Vivantes: Streikrecht verteidigt!

Foto von der Kundgebung, Demo und Streik

Fotos: Ingo Müller, 24.08.20121

Der Krankenhauskonzern Viviantes, die Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH,  wollte den Warnstreik gerichtlich auf dem Wege einer einstweiligen Verfügung verbieten lassen, zu dem ver.di vom 23. bis 25. August 2021 die Beschäftigten der „Mutter“ Vivantes aufgerufen hatte, um einen Entlastungstarifvertrag durchzusetzen. In einem sogenannten Zwischenbeschluss vom 20. August war die 29. Kammer des Arbeitsgerichts dem Antrag von Vivantes gefolgt und hatte ver.di verboten, die Beschäftigten der Mutter und der Töchter zum Streik aufzurufen, “soweit nicht die Leistung eines Notdienstes nach den Vorstellungen der Arbeitgeberseite gewährleistet ist”; es “obliege dem Arbeitgeber, die Einzelheiten des Notdienstes festzulegen; es könne nicht der streikenden Gewerkschaft überlassen bleiben, den Personalbedarf ihrerseits einseitig festzulegen” (siehe Pressemitteilung Nr. 25/21 vom 20.8.21). Eine solche Auffassung würde dazu führen, dass der Arbeitgeber über das Streikrecht bestimmen kann und ist unvereinbar mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts[1]BAG 31.11.95, AuR 95, 374.

Nachdem ver.di gegen diese Entscheidung Rechtsmittel eingelegt hatte, teilte das Arbeitsgericht in einer Pressemitteilung vom 24. August mit, dass die 36. Kammer das das Ende des Streikverbots für die Mutter beschlossen habe. Das Gericht wies den Antrag der Mutter, den Streik zu verbieten, zurück. Das Arbeitsgericht konnte keinen Verstoß gegen die Friedenspflicht erkennen: Die Forderungen nach einem Entlastungstarifvertrag seien bisher nicht in einem Tarifvertrag geregelt, so dass keine Friedenspflicht bestehe. Auch der Notdienst sei mit den Zusagen von ver.di hinreichend geregelt. Die Pressemitteilung hebt im letzten Satz richtig hervor: Eine Vereinbarung von Notdienstregelungen ist nicht erforderlich. Das heißt: Es können, es müssen aber nicht Notdienstregelungen vereinbart werden. Das gilt zum Beispiel dann, wenn sich das Unternehmen einer Notdienstregelung verweigert und die Gewerkschaft einen ausreichenden Notdienst gewährleistet.

Mit dieser Entscheidung muss sich der Regierende Bürgermeister Manfred Müller vom Gericht über das Grundrecht auf Streik belehren lassen. Müller ging am selben Tag auf der Landespressekonferenz nicht auf die Frage ein, ob die Forderung der Geschäftsführung der Viviantes GmbH nach Einhaltung einer angeblichen Friedenspflicht der Gewerkschaft überhaupt Substanz hat oder nicht einfach nur vorgeschoben ist, um die Beschäftigten an der Wahrnehmung ihres Streikrechts zu hindern.  Auch war das Angebot des  Regierende Bürgermeister vollkommen verfehlt, sich als “Moderator” für den Fall anzubieten, dass sich Vivantes und ver.di nicht über einen Notfallplan einigen könnten. Notwendig wäre nicht dieses Moderationsangebots gewesen, sondern eine unmissverständliche Weisung gegenüber der Geschäftsführung mit dem Ziel, die Beschäftigten nicht in der Wahrnehmung ihres Streikrechts zu behindern. Dazu ist das Land Berlin als alleinige Gesellschafterin der Vivantes GmbH berechtigt (§ 37 GmbHG).

Dass das Land Berlin die Geschäftsführung von Viviantes in dieser Weise agieren ließ, zeugt von mangelndem Respekt vor einem der wichtigsten  Menschenrechte, dem Streikrecht.

