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Daimler AG Marienfelde

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28. Dezember 2020 von benhop

Zum Beispiel die Daimler AG und das Werk in Berlin-Marienfelde

A. Die Situation in der Daimler AG und speziell im Werk Marienfelde

Das Werk in Marienfelde

Das Werk in Marienfelde ist das älteste produzierende Werk der Daimler AG. Es ist belegt, dass die Beschäftigten dieses Werkes zu den Metallerinnen und Metaller gehörten, die im Jahr 1918 das Ende des ersten Weltkrieges und der Monarchie und damit die erste deutsche Republik erzwangen. Auch während der Zeit des Faschismus leisteten Beschäftigte des Werkes in Marienfelde Widerstand.

Dieses Werk ist auch das kleinste Werk der Daimler AG. Dort arbeiten rund 2.500 Beschäftigte, davon ca. 50 % Arbeiterinnen und Arbeiter und 50 % Angestellte.

Verbindliche Ziele für die Transformation

Die Daimler AG veröffentlichte unter dem Titel „Ambition 2039“ ihr Ziel einer „CO2-neutralen Pkw-Neuwagenflotte“ bis 2039: Bis 2039 soll also die Produktion von Verbrennungsmotoren eingestellt werden. Als „Etappenziele“ nennt die Daimler AG für das Jahr 2025 ein „Absatzanteil an rein elektrischen Fahrzeugen von bis zu 25% (abhängig von den Rahmenbedingungen)“ und für das Jahr 2030 die „Erzielung von mehr als 50 % des Pkw-Absatzes mit Plug-in-Hybriden oder rein elektrischen Fahrzeugen“[1]https://www.daimler.com/nachhaltigkeit/klima/ambition-2039-unser-weg-zur-co2-neutralitaet.html. Über den Auslaufzeitpunkt des Verbrenners soll am Ende der Absatzmarkt entscheiden. Daher beschreibt der Daimler Konzern seine Ziele auch treffend als „Ambitionen“. Das reicht nicht.

Die zu unverbindlichen Ambitionen der Daimler AG zeigen: Der Staat muss für die gesamte Branche einen verbindlichen Zeitpunkt festlegen, ab dem keine Verbrennungsmotoren mehr gebaut werden dürfen; zudem müssen verbindliche Zeitpunkte festgelegt werden, zu denen der Bau von Verbrennungsmotoren in Stufen immer weiter eingeschränkt wird.

Die Folgen für die Beschäftigten

Aber was bedeutet das für diejenigen, die in der Autobranche arbeiten?

Die Daimler AG will in Zukunft Elektroautos bauen. Dadurch werden Ersatzarbeitsplätze geschaffen, obwohl es erhebliche Bedenken gibt, ob das Elektroauto das versprochene umweltfreundliches Produkt einer umweltverträglichen Produktion ist. Zudem zeigt die Studie ELAB 2.0: Die Umstellung vom Auto mit Verbrennungsmotor auf das Elektroauto führt dazu, dass viel mehr Arbeitsplätze wegfallen als neue Arbeitsplätze geschaffen werden. 

In Deutschland sind vor allem die Werke der Daimler AG Stuttgart-Untertürkeim, Berlin und Hamburg vom Verbrennungsmotor abhängig. In Untertürkheim werden von 18.500 Beschäftigten ganz überwiegend Motoren, Getriebe und Achsen produziert. In Berlin-Marienfelde und Hamburg arbeiten jeweils 2.500 Menschen. In Marienfelde werden Getriebeteile, Kraftstoffsysteme, Nockenwellen, Pumpen und Dieselmotoren hergestellt. In Kölleda in Thüringen produzieren 1.400 Beschäftigte der Tochter MDC Power GmbH fast jeden zweiten Pkw-Motor. Insgesamt sind also mit dem Ende des Verbrenners knapp 25.000 Arbeitsplätze weggefallen. Daimler hat angekündigt, bis 2025 rund 5.000 Arbeitsplätze abzubauen, davon 4000 im Werk Untertürkheim. Auch im Werk Marienfelde und im Hamburg sollen massiv Arbeitsplätze abgebaut werden.

