Entwurf eines Gesetzes für Whistleblower: Wo der Schutz nicht reicht

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Die Meinungsäußerungsfreiheit von Whistleblowern ist deswegen so bedeutsam, weil sie die Warnung vor drohenden Gefahren ermöglicht, denen die Allgemeinheit sonst schutzlos ausgeliefert wäre; niemand anderes weiß davon oder wir erfahren das erst, wenn es zu spät ist.

Whistelblowerschutz ist also Gefahrenschutz ersten Ranges. Das gilt vor allem dann, wenn es um überragende Gemeinschaftsbelange, Überlebensinteressen der Menschheit geht.

Weder Unternehmensinteressen noch Interessen der nationalen Sicherheit dürfen gegen diesen Gefahrenschutz abgeschirmt werden.

Diesen Anspruch erfüllt der Referentenentwurf eine Gesetzes zum Schutz von Whistleblowing vom 24. März 2022 nicht.

Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit hier meine Kritik:

Inhaltsverzeichnis:

Besonderer Schutz von Unternehmen?

Unternehmen erhalten einen besonderen Schutz vor Veröffentlichungen, der sonst im Zivilrecht oder Strafrecht nicht existiert:

Nachweis im Referentenentwurf: Eine Offenlegung, also eine Bekanntmachung gegenüber der Öffentlichkeit (§ 3 Abs. 5), wird in der Regel nur erlaubt, wenn vorher der Verstoß extern gemeldet wurde (§ 32 in Verbindung mit §§ 27 – 31): Eine externe Meldung ist eine Information an eine zuständige Stellen außerhalb des Unternehmens (§§19 ff).

Eine der Ausnahmen von der Reihenfolge ‚Erst externe Meldung, dann Offenlegung‘ gilt dann, wenn „der Verstoß wegen eines Notfalls, der Gefahr irreversibler Schäden oder vergleichbarer Umstände eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann“ (§ 32 Nr. 1).

Diese Einschränkung des öffentlichen Interesses auf „Notfälle, die Gefahr irreversible Schäden oder vergleichbare Umstände“ wird der herausragenden Bedeutung der Meinungsfreiheit für eine demokratische Gesellschaft, wie sie etwa das Bundesverfassungsgericht im Lüth-Urteil beschrieben hat, nicht gerecht.

Auch wenn an eine Offenlegung, eine Bekannmachung in der Öffentlichkeit, höhere Anforderungen gestellt werden müssen als an eine interne oder externe Meldung, findet sich ein Verbot der Offenlegung unrichtiger Verstösse (§ 32 Absatz 2) und eine entsprechende Sanktionierung (§ 40 Absatz 1) nicht einmal in der EU-Richtlinie 2019/1937[1]vergleiche § 32 Absatz 2 des Referentenentwurfs mit Artikel 15 EU-Richtlinie 2019/1937. Es besteht schon jetzt ein ausreichender Schutz gegen die Verbreitung von unrichtigen Verstössen in der Öffentlichkeit. Einen besonderen Schutz darüber hinaus für Unternehmen in einem WhistleblowerGesetz bedarf es nicht.

Eine Formulierung, die der Meinungsfreiheit ein größeres Gewicht einräumt, ist zu finden unter: https://widerstaendig.de/whistleblower/fuer-ein-besseres-recht/#vorbehalt

Anforderungen an Strafanzeigen zu hoch

Es ist nicht einzusehen, dass die Anforderungen, die an den Wahrheitsgehalt einer Strafanzeige gestellt werden, höher als sonst sein müssen, wenn sich die Strafanzeige gegen ein Unternehmen richtet. Unternehmen dürfen nicht mehr als andere vor Strafanzeigen geschützt werden.

Schon die EU-Richtlinie 2019/1937 stellte zu hohe Anforderungen an den Wahrheitsgehalt einer Strafanzeige, weil sie für eine interne oder externe Meldungen verlangt, dass Whistleblower “hinreichenden Grund zu der Annahme hatten, dass die gemeldeten Informationen über Verstöße zum Zeitpunkt der Meldung der Wahrheit entsprachen” (Artikel 1 Absatz 1 a der EU-Richtlinie 2019/1937) .

