Das ist nicht mein Bundeskanzler

Bundeskanzler Scholz beleidigte in seiner Rede am 18.08.2023, anlässlich der Wahlkampfunterstützung der bayerischen SPD, alle, die sich für den Frieden einsetzen. Er sagte: „Die, die hier mit Friedenstaube rumlaufen, sind vielleicht gefallenen Engel, die aus der Hölle kommen.“

Menschen, die für Frieden eintreten, so hinzustellen als kämen sie aus der Hölle, ist eines Bundeskanzlers nicht würdig.

Aus diesen Grund müssten alle Friedenstaubenträger gleichzeitig auf die Straße gehen und die Abwahl dieses Bundeskanzler verlangen.

Haben diese Menschen in der Regierung vergessen, was Deutschland angerichtet hat? Hat dieser Bundeskanzler keinen Respekt vor dem Frieden? Ist er kriegsgeil? Dann soll er doch bitte Vorbild sein und an die vorderste Front gehen.

Wir sagen immer, die Gefahr kommt von Rechts, jetzt müssten wir diesen Satz unbenennen:

Die Gefahr kommt von Rechts und wird von einem Bundeskanzler beflügelt.

Dieser Bundeskanzel sollte sofort von Amt verjagt und angeklagt werden:

Art 26 des Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sagt:

„Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“

Nicht anders ist seine Rede zu werten.

Hier zum Video seiner Rede, insbesondere der Abschnitt: 0:24 – 0:36 betrifft uns „Engel die aus der Hölle kommen“

und sein Begriffserklärung zur Demokratie im Abschnitt: 1:34 – 1:44 ist für mich irgendwie nicht ganz zu verstehen.

weitere Infos bzw. Pressestimmen:

Berliner Zeitung, 21.08.2023: „Gefallene Engel aus der Hölle“: Wer bringt dem Kanzler Manieren bei?

Kölner-Stadt-Anzeiger, 20.08.2023: Kanzler Scholz attackiert Kriegsgegner

Apollo News, 20.08.2023: „Gefallene Engel aus der Hölle“: Scholz beschimpft Demonstranten

NachDenkSeiten, 21.08.2023: Kanzler-Entgleisung: Pazifisten sind „gefallene Engel, die aus der Hölle kommen“

Drewermann Friedensappell Selenskyj Karlspreis 2023 

Am 14. Mai 2023 wird Europas bekanntester Friedensaktivist Eugen Drewermann anlässlich der Verleihung des Karlspreis 2023 an den ukrainischen Präsidenten Selenskyj einen Appell für den Frieden und das Ende des Kriegs an die Welt richten.

Bitte die Vorankündigung und den Link dieses wichtigen Appells für den Frieden weit und breit teilen!

Drewermanns Rede wird in Aachen auf der öffentlichen Gegenveranstaltung zur Karlspreis-Verleihung „Frieden in Europa ist nur mit und nicht gegen Russland möglich!“ von der Gruppe Aachener für eine menschliche Zukunft (www.ac-frieden.de) um 12 Uhr MESZ am 14. Mai 2023 sowie zeitgleich hier auf dem Drewermann Kanal auf YouTube ausgestrahlt.

Dieser Appell fruchtet nicht. Drohnen schlagen in Moskau ein. Was Selenski als „fairen Prozess“ bezeichnet[1] https://www.n-tv.de/politik/Selenskyj-Krieg-kehrt-nach-Russland-zurueck-article24294766.html , ist die nächste Eskalationsstufe. Der Krieg wird immer gefährlicher.

Zum Karlspreis an Selenskyj | About the Charlemagne Prize for Zelensky: https://www.karlspreis.de/de/aktuelle…https://www.zdf.de/nachrichten/politi…

Bücher dazu von Eugen Drewermann | Books by Drewerman on the topic: Von Krieg zu Frieden, Patmos: https://shop.verlagsgruppe-patmos.de/… Reden gegen den Krieg, Patmos: https://tinyurl.com/682j8pu5 Krieg ist Krankheit, keine Lösung, Herder: https://tinyurl.com/4s4vvn9c

Mehr zu Drewermann | More about Drewermann:

Webseite: http://drewermann.de oder https://drewermann.wordpress.com

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Die Stationierung von Atomwaffen in Nicht-Atomwaffenländern

Vorbemerkung: Aus Anlass des 78. Jahrestages des Abwurfs der Atombombe auf Hiroshima durch die USA im Folgenden ein Artikel über die Stationierung von Atomwaffen in Nicht-Atomwaffenländern. Zu diesen Ländern gehört auch Deutschland. Der Artikel, der kürzlich im Bulletin of the Atomic Scientist veröffentlicht wurde, enthält einen Rückblick  auf die kontroversen Diskussionen der NPT-Vertragsstaaten (NPT = Non Proliferation Treaty = NVV = Nicht-Verbreitungs- Vertrag von Kernwaffen) , sowie auch einen Ausblick auf die bei der RevCon (RevCon = Konferenz zur Überprüfung des NVV) zu erwartenden weiteren Verhandlungen über eine weltweite Beendigung der Nuklearen Teilhabe. Es handelt sich um eine deepl-Übersetzung. (Benedikt Hopmann)

28. Juli 2023| Moritz Kütt[1]Moritz Kütt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg und Gastwissenschaftler am Program on Science and Global Security … Continue reading, Pavel Podvig[2]Der am Moskauer Institut für Physik und Technologie ausgebildete Physiker arbeitet über das russische Atomwaffenarsenal, die amerikanisch-russischen Beziehungen und die Nichtverbreitung von … Continue reading, Zia Mian[3]Zia Mian ist Physiker und Co-Direktor des Programms für Wissenschaft und globale Sicherheit an der Princeton University. Er ist Fellow der American Physical Society und wurde 2019 mit dem … Continue reading

Die Länder des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV) werden Ende Juli und Anfang August in Wien zusammenkommen, um einen weiteren mehrjährigen Zyklus zur Bewertung der Fortschritte bei der Erfüllung der Ziele und Verpflichtungen dieses fünf Jahrzehnte alten Abkommens einzuleiten. Ein besonders umstrittener Teil der kommenden globalen Nukleardebatte wird die Handvoll NVV-Länder betreffen, die keine eigenen Atomwaffen besitzen, sondern sich stattdessen dafür entschieden haben, Atomwaffen der Vereinigten Staaten oder Russlands aufzunehmen. Für die meisten NPT-Länder sind solche Vereinbarungen über die Beherbergung von Kernwaffen ein inakzeptables Überbleibsel aus dem Kalten Krieg, das beendet werden sollte.

Die neue Dringlichkeit von Maßnahmen in der Frage der Gastländer für Kernwaffen folgt auf das erste neue Abkommen über die Übertragung von Kernwaffen an ein Gastland seit vielen Jahrzehnten. Im Juni 2023 kündigte Präsident Wladimir Putin an, dass Russland eine Reihe seiner Atomwaffen an seinen Verbündeten und Nachbarn Belarus verlegt habe und weitere Atomwaffen auf dem Weg seien, und dass „wir diese Arbeit bis zum Ende des Sommers, bis zum Ende dieses Jahres, abschließen werden“. Der Präsident von Weißrussland hat seinerseits anderen Staaten vorgeschlagen: „Schließen Sie sich dem Unionsstaat Belarus und Russland
an. Das ist alles: Es wird Atomwaffen für alle geben.“

Wenn der Waffentransfer nach Weißrussland abgeschlossen ist, wird es der sechste Staat sein, der Atomwaffen aufnimmt. Die anderen fünf Aufnahmestaaten sind Belgien, die Niederlande, Deutschland, Italien und die Türkei, in denen US-Atomwaffen stationiert sind – eine Praxis, die von den USA und ihren NATO-Verbündeten euphemistisch als „nukleare Teilhabe“ bezeichnet wird. Ein weiteres NATO-Mitglied äußert zunehmend den Wunsch, sich dieser Gruppe anzuschließen. Nach Putins Ankündigung zu Weißrussland wiederholte der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki die Forderung, ein Aufnahmestaat für US-Atomwaffen zu werden. Polens Präsident Andrzej Duda hatte diese Option im vergangenen Jahr ins Spiel gebracht, doch der polnische Botschafter in den Vereinigten Staaten hatte die Idee bereits 2020 ins Spiel gebracht.

Die heutigen Aufnahmeregelungen sind sehr viel begrenzter und auch sehr viel sichtbarer als in der Vergangenheit. Die Ursprünge und Praktiken der Aufnahme von Atomwaffen aus der Zeit des Kalten Krieges sind immer noch weitgehend geheim, da sie ohne öffentliche Debatte und Zustimmung in den Ländern, die Atomwaffen zur Verfügung stellen, oder in den Ländern, die sie aufnehmen, eingeführt wurden, selbst wenn vermeintlich demokratische Länder beteiligt waren. Es ist jedoch bekannt, dass die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion in vielen Ländern eine große Anzahl von Atomwaffen im Ausland stationiert haben, während das Vereinigte Königreich eine viel geringere Anzahl von Waffen in einigen Ländern stationiert hat.

