Zum zukünfigen Betrieb der S-Bahn wurde in der rot-rot-grünen Koalitionsvereinbarung festgelegt:
„Die S-Bahn ist ein Garant der Berliner Mobilität. Die Koalition schließt das laufende Ausschreibungsverfahren mit dem Ziel eines sicheren Betriebs, neuer S-Bahnen sowie umfassender Beschäftigtenrechte ab. Der Parlamentsvorbehalt gilt weiterhin. Die Koalition verfolgt unabhängig von der Ausschreibung das Ziel einer Kommunalisierung der S-Bahn. Sie tritt in zügige Verhandlungen mit dem Bund und der Deutschen Bahn zum Kauf der S-Bahn ein und entwickelt bis Herbst 2022 einen Fahrplan zum Aufbau eines eigenen Eisenbahnverkehrsunternehmens (EVU). Auf Bundesebene tritt die Koalition für eine
Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) hinsichtlich der Vergabe in besonderen Netzen ein„
Solange die Ausschreibung der S-Bahn nicht beendet wird, sind alle Versprechungen, Beschäftigtenrechte abzusichern und die S-Bahn zu kommunalisieren, nicht glaubhaft. Denn solange die Ausschreibung weiter läuft, besteht die Möglichkeit, dass ein privater S-Bahn Betreiber die Ausschreibung gewinnt. Selbst wenn die Deutsche Bahn, die bisher über ihre Tochter – die S-Bahn GmbH – die S-Bahn betriebt, den Zuschlag bekommen sollte, ist mit einer Teilprivatisierung zu rechnen. Denn die Bewerbung der Deutschen Bahn zusammen mit Siemens, ergibt nur Sinn, wenn dem privaten Unternehmen Siemens ein Teil der jetzt ausgeschriebene Aufgaben übertragen wird.
Schon in einer Mitteilung des rbb vom 20. November 2021 konnten wir erfahren, dass die „künftige rot-grün-rote Koalition in Berlin beim Bund dafür werben will, dem Land die S-Bahn zu verkaufen“. Allerdings bedeutete dies schon damals nicht, „die derzeit laufenden Ausschreibungsverfahren abzubrechen“. Und so steht es jetzt auch in der Koalitionsvereinbarung: Das laufende Ausschreibungsverfahren wird abgeschlossen. Dann heißt es: Der Parlamentsvorbehalt gilt weiterhin. Das Abgeordnetenhaus soll also die Letztentscheidung treffen. Warum erst nach Abschuss des laufenden Ausschreibungsverfahrens?
Das ist vor allem aus deswegen unverständlich, weil die Koalition gleichzeitig in „zügige Verhandlungen mit dem Bund und der Deutschen Bahn zum Kauf der S-Bahn“ eintreten will.
Aber was ist, wenn sich Berlin mit dem Bund und der deutschen Bahn nicht einigen können, weil der Bund nicht verkaufen will?
Auch der rbb räumte schon am 22. November ein: Ein Verkauf werde „in Fachkreisen als wenig wahrscheinlich angesehen, da die Bahn bislang einen Verkauf ihres Tochterunternehmens immer abgelehnt hatte“. Gerade für den Fall, dass es zu keiner Einigung Berlin mit dem Bund und der Deutschen Bahn kommt, setzt Berlin erkennbar auf eine Vergabe des S-Bahn Betriebes über die laufende Ausschreibung.
Das heißt: Der zukünftige rot-grün-rote Senat nimmt eine Privatisierung des S-Bahn Betriebes weiter in Kauf. Und das heißt: Der Senat nimmt in Kauf höhere Preise, weniger Arbeitsplätzen, schlechteren Service, schlechtere Löhne. Also das ganze bekannte Programm, das eine Privatisierung so mit sich bringt. Wir kennen das. Die Privatisierung des Wassers sollte eigentlich als Lehrstück reichen. Auch die schlimmen Folgen der Privatisierung von 200.000 Wohnungen sollten dem Senat eine Lehre sein. Was treibt einen rot-rot-gründen Senat dazu, trotzdem noch einmal in die Privatisierungs-Falle zu tappen? Und das in einer Zeit, wo der Ruf immer lauter wird, nicht den privaten Individualverkehr, sondern den öffentlichen Nahverkehr auszubauen. Nur so haben wir alle Hebel in der Hand, um die notwendigen Umweltziele zu erreichen.
Der Senat verspricht in der Koalitionsvereinbarung, „bis Herbst 2022 einen Fahrplan zum Aufbau eines eigenen Eisenbahnverkehrsunternehmens (EVU)“ zu entwickeln. Aber dieser Plan, von dem ebenfalls der rbb schon berichtet hatte, ist nicht mit dem Abbruch der gegenwärtigen Ausschreibung verbunden. Wozu dann diese Gründung eines landeseigenen Eisenbahnverkehrsunternehmens?
Bisher ist immer wieder angegeben worden, sich „gegebenenfalls an künftigen Vergaben zu beteiligen“. Künftige Vergaben wären in 15 oder 30 Jahren. Warum erst dann und nicht jetzt? Warum wird trotz Gründung der EVU die Ausschreibung weiter geführt? Wenn der rot-rot-grüne Senat ein landeseignes Eisenbahnunternehmen gründet, ist es ohne weiteres möglich, den S-Bahn Betrieb an dieses landeseigene Unternehmen ohne Ausschreibung zu vergeben.
Sicher: Wenn der Bund bereit ist, die S-Bahn an das Land Berlin zu verkaufen, wäre das die beste Lösung. Aber es wäre ganz falsch, wenn sich das Land Berlin von dieser Bereitschaft des Bundes zum Verkauf abhängig machen würde. Am Ende kommt es auf die Bereitschaft des Landes Berlin an. Ich meine die Bereitschaft, in jedem Fall eine Privatisierung zu verhindern und das heißt die S-Bahn in jedem Fall unter eigener Regie weiter zu betreiben – ob mit oder ohne Zustimmung des Bundes, oder anders gesagt: Ob mit Zustimmung des Bundes über eine an Berlin verkaufte S-Bahn GmbH oder ohne Zustimmung des Bundes über die von Berlin neu gegründete EVU. Das ist die Nagelprobe, ob Berlin die Privatisierung der S-Bahn will oder nicht will.