Ja, eine Direktvergabe ohne Ausschreibung ist möglich. Dazu muss die deutsche Bahn AG die Kontrolle über die S-Bahn GmbH an die Länder Berlin und Brandenburg zusammen oder an das Land Berlin alleine abgeben. Wer das nicht will, kommt auf Dauer an einer Ausschreibung mit all den drohenden schädlichen Folgen nicht vorbei.
Im Einzelnen:
Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) schließt für den Schienenpersonen-nahverkehr, also auch für den S-Bahn Betrieb, unter bestimmten Voraussetzungen eine Direktvergabe nicht aus[1] S§ 131 Abs. 2 i.V.m. der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007, auf die ausdrücklich verwiesen wird.: Das Land Berlin kann den Verkehrsdienst selbst erbringen (Eigenerbringung, z.B über einen Eigenbetrieb) oder an einen internen Betreiber direkt vergeben (sog. Inhouse-Vergabe, d.h. ohne Ausschreibung). Dieser interne Betreiber kann eine GmbH wie die S-Bahn GmbH sein. Das Land Berlin muss aber über diesen Betreiber eine ähnliche Kontrolle ausüben wie über seine eigenen Dienststellen (Kontrollkriterium)[2]Bei der Erfüllung des Kontrollkriteriums kommt es auf den tatsächlichen Einfluss auf strategische Entscheidungen und einzelne Managemententscheidungen an, aber auch auf den Umfang der … Continue reading. Bis hat das Land aber keine Anteile an der S-Bahn GmbH und an einer Kontrolle über die S-Bahn GmbH durch das Land Berlin fehlt es erst recht.
Ganz sicher wäre die beste Lösung eine Kontrolle der S-Bahn GmbH durch das Land Berlin. Dafür sprechen all die Gründe, die ganz allgemein gegen einen Betreiberwechsel sprechen: Es müssten nicht neue Werkstätten errichtet werden, obwohl die S-Bahn GmbH über solche Werkstätten verfügt. Es stünde ohne weiteres das erfahrene Personal zur Verfügung, das bisher für den Betrieb und die Instandhaltung der S-Bahn sorgt. Es könnte so weit wie möglich die Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn fortgeführt werden. Die bisherige Tarifbindung würde weiter gelten. Auf der anderen Seite steht zu viel auf dem Spiel, wenn die Deutsche Bahn AG sich weigert, dem Land Berlin die Kontrolle über und Anteile an der S-Bahn GmbH einzuräumen. Dann bleibt als Alternative auf Dauer nur die Ausschreibung und das heißt: Drohende Privatisierung, drohende Zerschlagung der S-Bahn und drohender Verlust der bisherigen Tarifbindung.
Um Anteile an der S-Bahn GmbH und die Kontrolle über die S-Bahn GmbH zu erlangen, ist das Land Berlin auf die Zustimmung der Deutschen Bahn AG und der Bundespolitiker angewiesen, die im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG sitzen. Das Land Berlin muss sich für den Fall vorbereiten, dass die Deutsche Bahn AG diese Zustimmung verweigert und es damit auf eine Ausschreibung ankommen lässt und auch eine Privatisierung in Kauf nimmt. Dann hat das Land Berlin keine andere Wahl, als einen Eigenbetrieb oder ein landeseignes Unternehmen, etwa in der Rechtsform der AöR, aufzubauen, an das das Land Berlin den Betrieb der S-Bahn und die Instandhaltung der landeseigenen Fahrzeuge direkt vergibt. Das Land Berlin muss sich frühzeitig darauf vorbereiten. Allerdings nur unter Bindung an alle Tarifverträge, an die die S-Bahn GmbH gebunden ist. Das muss immer wieder hervorgehoben werden; denn das Land Berlin hat in anderen Fällen gerade auch in dieser Frage vollkommen versagt (siehe die Ausgründungen in den Krankenhäusern und bei der BVG).
Auch gegenüber dem Land Brandenburg hat das Land Berlin in einer verhältnismäßig starken Position. Das Land Berlin hat rein rechtlich die Möglichkeit, den S-Bahn Betrieb auch dann selbst durchzuführen bzw. an einen internen Betreiber zu vergeben, wenn das Land Brandenburg das ablehnt. Es kann ohne Beteiligung des Landes Brandenburg den Verkehr der S-Bahn betreiben. Dass einige S-Bahn-Linien bis in das Brandenburger Land hineinreichen, lässt das Gesetz ausdrücklich zu[3]§ 131 Abs.2 i.Vm. Art. 5 Abs. 2 lit a. VO (EG) Nr. 1370/2007 Art. 5 Abs. 2 lit b. Siehe auch: Säcker- Bremer/Helmstäter Münchener Kommentar Europäisches und Deutsches Wettbewerbsrecht. München … Continue reading.
Über eine Verlängerung der Übergangsverträge , die das Land Berlin schon jetzt mit der S-Bahn GmbH abgeschlossen hat ( https://www.berlin.de/senuvk/verkehr/politik_planung/oepnv/s_bahn/ )
, kann es Zeit gewinnen, alle Vorbereitungen für einen landeseigenen Betrieb zu treffen.
References
↑1 | S§ 131 Abs. 2 i.V.m. der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007, auf die ausdrücklich verwiesen wird. |
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↑2 | Bei der Erfüllung des Kontrollkriteriums kommt es auf den tatsächlichen Einfluss auf strategische Entscheidungen und einzelne Managemententscheidungen an, aber auch auf den Umfang der Vertretung in den Aufsichtsgremien, die entsprechenden Bestimmungen in der Satzung und das Vorhandensein von Eigentumsrechten, so dass es am Ende auf eine Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung aller rechtlichen und tatsächlichen Umstände hinausläuft (Säcker- Bremer/Helmstäter Münchener Kommentar Europäisches und Deutsches Wettbewerbsrecht. München 2018 2. Auflage GWB § 131 Rn. 14)) und mehr als 80 Prozent der Tätigkeiten müssen vom Land Berlin in Auftrag gegeben werden (sog. Tätigkeitskriterium). Eine Beteiligung privater Unternehmen an diesem Betreiber (sog. Beteiligungskriterium) schließt das Gesetz nicht aus; es enthält nicht einmal eine Begrenzung für die Beteiligung Privater (( Säcker- Bremer/Helmstäter Münchener Kommentar Europäisches und Deutsches Wettbewerbsrecht. München 2018 2. Auflage GWB § 131 Rn. 14; dort wird auf den Gegensatz von § 131 Abs.2 i.Vm. Art. 5 Abs. 2 lit a. VO (EG) Nr. 1370/2007 (sog. PersonenverkehrsVO) zu § 108 Abs 1 GWB hingewiesen, wo in Ziff. 3 eine Begrenzung privater Beteiligungen geregelt ist. |
↑3 | § 131 Abs.2 i.Vm. Art. 5 Abs. 2 lit a. VO (EG) Nr. 1370/2007 Art. 5 Abs. 2 lit b. Siehe auch: Säcker- Bremer/Helmstäter Münchener Kommentar Europäisches und Deutsches Wettbewerbsrecht. München 2018 2. Auflage GWB § 131 Rn. 15; dort wird auf den Gegensatz von § 131 Abs.2 i.Vm. Art. 5 Abs. 2 lit a. VO (EG) Nr. 1370/2007 (sog. PersonenverkehrsVO) zu § 108 Abs 1 GWB hingewiesen, wo in Ziff. 3 eine Begrenzung privater Beteiligungen geregelt ist. |