Es gibt eine teilweise freigegebene Geschichte der Stationierung von US-Atomwaffen im Ausland von 1951 bis 1977. Die Praxis der Stationierung von Kernwaffen in verbündeten Ländern (oder Gebieten) begann 1951 mit der Stationierung von Waffenkomponenten auf Guam, gefolgt von der Entsendung von Waffen nach Marokko und in das Vereinigte Königreich im Jahr 1954. Im Laufe der Zeit stationierten die USA ihre Kernwaffen in 16 Ländern, hauptsächlich in Europa und Asien (ohne Guam und Puerto Rico). Einige US-Kernwaffen wurden auch in Kanada stationiert. Ende der 1960er Jahre befanden sich etwa 7.000 US-Atomwaffen in Europa, darunter Bomben, Raketensprengköpfe, Artilleriegranaten und Atomminen. Die Zahl der US-Atomwaffen in Europa erreichte 1971 mit etwa 7.300 ihren Höhepunkt, bevor sie in den späteren 1970er Jahren zu sinken begann.

1959 stationierte die Sowjetunion kurzzeitig Waffen in Ostdeutschland. Die bekannteste (wenn auch kurzlebige) Stationierung von Atomwaffen erfolgte 1962 in Kuba. Später, Mitte der 60er Jahre, begannen längere Einsätze, bei denen sowjetische Atomwaffen in die Tschechische Republik, nach Ungarn, in die Mongolei, nach Polen und erneut nach Ostdeutschland gingen. Moskau stationierte auch Atomwaffen in den Sowjetrepubliken, einschließlich strategischer Atomwaffen in Kasachstan, Belarus und der Ukraine.

Mit dem Ende des Kalten Krieges begannen die Vereinigten Staaten und Russland, ihre Waffen nach Hause zu bringen. Die Sowjetunion hatte bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1991 alle Waffen aus Osteuropa abgezogen. Der Abzug aller nicht-strategischen Waffen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken erfolgte im Mai 1992, und alle strategischen Waffen wurden im November 1996 zurückgegeben.

Die meisten US-Atomwaffeneinsätze in Asien endeten Mitte der 70er Jahre, obwohl in Südkorea noch bis 1991 Atomwaffen stationiert waren. Die Stationierungen in Europa wurden erheblich reduziert (unter 500 im Jahr 1994) und in Griechenland (2001) und im Vereinigten Königreich (2009) beendet. Die Vereinigten Staaten haben diesen Prozess jedoch nicht abgeschlossen; etwa 100 US-Waffen sind weiterhin im Ausland stationiert, und zwar auf Stützpunkten in Belgien, den Niederlanden, Deutschland, Italien und der Türkei. Anstatt die Waffen aus diesen Ländern abzuziehen, schicken die USA modernisierte Atomwaffen, um sie zu ersetzen.

Das Vereinigte Königreich war das einzige andere Land, das sowohl Waffen beherbergt (die den USA gehören) als auch seine eigenen Waffen in anderen Ländern stationiert. Die Auslandseinsätze begannen in den 1960er Jahren und beschränkten sich auf Zypern, Singapur und Westdeutschland; diese Praxis wurde 1998 beendet.

Es liegen keine Informationen über Auslandseinsätze und Vereinbarungen über die Aufnahme von Kernwaffen durch andere Kernwaffenstaaten vor. Es gab Befürchtungen, dass Pakistan einige seiner Kernwaffen in Saudi-Arabien stationieren könnte, wobei frühere US-Beamte ein „NATO-ähnliches Modell“ als eine Option für eine solche Vereinbarung vorschlugen.

Bei den derzeitigen Vereinbarungen über die Aufnahme von US-Atomwaffen sollen die Atomwaffen in Friedenszeiten unter der Kontrolle von US-Militärpersonal stehen. Speziell ausgebildete Luftwaffeneinheiten des Gastlandes tragen diese US-Waffen und setzen sie in Kriegszeiten gemäß den Atomkriegsplänen der USA und ihrer Verbündeten ein. Eine ähnliche Vereinbarung besteht jetzt zwischen Russland und Weißrussland, wobei weißrussische Piloten darin geschult werden, ihre Flugzeuge mit russischen Atomwaffen zu fliegen; mindestens 10 Flugzeuge könnten jetzt atomwaffenfähig sein. Es ist auch möglich, dass Weißrussland seine von Russland gelieferten Iskander-M-Raketen mit mittlerer Reichweite und doppeltem Verwendungszweck für den Einsatz von Nuklearsprengköpfen nutzen könnte.

Nach Angaben der Vereinten Nationen ist die russische Aufnahmevereinbarung mit Belarus die erste derartige Vereinbarung seit Inkrafttreten des NVV im Jahr 1970. Die anderen Aufnahmevereinbarungen, die noch in Kraft sind, beruhen auf Vereinbarungen, die vor dem Vertrag geschlossen wurden. Der NVV verbietet sowohl den Erwerb von Kernwaffen durch Nichtwaffenstaaten als auch die Weitergabe von Kernwaffen an solche Länder durch die fünf Kernwaffenstaaten, die Vertragsparteien sind (Russland, China, die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich und Frankreich). In den Artikeln 1 und 2 des NVV heißt es: „Jeder Kernwaffenstaat, der Vertragspartei ist, verpflichtet sich, Kernwaffen oder andere nukleare Sprengkörper oder die Kontrolle über solche Waffen oder Sprengkörper weder direkt noch indirekt an irgendeinen Empfänger weiterzugeben […]“ und „Jeder Nichtkernwaffenstaat, der Vertragspartei ist, verpflichtet sich, von keinem Weitergebenden Kernwaffen oder andere nukleare Sprengkörper oder die Kontrolle über solche Waffen oder Sprengkörper direkt oder indirekt zu erhalten […]“.

Während der Verhandlungen über den Vertrag vereinbarten amerikanische und sowjetische Beamte unter vier Augen, dass die bestehenden Vereinbarungen über die Aufnahme von Kernwaffen auch im Rahmen des NVV fortgesetzt werden könnten. Die USA teilten ihren NATO-Verbündeten mit, dass sich der NVV ihrer Ansicht nach „nicht mit Vereinbarungen über die Stationierung von Kernwaffen auf verbündetem Territorium befasst, da diese keine Weitergabe von Kernwaffen oder die Kontrolle über sie beinhalten, es sei denn, es wird beschlossen, in den Krieg zu ziehen; zu diesem Zeitpunkt würde der Vertrag nicht mehr gelten“.

Die meisten NPT-Mitgliedsstaaten haben eine andere Auslegung der nuklearen Teilhabe und bringen seit fast drei Jahrzehnten ihre Bedenken vor. Ein Schlüsselmoment war 1995 während der Konferenz zur Überprüfung und Verlängerung des NVV die Diskussion im Hauptausschuss I, der für die Bewertung der Fortschritte bei den Vertragsartikeln 1 und 2 sowie bei Artikel 6, der die Verpflichtung zur frühzeitigen Beendigung der nuklearen Bewaffnung und zur Abrüstung zum Gegenstand hat, zuständig war. Mexiko und andere Nichtwaffenstaaten stellten die fortgesetzte Praxis der nuklearen Teilhabe der NATO nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Zusammenbruch der Sowjetunion in Frage. Belgien und Deutschland entgegneten, dass diese Praxis noch nie in Frage gestellt worden sei.

Der jüngste Zusammenstoß fand auf der Konferenz zur Überprüfung des NVV im August 2022 statt. Im Namen der 120 Länder der Bewegung der Blockfreien Staaten sagte Indonesien: „Nach Ansicht der Gruppe stellt die gemeinsame Nutzung von Kernwaffen durch die Vertragsstaaten eine eindeutige Verletzung der Nichtverbreitungsverpflichtungen dar, die von den Kernwaffenstaaten (NWS) gemäß Artikel I und von den Nichtkernwaffenstaaten (NNWS) gemäß Artikel II eingegangen wurden.“ Indonesien fuhr fort: „Die Gruppe fordert diese Vertragsstaaten daher nachdrücklich auf, die gemeinsame Nutzung von Kernwaffen mit anderen Staaten unter allen Umständen und in jeder Form von Sicherheitsvereinbarungen, einschließlich im Rahmen von Militärbündnissen, zu beenden.“

Russland erklärte: „US-Atomwaffen befinden sich immer noch auf dem Territorium von nicht-nuklearen Verbündeten … Wir haben wiederholt den Abzug der US-Atomwaffen auf nationales Territorium, die Beseitigung der Infrastruktur für ihre Stationierung in Europa und die Beendigung der ‚gemeinsamen Nuklear-Missionen‘ der NATO gefordert.“ Seitdem hat Russland natürlich Atomwaffen in Weißrussland stationiert und argumentiert, dass diese Stationierung anders sei, da „anders als im Falle der NATO die russisch-weißrussische nukleare militärische Zusammenarbeit im Rahmen des Unionsstaates stattfindet, der ein einziges Territorium und eine gemeinsame Militärdoktrin hat.“

China ist der einzige NVV-Kernwaffenstaat, der die nukleare Teilhabe konsequent ablehnt. In seiner Erklärung zur Überprüfungskonferenz des NVV 2022 erklärte der Vertreter Chinas, dass „Vereinbarungen über die gemeinsame Nutzung von Kernwaffen den Bestimmungen des NVV zuwiderlaufen“. China betonte, dass die Vereinigten Staaten „alle ihre Atomwaffen aus Europa abziehen und von der Stationierung von Atomwaffen in anderen Regionen absehen sollten“, und hob hervor, dass „jeder Versuch, das Modell der nuklearen Teilhabe der NATO in der asiatisch-pazifischen Region zu kopieren, die regionale strategische Stabilität untergraben würde und von den Ländern in der Region entschieden abgelehnt werden würde, und dass sie, wenn nötig, mit harten Gegenmaßnahmen rechnen müssten.“ China ist besonders besorgt über die in den letzten Jahren sowohl in Südkorea als auch in Japan geäußerten Forderungen, eine Rückkehr zu einer Art von US-Atomwaffen-Hosting-Vereinbarung zu erwägen.

