Deiseroth[1]Mitglied der IALANA und Richter des Bundesverwaltungsgerichts im Ruhestand, gestorben 21.8.2019 zitiert:

“Im Völkerrecht ist seit Jahrzehnten klar: “Kollektive Sicherheit und Verteidigungsbündnisse widersprechen sich fundamental.”Was sind die fundamentalen Unterschiede, worin bestehen sie? Es lassen sich vier zentrale Kriterien festhalten:

(1) Verteidigungsbündnisse und “Systeme kollektiver Sicherheit” reflektieren zwei entgegengesetzte Konzeptionen von Sicherheitsspolitik. Das Grundkonzept von Verteidigungsbündnissen basiert auf Sicherheit durch eigene Stärke und die Stärke der eigenen Verbündeten. Es ist “partikulär-egoistisch”. Denn es verankert die eigene Sicherheit nicht zugleich in der Sicherheit des potentiellen Gegners, also gerade nicht in der gemeinsamen Sicherheit, sondern im Gegenteil in der relativen Schwäche und Unterlegenheit des potentiellen Gegners.

Die Grundkonzeption kollektiver Sicherheit, die in der Periode zwischen den beiden Weltkriegen als bewusste Alternative zu den tradierten sogenannten Militärallianzen und Verteidigungsbündnis-Systemen entwickelt wurde, basiert dagegen auf der Sicherheit aller potenziellen Gegner durch Reziprozität und Gegenseitigkeit innerhalb einer internationalen Rechtsordnung. Er gründet auf dem Konzept der gemeinsamen Sicherheit.

(2) Anders als ein System kollektiver Sicherheit ist ein Verteidigungsbündnis – so auch die NATO – nicht auf Universalität im Sinne des Einschlusses potentieller Aggressoren angelegt.

So steht die NATO – bezeichnenderweise anders als das System kollektiver Sicherheit der UNO – nicht jedem Beitrittswilligen offen, der die im NATO-Vertrag vernankerten Ziele anerkennt. Dementsprechend haben die NATO und ihre Mitgliederstaaten sowohl in den Jahren 1954/55 als auch im Zusammenhang mit den NATO-Osterweiterungen der letzten Jahre Begehren der früheren Sowjetunion und Russlands auf Einbeziehung in das NATO-Bündnis ausdrücklich ausgeschlossen.

(3) Der NATO-Vertrag enthält – und dies ist ein weiterer gravierender Unterschied eine Verteidigungsbündnisses (Militärallianz) zu einem kollektiven Sicherheitssystem – für den Fall eines von einem eigenen Mitgliedstaat begangenen Aggressionsaktes keine verbindlichen internen Konfliktregelungsmechanismen.

Eine NATO-interne Verpflichtung der übrigen NATO-Partner, dem einen Aggesssionsakt begehenden NATO-Verbündeten mit kollektiven Zwangsmaßnahmen entgegenzutreten, sieht der NATO-Vertrag gerade nicht vor. Diese Defizit ist typisch für ein Bündnis zur kollektiven Verteidigung, das ja gerade zur Verteidigung gegen einen potenziellen externen Aggressor geschlossen wird.

(4) Die NATO etabliert auch – dies ist der vierte wesentliche Unterschied zu einem System kollektiver Sicherheit – keine den Mitgliedstaaten übergeordnete Macht nach dem Modell der Vereinten Nationen.”

Bild-Quelle: Mahnruf, März/April 1960, Seite 4; https://vvn-vda-westberlinerarchiv.de/14-1960/

Historisches

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Auf dieser Seite werden wir aus über 70 Jahre VVN Materialien aus dem Archiv sowie aus dem “Roten Winkel” der VVN-VdA veröffentlichen.

Es werden Zeitungsausschnitte, Plakate, Flyer, Handzettel, Flugblätter sein.

Und alles ohne jeglichen Kommentar, damit Ihr Euch selber die Meinung dazu bilden könnt.


Alte Schätze öffentlich machen

Materialien der VVN-VdA Westberlin werden aufbereitet und archiviert

Im Sommer 2005 begann eine kleine Gruppe in ehrenamtlicher Arbeit, das umfangreiche Archiv der VVN Westberlin nutzbar zu machen. Der Bestand umfasst etwa 35 laufende Meter und dokumentiert die Aktivitäten der Organisation von 1953 bis 1990. Durch mehrfache Umlagerungen und nicht zuletzt durch die Wirren der Wendezeit waren die Materialien – von Schriftverkehr über Publikationen bis zu Ton- und Videokassetten – nur noch sehr eingeschränkt nutzbar.


Seit Ende 2008 fragten wir uns, wie die Materialien, besonders die Fotos, benutzerfreundlich archiviert werden können. Die Software FAUST Entry Archiv schien dafür geeignet Jetzt können wir die Bestände professionell erfassen. Mit der dann hergestellten Ordnung soll auch Öffentlichkeitsarbeit für die VVN-VdA gemacht werden.





Nachruf: Winfried Wolf (1949 – 2023)

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Ergänzung: Erinnerungsfest für Winfried

Die Linke verliert einen wichtigen Ideengeber und Aktivisten

Winfried Wolf ist am 22. Mai im Alter von 74 Jahren seiner Krebserkrankung erlegen. Die gesamte Linke verliert einen profilierten antikapitalistischen Ökonomen und Verkehrsexperten, der einen reichen Schatz an Büchern, Artikeln und praktischem Wirken hinterlässt.

