These: 1
Eine der zentralen Losungen der VVN-BdA ist: Nie wieder Krieg. Schon aus diesem Grund muss die Revolution von 1918 für uns eine große Bedeutung haben. Denn diese Revolution von 1918 baute auf den Massenstreiks während des ersten Weltkrieges auf und war zuallererst eine Antikriegsbewegung. Massenstreiks gegen den Krieg in diesem Ausmaß hat es danach nie mehr gegeben.
These: 2
1918 bis 1933 umfassten keine lange Zeit: 15 Jahre. Die meisten, die das Ende der ersten deutschen Republik mit der Ernennung von Hitler zum Reichskanzler erlebten, hatten schon die Geburtsstunde dieser Republik in der Revolution am 9. November 1918 erlebt.
Wichtiger als der engen zeitliche Zusammenhang ist der innere Zusammenhang zwischen der Nichtvollendung der Revolution 1918/19 und dem Sieg des Hitlerfaschismus 1933. Einer der wichtigsten Gründe für das Erstarken des Hitlerfaschismus war, dass der Militarismus und die Schwerindustrie in der Revolution 1918/19 nicht entmachtet wurden und kein starkes demokratische Fundament geschaffen wurde. So konnte sich in wenigen Jahren der Faschismus formieren.
These: 3
Der Faschismus beseitigte alle Errungenschaften, die 1918 erkämpft worden waren, und machte den 9. November zu einem Tag des Gedenkens an diejenigen, die im Hitler – Ludendorff Putsch 1923 gegen die Republik getötet worden waren. Der Faschismus verkehrte den 9. November als einem Tag der Erinnerung an die Geburtsstunde der Republik in einen Tag der Erinnerung an diejenigen, die diese Republik schon am 9. November 1923 zerstören wollten.
These: 4
Auch nach 1945 gelang es nicht, die Verantwortlichen für Krieg und Faschismus von den Ämtern in der Justiz, in den Verwaltungen und im Militär fernzuhalten, jedenfalls gilt das uneingeschränkt für Westdeutschland. Gut 10 Jahre später gab es wieder eine deutsche Armee – mit faschistischen Generalen an der Spitze.
In diese Zeit der Restauration gehört auch, dass die Erinnerung an die Revolution 1918 fast vollständig ausgelöscht und auch damit das Werk des Faschismus weitergeführt wurde.
Wenn wir den 9. November als Tag der Novemberrevolution vergessen, haben die Nazis ihr Ziel erreicht, die Novemberrevolution aus dem Gedächtnis des Volkes zu löschen.
These: 5
Auch die Reichspogromnacht 1938 fiel auf den 9. November.
In einer Erklärung zum 100. Jahrestag der Novemberrevolution, die von rund 170 Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern unterstützt wurde, heißt es dazu: “Wir glauben nicht, dass die jährliche Erinnerung an die Reichspogromnacht von 1938 am 9. November die Erinnerung an die Revolution von 1918/19 am selben Tag ausschließt. Im Gegenteil: Wer angemessen an die Judenpogrome erinnern will, muss an die Zerstörung der Republik 1933 erinnern, die schon mit der blutigen Niederschlagung der Revolution 1918/19 begann. Die Machtübergabe an Hitler 1933 war die Vollendung der Gegenrevolution, völker- und massenmörderische Menschheitsverbrechen waren die Folge und der Antisemitismus von Beginn an Teil des konterrevolutionären Programms. 1933 waren die Gegenkräfte auch des Antisemitismus niedergeworfen, 1938 die Gewerkschaften und Arbeiterparteien längst verboten, alle demokratischen Rechte längst beseitigt“.
Wer angemessen an die Judenpogrome erinnern will, muss an die Zerstörung der Republik 1933 erinnern. Wer an die Zerstörung der Republik erinnert, muss an ihre Begründung 1918 erinnern und an das Unvermögen, sie danach zu verteidigen. Nur so können Lehren aus der Geschichte gezogen werden.