Auf der bevorstehenden Tagung des NVV-Vorbereitungsausschusses könnten die Staaten beschließen, die Aufnahme von Kernwaffen als separaten Tagesordnungspunkt in die Bewertung des Vertragsstatus aufzunehmen. Es könnte Teil der Diskussion über Artikel 6, die Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung, sein. Diese Verpflichtung gilt, wie Artikel 6 klarstellt, für „jede Vertragspartei“, nicht nur für Atomwaffenstaaten. Er fordert „wirksame Maßnahmen zur frühzeitigen Beendigung des nuklearen Wettrüstens und zur nuklearen Abrüstung…“. Die Verhinderung eines nuklearen Wettrüstens und die Beendigung dieser Praxis würde sicherlich als eine solche Maßnahme gelten.

Der bedeutendste Versuch, den Grundsätzen und Praktiken der nuklearen Unterbringung entgegenzutreten, ist der UN-Vertrag über das Verbot von Kernwaffen, der 2021 in Kraft trat und derzeit von fast 100 Staaten unterzeichnet wurde (die alle auch Mitglieder des NVV sind). Der TPNW verbietet die Stationierung ausländischer Atomwaffen auf dem Boden seiner Vertragsstaaten unter allen Umständen.Er bietet Staaten, die keine nuklearen Gastgeber sein wollen, die Möglichkeit, diese Verpflichtung zu bekräftigen und rechtsverbindlich zu machen, indem sie einfach dem Vertrag beitreten.Der TPNW bietet auch den Staaten, die derzeit Atomwaffen beherbergen, einen Weg zur Mitgliedschaft – wenn sie den Vertrag unterzeichnen, müssen sie sich verpflichten, „diese Waffen
so schnell wie möglich“ und nicht später als 90 Tage zu entfernen. Sobald die Waffen in ihr Heimatland zurückgeschickt worden sind, muss das Land eine entsprechende Erklärung an den UN-Generalsekretär abgeben.

Für Staaten, die noch nicht bereit sind, der TPNW beizutreten, sind mehrere Optionen möglich. Die Staaten könnten einzeln beschließen, auf die Aufnahme und gemeinsame Nutzung von Kernwaffen zu verzichten. Für die europäischen NATO-Staaten bieten sich beispielsweise Island und Litauen an, die zwar NATO-Mitglieder sind, sich aber weigern, unter allen Umständen Kernwaffen aufzunehmen.Eine weniger eindeutige Option bieten Dänemark, Norwegen und Spanien, die den Einsatz von Kernwaffen in Friedenszeiten nicht zulassen.

Die Staaten könnten auch atomwaffenfreie Zonen bilden: Mehr als 110 Länder haben bereits Abkommen über atomwaffenfreie Zonen mit ihren Nachbarn geschlossen.Die Idee einer europäischen kernwaffenfreien Zone besteht schon lange. Sie geht auf einen Vorschlag des polnischen Außenministers Adam Rapacki aus dem Jahr 1957 zurück, der eine entnuklearisierte Region in Mitteleuropa vorsah, die Ost- und Westdeutschland, Polen und die Tschechoslowakei umfasste.Mitte der neunziger Jahre schlugen Belarus und die Ukraine gemeinsam eine atomwaffenfreie Zone in Mitteleuropa vor. Eine atomwaffenfreie Zone, die ganz Europa umfasst und auch Weißrussland und die Ukraine einschließt, könnte die Stationierung russischer Atomwaffen in Weißrussland zurückdrängen, die fünf verbleibenden US-Atomwaffenvereinbarungen beenden und als Rahmen für eine neue europäische Friedens- und Sicherheitsarchitektur dienen, wenn der Krieg in der Ukraine beendet ist.

Natürlich gibt es Dinge, die die Kernwaffenstaaten tun könnten. Die fünf NVV-Kernwaffenstaaten könnten sich auf eine Verpflichtung zum Verzicht auf Auslandseinsätze als wirksame Maßnahme zur nuklearen Abrüstung im Rahmen ihrer NVV-Verpflichtungen nach Artikel 6 einigen. Dies würde voraussetzen, dass die Kernwaffen in den europäischen NATO-Ländern und in Belarus entfernt werden, und würde künftige Aufnahmevereinbarungen dieser Länder verhindern. Mögliche Aufnahmevereinbarungen der vier Kernwaffenstaaten, die nicht dem NVV angehören (Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea), wären damit jedoch nicht abgedeckt. Um einen globalen Grundsatz festzulegen, könnten die UN-Generalversammlung und der UN-Sicherheitsrat beschließen, dass die Aufnahme von Kernwaffen fortan als Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit behandelt wird.

Nachbemerkung (Benedikt Hopmann): Wir haben diesen Artikel hier veröffentlicht, weil er viele wertvolle Informationen enthält. Unerwähnt bleibt leider, dass für die Auslegung des NPT (NVV) verbindlich für alle die Wiener Vertragskonvention (WVK) gilt. Demnach ist die in dem Artikel erwähnte Tatsache unerheblich, dass die A-Waffen in Europa bereits vor dem Inkrafttreten des NPT stationiert worden sind. Auch der Hinweis auf „Vereinbarungen“ der USA und der SU unter vier Augen ist irreführend. Sie schränken die Verbindlichkeit des NPT ebenso wenig ein wie der sog. „Kriegsvorbehalt“. Die Absicht der A-Waffenstaaten ist es, Verwirrung über die völkerrechtlichen Regelungen zu produzieren, um den Eindruck der Rechtmäßigkeit der Stationierung zu erwecken.

References

References
1 Moritz Kütt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg und Gastwissenschaftler am Program on Science and Global Security an der Princeton University.
2 Der am Moskauer Institut für Physik und Technologie ausgebildete Physiker arbeitet über das russische Atomwaffenarsenal, die amerikanisch-russischen Beziehungen und die Nichtverbreitung von Atomwaffen. Im Jahr 1995 leitete er das Russian Strategic Nuclear Forces Research Project und gab das gleichnamige Buch heraus, das einen Überblick über die sowjetischen und russischen strategischen Streitkräfte und die technischen Fähigkeiten der strategischen Waffensysteme Russlands gibt. In seinem Blog „Russische strategische Nuklearstreitkräfte“ werden diese Informationen in Echtzeit aktualisiert.
3 Zia Mian ist Physiker und Co-Direktor des Programms für Wissenschaft und globale Sicherheit an der Princeton University. Er ist Fellow der American Physical Society und wurde 2019 mit dem Leo-Szilard-Preis „für die Förderung des Weltfriedens und der nuklearen Abrüstung“ und 2014 mit dem Linus-Pauling-Vermächtnispreis für „seine Leistungen als Wissenschaftler und als Friedensaktivist, der zu den weltweiten Bemühungen um nukleare Abrüstung beigetragen hat“ ausgezeichnet. Mian ist Ko-Vorsitzender der wissenschaftlichen Beratergruppe des Vertrags über das Verbot von Kernwaffen und Mitbegründer der Physicists Coalition for Nuclear Threat Reduction. Er gehört dem Vorstand der Union of Concerned Scientists an und ist Mitglied des Beratungsgremiums des UN-Generalsekretärs für Abrüstungsfragen.

Die USA liefern Streubomben – die Bundesregierung unterstützt das – Juristinnen und Juristen nehmen Stellung.

