Rot-rot-grünes Vergesellschaftungs-Gesetz steht in den Sternen

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Die rot-rot-grüne Koalition hat beschlossen, in den ersten 100 Tagen der neuen Landesregierung zum Volksentscheid eine Kommission einzusetzen. Dies ist inzwischen geschehen

Der Senat will auf der Grundlage der Ergebnisse der Kommission über einen „verfassungskonformen Weg einer Vergesellschaftung“ entsprechend den Vorgaben des Volksentscheids entscheiden, aber auch diese Vergesellschaftung „unter wohnungswirtschaftlichen, gesellschaftsrechtlichen und finanzpolitischen Gesichtspunkte“ gewichten und bewerten und dann entscheiden. Aber die Berlinerinnen und Berliner schon haben schon entschieden: Sie haben im Volksentscheid mehrheitlich für eine Vergesellschaftung aller privaten Wohnungsunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen gestimmt. Was will der Berliner Senat jetzt neu entscheiden? Mit solchen Formulierung macht der Senat jetzt schon deutlich, dass er das Ergebnis des Volksentscheids – entgegen seinen Beteuerungen – nicht respektieren will.

Die Initiative „DW & Co enteignen“ will sich an der Expertenkommission beteiligen und nur über das „wie“ der Umsetzung des Volksentscheids reden. Es wird darauf ankommen, ob es ihr gelingt, die Beerdigungsstrategie der rot-rot-grünen Koalition zu durchkreuzen.

Nur „gegebenenfalls“ will der Senat „Eckpunkte für ein Vergesellschaftungsgesetz“ vorlegen, und zwar erst „im Jahr 2023″. Eckpunkte sind kein ausformuliertes Gesetz. Ob und wann der Senat dem Abgeordnetenhaus ein Vergesellschaftungsgesetz zur Lesung und Verabschiedung zuleiten wird, steht in den Sternen.

Wenn der Senat nicht will, muss das Volk das letzte Wort haben.


Langfassung:

Im Volksentscheid stimmte die Mehrheit der Berliner für die Enteignung von privaten Unternehmen, denen mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin gehören. Die zukünftige rot-rot-grüne Koalition hat beschlossen, in den ersten 100 Tagen dazu eine Kommission einzusetzen. In einer Verabredung der zukünftigen Koalition heißt es zum Auftrag dieser Kommission (siehe Koalitionsvertrag S. 24, wo erst ganz am Ende des Kapitels „Stadtentwicklung Bauen, Mieten“ mit folgenden Worten zum Volksentscheid Stellung genommen wird):

„Die neue Landesregierung respektiert das Ergebnis des »Volksentscheides über einen Beschluss zur Erarbeitung eines Gesetzentwurfs durch den Senat zur Vergesellschaftung der Wohnungsbestände großer Wohnungsunternehmen« und wird verantwortungsvoll damit umgehen.

Sie setzt eine Expertenkommission zur Prüfung der Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Umsetzung des Volksbegehrens ein.

Die Besetzung der Expertenkommission erfolgt unter Beteiligung der Initiative des Volksbegehrens.

Die Kommission erarbeitet innerhalb eines Jahres eine Empfehlung für das weitere Vorgehen an den Senat, der dann eine Entscheidung darüber trifft.

In den ersten 100 Tagen beschließt der Senat über die Einberufung, Beauftragung und Besetzung der Expertenkommission anhand einer Beschlussvorlage.

Dabei setzt die Koalition auf externe fachliche Expertise.

In einem ersten Schritt soll die Kommission die Verfassungskonformität einer Vergesellschaftung, wie im Volksentscheid vorgesehen, untersuchen. Dabei sollen auch mögliche rechtssichere Wege einer Vergesellschaftung benannt und rechtlich bewertet werden.

In einem zweiten Schritt werden für diese Wege wohnungswirtschaftliche, gesellschaftsrechtliche und finanzpolitische Aspekte berücksichtigt und entsprechende Empfehlungen an den Senat erarbeitet.

Der Senat wird die möglichen verfassungskonformen Wege einer Vergesellschaftung unter wohnungswirtschaftlichen, gesellschaftsrechtlichen und finanzpolitischen Gesichtspunkten gewichten und bewerten.

Auf Basis der Empfehlungen der Expertenkommission legen die zuständigen Senatsverwaltungen im Jahr 2023 gegebenenfalls Eckpunkte für ein Vergesellschaftungsgesetz vor.

Danach wird der Senat eine abschließende Entscheidung darüber treffen„.

So berichtete der rbb am 23. November und die Partei DIE LINKE zitierte mit diesem Wortlaut die rot-rot-grüne Verabredung zum Volksentscheid in einer Mail vom 23. November 2021 an ihre Mitglieder. Maria Kanitz teilt in derselben Mail im Namen der Landesvorsitzenden Katina Schubert mit: „Nach über 15 Stunden haben wir in Sachen Volksentscheid jetzt eine Einigung erzielt, die auf Folgendes abzielt: die Expert*innenkommission prüft nicht das ob, sondern das wie …

Diese Wertung entspricht nicht dem, was vereinbart wurde.