Auch für die Beschäftigten der Töchter wurde am 25. August das Streikverbot durch die 29. Kammer aufgehoben. Der Rechtsstreit hatte sich dadurch erledigt, dass sich ver.di und Vivantes auf Regelungen über den Notdienst einigten. Nur in einem Fall entschied die 29. Kammer des Arbeitsgericht durch Urteil über die Regelungen zum Notdienst (siehe Pressemitteilung vom 26. August Nr. 29/21).

References

References
1 BAG 31.11.95, AuR 95, 374

Gewinntabelle

Gewinne und Verluste der S-Bahn GmbH von 2000 bis 2019

Haben wir alle schon das Desaster im Jahr 2009 vergessen? Um die Deutsche Bahn AG börsenfähig zu machen, wurde die S-Bahn GmbH gezwungen, die Gewinne von 2006 bis 2008 die Gewinnabführungen an die Deutsche Bahn AG massiv zu erhöhen – durch Kosteneinsparungen beim Personal. Die katastrophalen Folgen waren ab 2009 zu besichtigen. Die Privatisierungsvorbereitungen wurden abgebrochen. Warum die S-Bahn privatisieren, wenn schon 2009 die Vorbereitung der Privatisierung der Deutschen Bahn AG die schlimmsten Folgen hatte?https://www.youtube.com/embed/hKhBYYhdInU?feature=oembed

Wir wissen was uns erwartet

Schon bisherige Privatisierungsschritte waren folgenschwer. | Benedikt Hopmann

Es ist jetzt gut zehn Jahre her: Wir standen auf den Bahnsteigen und warteten. Manchmal kam eine S‐Bahn nach einer halben, manch­mal nach einer Stunde. Und manchmal kam sie gar nicht. Es war Winter, die Bahn­steige waren überfüllt, und wir klapperten mit den Zähnen. Das ging wochenlang so.
»Da sieht man es doch. Die öffentliche Hand kann es nicht«, schimpften diejenigen, die es schon immer besser wussten und das Wasser, die Gesundheitsversorgung und die S‐Bahn lieber heute als morgen privatisieren möchten.

Die S-Bahn Berlin GmbH gehört zu 100 Prozent der Deutschen Bahn AG (DB AG), und die Deutsche Bahn AG gehört zu 100 Prozent dem Staat. War das Desaster Ende der 2000er Jahre der Beweis dafür, dass die S-Bahn ausgeschrieben werden muss, damit sie besser wird?

Als GmbH muss die S-Bahn ihr Ergebnis, also Gewinn oder Verlust, jähr­lich veröffentlichen. Am 17. Juni 2020 legte das Verkehrsministerium den Bundestags-abgeordneten auf einer Sitzung des Verkehrsausschusses die Ergebnisse der Gewinn- und Ver­lust­rechnungen der S-Bahn Berlin GmbH aus den Jahren 2000 bis 2019 vor: Zwischen 2001 und 2005 schwankte das Ergebnis zwischen einem Verlust von vier Millionen Euro und einem Gewinn von 17 Millionen Euro. Der durchschnittliche Gewinn betrug neun Millionen Euro. Dann vervielfachte sich der Gewinn innerhalb weniger Jahre. Grund war der geplante Gang an die Börse. Ab 2006 bereitete Bahnchef Hart­mut Mehdorn den Verkauf der Bahn­aktien an der Börse vor. Die Bahn war schon vorher, im Zuge der Bahn­re­form 1994, in eine Aktien­gesell­schaft (AG) umgewandelt worden – eine formelle Privatisierung als erste Stufe einer Privatisie­rungs­kas­ka­de hat­te stattgefunden. Aber die Aktien waren noch zu 100 Prozent in staatlicher Hand. Damit sollte nun Schluss sein. Ziel war es, die Bahnaktien zu einem hohen Preis zu verkaufen. Das konnte nur erreicht werden, wenn die DB AG hohe Gewinne auswies.