Die USA liefern Streumunition an die Ukraine. Die Bundesregierung unterstützt das. Dazu nahm die deutsche Sektion der IALANA am 26. Juli 2023 Stellung. Die IALANA ist die internationale Vereinigung der Juristinnen und Juristen gegen atomare Waffen. Hier die Stellungnahme der IALANA:

Der nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, hat am 8. Juli 2023 der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass US-Präsident Joe Biden trotz Bedenken und nach langem Zögern entschieden habe, die Ukraine durch Lieferung von Streumunition zu unterstützen. Die US-Regierung sei sich des Risikos bewusst, dass Zivilisten durch nicht explodierende Munition zu Schaden kommen. Es bestehe jedoch auch ein großes Risiko, wenn russisches Militär weiteres ukrainisches Staatsgebiet erobere und ukrainische Zivilisten unterwerfe. Zur Verteidigung brauche die Ukraine dringend weitere Artilleriemunition. Biden selbst betonte, der Schritt sei mit dem US-Kongress und den Verbündeten abgesprochen.

Streumunition ist durch das am 1. 8. 2010 in Kraft getretene Übereinkommen zum Verbot von Streumunition von zahlreichen Staaten völkerrechtlich geächtet. Dieser völkerrechtliche Vertrag hat inzwischen 111 Mitgliedsstaaten. Weitere 13 haben unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert. Die hauptsächlichen Erzeuger- und Verwender-Nationen USA, Russland, China und Israel gehören dem Vertragswerk nicht an. Die Ukraine zählt ebenfalls zu der Gruppe der Staaten, die diesem Übereinkommen nicht beigetreten ist. Weil eine einheitliche Staatenpraxis und auch die übereinstimmende Rechtsüberzeugung der Staaten fehlen, ist derzeit ausgeschlossen, dass das Übereinkommen zum Verbot von Streubomben zum Völkergewohnheitsrecht und damit für alle Staaten verbindlich geworden ist. Die Lieferung der Streumunition durch die USA in die Ukraine verstößt daher nicht gegen das Übereinkommen zum Verbot von Streumunition.

Trotzdem bleibt der Einsatz von Streumunition weiterhin sehr problematisch. In dem Gutachten vom 8. 7. 1996 hat der Internationale Gerichtshof (IGH) unter Ziffer 95 festgestellt, dass nach den Prinzipien und Regeln des für den bewaffneten Konflikt verbindlichen humanitären Völkerrechts Methoden und Mittel der Kriegsführung verboten sind, die jede Unterscheidung zwischen zivilen und militärischen Zielen ausschließen. Unter Ziffer 78 beschreibt der IGH dieses Prinzip als eins der „kardinalen Prinzipien“ des humanitären Völkerrechts, wonach Staaten „niemals Waffen einsetzen dürfen, die nicht zwischen zivilen und militärischen Zielen unterscheiden können.“ Das ist aber bei der Streumunition der Fall, weil sie einerseits beim Einsatz streut – also nicht präzise eingesetzt werden kann – und andererseits ein Teil der Submunition nicht explodiert, und somit zu Landminen wird, die nach Ende der Kampfhandlungen jahrelang eine erhebliche Gefahr für die Zivilbevölkerung darstellen. Diese Eigenschaften von Streumunition machen deren Einsatz in der Regel unverhältnismäßig.

Wenn die Bundesregierung – wie die Erklärung von US-Präsident Biden vermuten lässt – der Lieferung der Streumunition ausdrücklich zugestimmt hat, hätte Deutschland als Mitgliedsstaat gegen seine Staatenverpflichtung aus dem Übereinkommen zum Verbot von Streumunition verstoßen. Denn mit Art. 1 Abs. 1c des Übereinkommens hat sich Deutschland verpflichtet niemanden beim Transport oder Einsatz von Streubomben zu unterstützen. In der Zustimmung könnte nicht nur eine verbotene Unterstützung der USA, sondern auch die innerstaatlich strafbare Förderung der Lieferung nach §§ 18a, 20a des Kriegswaffenkontrollgesetzes (KWKG) liegen.

Schwerwiegender ist, wenn der Transport der Streumunition aus den USA über deutsches Staatsgebiet erfolgt. Das ist höchstwahrscheinlich der Fall, weil es sowohl beim Seetransport als auch auf dem Luftweg der kürzeste Weg wäre. In diesen Fällen könnten die USA die Streumunition nicht ohne ausdrückliche Zustimmung der Bundesregierung transportieren. Für ihre Transport-Flugzeuge benötigte sie Überfluggenehmigungen Deutschlands, für Zwischenlandungen auf US-Stützpunkten in Deutschland Lande- und Starterlaubnis. Diese Erlaubnis darf die Bundesregierung nicht erteilen, weil Deutschland sonst gegen seine Verpflichtungen aus dem Übereinkommen zum Verbot der Streumunition verstoßen würde. Werden die Genehmigungen erteilt, sind die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen, weil nach §§ 18a, 20a KWKG die Durchführung der Streumunition durch das Bundesgebiet strafrechtlich verboten ist.

Die Verbote nach dem humanitären Völkerrecht, nach dem Übereinkommen zum Verbot der Streumunition und nach §§ 18a, 20a KWKG verlieren ihre rechtliche Verbindlichkeit nicht durch den Verteidigungsstatus der Ukraine als völkerrechtwidrig angegriffener Staat. Der IGH hat in seinem Gutachten festgestellt, dass das Notwehrrecht nach Art. 51 UN-Charta eingeschränkt ist, „welche Mittel der Gewalt auch eingesetzt werden“. Verteidigen dürfen sich Staaten nur mit Waffen, welche die Prinzipien und Regeln des humanitären Völkerrechts erfüllen (Ziff. 42). Die Verteidigung mit unterschiedslos auch gegen Zivilisten wirkende Waffen ist wegen Verstoßes gegen das Menschenrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit in Verbindung mit dem humanitären Völkerrecht rechtswidrig. Somit verstoßen sowohl das angreifende Russland als auch die sich verteidigende Ukraine durch den Einsatz von Streumunition gegen das Völkerrecht.

Deutschland ist durch Art. 21 Abs. 2 des Übereinkommens zum Verbot von Streumunition verpflichtet, die Normen, die darin niedergelegt sind, zu fördern und sich nach besten Kräften zu bemühen, „Staaten, die nicht Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind, vom Einsatz von Streumunition abzubringen.“ Das bedeutet, dass die Bundesregierung völkerrechtlich verpflichtet ist, den USA bei der Lieferung und der Ukraine beim Einsatz von Streumunition „in den Arm zu fallen“.

Download der Stellungnahme als pdf

14.07.2023: Ukraine – welchen Staat unterstützt Deutschland da eigentlich?

Foto: Werner Rügemer

Veranstaltung von „Frieden gewinnen, nicht den Krieg!“ am 14. Juli 2023 in der Mediengalerie – Referent: Werner Rügemer.

Conny Renkl berichtet:

Um 18 Uhr war der Raum mit über 100 Personen übervoll. Einige KollegInnen nahmen es sogar in Kauf zu stehen. In der Begrüßung zu dieser fünften Veranstaltung in unserer Vortrags- und Diskussionsreihe stellte Kameradin Brigitte Renkl (VVN-VdA Neukölln) den Referenten vor:

Dr. Werner Rügemer ist in Bayern aufgewachsen. Hat in München, Tübingen, Berlin und Paris studiert. Er hat in Bremen über den Philosophen Arnold Gehlen promoviert (nicht zu verwechseln mit dem Faschisten, Militaristen und BND-Gründer Reinhard Gehlen – hier ergänzte Werner Rügemer dass Reinhard Gehlen der Bruder von Arnold Gehlen gewesen sei).
Werner ist freier Autor und publiziert u.a. in Ossietzky, jungeWelt und NachDenkSeiten. Er hat sich gründlich mit neuen Entwicklungen im Kapitalismus auseinandergesetzt wie den Riesenkonzernen der sog. digitalen Plattformökonomie, also Amazon, Microsoft, Apple, Meta-Facebook, Google-Alfabet u.a. Dazu die Konzerne der Finanzmärkte, die Hedgefonds oder die Private Equity Monster US-amerikanischer Provenienz wie z.B. Black Rock. Zu Black Rock, in dessen deutscher Repräsentanz bekanntlich CDU-Merz eine führende Rolle spielt, organisierte er ein Tribunal in Berlin zusammen mit Peter Grottian. Bekannt wurde besonders sein Buch: Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts. Im Blick hat Rügemer dabei stets nicht nur die Kapitalisten, sondern den zweiten Part im Kapitalverhältnis: Die lohnabhängigen Werktätigen und ihre Rechte. „Arbeitsunrecht“ und die „Fertigmacher“ heißen seine Bücher. Für sein mutiges Engagement wurde Werner auch mit Prozessen überzogen so vom Bankhaus Sal. Oppenheim (früher Pferdmenges, heute Deutsche Bank), von Du Mont und dem Institut zur Zukunft der Arbeit (gegründet von der Deutschen Post).

In einem neuen Prozess geht es am 10.8. in Köln um Zensur durch die Berliner Zeitung zugunsten solcher Ukraine-Aufrüster und Kriegsverlängerer wie Pistorius oder Strack-Zimmermann!