Das Werk in Berlin-Marienfelde hängt zu 90 % vom Verbrenner ab. Alle diese Arbeitsplätze fallen weg. Es gibt bisher keinen Plan, Ersatzarbeitsplätze zu schaffen. Daher ist der ganze Betrieb gefährdet. In jedem Fall besteht die akute Gefahr, eines gewaltigen Stellenabbaus.

Sehr lehrreich sind in diesem Zusammenhang die Erfahrungen, die die Betriebsräte und Beschäftigte gemacht haben, als in der Leuchtindustrie die Glühlampe durch andere Leuchtmittel ersetzt wurde. Obwohl die Betriebsräte wussten, dass diese Umstellung mit einem enormen Abbau von Arbeitsplätzen verbunden ist, wurden sie dann doch von der Schnelligkeit überrascht, mit der diese Transformation durchgezogen wurde. Betriebsbedingte Kündigungen konnten nicht vermieden werden (siehe Gün, Hopmann, Niemerg “Gegenmacht statt Ohnmacht“).

Es wird immer wieder auf eine Vereinbarung zwischen dem Gesamtbetriebsrat und der Unternehmensleitung der Daimler AG verwiesen, die bis 2030 betriebsbedingte Kündigungen ausschließen soll. Diese Betriebsvereinbarung hält aber nicht, was sie angeblich verspricht. Im Übrigen hat die Leitung der Daimler AG auch schon durchblicken lassen, dass sie die Betriebsvereinbarung kündigen kann. Selbst ein Ausschluss von Kündigungen durch Tarifvertrag ist nur eingeschränkt in der Lage, betriebsbedingte Kündigungen zu verhindern.

B. Was fordern? 

Verteilung der Investitionen im Konzern

Am besten sind die Ersatzarbeitsplätze, die im Konzern geschaffen werden. Denn dann sind die Arbeitsbedingungen nach den Tarifverträgen der Elektro- und Metallindustrie gesichert. Die haben die Beschäftigten des Werks in Berlin-Marienfelde über Jahre verteidigt und sie haben auch, zusammen mit allen anderen in der IG Metall Organisierten, für die Verbesserung dieser Tarifverträge gekämpft. Die Arbeitsplätze, die für die Entwicklung und Herstellung der Antriebessträge von Elektro-Autos gebraucht und geschaffen werden, müssen also im Unternehmen bleiben.

Unvermeidbar ist ein ‘Tauziehen’ um die Frage, wo welche Komponenten der zukünftigen Elektroautos gebaut werden. Es geht um die Verteilung der entsprechenden Investitionen auf die verschiedenen Standorte. Zum Beispiel geht es darum, dass Berlin-Marienfelde nicht ganz hinten über fällt und geschlossen wird. Das wird nicht einfach durchzusetzen sein; denn Marienfelde ist ein kleines Werk. Nur wer viel Öffentlichkeit erregt und Kampfkraft zeigt und einsetzt, hat ein Chance.

Ein Beispiel, wie die Verteilung der Investitionen geregelt werden kann, ist der Tarifvertrag, der vor vielen Jahren einmal zwischen der IG Metall und VW abgeschlossen wurde. Die IG Metall vereinbarte nicht nur ein Verbot betriebsbedingter Kündigungen, sondern sicherte dieses Verbot durch ganz konkrete Verpflichtungen über Investitionen an einzelnen Standorten ab. Dieser Kündigungsschutz, der mit Zusagen für Investitionen unterlegt ist, geht jedenfalls weiter als nur eine Vereinbarung, die betriebsbedingte Kündigungen ausschließt.

Bisher haben wir allerdings nur darüber gesprochen, wie eine Decke, die zu kurz ist, den ganzen Körper wärmen soll. Wir haben um die Verteilung eines Mangels gesprochen. Denn die Umstellung vom Auto mit Verbrennungsmotor auf das Elektroauto führt dazu, dass viel mehr Arbeitsplätze wegfallen als neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Es werden nicht in ausreichendem Maße Ersatzarbeitsplätze geschaffen. Das ist ein zentrales Problem.