Die S‐Bahn lieferte. Ihre Ge­win­ne, die sie an die DB AG abführt, ver­vielfachten sich von neun Millionen Euro im Jahr 2005 auf 54 Millionen Euro im Jahr 2008.

Wie erhöht man den Gewinn? Indem man die Kosten senkt. Wie lassen sich schnell und einfach Kosten sparen? Durch Kürzungen beim Personal: Hatte die S-Bahn Berlin GmbH im Jahr 2006 noch 3.766 Beschäftigte, waren es Ende 2008 fast 900 weniger. Auf der Suche nach weite­ren Einsparmöglichkeiten schloss das Unternehmen 2006 die wichtige Betriebswerkstatt Friedrichsfelde. Trotz aller Bemühungen konnten die Beschäftigten die Züge nicht mehr im notwendigen Umfang warten. Zudem verschrottete die Bahn angeblich überflüssige Züge, so dass es an Reserven fehlte.

Im Januar 2009 frieren die Fahrsperren ein. Am 1. Mai entgleist ein Zug durch Radbruch. S-Bahn-Chef Tobias Heinemann sieht keine Probleme. Wenige Tage später fordert die Aufsichtsbehörde, das Eisen­bahn-Bundesamt (EBA), zusätzliche Sicher­heitsprüfungen. Ende Juni stellt das EBA fest, dass die Prüfungen völlig unzureichend durchgeführt wurden. Alle nicht geprüften Fahrzeuge werden aus dem Verkehr gezogen. Nur noch 165 von 632 Viertelzügen sind einsatzbereit. Im Herbst werden defekte Brems­zylin­der festgestellt, dann Störungen an Türen und Antrieben. Mehrere Linien werden eingestellt, später wird nur mit ausgedünntem Fahrplan und verkürzten Zügen gefahren.

Doch dann muss der Börsengang als nächster Privatisierungsschritt abgesagt werden. Denn 2009 ist nicht nur ein Krisenjahr der Berliner S-Bahn, sondern zugleich der Höhe­punkt einer allgemeinen Wirtschafts- und Finanzkrise, in der sich Aktien nicht mehr gewinnbringend verkaufen lassen. Es beginnen die Aufräumarbeiten. Dazu gehört auch, dass die S-Bahn Berlin GmbH dem Land Berlin viel Geld als Schadensersatz zu zahlen hat. An eine Abführung von Gewinnen an die DB AG ist nicht mehr zu denken. Die desaströsen Folgen der geplanten Privatisierung führen in den Jahren 2009 bis 2012
zu hohen Verlusten der S-Bahn Berlin GmbH: 93 Millionen Euro Verlust im Jahr 2009, 222 Millionen Euro im Jahr 2010.

Seit 2013 führt die S-Bahn wieder Gewinne ab: 2013 einen Ge­winn von 43 Millionen Euro und zwischen 2015 und 2017 sogar jährlich rund 70 Millionen Euro. Heißt das, dass uns wieder ein Absturz im nächsten kalten Winter bevorsteht? Nein, die S-Bahn hat aus dem Desaster gelernt. Sie ist gut ausgelastet, hat wieder Personal eingestellt und die Werk­statt Friedrichsfelde reaktiviert. Es ist also das Gegenteil von dem richtig, was die Privatisierungsverfechter verbreiten. Schon die bisher vollzogenen beziehungsweise geplanten Privatisierungsschritte waren folgenschwer. Die öffentliche Hand kann es besser. Alle haben im Jahr 2009 zu spüren bekommen, was droht, wenn der öffentliche Nahverkehr privatisiert wird.
Wer beklagt, dass das Land Berlin jährlich viele Millionen Euro verliert, weil die S-Bahn Berlin GmbH sie an die DB AG abführen muss, und dass die S-Bahn die Preise diktiert, sollte nicht dem Kapital weiter die Türen öffnen. Schon die Rechtsformprivatisierung hat die Betriebskultur negativ verändert. Jeder weitere Privati­sierungsschritt verschlechtert die Lage, wie der geplante Börsengang in den 2000er Jahren belegt. Dem Land Berlin ist nicht damit gedient, dass Millionen Euro Gewinn nicht mehr an die DB AG, sondern an die privaten Mitbewerber abgeführt werden. Besser ist es, wenn Berlin das Betreiben der S‐Bahn in die eigene Hand nimmt und zügig mit den Vorbereitungen für eine kommunale S‐Bahn beginnt. Was jetzt als Gewinn abgeführt wird, bleibt dann im Land und kann dem Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs dienen.