Wenn Werner Rügemer gelegentlich kritisiert wird, dass er zu sehr auf die USA als Bedrohung der Menschheit fixiert sei, so muss deutlich gesagt werden: Werner weiß sehr wohl zu unterscheiden zwischen dem US-Imperialismus, dem selbsternannten Weltgendarmen und dem Volk der USA, den amerikanischen Werktätigen, den Vielen, die wegen ihrer Hautfarbe oder ihrer Herkunft benachteiligt werden. Und in seinem Buch „Imperium EU“ erteilt er dem Großmachtgehabe der EU und seiner deutschen Hegemonialmacht eine deutliche Absage. Neu ist jetzt bei PapyRossa erschienen: „Verhängnisvolle Freundschaft – wie die USA Europa eroberten – Vom 1. zum 2. Weltkrieg“.

Zum Thema führte der Referent aus, dass die Ukraine kein selbständiger Staat sei, sondern Aufmarschgebiet für den „Westen“. Die Ukraine sei der höchstverschuldete Staat der Welt und erhält vom sonst so knauserigen IWF weiterhin Kredite zu unvergleichlich günstigen Bedingung. Die USA haben den Land-Lease Act wiederbelebt, der 1940 – im 2. Weltkrieg also – Großbritannien die Möglichkeit „nicht-monetärer Rückzahlung von Krediten“ eröffnete. Die Rückzahlung erfolgte dann nach dem Krieg durch „großzügige Überlassung von Stützpunkten im britischen Kolonialreich“. Die Ukraine sei auch der korrupteste Staat der Welt, seine Souveränität steht eigentlich nur noch auf dem Papier.

Die Ukraine ist der Schlüsselstaat zur Eroberung Eurasiens. In dieser Weise hat der bekannte US-Stratege Brzeziński die ehemalige Sowjetrepublik in seinem Buch von 1997 „Die einzige Weltmacht“ charakterisiert. Das Vorwort der deutschen Übersetzung hat immerhin der ehemalige deutsche Außenminister Genscher verfasst. Dort wird von einem kompakten Gebilde geträumt, das sich zur Abwehr Chinas von Lissabon bis Wladiwostok erstrecken müsse.

Bereits unter Präsident (von 1994 bis 2005) Kutschma wurde die Ulkraine „neoliberal zugerichtet“. Als Beispiele nannte Werner Rügemer u.a. Philip Morris. Die haben die ukrainische Zigarettenindustrie zu einem Spottpreis gekauft, mussten nur Niedrigstlöhne und praktisch keine Steuern zahlen. Die Ukraine wurde so zur Zentrale für den Zigarettenschmuggel in ganz Europa. Der Schaden, der der EU dadurch entstanden ist, wurde auf vier Milliarden Euro beziffert. Die EU-Kommission hat zwar geklagt. Es wurde ein Vergleich geschlossen, aber die Ukraine nie dazu angehalten, die geforderten Zahlungen zu leisten. Auch hier sei Black Rock als Aktionär von Philip Morris mit von der Partie.

Als weiteres Beispiel wurde ausgeführt, wie das Agrobusiness der Ukraine, die ja einer der größten Getreideexporteure der Welt ist, aussieht. Während etwa 7 Millionen Bauern ihre Existenz auf 2-3 ha Land fristen, ist das wirkliche Geschäft in festen Händen, nämlich in der Hand solcher Konzerne wie Cargill (größter Getreidehändler der Welt) John Deere (Landmaschinen), Glencore (mit Sitz in der Schweiz als Grundbesitzer und Verarbeiter) und nicht zuletzt Bayer/Monsanto (Düngemittel, Pestizide). Sie operieren mit ukrainischen Oligarchen, die ihren Sitz z.B. in Luxemburg oder Zypern haben.

In der Ukraine sitzen viele Zulieferer für deutsche und andere europäische Konzerne in der Auto-, Textil- und Pharmabranche. Der Mindestlohn betrug 2014 Euro 0,34, heute liegt er bei 1,21 Euro. 5 Millionen Wanderarbeiter verdingen sich in Rumänien, Polen u.a., wo der Mindestlohn bei 3 bis 4 Euro/h liegt.

Polnische Agenturen vermitteln ukrainische Frauen in der BRD für 24 Stunden Pflegejobs, bei denen aber nur 8 Stunden bezahlt werden (siehe der bekanntgewordene Fall vor dem Bundesarbeitsgericht).

Die von Selenskij 2022 durchgedrückte Arbeitsrechtsreform lassen jetzt sog. Null-Stunden-Verträge zu, bei denen nur bezahlt wird, wenn der Kapitalist tatsächlich die Arbeitsleistung abruft. Gegen Kündigungen kann nicht mehr geklagt werden. Gewerkschaften, die aus der Zeit der Sowjetunion noch über Häuser verfügen, können enteignet werden.

Besonders Frauen sind von der Verarmung betroffen. In der Ukraine herrscht ein besonders großes Auseinanderklaffen der Löhne für Frauen und für Männer. Besonders ausgebreitet hat sich die Leihmutterschaft, die in der Ukraine etwa 60.000 Euro kostet, während in den USA z.B. etwa 250.000 Dollars bezahlt werden. Das zum Thema „feministische Außenpolitik“.
Ausgerechnet Black Rock wurde zum offiziellen Koordinator des Wiederaufbaus der Ukraine ernannt. – Da weiß man doch wenigstens, dass nichts in falsche Hände kommt.

Nach dem Referat entwickelte sich eine angeregte Diskussion insbesondere auch um die Frage, ob die Ukraine ein faschistischer Staat sei. Werner Rügemer gab viele Hinweise zur Wiederbelebung der faschistischen Traditionen, meinte aber, dass die Debatte darum in die falsche Richtung weise; es genüge schon, was dieses arme Land unter der neoliberalen Knute zu erdulden hatte und hat. Es hatte bereits vor dem Krieg die ärmste und am meisten kranke Bevölkerung Europas.

Als Fazit hielt Kamerad Benedikt Hopmann fest, dass wir uns nicht nur in der militärischen Auseinandersetzung, sondern in einem sozialen Krieg befinden, den wir mit der wahnsinnigen Rüstungsoffensive und den damit überall drohenden Kürzungen im sozialen Bereich, bei Bildung und Gesundheit, mit den massiven Reallohnsenkungen zu verlieren drohen, wenn nicht die Gewerkschaften und die Friedensbewegung wieder zusammenfinden und den Kampf gegen Krieg und Kapitalismus führen. Dabei geht es auch, wie ein Teilnehmer erklärte, um die Durchsetzung der sozialen Menschenrechte, wie sie völkerrechtlich verbindlich im sog. UNO-Sozialpakt (1966) festgelegt wurden. Diese Seite des Völkerrechts bemühen unsere SpitzenpolitikerInnen lieber nicht.

Der vollständige Vortrag mit vielen weiteren aufschlussreichen Einzelheiten kann hier nachgelesen werden.

„Whataboutism“ als Kampfbegriff

Wird der Krieg Russlands gegen die Ukraine als völkerrechtswidrig beschrieben, so wird die Gegenfrage “Und was ist mit dem völkerrechtswidrigen Krieg der USA gegen Irak?” als “Whataboutism” entwertet. Die Gegenfrage soll nicht zulässig sein, weil sie das Augenmerk auf einen anderen völkerrechtswidrigen Krieg richtet.

Wenn Gegenfragen wie “Und was ist mit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak?” oder “Und was ist mit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien?” in solcher Weise abqualifiziert werden, ist kein Raum mehr für ein Nachdenken, ob solche “Whataboutism” statt abzulenken nicht eher hinlenken, und zwar auf eine andere Wahrheit hinlenken, die sich hinter der Feststellung “Russlands Krieg ist völkerrechtswidrig” verbirgt.

Wörtlich übersetzt heißt “Whataboutism”: Und was ist mit …?

Es gibt Gründe für die Gegenfrage “Und was ist mit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak?” oder “Und was ist mit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Jugoslawien?” Denn hinter dieser Gegenfrage steckt eine weitere Frage: Wie kann ein Land einen völkerrechtswidrigen Krieg eines anderen Landes anprangern, wenn es selbst völkerrechtswidrige Kriege führt? Es sind die doppelten Standards, die mit der Gegenfrage angesprochen werden. Man kann die doppelten Standards auch einfach als Doppelmoral bezeichnen: Wenn die USA völkerrechtswidrige Krieg führen, ist das in Ordnung, wenn Russland einen völkerrechtswidrigen Krieg führt, ist das zu verurteilen.

Mit dem Einwand “Whataboutism” wird jedes Nachdenken darüber abgeschnitten. Die Gegenfrage “Und was ist mit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien?” wird einfach nur zurückgewiesen. Es wird gar nicht mehr darüber nachgedacht, warum diese Gegenfrage gestellt wird.

Hinter der Gegenfrage “Und was ist mit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Jugoslawien?” steckt auch die Frage: Wie ernst nehmen die USA und die Bundesregierung den Vorwurf der Völkerrechtswidrigkeit?

