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Um was geht es im Gorillas-Prozess?

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– Das gesamte Streikrecht steht auf dem Prüfstand

Warum wäre der Streik der Gorillas – Beschäftigten in Frankreich erlaubt, warum in Italien? Warum ist er in Deutschland verboten?

Die Beschäftigten aus der Politik herauszuhalten – das war das Ziel, das der Jurist Nipperdey 1953 in einem Gutachten verfolgte – im Auftrag der Unternehmerverbände (BDA). Es ging um einen politischen Streik ein Jahr zuvor, den Zeitungsstreik. Dagegen hatten die Unternehmerverbände geklagt. Der Jurist Abendroth hatte im Auftrag der Gewerkschaften dagegen gehalten. Die Landesarbeitsgerichte folgten Nipperdey. 1963 verbot das Bundesarbeitsgericht auf dieser Grundlage auch den verbandsfreien Streik: Streiks seien “im allgemeinen unerwünscht”. Es gehe darum, Gewerkschaften “zu Kontrollzwecken einzuschalten”.

Gewerkschaften nicht als Gegenmacht, sondern als Ordnungsfaktor – darum ging es.

Seitdem ist der Streik Hilfsinstrument in Tarifverhandlungen und sonst nichts.

Verbandsfreie Streiks sind deswegen verboten, weil nur Gewerkschaften Tarifverträge durchsetzen können und politische Streiks sind verboten, weil es in diesen Fällen nicht um Tarifverträge geht.

Richtig ist, dass nur Gewerkschaften Tarifverträge druchsetzen können. Richtig ist auch, dass politische Streiks nicht auf den Abschluss von Tarifverträgen gerichtet sind. Das gilt auch für verbandsfreie Streiks.

Was wir bekämpfen ist die Beschränkung des Streiks auf eine Hilfs-Funktion für Tarifverhandlungen.

Die Gorillas-Beschäftigten wollten eine pünktliche und vollständige Bezahlung ihrer Löhne und gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Das haben sie auch erreicht: Seit dem Streik im Oktober 2021 bekamen alle Rider einen Stundenlohn von 12,00 €.

Aber es ging den Gorillas-Beschäftigten nie um einen Tarifvertrag. Sie wußten, dass sie das nicht durchsetzen können.

Auch wer – wie in Frankreich – gegen die Heraufsetzung des Rentenalters streikt, streikt nicht für einen Tarifvertrag. Wer sich an dem Klimastreik beteiligt oder gegen Waffenexport streikt, will auch keinen Tarifvertrag.

Ohne das Recht auf den politischen Streik keine demokratische Gesellschaft.

Auch das Verbot verbandsfreier Streiks ist undemokratisch.

Den Gorillas – Beschäftigten Duygu, Fernando und Ronnie wurde gekündigt, weil das deutsche Arbeitskampfrecht Streiks auf eine Hilfs-Funktion für Tarifverhandlungen beschränkt und mit dieser Begründung verbandsfreie und politische Streiks illegalisiert werden. Daher steht im Prozess gegen die Kündigungen von Duygu, Fernando und Ronnie das gesamte Streikrecht auf dem Prüfstand.

Arbeitskämpfe um Tarifverträge sind sehr wichtig, aber das Recht darf Arbeitskämpfe nicht darauf beschränken.

Streik ist gelebte Demokratie – darum geht es in dem Gorillas-Prozess.

Wenn Duygu, Fernando und Ronnie Erfolg haben, verbessert sich das Streikrecht für Alle.

Am 25. April wird vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg öffentlich verhandelt.

Nachbemerkung: Hans Carl Nipperdey kommentierte während des Faschismus das Arbeitsrecht der Nazis, das sogenannte Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG) und beteiligte sich in der “Akademie für Deutsches Recht” an der Umsetzungen der faschistischen Ideologie in Gesetze. Der Jurist und Professor Wolfgang Abendroth hatte im Krieg mit den griechischen Partisanen gegen die deutsche Besatzung gekämpft. Sein Kampf für die Demokratie und Freiheit sollte endlich Erfolg haben. Auch darum geht es in dem Gorillas-Prozess.