Cuba: Befreiung und Blockade

Autor: Benedikt Hopmann, 10.08.2021

Auf dieser Seite berichten wir über Cuba.

Inhalt:


Am 2. November 2023 wird die UN-Generalversammlung, wie schon seit Jahrzehnten, wieder über die Resolution Kubas über die Beendigung der Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade durch die USA abstimmen.

2022 stimmten 185 Staaten gegen die Blockade, Brasilien und Ukraine enthielten sich der Stimme und lediglich die USA und Israel stimmten dagegen.

Die Aktivitäten gegen die Blockadepolitik werden immer lauter und fordern. So hat der Der “Gipfel der Völker” parallel zum Celac-EU-Gipfel in Brüssel auf ihrer Tagung am 19.07.2023 beschlossen eine Internationales Tribunal gegen die US-Blockade einzuberufen.

Dieses Tribunal wird am 16,/17. November 2023 in Brüssel stattfinden.

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Drei Jahrzehnte – welch lange Zeit. Der Arbeitskreis Internationalismus der IG Metall Berlin feiert in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen und wir feierten dieses Ereignis am 08. November 2023 im Haus der IG Metall Berlin.

In der Veranstaltung wurden Grußbotschaften ausgesprochen, so der kubanische stellv. Botschafter Prof. Miguel E. Torres Tesoro.

Über die 30 Jahr Feier berichtete die cubanische Botschaft auf ihrer homepage.

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USA setzen schändlichen Wirtschaftskrieg gegen Kuba fort

Ein Gericht im US-Bundesstaat Florida hat vier Kreuzfahrtlinien, die das sozialistische Kuba angesteuert hatten, zu einer Geldstrafe in Höhe von mehr als 400 Millionen US-Dollar verurteilt. Die Strafzahlung soll als Entschädigung für angebliche Schäden für nordamerikanische Firmen dienen, die vor dem Sieg der Revolution 1959 die Rechte zur Bewirtschaftung einiger Docks im Hafen von Havanna innehatten und 1960 enteignet wurden” – berichtete Marcel Kunzmann am 4. Januar 2023 in amerika21

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2020: 60 Jahre Wirtschaftskrieg gegen Cuba

Rede von Benedikt Hopmann in Berlin vor dem Brandenburger Tor aus Anlass des 60 Jahrestages der Wirtschftsblockade gegen Cuba durch die USA. Zwei Jahre später, im November 2022, stimmten in der UNO-Vollversammlung 185 Staaten für die Aufhebung dieser US-Blockkaden gegen Cuba, 2 Staaten stimmten dagegen: Die USA und Israel. 4 Staaten nahmen an der Abstimmung nicht teil.

Meine Frau war in Cuba.

Die Töchter waren in Cuba.

Ich war nie in Cuba.

Aber man muss nicht in Cuba gewesen sein, um dieses Land zu bewundern.

Dieses Land hat mich mein Leben lang begleitet.

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Aktuelle Informationen zur Blockade Cubas

Ingo Müller, 06.11.2022

Foto: Petra Willemelis, 05.11.2022, Brandenburger Tor

Zum dreißigsten Mal befasste sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen, am 2. und 3. November in New York, mit der Kuba-Resolution: „Notwendigkeit der Beendigung der von den Vereinigten Staaten von Amerika gegen Kuba verhängten Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade“.

Weiterlesen hier:

Kuba-Resolution (engl.)

