Faschismus, Nipperdey und Arbeitsrecht

Hier veröffentlichen wir Beiträge, die darüber berichten, wie das deutsche Arbeitsrecht durch den Faschismus geprägt wurde

Inhaltsverzeichnis

Sie zu diesem Thema auch: Wer war Hans Carl Nipperdey?


Im 4. Quartal 2022 veröffentlichte die „Kritische Justiz“ (4/2022, S. 399-411) einen Aufsatz von Martin Borowsky. Martin Borowsky war wissenschaftlicher Mitarbeiter am BAG und ist dort auf die sogenannte „Ahnengalerie“ gestoßen. Dort finden sich auch die ersten Richter und Richterinnen nach der Zerschlagung des Nazifaschismus. So z.B. Hans Gustav Joachim ein überzeugter Anhänger des Naziregimes (YouTube: „Nazi-Richter am Bundesarbeitsgericht“). Der folgende Beitrag war ein Versuch einen kritischen Beitrag zur Reflektion über die Kriterien der Belastung von Juristen in der NS-Zeit zu leisten. Besteht doch immer noch das Problem vorschnell „einen Persilschein“ zu erteilen. Die Kritische Justiz hat die Veröffentlichung des Beitrags kommentarlos abgelehnt. Es geht insbesondere um die Verharmlosung der Rolle, die Hans-Carl Nipperdey im Faschismus gespielt hat. Dieser Beitrag wurde erstmals auf labournet veröffentlicht. Wir veröffentlichen den Beitrag mit freundlicher Genehmigung der Autorin Regina Steiner (Vorsitzende der VDJ)

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Wer war Hans Carl Nipperdey?

Hans Carl Nipperdey

Eine empfehlenswerte Sendung des Deutschlandfunks gibt Einblick nicht nur in diese Person, sondern auch, in welchem Ausmaß das faschistische Arbeitsrecht bis heute das deutsche Arbeitsrecht prägt. Die Sendung über Hans Carl Nipperdey hier lesen und hören.

Schon während der Weimarer Republik vertrat Hans Carl Nipperdey einen “wirtschaftsfriedlichen” Kurs.

Während des Faschismus setzte er in der Akademie für Deutsches Recht die faschistische Ideologie in Recht um. Er kommentierte u.a. zusammen mit Alfred Hueck und Rolf Dietz das faschistische Arbeitsrecht AOG[1].

Dieser Kommentar erschien 1934. Da war es schon ein Jahr her, dass die Gewerkschaften zerschlagen und die Gewerkschaftshäuser besetzt worden waren. Das AOG hob das Betriebsrätegesetz – Vorläufer des heutigen Betriebsverfassungsgesetzes – und die Tarifvertragsordnung – Vorläuferin des heutigen Tarifvertragsgesetzes – auf[2].

Es war der kalte Krieg und die Restauration unter Adenauer, die Hans Carl Nipperdey in eine Position brachte, in der er das deutsche Streikrecht prägen konnte, zunächst im Streit um die rechtliche Bewertung des Zeitungsstreiks als Gutachter für den Spitzenverband der Deutschen Arbeitgeber BDA[1], dann als 1. Präsident des Bundesarbeitsgerichts. Die Illegalisierung des politischen und verbandsfreien Streiks geht auf Hans Carl Nipperdey zurück.

Während des Faschismus beteiligte er sich an der Ausarbeitung und Kommentierung faschistischen Rechts.

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Überlegungen zur „Ahnengalerie“ des Bundesarbeitsgerichts

Dr. Martin Borowsky ist Richter am Landgericht Erfurt und früherer wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesarbeitsgericht. Seit Frühjahr 2019 forscht er zur NS-Belastung des Gerichts. Bei dem folgenden Beitrag handelt es sich um die erste wissenschaftliche Veröffentlichung zum Thema. Der Beitrag wurde im Dezember 2021 in “Betrifft: JUSTIZ” Nr. 148 veröffentlicht. Wir veröffentlichen diesen Beitrag mit freundlicher Genehmigung dieser Zeitschrift und des Autors.

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Faschistische Einflüsse im Betriebsverfassungsgesetz und im Streikrecht

Es werden die Leitsätze der Betriebsverfassung in den verschiedenen historischen Phasen mit einander verglichen und es die Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts von 1955 zum Streikrecht unter dem Gesichtspunkt von Einflüssen aus der Zeit des Faschimsus betrachtet.