Das vorhandene Potential im Konzern

Insgesamt arbeiten im Daimler Konzern in Deutschland rund 170.000 Menschen. Das ist ein enormes Potential. Darunter sind viele Menschen mit einer technischen, einer Ingenieurs-Ausbildung und auch einer wissenschaftlichen Ausbildung. Auch wenn insoweit Rechte des Betriebsrates nur sehr eingeschränkt bestehen, sollte der Betriebsrat darauf drängen, dass dieses Potential nicht aus dem Konzern gedrängt, sondern ausgeschöpft wird. Den Beschäftigten sollte die Möglichkeit eröffnet werden, neue umweltfreundliche Produkte zu entwickeln und herzustellen, auch Produkte, die der Konzern bisher nicht verkauft hat. Der Ideenreichtum und die Schaffenskraft der Beschäftigten sollten genutzt werden.

Vor Jahren gab es Arbeitskreise, die in den Rüstungsbetrieben um Konversion kämpften, also um die Umstellung auf zivile Produktion. Diese Initiativen scheiterten daran, dass den Betriebsräten die notwendige Entscheidungsmacht fehlte. Solche Initiativen müssen daher von Anfang an mit dem Kampf um mehr Rechte der Beschäftigten und ihrer Betriebsräte verbunden werden; sonst verkommt das Ganze schnell zu einer Spielwiese und läuft sich tot.

Vielleicht können auch hier erste Schritte über einen Tarifvertrag abgesichert werden.

Fremdvergaben

Es muss darauf gedrängt werden, dass all das, was die Daimler AG in Zukunft als Werk- oder Dienstvertrag fremd vergeben will, darauf hin überprüft wird, ob es im Unternehmen selbst gemacht werden kann. Wenn die Arbeitskräfte der Zulieferer schlechtere Arbeitsbedingungen haben als die Arbeitskräfte in den Stammwerken, sollte versucht werden, das in die Daimler AG zurück zu holen. Doch was geschieht dann mit denjenigen, deren Arbeitsplätze in der Zuliefererindustrie wegfallen? Es führt kein Weg an einem Plan vorbei, der über den einzelnen Betrieb wie das Werk in Berlin-Marienfelde, über das einzelne Unternehmen wie die Daimler AG und auch über die ganze Automobilbranche hinaus weist. Es führt kein Weg an einem Transformationsprogramm vorbei – alleine schon deswegen, weil die Bundesregierung dazu in ihrem Klimaschutzprogramm nichts gesagt hat. Die Bundesregierung überlässt das dem Markt, dem Arbeitsmarkt.

Ersatzarbeitsplätz im ÖPNV

Lars Hirsekorn, Vertrauensmann der IG Metall bei VW-Braunschweig, machte zwei Vorschläge, die ich hier wiederholen möchte:

„1. Ausbau des Öffentlichen Personen Nahverkehrs (ÖPNV) in großem Stil. Das Bündnis Verkehrswende fordert bis 2030 eine Verdoppelung des ÖPNV, damit er so attraktiv wird, dass Menschen umsteigen.

2. Löhne im ÖPNV müssen steigen, damit diese Arbeitsplätze auch für Menschen aus der Mobilindustrie attraktiv werden“[2] auf einer Veranstaltung der Rosa Luxemburg Stiftung am 2./3. Oktober in Stuttgart mit dem Titel „Forum Gerechte Übergänge und alternative Produktion“, siehe express Nr. 10/2020.  