Deutscher Text:

Blockade gegen Kuba: Die Mitgliedstaaten der UNO isolieren die USA

UN Abstimmungsanzeigetafel Kuba-USA-Blockade 2022-11-03.jpg

Foto: Kpf-informationen

1962: Festnahme Nelson Mandelas mit Hilfe der CIA, Unterstützung des Befreungskrieges Angolas durch Cuba

5. August 2022. Die selbsternannte „westliche Wertegemeinschaft“ versucht immer gerne vergessen zu machen, auf welcher Seite der Geschichte sie über Jahrzehnte im Kampf gegen Kolonialismus und Apartheid stand und auf welcher Seite die Länder des sozialistischen Blocks. Exemplarisch dafür steht die Festnahme von Nelson Mandela am 5. August 1962, die nur „dank“ des US-Geheimdienstes CIA gelang. Mandelas Freilassung nach Jahrzehnten in Kerkerhaft ist wiederum zu großen Teilen dem Engagement Kubas im südlichen Afrika zu verdanken.

Den sehr aufschlussreichen Artikel von Florian Warweg hier weiterlesen

Hanni Meyer

Auf einer Bronzetafel in der Ritterstraße  in Kreuzberg ist der Kopf einer jungen Frau zu sehen.

Foto: Gedenktafel in Berlin, (https://www.gedenktafeln-in-berlin.de/)

Darunter steht:

„In der Lampenschirmfabrik Paulus, Ritterstr. 16, musste Hanni  Meyer (1921-1943) als Jüdin Zwangsarbeit leisten.

Sie verbreitete mit der jüdisch-kommunistischen Widerstandsgruppe Baum antifaschistische Flugschriften.

Am 4. März 1943 wurde Hanni Meyer im Alter von 22 Jahren in Berlin-Plötzensee hingerichtet.“

Erinnert an die Opfer von Krieg und Faschismus!

Ehrt diejenigen, die gegen Krieg und Faschismus gekämpft haben!

Klimastreiks, Bildergalerien

Klima-Demo – 22.10.2021


Klimastreik – 24.09.2021

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Klimastreik – 20.09.2019

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Klimastreik – 29.03.2019

Fridays for Future: 29.03.2019 25 000 Teilnehmer fordern endlich von der Regierung und den sogenannten „Profis“ Änderungen in der Klimapolitik. Höhepunkt war die Rede von Greta auf großen Kundgebung am Brandenburger Tor.

Foto: Ingo Müller

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II. Thesen zur Bedeutung dieser Revolution für eine antifaschistische Politik

These: 1

Eine der zentralen Losungen der VVN-BdA ist: Nie wieder Krieg.  Schon aus diesem Grund muss die Revolution von 1918 für uns eine große Bedeutung haben. Denn diese Revolution von 1918 baute auf den Massenstreiks während des ersten Weltkrieges auf und war zuallererst eine Antikriegsbewegung. Massenstreiks gegen den Krieg in diesem Ausmaß hat es danach nie mehr gegeben.

These: 2

1918 bis 1933 umfassten keine lange Zeit: 15 Jahre. Die meisten, die das Ende der ersten deutschen Republik mit der Ernennung von Hitler zum Reichskanzler erlebten, hatten schon die Geburtsstunde dieser Republik in der Revolution am 9. November 1918 erlebt. 

Wichtiger als der engen zeitliche Zusammenhang ist der  innere Zusammenhang zwischen der Nichtvollendung der Revolution 1918/19 und dem Sieg des Hitlerfaschismus 1933. Einer der wichtigsten Gründe für das Erstarken des Hitlerfaschismus war, dass der Militarismus und die Schwerindustrie in der Revolution 1918/19 nicht entmachtet wurden und kein starkes demokratische Fundament geschaffen wurde. So konnte sich in wenigen Jahren der Faschismus formieren. 