Es wird nicht mehr darüber nachgedacht, ob das Argument “Russlands Krieg ist völkerrechtswidrig” ein vorgeschobenes Argument sein könnte, vorgeschoben sowohl von den USA als auch von der Bundesregierung. Wenn ich sage, dass die USA endlos viele völkerrechtswidrige Kriege geführt haben, und wenn das als “Whataboutism” abgetan wird, dann ist es nicht mehr möglich, über die Frage nachzudenken: Warum hat eine deutsche Bundesregierung noch nie diese völkerrechtswidrigen Kriege der USA angeprangert und sich offen auf die Seite dieser völkerrechtswidrig angegriffenen Länder gestellt (Vietnam, Jugoslawien, Nicaragua usw.)? Warum tut sie das erst jetzt mit dem Ukrainekrieg? Warum hat die Bundesregierung im Jugoslawien-Krieg nicht Jugoslawien verteidigt, sondern Jugoslawien mitbombardiert?

Offensichtlich müssen andere Interessen als die Verteidigung des Völkerrechts den Ausschlag geben, wenn die Bundesregierung entscheidet, ob und auf welcher Seite sie sich an einem Krieg beteiligt. Und darauf kommt es an: Die Interessen zu erkennen, die ein Land dazu bewegen, einen Krieg zu rechtfertigen oder gar zu unterstützen.

“Whataboutism” als Einwand, Vorwurf und Kampfbegriff versperrt das Nachdenken über diese Interessen.

Zur Gefahr eines Dritten Weltkrieges

Auf Youtube kann eine Stellungnahme von Klaus von Dohnany zur gegenwärtigen deutschen Außenpolitik und zur Gefahr eines Dritten Weltkrieges angesehen werden. Er verweist auf eine aktuelle Warnung Henry Kissinger’s vor einem Dritten Weltkrieg (unten ab 52:56).

Die Gefahr eines Dritten Weltkrieges ergibt sich unter anderem aus der immer schärferen Konfrontationspolitik der USA gegenüber China. Der Ansatz ist Taiwan, das die USA massiv aufrüsten und gegen die Volksrepublik China in Stellung bringen. Es geht um die Ein-China-Politik Chinas, die die USA zunehmend in Frage stellen.

Nach der Ein-China-Politik sind Festland-China und Taiwan ein Land. „Taiwan heißt offiziell Republik China – im Unterschied zur kommunistischen Volksrepublik China. Das Land wird von den meisten Staaten nicht als souveräner Staat anerkannt – auch von Deutschland nicht. Es ist auch kein Mitglied der Vereinten Nationen. Dort ist die Volksrepublik China Mitglied …“[1]siehe DIE ZEIT v. 12.04.2023 Zunächst war allein Taiwan Mitglied der UNO und vertrat auch die Volksrepublik China in der UNO. Damals war also Taiwan Vertreterin dieser Ein-China-Politik. 1971 übernahm die Volksrepublik China diese Rolle. Bisher wird diese Ein-China-Politik von (fast) allen Staaten respektiert. China hat unmissverständlich erklärt, dass es ein Abweichen von dieser Ein-China Politik durch andere Staaten als ein Überschreiten einer roten Linie betrachtet und nicht hinnehmen werde.

Doch scheinen die USA mit Taiwan gegenüber China zu wiederholen, was sie schon mit der Ukraine gegenüber Russland gemacht haben. Taiwan wird massiv aufgerüstet. Vor China wird eine amerikanische Bastion aufgebaut und zugleich erklären die USA: “Wir wollen die alleinige Weltmacht bleiben und wir wollen nicht, dass China heranrückt an eine vergleichbare Weltmachtposition.”

Wie soll China unter diesen Umständen die Ein-China-Politik verteidigen? Xi Jinping muss sich fragen: “Soll ich warten, bis die Ein-China Politik nicht mehr verteidigt werden kann, weil Taiwan bis an die Zähne bewaffnet ist und sich dann selbstständig machen will?” Die Aufrüstung Taiwans durch die USA -Politik ist nichts anderes als die Vorbereitung eines Dritten Weltkrieges. Und ganz sicher werden die USA die Verantwortung dafür China zuschieben wie sie es auch gegenüber Russland gemacht haben.

Aufschlussreich ist die Position, die Macron in dieser Frage bei seinem Besuch mit von der Leyen in China eingenommen hat: „Die Frage, die wir als Europäer beantworten müssen, ist die Folgende: Liegt es in unserem Interesse, (eine Krise) bei Taiwan zu beschleunigen?“ Macron verneinte und warnte die Europäische Union vor dem Einfluss einer „US-Agenda“ und einer „chinesischen Überreaktion“. Damit fordert Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eine eigenständige Position der EU im Konflikt zwischen China und den USA zu Taiwan.[2]siehe DIE ZEIT v. 12.04.2023

Ebenso aufschlussreich sind die Reaktionen deutscher Politiker auf diesen Vorstoß von Macron: „Mit scharfer Kritik haben SPD, FDP und CDU auf Macrons Äußerungen reagiert. Das sei eine „völlige Fehlbeschreibung der Situation“, sagte Außenpolitiker Norbert Röttgen (CDU) im Deutschlandfunk: „Es geht darum, ob in Taiwan Demokratie, Freiheit und Selbstbestimmung weiter gelten, oder ob wir China mitteilen: Wenn ihr dieses freie, demokratische Land angreift, dann interessiert uns das nicht.“[3]siehe DIE ZEIT v. 12.04.2023 Von Krieg sprechen diese Politiker und Politikerinnen nicht, sie sprechen nur davon, dass uns – anders als Macron es sieht – zu interessieren hat, wenn China Taiwan angreift. Die Konsequenz: Der Dritte Weltkrieg im Namen von „Demokratie, Freiheit und Selbstbestimmung Taiwans“.

Siehe auch Chinas Stellungnahme zur Chinastrategie Deutschlands.

References

Waffenlieferungen an die Ukraine seit Kriegsbeginn!

Die Plattform: statista veröffentlicht Insights (Einblicke) und Fakten aus 170 Branchen und 150+ Ländern.

Unter anderen ist der Ukraine-Krieg ein Schwerpunkt ihrer Arbeit.

Es ist unmöglich, sich all die Informationen, die uns täglich über diesen Krieg informieren, zu merken und die unzähligen Milliarden, die für die Waffen ausgegeben, zu verdeutlichen.


So untersucht Statista folgende Schwerpunkte:

-Kampfhandlungen & militärischer Vergleich

-Zivile Opfer & Fluchtbewegungen

-Waffenlieferungen & Hilfsleistungen

-Politische Reaktionen & Sanktionen

-Folgen für Wirtschaft, Preise & Lebensmittelversorgung

-Umfragen & Reaktionen in Deutschland

-Kennzahlen zu Russland und der Ukraine

-Exkurs: Die Verteidigungsbündnisse NATO und SOZ (Russland, China und Indien) im Vergleich

Quelle:


Die offizielle Liste der Waffenlieferung, die die Bundesregierung regelmäßig aktualisiert und veröffentlicht, ist hier nachzulesen.


Der Wahnsinn der Rüstungsausgaben für die Ukraine lässt sich schwer mit einfachen Worten fassen, die Summe der Gelder ist für viele Menschen eine unvorstellbare Zahl. Der größte Unterstützer militärischer Waffenausrüstung ist die USA mit über 70 Milliarden, gefolgt von der EU mit 35 Milliarden und danach Großbritannien und Deutschland mit je 10,7 Milliarden Euro.

Interessant sind folgende Link:

Ukraine-Krieg: Zugesagte Unterstützung der Ukraine durch schwere Waffen¹ nach Ländern

Ukraine-Krieg: Militärische Unterstützung der USA durch Presidential Drawdowns (PDA) von 2021 bis 2023

Ukraine Support Tracker: Eine Datenbank für militärische, finanzielle und humanitäre Unterstützung der Ukraine

Nun planen die USA, die Ukraine mit den  international geächteten und in mehr als 120 Ländern verbotenen Streubomben zu unterstützen. Hierzu gibt es eine „Übereinkommen über Streumunition“ Die USA, Russland und Ukraine haben dieses Abkommen nicht unterschrieben. Frank-Walter Steinmeier unterzeichnete 2008 für Deutschland dieses Abkommen. Und somit sind wir verpflichtet, uns dafür einzusetzen, dass diese Streubomben keine Anwendung finden. Doch genau dieser Frank-Walter Steinmeier ist dafür und unterstützt die USA in ihrer Lieferung der Streubomben.