Denn der Satz „Auf Basis der Empfehlungen der Expertenkommission legen die zuständigen Senatsverwaltungen im Jahr 2023 gegebenenfalls Eckpunkte für ein Vergesellschaftungsgesetz vor“ lässt alle Türen offen: Nur „gegebenenfalls“ macht der Senat eine Vorlage. Nur „gegebenenfalls“ legt er „Eckpunkte für ein Vergesellschaftungsgesetz“ vor, und zwar „gegebenenfalls“ erst „im Jahr 2023″. Ob und wann nicht nur „Eckpunkte für ein Vergesellschaftungsgesetz“ vorgelegt werden, sondern ein Vergesellschaftungsgesetz, das vom Abgeordnetenhaus verabschiedet werden kann, steht in den Sternen.

In einem ersten Schritt soll die Expertenkommission „die Verfassungskonformität einer Vergesellschaftung, wie im Volksentscheid vorgesehen, untersuchen“.

Was spricht dagegen, die Verfassungsmäßigkeit eines geplanten Vorhabens zu prüfen? Schließlich hat sich der Senat mit dem Berliner Mietendeckel schon einmal eine Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht eingehandelt.

Es existieren jedoch schon eine Reihe von Gutachen und die weit überwiegende Zahl der Sachverständigen bestätigte die Verfassungskonformität, also die Vereinbarkeit des Volksentscheids mit den Bestimmungen des Grundgesetzes. Auch das Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages bekräftigte die Verfassungskonformität. Ein Gutachten mit mehr Kompetenz ist kaum vorstellbar.

Doch – wie bei jedem Rechtsstreit – gibt es auch in der Frage der Verfassungskonformität Juristen, die eine andere Meinung vertreten. Am Ende werden die Gerichte entscheiden. Genauer: Der Senat muss die Gerichte entscheiden lassen. Der Senat würde den Volksentscheid nicht mehr respektieren, wenn er über die Expert*innenkommission versuchen würde einer gerichtlichen Entscheidung aus dem Wege zu gehen. Notwendig ist eine politische Entscheidung, das heißt: Ein Beschluss des Abgeordnetenhauses über ein Gesetz zur Vergesellschaftung der Wohnungskonzerne. In jedem Fall werden die Gegner einer Vegesellschaftung dafür sorgen, dass dieses Gesetz von den Gerichten auf seine Rechtsmäßigkeit, insbesondere auch auf die Verfassungskonformität überprüft wird. Am Ende entscheiden also immer die Gerichte – wenn man sie entscheiden lässt.

Allenfalls könnte eine Expert*innenkommssion beauftragt werden, einen möglichst gerichtsfesten Entwurf zur Vergesellschaftung zu erarbeiten. Die Verabredung der Koalition enhält jedoch einen erweiterten Auftrag. Die Expert*innenkommission soll in einem zweiten Schritt „wohnungswirtschaftlichen, gesellschaftsrechtliche und finanzpolitische Aspekte berücksichtigen und entsprechende Empfehlungen erarbeiten“. Dann wird „der Senat die möglichen verfassungskonformen Wege einer Vergesellschaftung unter wohnungswirtschaftlichen, gesellschaftsrechtlichen und finanzpolitischen Gesichtspunkten gewichten und bewerten“ und auf dieser Grundlage abschließend entscheiden. Das enthält jede Menge Sprengstoff und eröffnet reichlich Möglichkeiten, den Volksentscheid auszuhebeln. Bewusst wird darüber hinweg gegangen, dass die Berlinnerinnen und Berliner schon entschieden haben. Sie haben für eine Vergesellschaftung aller privaten Wohnungsunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen gestimmt. Wenn der Senat noch einmal entscheiden will, obwohl die Berlinerinnen und Berliner schon entschieden haben, macht er allein damit schon deutlich, dass er – entgegen seinen Beteuerungen – den Volksentscheid nicht respektiert. Sonst würde er ihn nicht noch einmal prüfen lassen und neu entscheiden wollen.

Die Kommission ist inzwischen vom Senat eingesetzt worden. Den Vorsitz dieser Kommission führt Herta Däubler-Gmelin. Die Initiative „DW & Co enteignen“ hat sich entschieden, sich an der Kommission zu beteiligen, und will nicht über das „ob“, sondern über das „wie“ der Vergesellschaftung sprechen. Es wird darauf ankommen, ob es ihr gelingt, die Beerdigungsstrategie der rot-rot-grünen Koalition zu durchkreuzen. Das Volk muss das letzte Wort haben.