Wer sich darauf beschränken will, dass dem Kapital der Streik immer schon ein Ärgernis war und daher der Faschismus als Erklärung nicht herangezogen werden muss, übersieht, dass der Faschismus eine besonders brutale Herrschaft des Kapitals war[4], und übersieht die besondere historische Situation in der Restaurationszeit unter Adenauer, in der die Weichen für die noch heute geltenden Einschränkungen des Streikrechts gestellt wurden.

Der Kampf für ein umfassendes Streikrecht ist in Deutschland mit Blick auf die Vergangenheit, aber auch mit Blick auf die Zukunft ein antifaschistisches Programm unter der Losung “Nie wieder!”

Hier der ganze Beitrag

Ostermarsch – 16.04.2022

Die Ostermärsche in diesem Jahr waren wichtige Demonstrationen gegen Militarismus und Krieg und der Aufruf der Berliner Friedenskoordination ein wichtiges Zeichen:

„Die Waffen nieder!“

Deutschland darf nicht in die Schützengräben zurückkehren.

Hier der Aufruf der Friedenskoordination im vollen Wortlaut.

Recht herzlichen Dank an Jochen Gester für die Genehmigung der Veröffentlichung der Fotos.

Der grüne Weg in den Dritten Weltkrieg

Ein Blick zurück ist sinnvoll. Er macht deutlich, wo der Startschuß zur heutigen Entwicklung, zu einem Krieg mitten unter uns erfolgte. Es war ziemlich unerwartet, als vor fast einem Jahr der neue US-Präsident Biden vom russischen Präsidenten Putin als einem „Killer“ sprach. Bis zu diesem Interview war die Welt von einem unmittelbar bevorstehenden Waffengang zwischen China und dem Westen über Taiwan, die Uiguren oder was auch immer ausgegangen. Mit dem Killer-Interview wurden die Schalter herumgelegt …“ .

So beginnt ein kurzer Beitrag vom 13. April 2022 in Seniora.org von Willy Wimmer (CDU), zwischen 1985 und 1992 verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU, dann Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung und von 1994 bis 2000 Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Wimmer zur EU: “ …Von Friedensbemühungen keine Spur, dafür ist man viel zu sehr Partei geworden. Es herrscht eine Stimmung in EU-Europa, die vor keine Dämonisierung zurückweicht. Sehenden Auges werden Waffen geliefert, bei denen es nicht mehr von einem selbst abhängt, ob die Türschwelle zum Dritten Weltkrieg überschritten ist. Es sind nicht die Knobelbecher sondern die Stöckelschuhe, die diesmal den Weg ins Verderben auf das Pflaster schlagen„.

den Beitrag von Willy Wimmer lesen

Endlich auch in Bayern …

„Es war längst überfällig, den Landeverband Bayern der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist*innen in den Berichten des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz nicht mehr als „linksextremistisch beeinflusst“ zu bezeichnen. Im eben vorgestellten Bericht für das Jahr 2021 ist das jetzt endlich geschehen. Bayern hatte damit bisher eine Sonderstellung, weil ansonsten die VVN-BdA weder im Bund noch in den Berichten der anderen Bundesländer als verfassungsfeindlich ausgegrenzt wurde …“ heißt es in einer Pressemitteilung der VVN-BdA Landesvereinigung Bayern e.V. Jetzt dürfte auch der Anerkennung der Gemeinnnützigkeit in Bayern nicht mehr im Wege stehen. Allerdings ist der Rechtsstreit um die Abereknnung der Geminnützigkeit in den vergangen Jahren noch nicht beendet; er hat inzwischen den Bundesfinanzhof erreicht. Auch existiert die gesetzliche Grundlage, auf der der VVN-BdA Bayern die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde, weiter.

Also bleibt weiter die Forderung nach Streichung oder Änderung dieser Rechtsgrundlage.

Hier die vollständige Pressemitteilung der VVN-BdA Landesvereinigung Bayern e.V. vom 12. April 2022 lesen.

Und zu diesem Thema ein Interview mit Harald Munding, Mitglied im Landessprecherkreis der VVN-BdA Bayern, in der Jungen Welt vom 13. April 2022: „Das gibt uns deutlich mehr Spielraum“