Dann ergänzt Lars Hirsekorn: „Gleichzeitig müssen diejenigen informiert und ermutigt werden, für die sich ein Wechsel sofort lohnen würde. In Braunschweig sind das z.B. die LogistikerInnen der Volkswagen Group Service GmbH. Die fahren bei uns für 13 bis 15 € pro Stunde, und das seit Jahren. Wenn wir es als IG Metall nicht schaffen, dass diese KollegInnen mehr Geld bekommen, dann sollten wir sie aktiv darauf hinweisen, dass es im ÖPNV durchaus bessere Arbeitsplätze gibt. Ich habe 15 Jahre darum gekämpft, dass die KollegInnnen in den Haustarif übernommen werden – leider bislang vergebens. Und hier sehe ich tatsächlich die IG Metall und Ihre Betriebsräte in der Pflicht. Zum einen muss die IG Metall unter ihren Mitgliedern und somit im Schwerpunkt auch in der Automobilindustrie Stimmung zur Unterstützung der ÖPNV machen. Zum anderen wäre es meiner Meinung nach Aufgabe der Vertrauensköperleitung, GewerkschafterInnen aus ÖPNV Betrieben einzuladen, damit diese die Löhne und Arbeitsbedingungen vorstellen können[3]auf einer Veranstaltung der Rosa Luxemburg Stiftung am 2./3. Oktober in Stuttgart mit dem Titel „Forum Gerechte Übergänge und alternative Produktion“, siehe express Nr. 10/2020.

Dabei dürfen Beschäftigte, die sich für ein Angebot in einem anderen Unternehmen entscheiden, nicht von den Sozialtarifverträgen ausgenommen werden, die im vorliegenden Fall unverzichtbar sind. Sozialtarifverträge sind angelehnt an die Sozialpläne, die ein Betriebsrat mit seinem Unternehmen bei Betriebsänderungen vereinbart. Sozialtarifverträge unterliegen jedoch nicht den Voraussetzungen, die für eine Vereinbarung mit einem Betriebsrat gelten und die Gewerkschaften können mit dem Streikrecht im Rücken größeren Druck aufbauen.

Dreh – und Angelpunkt ist die von Lars Hirsekorn angesprochene Verdoppelung des ÖPNV. Das erfordert erhebliche Investitionen. Die müssen politisch erzwungen werden. Wie viele zusätzliche Arbeitsplätze diese Verdoppelung des ÖPNV? Welche Folgen hat das für den Rückgang des Individulaverkehrs? Es muss eine Folgenabschätzung für die Arbeitsplätze her. Da sind wir wieder bei der Notwendigkeit eines Transformationsprogramms. Es geht um die einfache Frage: Wer trägt die Lasten des Klimaschutzprogramms der Bundesregierung?

Nur am Rande sei darauf hingewiesen: Die Ausschreibung der Berliner S-Bahn ist das völlig falsche Zeichen; denn es öffnet die Tür zur Privatisierung und zum Verlust der Tarifbindung.

Ersatzarbeitsplätze durch Neu-Ansiedlungen ohne Tarifbindung?

Ein anderer Weg zur Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen wäre, neue Betriebe von Unternehmen anzusiedeln, die nicht zur Daimler AG gehören.

In Grünheide in Brandenburg hat Tesla mit der Errichtung einer Gigafactory begonnen. In der ersten Stufe sollen dort 7.000 Menschen arbeiten. Die Arbeit soll schon 2021 beginnen. Doch das Beispiel Tesla in Grünheide zeigt, dass bei solchen Neu-Ansiedlungen die Arbeitsbedingungen immer zurückgestellt werden. Grund dafür ist die überlegene Position des Unternehmens, das allein über seine Investitionen entscheidet und bei solchen Investitionsentscheidungen immer einen Standortwettbewerb zwischen mehreren Landesteilen oder auch Ländern entfacht, um sich dann das beste Angebot heraus zupicken.

Tesla will sich nicht an den Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie binden. Ist ein Arbeitsplatz unter diesen Bedingungen ein zumutbarer Ersatz für die Beschäftigten des Betriebs in Berlin-Marienfelde? Was die Beschäftigten dort zusammen mit allen anderen gewerkschaftlich organisierten Kolleginnen und Kollegen über Jahre erkämpft haben, soll ihnen jetzt genommen werden. Dabei müssen schon jetzt die Beschäftigten der Daimler AG aus der Verwaltung und den produktionsnahmen Bereichen für ein Jahr wöchentlich auf zwei Stunden ohne Lohnausgleich verzichten, entfällt für alle Beschäftigten die Ergebnisbeteiligung 2020 und wird das tarifliche Zusatzgeld 2021 nicht ausgezahlt, sondern in freie Tage umgewandelt. Der Tagesspiegel fasst zusammen: Alles in allem spart Daimler dadurch 5,7 % der Lohnkosten je Beschäftigten[4]https://www.tagesspiegel.de /nachhaltigkeit/klima/ambition-2039-unser-weg-zur-co2-neutralitaet.html.