These: 6
Der Schwur von Buchenwald lautet: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel“. Das waren auch die Ziele der Revolution von 1918: Gegen den Krieg, für die Republik und Demokratie. Die Antifaschisten nach 1945 und die Revolution von 1918/19 kämpften für dasselbe Ziel: Den Aufbau einer Welt des Friedens und der Freiheit.
Auf einem Denkstein auf dem alten Friedhof Buer in Gelsenkirchen steht: „Zerstampft des Unrechts Drachensaat / Zerstampft den Hass von Staat zu Staat / Versenkt die Waffen in Gewässern / Dann wird im Friedenssonnenschein / Die ganze Welt uns Heimat sein“ Auf der linken Seite sind die Namen derer genannt, die als Mitglieder der Roten Ruhrarmee gegen den Kapp-Putsch ermordet wurden. Das Denkmal wurde von den Nazis zerstört und auf Initiative des „Komitees ehemaliger politischer Gefangener und Konzentrationäre“, aus der später die VVN hervorging, nach dem Krieg neu errichtet. Nun wurden auf der rechten Seite die Namen von ermordeten Mitgliedern von Arbeiterorganisationen und von Angehörigen zweier jüdischer Familien hinzugefügt, die von den Nazis ermordet wurden. Auf dem Denkstein steht in der Mitte unten: “Sie starben für die Befreiung der Arbeiterklasse”. Dabei ging es immer auch um den Kampf um Demokratie.
Auch die Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin Friedrichsfelde erinnert an die Opfer der Revolution von 1918/19 und an diejenigen, die gegen den Faschismus im Widerstand waren und dabei ihr Leben verloren.
These: 7
Die VVN-BdA Kreuzberg Friedrichshain hatte in ihrer Rede am 8. Mai 2021 darauf hingewiesen, dass sich die Häftlinge in Buchenwald in den letzten Stunden vor der Befreiung durch die amerikanische Armee selbst befreiten. Dieser Akt der Selbstbefreiung ist gerade deshalb so bedeutsam, weil die Deutschen insgesamt sich nicht selbst vom Faschismus befreien konnten.
Die Forderung nach „Befreiung“ spielte auf der Demonstration am 8. Mai 2021 eine sehr große Bedeutung. „Befreiung“ stand auf dem Transparent, das an der Spitze des Zuges getragen wurde. Befreiung wurde als gegenwärtige Aufgabe verstanden. Und das kann nur Selbstbefreiung sein: Gemeinsam dieses Land von Rassismus, aber auch von Kriegsgefahr, Aufrüstung und Unterdrückung zu befreien.
Als Beispiel für Selbstbefreiung ist die Revolution von 1918/19 das große Beispiel in unserer Geschichte. Die Revolution von 1918 war ein Massenkampf von enormem Ausmaß und hatte auch mindesten zum Teil Erfolg. Denn sie besiegelte nicht nur das Kriegsende, sondern schuf auch – anders als der erste Versuch 1848 – die erste deutsche Republik, die für die Dauer von 15 Jahren Bestand hatte.
These: 8
In Frankreich ist der 14. Juli, der Tag des Sturms auf die Bastille, der wichtigste Nationalfeiertag. Denn dieser Tag legte 1789 den Grundstein für die erste französische Republik. Sicher wird dieser Tag von der herrschenden Klasse stark vereinnahmt, zum Beispiel zeigt die französische Armee an diesem Tag in jedem Jahr in einer Militärparade ihre neueste Waffentechnik auf dem Champs Elysee. Aber das ist nur die eine Seite. Dieser Tag des Aufstandes ist tief in der französischen Bevölkerung verankert. Er wird in jedem Dorf gefeiert. Die Gelbwesten riefen bei ihren Protesten: „Macron in die Bastille“.
Bei uns ist der entsprechende Tag der 9. November. Er kann wegen der Reichspogromnacht 1938 nicht gefeiert werden. Aber als nationaler Erinnerungstag an die Novemberrevolution 1918 und die Reichspogromnacht 1938 muss er ein arbeitsfreier Tag werden.