Presseberichte: Gorillas Prozess

Foto: Ingo Müller

Im Folgenden eine Auswahl von Berichten in Presse und Fernsehen zur Verhandlung und Entscheidung in der 1. Instanz über die Klage von drei ehemaligen Gorillas-Beschäftigten gegen ihre Kündigung wegen Teilnahme an einem verbandsfreien Streik im Oktober 2021:

https://www.jungewelt.de/artikel/424169.arbeitskampf-rider-kontern-vor-kadi.html

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/gorillas-kuendigung-von-mitarbeitern-war-laut-arbeitsgericht-rechtens-17940341.html

hier ein Bericht der ard schon im Oktober 2021: Wird Gorillas zum Präzendezfall?: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/gorillas-rechtstreit-kuendigungen-streiks-101.html

https://taz.de/Gorillas-Fahrer-klagen-gegen-Entlassung/!5848026/

https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/kuriere-gorillas-klage-kuendigungen-wilder-streik-arbeitsgericht-berlin-urteil-workers-collective-li.221049

https://www.nd-aktuell.de/amp/artikel/1162807.arbeitskampf-verhandlungsauftakt-gegen-gorillas.amp.html

https://plus.tagesspiegel.de/berlin/politische-statements-wird-es-hier-nicht-geben-arbeitsgericht-bestatigt-kundigungen-gegen-berliner-gorillas-rider-449238.html

https://www.heise.de/tp/features/Gorillas-Lieferdienst-Klassenkampf-im-Gerichtssaal-6666242.html?seite=all

https://twitter.com/LArbG_BB/status/1511704630908043274?t=esbiUrftmCKi6f_i0V4W4g&s=09

Ab minute 1:42 Gerichtsprozess Gorillas im rbb:

https://www.rbb-online.de/abendschau/videos/20220406_1930/nachrichten-lauterbach-grundsteuerreform-razzia-neonazis-gorillas-Scientist-Rebellion.html

https://jungle.world/artikel/2022/18/die-legalitaet-des-politischen-streiks-durchsetzen

Ankündigung: 6. April Gerichtstermin – Streikrecht auf dem Prüfstand

am 6. April 2022 haben drei Beschäftigte vom Lieferdienst Gorillas vor dem Arbeitsgericht in Berlin einen Verhandlungstermin, weil sie eine Kündigungsschutzklage eingereicht haben. Die drei Beschäftigten wurden im Oktober 2021 mit weiteren Kollegen von Gorillas fristlos entlassen, weil sie wegen ihrer prekären Arbeitsbedingungen spontan gestreikt haben. 

Der Prozess beginnt um 12 Uhr im Raum 513, Arbeitsgericht Magdeburger Platz 1. Es wird bereits um 11 Uhr eine Kundgebung geben zur Unterstützung der entlassenen Gorillas-Beschäftigten und für ein umfassendes Streikrecht. Info zur Kundgebung unter: https://berlineraktiongegenarbeitgeberunrecht.wordpress.com/2022/03/20/kundgebung-gorillas-060422/

Um 14 Uhr wird es vor dem Gerichtsgebäude am Magdeburger Platz 1 eine Pressekonferenz geben, zu der alle interessierten Journalisten herzlich eingeladen. Auf der Pressekonferenz werden die drei gekündigten Beschäftigten und die beiden Anwälte, Benedikt Hopmann und Martin Bechert, anwesend sein.

Die gekündigte Gorillas-Beschäftigte Duygu Kaya erklärt: „Was hätten wir anderes tun können als zu streiken? Unsere Löhne wurden gestohlen. Wir waren ständig unterbesetzt und wurden zu irrsingen und illegalen Schichten eingeteilt. Was klingt wie Arbeitergeschichte aus den Jahren der industriellen Revolution ist erst letztes Jahr in Berlin passiert. Die Angst gehört zum Arbeitsleben, besonders für uns Migant*innen, da wir häufig in harten und schlecht bezahlten Jobs arbeiten. Die Angst, den Job zu verlieren, ist sehr groß. Und Gesetze, die einschüchtern, lassen die Menschen verstummen. Dabei sollten die Bosse Angst haben, dass wir Arbeiter*innen uns das Recht nehmen zu streiken, wenn wir Ungerechtigkeiten spüren. Darum geht es bei meinem Kampf bei Gorillas.“

Bei Gorillas arbeiten viele migrantische Beschäftigte, die sich in einer besonders prekären Situation befinden: Sie haben oftmals befristete Aufenthaltsgenehmigungen, die an bestehende Arbeitsverträge gekoppelt sind, oder befristete Visa, sie müssen mit Sprachbarrieren und dem herrschenden Rassismus kämpfen. Die Kündigungen wurden damit begründet, dass die Beschäftigten von Gorillas „wild“, also verbandslos gestreikt haben. Dies bedeutet, dass sie ohne den Aufruf einer Gewerkschaft in den Streik getreten sind.

Der Anwalt der drei gekündigten Beschäftigten Benedikt Hopmann führt dazu aus: „Deutschland hat das das rückständigste und restriktivste Streikrecht Europas. In den meisten europäischen Ländern wäre der Streik bei Gorillas ein ganz normaler Arbeitskampf gewesen.“