Die Allein-Entscheidungsmacht der Unternehmen über ihre Investitionen führt zu einer enormen Freiheit für die Unternehmen. Darf ein Mensch nach Jahre langer Arbeit in die Arbeitslosigkeit geschickt werden, ohne dass er dafür in irgendeiner Weise persönlich verantwortlich gemacht werden kann? Darf ihm die Möglichkeit genommen werden, für sich und seine Familie die Existenzgrundlage durch eigene Arbeit zu sichern? Oder ist ihm auch nur zuzumuten, dass er zur Annahme einer Arbeit mit viel schlechteren Arbeitsbedingungen gezwungen wird? Es sind die Unternehmenseigner, die über die Existenzgrundlage von Millionen Menschen entscheiden. Die Freiheit der Unternehmen ist die Unfreiheit der Beschäftigten.

Es geht also darum, im Interesse der Beschäftigten und der Umwelt den Unternehmen diese Alleinentscheidungsmacht zu nehmen. Das beginnt mit der Tarifbindung. Gegenwärtig sind alle Autofirmen in Deutschland tarifgebunden, auch amerikanische Unternehmen, die – wie Ford – in Deutschland fertigen lassen. Über den Flächentarif soll ausgeschlossen werden, dass sich ein Autounternehmen über schlechtere Arbeitsbedingungen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen Firmen der Automobilindustrie verschafft und so eine Spirale in Gang setzt, die Löhne, Arbeitszeiten und Urlaub usw. nur verschlechtern kann. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der CDA, Christian Bäumler, fordert die Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie mit der Begründung: „Tesla darf kein zweites Amazon werden“. Besser wäre es, die Gewerkschaft könnte aus eigener Kraft die Tarifbindung bei Tesla erzwingen.

Tesla-Chef Elon Musk twitterte am 24. Juli 2020 nach dem Staatsstreich gegen Morales in Bolivien: “Wir werden putschen, gegen wen immer wir wollen”. Da weiß man, mit wem man es zu tun hat. Aber wir sollten uns keine Illusionen machen. Die deutschen Autounternehmen sind auch nicht viel besser: In den USA verhindern sie seit Jahren, dass Gewerkschaften in ihren Betrieben Fuß fassen. Dass dies in Deutschland anders ist, haben die Kolleginnen und Kollegen Traditionen zu verdanken, die sie selbst geschaffen haben. Die Tarifbindung gäbe es schon längst nicht mehr, wenn sie nicht über Jahre durch einen hohen Organisationsgrad und die Bereitschaft verteidigt worden wäre, diese Organisationskraft auch einzusetzen.

Statt Entlassungen Arbeit auf alle verteilen

Entweder es gelingt, ausreichend umweltfreundliche und auch sozial zumutbare Ersatzarbeitsplätze zu schaffen oder, wenn weniger Arbeit für alle da ist, muss die Arbeit auf alle verteilt werden anstatt zu entlassen. Das heißt: Arbeitszeitverkürzungen für alle, wobei es darauf ankommen wird, in welchem Umfang Lohnausgleich durch gesetzt werden kann. Gerade für die unteren Lohn – und Gehaltsgruppen sind Einkommensverluste unzumutbar; denn die Miete und andere finanzielle Verpflichtungen wie die Bedienung von Krediten können nicht eingeschränkt werden.