These: 3 

Der Faschismus beseitigte alle Errungenschaften, die 1918 erkämpft worden waren, und machte den 9. November zu einem Tag des Gedenkens an diejenigen, die im Hitler – Ludendorff Putsch 1923 gegen die Republik getötet worden waren. Der Faschismus verkehrte den 9. November als einem Tag der Erinnerung an die Geburtsstunde der Republik in einen Tag der Erinnerung an diejenigen, die diese Republik schon am 9. November 1923 zerstören wollten.

These: 4

Auch nach 1945 gelang es nicht, die Verantwortlichen für Krieg und Faschismus von den Ämtern in der Justiz, in den Verwaltungen und im Militär fernzuhalten, jedenfalls gilt das uneingeschränkt für Westdeutschland. Gut 10 Jahre später gab es wieder eine deutsche Armee – mit faschistischen Generalen an der Spitze. 

In diese Zeit der Restauration gehört auch, dass die Erinnerung an die Revolution 1918 fast vollständig ausgelöscht und auch damit das Werk des Faschismus weitergeführt wurde.

Wenn wir den 9. November als Tag der Novemberrevolution vergessen, haben die Nazis ihr Ziel erreicht, die Novemberrevolution aus dem Gedächtnis des Volkes zu löschen.

These: 5

Auch die Reichspogromnacht 1938 fiel auf den 9. November.

In einer Erklärung zum 100. Jahrestag der Novemberrevolution, die von rund 170 Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern unterstützt wurde, heißt es dazu: “Wir glauben nicht, dass die jährliche Erinnerung an die Reichspogromnacht von 1938 am 9. November die Erinnerung an die Revolution von 1918/19 am selben Tag ausschließt. Im Gegenteil: Wer angemessen an die Judenpogrome erinnern will, muss an die Zerstörung der Republik 1933 erinnern, die schon mit der blutigen Niederschlagung der Revolution 1918/19 begann. Die Machtübergabe an Hitler 1933 war die Vollendung der Gegenrevolution, völker- und massenmörderische Menschheitsverbrechen waren die Folge und der Antisemitismus von Beginn an Teil des konterrevolutionären Programms. 1933 waren die Gegenkräfte auch des Antisemitismus niedergeworfen, 1938 die Gewerkschaften und Arbeiterparteien längst verboten, alle demokratischen Rechte längst beseitigt“.

Wer angemessen an die Judenpogrome erinnern will, muss an die Zerstörung der Republik 1933 erinnern. Wer an die Zerstörung der Republik erinnert, muss an ihre Begründung 1918 erinnern und an das Unvermögen, sie danach zu verteidigen. Nur so können Lehren aus der Geschichte gezogen werden.

These: 6

Der Schwur von Buchenwald lautet: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel“. Das waren auch die Ziele der Revolution von 1918: Gegen den Krieg, für die Republik und Demokratie. Die Antifaschisten nach 1945 und die Revolution von 1918/19 kämpften für dasselbe Ziel: Den Aufbau einer Welt des Friedens und der Freiheit.

Auf einem Denkstein auf dem alten Friedhof Buer in Gelsenkirchen steht: „Zerstampft des Unrechts Drachensaat / Zerstampft den Hass von Staat zu Staat / Versenkt die Waffen in Gewässern / Dann wird im Friedenssonnenschein / Die ganze Welt uns Heimat sein“ Auf der linken Seite sind die Namen derer genannt, die als Mitglieder der Roten Ruhrarmee gegen den Kapp-Putsch ermordet wurden. Das Denkmal wurde von den Nazis zerstört und auf Initiative des „Komitees ehemaliger politischer Gefangener und Konzentrationäre“, aus der später die VVN hervorging, nach dem Krieg neu errichtet. Nun wurden auf der rechten Seite die Namen von ermordeten Mitgliedern von Arbeiterorganisationen und von Angehörigen zweier jüdischer Familien hinzugefügt, die von den Nazis ermordet wurden. Auf dem Denkstein steht in der Mitte unten: “Sie starben für die Befreiung der Arbeiterklasse”. Dabei ging es immer auch um den Kampf um Demokratie.