Winnie war ein 68er und in den 1970ern Mitglied der Gruppe Internationaler Marxisten (GIM), der deutschen Sektion des sich auf Trotzki berufenden Vereinigten Sekretariats der Vierten Internationale, später dann in der VSP (Vereinigten Sozialistischen Partei, Zusammenschluss der GIM mit der KPD/ML) und von 1994 bis 2002 Bundestagsabgeordneter der PDS.

Als junger Mann selbst ein Autonarr, hat er sich zu einem leidenschaftlichen Kämpfer gegen die so genannte „Autogesellschaft“ und für einen Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs und Bahn-Experten entwickelt. 

Winnie war Herausgeber vieler Zeitungen und Zeitschriften, so unter anderem der “Zeitung gegen den Krieg”, die im April zum 53. Mal erschienen war und der Ökonomie-Zeitschrift lunapark21

Mitte der Nuller Jahre habe ich Winnie persönlich kennengelernt. Damals unterstützte er die Berliner WASG (Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit), die in Berlin eine klare Haltung gegen Regierungsbeteiligungen mit pro-kapitalistischen Parteien eingenommen hatte. Das war der Anfang einer politischen und freundschaftlichen Zusammenarbeit. 

Wir haben an verschiedenen Zeitungsprojekten (Streikzeitung in Solidarität mit den GDL Streiks, Faktencheck Europa und Faktencheck Corona) zusammen gearbeitet, die von ihm initiiert wurden und mit denen er einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung und zur linken Debatte leistete. Dabei habe ich sein unglaubliches Tempo beim Schreiben von Texten, seine hohen journalistischen Ansprüche und seinen Sinn für Genauigkeit kennen und schätzen gelernt (und manchmal auch verflucht…). Winnie hat auch immer wieder Gastbeiträge für die “Solidarität” und den Manifest-Verlag verfasst und war Redner bei den Sozialismustagen.

Winnie war ein leidenschaftlicher Analytiker, Autor, Zeitungsmacher und Aktivist. Er hat unzähligen Linken Argumente und Analysen geliefert in seinen vielen Büchern, ob zur Ökonomie, Ökologie oder zur Geschichte und zeitgenössischen Ereignissen wie der Solidarnosc-Bewegung in Polen oder den Ursachen des Ersten Weltkriegs. Er war Anti-Stuttgart-21-Aktivist der ersten Stunde und regelmäßiger Redner bei den dortigen Montagsdemonstrationen und vielen anderen Protesten.

Er gehörte zu den Linken, die sich weiter entwickelten, ohne ihre Prinzipien aufzugeben. Nicht zuletzt seine konsequent internationalistische Haltung, die sich unter anderem bzgl. des Ukraine-Krieges zeigte, hat uns verbunden.

Nicht immer waren wir einer Meinung und oftmals zogen wir aus ähnlichen Analysen unterschiedliche programmatische Schlussfolgerungen, ob in der Frage der Griechenland Krise oder dem Kampf gegen die Corona-Pandemie. Aber mit Winnie konnte man diese Unterschiede debattieren und weiter an dem arbeiten, wo man sich einig war.

Mit Winfried Wolf geht ein Großer und ein Guter. Wir werden ihn in unseren Gedanken und Herzen bewahren und den Kampf für eine gerechtere Welt jenseits des Kapitalismus, den er sein Leben lang geführt hat, fortsetzen.

Unsere Anteilnahme gehen an Andrea und seine geliebte Tochter Paola und alle seine Genoss*innen und Freund*innen.

Das Original ist erschienen am 24.5.2023 bei “Solidarität Info” : Nachruf: Winfried Wolf (1949 – 2023).

Der Autor Sascha Staničić ist Bundessprecher von SoL (Sozialistische Organisation Solidarität). Wir danken für die Publikationsrechte.

Foto: Ingo Müller, 22.04.2019


Die SAV veranstaltete am 31.10.2019 eine Diskussion mit Winfried Wolf zum Thema;

“Umweltgerechte Verkehrspolitik vs Kapitalismus”

Videorechte: Ingo Müller, 2019. Ab der Minute 56:33 beginnt die Diskussion.

Ergänzung: Erinnerungsfest für Winfried, 15.07.2023

“Gestern besuchte ich das Erinnerungsfest für den vor einigen Wochen verstorbenen Genossen Winfried Wolf in Stuttgart. Es war ein würdige Ehrung eines außergewöhnlichen Menschen. Danke an Tom Adler , Volker Lösch und alle anderen, die das möglich gemacht haben. Es war traurig, schön, lustig. Ich habe mich gefreut Mitstreiterinnen und Mitstreiter für eine bessere Gesellschaft wieder zu treffen, die ich lange nicht gesehen hatte und neue kennen zu lernen. Und vor allem habe ich mich gefreut, Winnies Tochter Paola nach vielen Jahren wieder zu sehen und neu kennen zu lernen. Er war nicht nur ein toller Genosse, sondern wohl auch ein toller Vater. Paola sucht ein WG Zimmer oder eine Wohnung in Berlin. So wie ihr Vater scheint sie einen ausgeprägten Optimismus zu haben, dass man das scheinbar Unmögliche möglich machen kann.”

Text und Foto: Sascha Staničić