Der Referentenentwurf verlangt, dass die „Informationen über Verstöße begründete Verdachtsmomente sind oder Wissen über tatsächliche oder mögliche Verstöße sowie über Versuche der Verschleierung solcher Verstöße, die bereits begangen wurden oder sehr wahrscheinlich erfolgen werden“ (§ 3 Absatz 3).

Diese Anforderungen übernimmt der Referentenentwurf ohne dabei die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu beachten, nach der es nicht auf „begründete“ Verdachtsmomente ankommt, also darauf, ob ein Verdacht eine Straftat begründen könnte, sondern allein darauf, dass derjenige, der den Verdacht auf eine Straftat seines Arbeitgebers bei der Staatsanwaltschaft anzeigt, nicht wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben macht. Es ist allein Aufgabe der Staatsanwaltschaft und schließlich der Gerichte zu prüfen, ob eine Strafanzeige „begründet“ ist, also einen bestimmten Straftatbestand erfüllt.

Siehe dazu: https://widerstaendig.de/whistleblower/fuer-ein-besseres-recht/#Strafanzeigen

Besonderer Schutz der nationalen Sicherheit?

Whistleblower wie Daniel Ellsberg, Edward Snowden oder Chelsea Manning werden durch diesen Referentenentwurf nicht geschützt. 

Nachweis im Referentenentwurf: Kein Schutz für Whistleblower, die über Verstösse im nationalen Sicherheitsbereich oder  Bereich wesentlicher Sicherheitsinteressen informieren (§ 5 Abs. 1), selbst wenn es um strafbare Handlungen oder Verstöße gegen Leib, Leben oder Gesundheit geht (§ 2 Abs, 1 Nr, 1 und 2) geht.

Siehe dazu: https://widerstaendig.de/whistleblower/fuer-ein-besseres-recht/#Schutz

Auch Hinweise auf Fehlverhalten schützen!

Wie in § 5 Nr. 2 Geschäftsgeheimnisgesetz sollte Whistleblowing auch dann geschützt werden, wenn es sich nicht um rechtswidriges Verhalten, sondern um Fehlverhalten unterhalb der Schwelle der Rechtswidrigkeit handelt.

Solche Verstösse schließt der Referentenentwurf ausdrücklich aus, erfasst allerdings neben den rechtwidrigen Handlungen (§ 3 Absatz 1 Nr. 1) auch missbräuchliche Handlungen unterhalb der Schwelle der Rechtswidrigkeit, wobei Handlungen missbräuchlich sind, „weil sie dem Ziel oder dem Zweck der Regelungen in den Vorschriften oder Rechtsgebieten zuwiderlaufen“, die in den vom Gesetz definierten sachlichen Anwendungsbereich fallen. (§ 3 Absatz 2 Nr. 2). Anders als im Geschäftsgeheimnisgesetz soll damit im Referentenentwurf unethisches Verhalten nicht geschützt werden[2]siehe Begründung zu § 3 Absatz 1 Nr. 1, Referentenentwurf S. 69.

Zusammenfassung

Whistleblowerschutz ist Gefahrenschutz ersten Ranges. Kein Unternehmen und keine Einrichtung darf gegen diesen Gefahrenschutz abgeschirmt werden. Diesen Anspruch erfüllt der Referententwurf nicht: Unternehmen erhalten einen besonderen Schutz vor Veröffentlichungen, der sonst im Zivilrecht oder Strafrecht nicht existiert. Auch die Anforderungen an Strafanzeigen gegen Unternehmen sind höher als sonst. Menschen wie Daniel Ellsberg, Edward Snowden oder Chelsea Manning legen Verstösse im nationalen Sicherheitsbereich, Bundesnachrichtendienst usw. offen. Sie dürfen nicht vom Whistleblowerschutz ausgeschlossen werden. Im Übrigen müssen auch Whistleblower geschützt werden, die Missstände offenlegen, die keine Rechtsverstösse sind.

Siehe auch zum Referentenentwurf für ein Hinweisgebergesetz:

References

References
1 vergleiche § 32 Absatz 2 des Referentenentwurfs mit Artikel 15 EU-Richtlinie 2019/1937
2 siehe Begründung zu § 3 Absatz 1 Nr. 1, Referentenentwurf S. 69