Auch die Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin Friedrichsfelde erinnert an die Opfer der Revolution von 1918/19 und an diejenigen, die gegen den Faschismus im Widerstand waren und dabei ihr Leben verloren.

These: 7

Die VVN-BdA Kreuzberg Friedrichshain hatte in ihrer Rede am 8. Mai 2021 darauf hingewiesen, dass sich die Häftlinge in Buchenwald in den letzten Stunden vor der Befreiung durch die amerikanische Armee selbst befreiten. Dieser Akt der Selbstbefreiung ist gerade deshalb so bedeutsam, weil die Deutschen insgesamt sich nicht selbst vom Faschismus befreien konnten.

Die Forderung nach „Befreiung“ spielte auf der Demonstration am 8. Mai 2021 eine sehr große Bedeutung. „Befreiung“ stand auf dem Transparent, das an der Spitze des Zuges getragen wurde. Befreiung wurde als gegenwärtige Aufgabe verstanden. Und das kann nur Selbstbefreiung sein: Gemeinsam dieses Land von Rassismus, aber auch von Kriegsgefahr, Aufrüstung und Unterdrückung zu befreien.

Als Beispiel für Selbstbefreiung ist die Revolution von 1918/19 das große Beispiel in unserer Geschichte. Die Revolution von 1918 war ein Massenkampf von enormem Ausmaß und hatte auch mindesten zum Teil Erfolg. Denn sie besiegelte nicht nur das Kriegsende, sondern schuf auch – anders als der erste Versuch 1848 – die erste deutsche Republik, die für die Dauer von 15 Jahren Bestand hatte.

These: 8

In Frankreich ist der 14. Juli, der Tag des Sturms auf die Bastille, der wichtigste Nationalfeiertag. Denn dieser Tag legte 1789 den Grundstein für die erste französische Republik. Sicher wird dieser Tag von der herrschenden Klasse stark vereinnahmt, zum Beispiel zeigt die französische Armee an diesem Tag in jedem Jahr in einer Militärparade ihre neueste Waffentechnik auf dem Champs Elysee. Aber das ist nur die eine Seite. Dieser Tag des Aufstandes ist tief in der französischen Bevölkerung verankert. Er wird in jedem Dorf gefeiert. Die Gelbwesten riefen bei ihren Protesten: „Macron in die Bastille“.

Bei uns ist der entsprechende Tag der 9. November. Er kann wegen der Reichspogromnacht 1938 nicht gefeiert werden. Aber als nationaler Erinnerungstag an die Novemberrevolution 1918 und die Reichspogromnacht 1938 muss er ein arbeitsfreier Tag werden.

I. Eine kurze Geschichte der unvollendeten Revolution von 1918

Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler 1933 war zugleich das Ende der ersten deutschen Republik.

Diese erste Republik war eine Folge der Revolution von 1918/19 und diese Revolution eine Folge des Ersten Weltkrieges. Die erste Forderung der Revolution war, den Krieg sofort zu beenden.

Bis zum Ende des Krieges war Deutschland vorrepublikanisch geprägt. Die Unternehmer verfügten zwar nach der großen Industrialisierungswelle der vorangegangenen Jahrzehnte über die ökonomische Macht, Berlin war ein aus ganz Europa herausragendes industrielles Zentrum. Aber – anders als die französischen Unternehmer 1789 – hatten es die deutschen Unternehmer 1848 nicht vermocht, auch die politische Macht zu erringen. Die Verfügungsgewalt über die Exekutive und das Militär blieb weitgehend in der Hand des Adels, mit dem Kaiser an der Spitze. Der Kaiser ernannte und entließ den Reichskanzler, er war der oberste Heeresführer und entschied über Krieg und Frieden. Der Reichstag besaß lediglich das Recht, den staatlichen Haushalt zu verabschieden. Die abhängig Beschäftigten hatten weder die politische noch die ökonomische Macht.