„Bundespräsident verteidigt Lieferung von Streumunition durch USA
Frank-Walter Steinmeier spricht sich gegen eine deutsche Blockade der Lieferung von Streumunition aus. Die Ächtung sei richtig, aber die Ukraine müsse sich verteidigen.“

Quelle:

Wie menschenverachtend kann man eigentlich noch sein? Steinmeier unterstützt die USA, Streubomben an die Ukraine zu liefern, obwohl er als Außenminister dieses Abkommen unterschrieb und als „Meilenstein der konventionellen Rüstungskontrolle sowie als wichtigstes Abkommen der jüngeren Zeit in der Entwicklung des humanitären Völkerrechts“ feierte. Wenn die Ächtung der Streubomben richtig ist, wie Steinmeier zugesteht, dann ist die Konsequenz, dass eine Verteidigung mit diesen Bomben nicht gerechfertig werden darf. Doch Steinmeier zieht diese Konsequenz nicht.

Wie glaubwürdig ist dieser Mensch und wie glaubwürdige ist Deutschland in dieser Frage noch?

Wie weit geht Deutschland noch, um den Weg zum 3. Weltkrieg zu ebnen? Wieso unterwerfen wir uns den USA?

Friedenspolitische Gewerkschaftskonferenz am 23./24.06.2023 in Hanau

Friedenskonferenz Hanau 2023
Robert Weißenbrunner auf der Friedenspolitische Gewerkschaftskonferenz am 23./24.06.2023 in Hanau

Hier kann die empfehlenswerte Rede des 1. Bevollmächtigten der IG Metall Hanau-Fulda, Robert Weißenbrunner, auf der friedenspolitschen Konferenz in Hanau am 23./24. 06. nachgelesen werden.

Im Einladungstext der Veranstalter IG Metall Hanau-Fulda und der Rosa-Luxemburg-Stiftung heißt es: 

Aus der Geschichte wissen wir, Kriege drängen Gewerkschaften in Widerspruchskonstellationen. Die deutschen Gewerkschaften stehen wieder einmal vor der Herausforderung, im Spannungsverhältnis von betrieblicher und institutioneller Interessenvertretung einerseits und sozialer Bewegung andererseits, ihre unverzichtbare Rolle als Friedensorganisation auszufüllen. Im Rahmen einer gemeinsamen Konferenz der IG Metall Hanau-Fulda und der Rosa-Luxemburg-Stiftung wollen wir über aktuelle friedenspolitische Herausforderungen sprechen. Wir wollen dabei auch einen Beitrag zur innergewerkschaftlichen Diskussion leisten und mit ihm Einfluss auf die sich verändernden friedenspolitischen Positionen der Gewerkschaften nehmen.

Mit freundlicher Genehmigung veröffentlichen wir die Begrüßungsrede von Robert Weißenbrunner, 1. Bevollmächtigter IG Metall Hanau-Fulda:


Wortlaut der Rede von Robert Weißenbrunner

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Liebe Genossinnen und Genossen,
Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

seid mir erstmal als herzlich Willkommen hier in Hanau. In einer vielfältigen und bunten Stadt mit alter Arbeitertradition. 
Seid mir herzlich Willkommen in einer IG Metall-Geschäftsstelle mit rund 8.500 Gewerkschaftsmitgliedern, die sich auf zwei Zentren verteilen, nämlich das rote Hanau und das schwarze Fulda.
Willkommen in der Geschäftsstelle des Geburtsorts der Gebrüder Grimm. Das verbindende Element in der Region die A66 oder wie wir sie intern liebevoll unsere „Route 66“ nennen, und ihr werdet entlang dieser Strecke kaum ein Dorf finden, in dem es nicht irgendeine Verbindung zu den Märchen der Gebrüder Grimm gibt. 
Die Metallerinnen und Metaller unter euch kennen diese Region sicher auch durch das IG Metall-Bildungszentrum in Bad Orb, dass nicht nur unser best organisiertester Betrieb ist, sondern sich exakt in der Mitte der beiden genannten Zentren befindet.
Ich darf und muss euch aber leider auch begrüßen in einer Stadt, in der am 19. Februar 2020 neun Menschenleben mit all ihrer Liebe, ihrem Lachen und ihren Hoffnungen von einem Rechtsextremisten ausgelöscht worden sind. 
Über ihre Familien und Freunde ist dabei unermessliches Leid hereingebrochen. Bis heute liegt diese menschenverachtende Tat wie ein Schatten über der Stadt und wir fühlen weiter mit den Angehörigen und unterstützen sie mit unseren Möglichkeiten. 

Dieser Angriff war ein Angriff auf uns alle. Und die Opfer waren keine Fremden. Wir sind als Gewerkschaften Teil eines lokalen Bündnisses und wir haben uns auf Mahnwachen, Kundgebungen und Beerdigungen ein Versprechen gegeben: 

"Dass die Namen der Opfer nicht vergessen werden und dass es nicht bei folgenloser Betroffenheit bleibt. Wir werden nicht zulassen, dass der 19. Februar 2020 unter den Teppich gekehrt wird – so wie die unzähligen rechten Morde zuvor." 

Das sind und bleiben wir den Opfern schuldig.

Wir arbeiten dabei eng zusammen mit den Überlebenden und Hinterbliebenen der Mordopfer zusammen und unterstützen sie auch in ihren politischen Forderungen nach Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufklärung, Konsequenzen. 
Eine sehr intensive Zusammenarbeit pflegen wir mit der sehr aktiven antirassistischen Bildungsinitiative Ferhat Unvar, die nach einem der Opfer benannt ist. 
Die Bildungsini hat ihren Sitz hier im Gewerkschaftshaus und stellt uns auch für die Konferenz Räume und Infrastruktur zur Verfügung. Danke schon mal dafür.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Wir reklamieren für uns seit vielen Jahrzehnten eine Geschäftsstelle zu sein, die sich als aktiver Teil der Friedensbewegung versteht, sich hier vor Ort dazu engagiert und in friedenspolitischen Fragen auch auf die Meinungsbildung in der IG Metall Einfluss nimmt. 
Die Zusammenarbeit der Arbeiter- und der Friedensbewegung hat in dieser Stadt und der Region eine jahrzehntelange Tradition
Und deshalb war es naheliegend, dass in diesen wilden Zeiten ein gemeinsames Vorgehen von Gewerkschaft und Friedensinitiative in gewerkschaftlichen, sozialen und friedenspolitischen Fragen verabredet wurde. 

Als erste gemeinsame Aktion stand im Rahmen der Metalltarifrunde ein geplanter Warnstreik an, der aber politisch über die reine Tarifforderung hinausgehen sollte. 
Ein breites lokales Bündnis, bestehend aus verschiedenen lokalen Organisationen, der Gewerkschaften, der Friedensbewegung, Migrantenvereinen, Jugendverbänden und sozialen Bewegungen hatte dann für den 17.11. zu einer öffentlichen Kundgebung und die IG Metall hat die Beschäftigten zeitgleich zum Warnstreik aufgerufen. 
Unser gemeinsamer Slogan lautete: „Statt Durchhalteparolen und Energiespartipps braucht es Frieden und mehr soziale Gerechtigkeit.“
Neben 8% Entgelterhöhung hatten wir uns auf weitere gesellschaftliche Forderungen im Bündnis verständigt. 
Uns ging es konkret um 
•	mehr diplomatische Bemühungen zur Beendigung des Krieges, 
•	einem Stopp der Aufrüstung der Bundeswehr, 
•	Umwidmung des 100-Mrd.-Aufrüstungspakets in ein Investitionsprogramm für Jugend, Soziales, Umwelt, Gesundheit und        Bildung, 
•	eine Energiepreispauschale und 
•	wirksame staatliche Regelungen zur Einführung einer Übergewinnsteuer, 
•	eine allgemein höhere Besteuerung von Kapitaleinkünften, Erbschaften und Vermögen, 
•	klimafreundliche Energieversorgung, aber auch eine Ausweitung der Tarifbindung. 
Über 1.000 Kolleginnen und Kollegen folgten diesem Aufruf.

Es sollte aber nicht bei einer einzelnen Aktion bleiben: Wir haben gemeinsam weitere Veranstaltungen organisiert, um auch einen Raum für Diskussion zu schaffen. 
Wir haben in Betriebsversammlungen unsere politischen Positionen zur Diskussion gestellt und die Ostermärsche genutzt und dabei auch den einen oder anderen Widerstand aus unseren Strukturen aushalten und auch Konflikte austragen müssen. 
Ein weiterer Höhepunkt war dann die Tarifrunde und ein großer Warnstreik im Öffentlichen Dienst, der nach demselben Prinzip wie im Herbst organisiert wurde. Über 2.000 Kolleginnen und Kollegen folgten dem Aufruf ebenfalls auf dem Hanauer Freiheitsplatz.
Eines unserer zentralen Ziele war es, dass wir die Friedens- und die soziale Frage sowohl in den Betrieben als auch gesellschaftlich nicht den rechten Hetzern überlassen wollten. 

