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8. Mai 2022: Tag der Befreiung

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Der Text auf den Transparenten, die auf diesen Bildern zu sehen sind, geht auf eine Idee von Susanne Rößling zurück. Susanne Rößling, Jochen Gester und Benedikt Hopmann – alle Mitglieder in der VVN-BdA Kreuzberg-Friedrichshain – haben die Transparente am 8. und am 9. Mai 2022 gezeigt – am 8. Mai mit Unterstützung einer Delegation von Griechen, mit denen es eine Austausch über viele Jahre gibt. Beide Transparente fanden sehr großen Beifall. Ess waren genau diese beiden Transparente, auf die die Menschen gewartet hatten. Sehr viele haben die beiden Transparente photografiert.

Im Vorhinein war per Erlass das Zeigen der sowjetischen Fahne an über zehn Orten in Berlin verboten worden, auch am Treptower Ehrenmal – eine beispiellose Geschichtsvergessenheit des Berliner Senats.

Der Sieg über den Faschismus ist ein gemeinsames Erbe Russlands, der Ukraine und der vielen anderen Völker der Sowjetunion. Die Besinnung auf diese große gemeinsame Geschichte könnte eine starke Kraft für eine Beendigung des Krieges und eine Einigung zwischen Russland und der Ukraine sein.

In diesem Sinn hätte das Zeigen der sowjetischen Fahne eine besondere friedensstiftende Funktion erfüllen können.

Dass die NATO sich aus dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine heraushält und ihn nicht mit Waffenlieferungen an die Ukraine anheizt, wäre ebenso Voraussetzung für ein Ende des Krieges und die Besinnung dieser beiden Völker auf ihre gemeinsame große Vergangenheit.

Jochen Gester hat ebenfalls zu unserer Aktion am Ehrenmal Stellung genommen.

Der Historiker Stefan Bollinger schreibt:

“Zwei Tage nach dem Angriff des faschistischen Deutschlands veröffentlichte die sowjetische Zeitung »Iswestija« jene hehren Verse des Dichters Wassili Lebedew-Kumatsch: »Steh auf, steh auf, du Riesenland! / Heraus zur großen Schlacht! … / Tod der Faschistenmacht!« Sein Lied vom »Heiligen Krieg« erregte eine ganze Kriegsgeneration und trug dazu bei, dass der »Große Vaterländische Krieg«, wie er bald genannt wurde, ein Krieg aller Nationen, Nationalitäten und Ethnien der Sowjetunion wurde.

Man mag es kaum glauben, soll oder will es nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht: Dieses Land war 1917 mit der Verheißung des Internationalismus angetreten und praktizierte diesen auch. Erstmals in der Geschichte sollten Russe, Usbeke, Ukrai- ner, Georgier und Este gleich in Rechten und Pflichten beim Aufbau einer neuen Gesellschaft sein. Die Verfassung von 1936 erklärte zudem: »Der Militärdienst in den Reihen der Roten Armee der Arbeiter und Bauern ist Ehrenpflicht der Bürger der UdSSR.« Und ein Gesetz »Über die allgemeine Wehrpflicht« vom 1. September 1939, dem Tag, als Hitlerdeutschland Polen überfiel, verpflichtete alle Männer unabhängig von »Rasse, Nationalität, Glaubensbekenntnis, Bildungsgrad sowie sozialer Herkunft und Stellung«.

Die Sowjetunion umfasste 128 Nationalen und Völkerschaften … In der Roten Armee stellten Russen mit 56,4 Prozent den größ-
ten Anteil der Armeeangehörigen, Ukrainer folgten mit 20,2 Prozent, Belorussen mit 4,35 Prozent; die vielfältigen Völker Zentralasiens brachten 5,3 Prozent der Rotarmisten auf, Armenier machten 1,2 und Aserbaidschaner 1,1 Prozent, Georgier 1,4 und Tataren zwei Prozent sowie Juden 1,8 Prozent aus.

An allen Fronten musste ums Überleben gekämpft werden. Die Zusammensetzung der Truppen und der Offizierskorps wandelten sich. Rekrutierungsgebiete im Westen gingen verloren, der Anteil der Soldaten aus Mittelasien stieg, auch bei den Offizieren. Natürlich dominierten immer noch die Russen, aber auch Ukrainer, Belorussen, Juden, Kaukasier übernahmen Kommandos in der Roten Armee. Es gab Animositäten, nationalistischen Dünkel, „Vorkommnisse“. Und doch überwog das Gemeinsame: gegen den Feind, den Aggressor, für »die Sache«. Soldaten wie Partisaninnen kämpften wacker. Der höchste Orden, »Held der Sowjetunion«, wurde im Krieg 11 657 Mal verliehen, jede vierte Auszeichnung erfolgte postum. 8182 Russen, 2072 Ukrainer, 311 Belorussen, 161 Tataren, 108 Juden, 91 Grusinier und 90 Armenier erhielten diese Ehrung sowie Angehörige von weiteren 55 Nationalitäten”.

Das schreibt Stefan Bollinger zum diesjährigen 8./9. Mai und zitiert am Ende den Helden des Romans »Mein Leutnant« von Daniil Granin, der als Panzeroffizier zeitweise selbst an der Leningrader Front war:

»Ich aber denke, dass wir uns nach diesem Land sehnen werden, wir werden wieder und wieder zu meiner Zeit zurückkehren, sie war heroisch und schön. Ihr habt die Fahne mit Hammer, Sichel und Stern heruntergeholt, doch was habt ihr gehisst – den Zarenadler, eine Mutation mit zwei Köpfen, die sowjetische Hymne habt ihr euch angeeignet, aber die Internationale singt ihr nicht mehr.«

Der vollständige Beitrag von Stefan Bollinger ist hier zu lesen.