1914 erklärte Deutschland Russland den Krieg. Die SPD verkündete: „Wir lassen in der Stunde der Gefahr das Vaterland nicht im Stich“. Und die Gewerkschaften verkündeten den so genannten „Burgfrieden“, d.h. sie verzichteten für die Dauer des Krieges auf jeglichen Streik.

Es dauerte eine Zeit, bis sich Widerstand regte. Er wurde nicht über die Gewerkschaften organisiert, sondern über die revolutionären Obleute, die allerdings alle erfahrene Gewerkschafter waren. Die erste öffentliche Kundgebung organisierten jedoch Sozialistinnen am internationalen Frauentag 1915. Der  Widerstand zeigte sich in Arbeitsniederlegungen, die von immer mehr Beschäftigten befolgt wurden. Er richtete sich gegen die immer schlechtere Versorgung der Bevölkerung und gegen den Krieg. Der Streik im Januar 1918 war der größte Massenstreik gegen den Krieg, den es jemals in Deutschland gegeben hat. Die Streikenden forderten unmissverständlich das Ende des Krieges.

Im Herbst 1918 war es dann so weit. Von Kiel aus sprang der Funke auf andere Städte über, bis er am 9. November auch Berlin erreichte. Der Generalstreik am 9. November besiegelte das Ende des Krieges und des Kaiserreichs.

In den folgenden Monaten ging es darum, Entmilitarisierung und Demokratisierung voranzutreiben und zu festigen. Sebastian Haffner hat das in seinem Buch über die Novemberrevolution sehr prägnant beschrieben, auch die bremsende Rolle der SPD in diesem Prozess.

Militarismus zusammen mit Kaisertreue hatten im ersten Weltkrieg Millionen Tote gekostet. Wenn mit dieser Tradition gebrochen werden sollte, durften alle diejenigen, die bisher dafür gestanden hatten, nicht mehr in Amt und Würden bleiben. Aber sie blieben in der Justiz, in der Verwaltung und im Militär und durften weiter über Menschen entscheiden und die Gesellschaft im Inneren prägen. Hinter der Fassade der Demokratie existierte der undemokratische Geist der Kaiserzeit und des Militarismus weiter. „Der Kaiser ging, die Generäle blieben“. Nicht nur die Generäle blieben. Obwohl es große Streiks für die Vergesellschaftung des Kohlebergbaus und der eisenschaffenden Industrie gab, weil sie in besonderen Maße den Krieg vorangetrieben und daran verdient hatten, wurde das große Kapital nicht angetastet. Das war die unvollendete Revolution.

Stattdessen wurden die Revolutionäre bekämpft, also diejenigen, die sich für das Ende von Krieg und für die Republik eingesetzt hatten. Im Frühjahr 1919 und 1920 nach dem Generalstreik gegen den Kapp-Lüttwitz-Ludendorff Putsch wurden von Freikorps Tausende umgebracht. Dieser Putsch im Jahr 1920 war zwei Jahre nach der Revolution der erste Versuch, die ganze Republik zu beseitigen. 1920 konnte der Generalstreik dem noch ein Ende setzen. 13 Jahre später, gelang die Verteidigung der Republik nicht mehr. Alle organisierten Widerstandskräfte wurden zerschlagen. Hitler begann die Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges. Es sollte kein Massenwiderstand im Wege stehen wie im ersten Weltkrieg. Denn  diesen Widerstand betrachteten alle Reaktionäre als Grund für ihre  Niederlage im ersten Weltkrieg (Dolchstoßlegende). Hitler nannte immer wieder diejenigen, die die erste Republik und das Kriegsende durchgesetzt hatten, „Novemberverbrecher“.

Das war die Ausgangslage am 9. November 1938, als die  Reichspogromnacht den Boden für die systematische Vernichtung von Millionen Juden bereitete. Alle Kräfte, die sich dem hätten entgegenstellen könne, waren zerstört: Die Arbeiterparteien, die Gewerkschaften und alle anderen demokratische Organisationen und Parteien.