Und eigentlich ist es verrückt, dass man das inzwischen betonen muss, aber es war klar, dass wir einer Vereinnahmung unserer Positionen durch rechtspopulistische Organisationen und Parteien eine klare Absage erteilt haben.
Aber wir haben uns auch nicht durch eine vermeintliche Solidarisierung mit unseren Positionen in unseren Aktivitäten beschränken lassen, sondern wir haben uns entschieden öffentlich und praktisch abgegrenzt. 
Wir wurden in unseren Aktivitäten auch durch Solidaritätserklärungen darin bestärkt, weiterzumachen. 
Und irgendwann kamen Ulrike Eifler und ich ins Gespräch darüber, ob und wie man die innergewerkschaftliche Debatte nicht nur in der Region sondern auch darüber hinaus stärken könnte. Die Idee dieser Konferenz war geboren.
Und mal ganz ehrlich: Wir waren uns bewusst, dass es eine erhöhte Nachfrage geben könnte. 
Wir haben auch lange nach geeigneten Räumlichkeiten und einem Termin gesucht, was in dieser Zeit und der Gegend nicht einfach war. 
Am Ende war auch die Idee mit dem Zelt geboren und wir sind weiter auf Sicht gefahren nach dem Motto: 
Was nicht passt, wird passend gemacht. Erst letzte Woche haben wir kurzfristig den Zeltanbau zusätzlich bestellt. 
Lange Rede, kurzer Sinn: Wir freuen uns riesig, dass ihr hier seid und der Einladung so zahlreich gefolgt seid. Es ist wirklich schön, dass ihr hier seid.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die IG Metall ist seit jeher Teil der Friedensbewegung und gewerkschaftliches Engagement ist immer auch ein Einsatz für den Frieden, für Freiheit, Solidarität, Respekt und Toleranz. 

Unabhängig von der Situation in der Ukraine, müssen wir feststellen, dass Kriege und bewaffnete Konflikte weltweit kein Ende nehmen, ja sogar zunehmen. Wir erleben, dass über 65 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht sind. 

Seit über einem Jahr tobt nun dieser völkerrechtswidrige Angriffskrieg in der Ukraine und er ist eine Katastrophe, insbesondere für die Menschen in der Ukraine und eine schreckliche Bedrohung für uns alle. 
Er hat auch massive Auswirkungen für die abhängig Beschäftigten und wirtschaftlich Schwächeren in Deutschland und weltweit. 
Lebensmittel und zahlreiche Konsumgüter, Mieten, und vor allem die Energie werden teurer.
Der Krieg droht, sich immer weiter zuzuspitzen sich auch räumlich über die Grenzen der Ukraine hinaus zu bewegen. 
Und er hat eine Vorgeschichte, wie sie jeder Krieg hat, auf die wir heute in der Konferenz auch eingehen werden.
Aus der Geschichte wissen wir, dass Kriege uns Gewerkschaften in Widerspruchskonstellationen drängen. 
Wir stehen wieder einmal vor der Herausforderung, im Spannungsverhältnis von betrieblicher und institutioneller Interessenvertretung und sozialer Bewegung, unsere unverzichtbare Rolle als Friedensorganisation auszufüllen.
Wir sind der Überzeugung, dass eine erfolgreiche und wirksame Friedensbewegung die Gewerkschaften braucht und sie getragen werden muss von der Arbeiterbewegung. 
Damit das trotz aller Widrigkeiten wieder etwas besser klappt, wollen wir heute und morgen einen Beitrag zur innergewerkschaftlichen Diskussion leisten und damit Einfluss auf die sich verändernden friedenspolitischen Positionen der Gewerkschaften nehmen.

Die ausgerufene Zeitenwende macht auch nicht vor den Gewerkschaften und auch nicht vor der IG Metall Halt.
Betrachten wir uns nur die Beschlusslagen und Positionen der IG Metall im Rahmen ihres Gewerkschaftstages 2019 und damit vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine:
Allein die Überschriften reichen:
•	Gegen eine Steigerung des Verteidigungshaushaltes und für Rüstungskonversion
•	Wir brauchen Abrüstung, statt Aufrüstung.
•	Gegen Waffenexporte in Krisenregionen
•	Gewerkschafspolitik ist Friedenspolitik
•	Den Frieden verteidigen – Waffenexporte weiter einschränken
•	Keine Erhöhung der Rüstungsausgaben auf 2 % des BIP
•	Keine Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden
•	Gegen weitere Aufrüstung und Militarisierung
Soweit so klar! Und wir haben die letzten Jahren auch darum ringen müssen.
Wie sieht es heute aus? In einem Auszug aus einem zweiseitigen Beschluss des Vorstands der IG Metall aus März diesen Jahres liest sich das inzwischen aber so:
„Wir müssen feststellen, dass die Beschlüsse auf dem Gewerkschaftstag sowie unsere gemeinsame Positionierung auf dem DGB-Bundeskongress durch den Ukraine-Krieg infrage gestellt und überprüft werden müssen.“
Am Beispiel der Rüstungsexporte dann: „So schließt unsere eigene Beschlusslage Rüstungsexporte in Krisenregionen und kriegführende Staaten aus. Wir brauchen deshalb eine Verständigung über eine inhaltliche Schärfung unserer Positionen in dieser Frage.“ 
Genau hier setzt unsere Konferenz an, da auch die bisherigen innergewerkschaftlichen Diskussionsräume hierfür überschaubar waren und auch weiterhin sind.

Unsere Hanauer Konferenz soll einen Beitrag dazu leisten, dass sich die Gewerkschaften wieder als starke gesellschaftliche Stimme des Friedens und der Diplomatie klarer und eindeutiger positionieren als dies seit Kriegsbeginn in der Ukraine der Fall ist. 
Dazu braucht es, neben den bereits vorhandenen wichtigen gewerkschaftlichen Friedensinitiativen breitere Diskussionen in den Gewerkschaften, die wir mit unserer Konferenz gemeinsam einfordern und vorantreiben wollen. 
Und wir brauchen diese Diskussionen und Positionierungen auch in unseren Betrieben. Und wir brauchen es auch deshalb, um die Beschäftigten wieder stärker politisch aus gewerkschaftlicher Sicht zu orientieren. 
Wir tun das viel zu wenig und wir sehen vielfach zu, wie es andere tun und die Stimmenzuwächse der AfD gerade im Bereich der abhängig Beschäftigten müssen uns Warnung genug sein. 
Um den rechten Rattenfängern das Wasser abzugraben, müssen wir Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter die Verbindung zwischen Krieg und Krisen aufzeigen 
und dabei die Frage der Friedens- und Außenpolitik enger mit der Frage der Verteilungs-, der Sozial- und der Tarifpolitik denken und benennen 
und konsequenter als bisher die Interessen und Ängste der Beschäftigten in den Fokus stellen, sonst tun es andere. 
Wehret den Anfängen ist längst vorbei. Lasst uns stärker als je zuvor alle Kräfte bündeln, damit sich hier Geschichte zwar vielleicht nicht wiederholt, aber wir sollten frei nach Mark Twain darauf achten, dass sie sich auch nicht reimt, Kolleginnen und Kollegen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
um die Einheit zu schaffen, braucht es Klarheit und auch dazu soll die Konferenz dienen. Sie soll auch Ort für den konstruktiven politischen Streit um Positionen sein.
Wir werden dabei auch nicht um die Frage der Waffenlieferungen an die Ukraine oder in andere Krisengebiete herumkommen. 
Und lasst mich dazu nur wenige Sätze sagen: Wir können uns weiter bis aufs Messer streiten, es gut oder schlecht finden. 
Eines müssen wir doch klarsehen: Mit einem neuen globalen Rüstungswettlauf kann der Frieden im 21. Jahrhundert weder in der Ukraine noch anderswo nicht gesichert werden. 
Ein neuer Rüstungswettlauf löst keine Probleme, aber er schafft viele neue. Bei aller sicher vorhandener Widersprüchlichkeit in der aktuellen Situation gilt festzuhalten, dass immer mehr Waffen, definitiv nicht zu mehr Frieden führen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Lasst mich am Ende meiner Begrüßung einen Dank aussprechen, an diejenigen, ohne die diese Konferenz nicht stattfinden würde. Stellvertretend für die Vorbereitungs- und Steuerungsgruppe herzlichen Dank an Ulrike Eifler. 
Herzlichen Dank auch an dich lieber Heinz Bierbaum für die gute Kooperation auf Augenhöhe mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung im Rahmen der Vorbereitung.
Dank an unseren Ortsvorstand der IG Metall Hanau-Fulda, dass er das sowohl politisch wie praktisch mitträgt, 
hier stellvertretend Dank an den ehrenamtlichen 2. Bevollmächtigten Klaus Ditzel.
Und last but not least: Herzlichen Dank an mein Team in der Geschäftsstelle, die insbesondere in den letzten Tagen intensiv an der Vorbereitung technisch, organisatorisch und politisch mitgewirkt haben und immer den letzten Meter gegangen sind, damit diese Konferenz zum Erfolg wird. 
Stellvertretend für das gesamte Team möchte ich einen Kollegen hervorheben, bei dem de facto die gesamten technischen und ein großer Teil der organisatorischen Fäden zusammengelaufen sind. Herzlichen Dank Kevin Eckert.



Einladungsflyer