Über den einzelnen Betrieb hinaus denken – den einzelnen Betrieb nicht allein lassen

Vier Hinweise sollen zeigen, dass Lösungen, die nur an einem Betrieb ausgerichtet sind, zu kurz greifen müssen:

1. Der Kampf um umweltverträgliche Ersatzarbeitsplätze ist ein Konflikt, der nicht auf den einzelnen Betrieb beschränkt ist. Die Entwicklung und Fertigung umweltverträglicher Produkte und Produktion werden staatlich gefördert. Der Öffentliche Personen Nahverkehr (ÖPNV) wird im Ganzen vom Staat finanziert. Damit ist die Entscheidung, wohin die Reise bei der Entwicklung und Förderung von umweltfreundlichen Produkten gehen soll, eine politische Entscheidung, die weit über ein einzelnes Unternehmen und erst recht über den einzelnen Betrieb in einem Unternehmen hinaus geht.   

2. Die Frage, in welchem Umfang der Individualverkehr durch den öffentlichen Nah – und Fernverkehr abgelöst werden muss, ist für die Daimler AG kein Thema sein. Wie auch? Das kann nur politisch entschieden werden. Für die Beschäftigten und die Umweltbewegung ist es ein großes Thema.  

3. Die Frage der Arbeitszeitverkürzung und der damit zusammenhängende Konflikt um Lohnausgleich kann nur einigermaßen erfolgreich in der Fläche angegangen werden, weil es dazu Stärke braucht und es eben das gemeinsame Handeln ist, das stark macht.

Zusammenfassung

Vielleicht beginnt mit den Auseinandersetzungen der Beschäftigten der Daimler AG und der Beschäftigten des Werks in Berlin-Marinefelde um ihre Rechte der Kampf um ein Transformationsprogramm, das nicht nur dem Namen nach – wie das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung -, sondern tatsächlich für einen besseren Schutz der Umwelt einsteht und zugleich den Schutz der Beschäftigten nicht vergisst.  

C. Was tun?

Wird die Macht der Unternehmen, flankiert von einer unternehmensfreundlichen Politik, hingenommen, haben nicht nur die Beschäftigten verloren, sondern am Ende auch der Schutz der Umwelt. Gegenmacht statt Ohnmacht ist die Alternative.

Kein Gegeneinander der Standort

Der unvermeidliche Konflikt um die Verteilung der Investitionen auf die einzelnen Standort im Konzern muss am Ende in ein einheitliches Vorgehen gegen die Konzernleitung führen. Es muss vermieden werden, dass sich die einzelnen Standorte gegeneinander ausspielen lassen. Dann würden alle verlieren.

Gewerkschaften und Umweltverbände Hand in Hand!

Politische Entscheidungen sind keinesfalls Entscheidung, die nur Politiker angehen. Um zu vermeiden, dass am Ende doch nur wieder die Interessen des Kapitals erfüllt werden, muss erheblicher Druck von außen aufgebaut werden. Dabei sind tarifliche Forderungen äußerst wichtig, weil erstens die Daimler AG nicht aus der Verantwortung entlassen wird und zweitens über den Tarifkampf Druck aufgebaut werden kann. Ohne diesen Druck wird kein Erfolg möglich sein. Gleichzeitig und parallel dazu geht es aber auch darum, eine breite außerparlamentarische Bewegung aufzubauen, damit an die Öffentlichkeit zu gehen und auch so Druck zu entfalten. Beschäftigte und Umweltbewegung können auf vielfältige Weise zusammenarbeiten. Damit kann sofort begonnen werden. Ein nicht geringer Teil der Umweltbewegung sind Beschäftigte. Umweltfreundliche Arbeitsplätze für Alle. Leave No One Behind.


References

References
1 https://www.daimler.com/nachhaltigkeit/klima/ambition-2039-unser-weg-zur-co2-neutralitaet.html
2 auf einer Veranstaltung der Rosa Luxemburg Stiftung am 2./3. Oktober in Stuttgart mit dem Titel „Forum Gerechte Übergänge und alternative Produktion“, siehe express Nr. 10/2020
3 auf einer Veranstaltung der Rosa Luxemburg Stiftung am 2./3. Oktober in Stuttgart mit dem Titel „Forum Gerechte Übergänge und alternative Produktion“, siehe express Nr. 10/2020
4 https://www.tagesspiegel.de /nachhaltigkeit/klima/ambition-2039-unser-weg-zur-co2-neutralitaet.html