„From the river to the sea – Palestine will be free“

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„… dass die Parole … nicht strafbar ist.“ Auszug aus Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen

Inhaltsverzeichnis


Mitteilung der Deutsch-Palästinensische Gesellschaft e.V.: Zur Sache 13 – 2024

Deutsch-Palästinensische Gesellschaft e.V.

Sehr geehrte Mitglieder der DPG e.V., liebe Leserin, lieber Leser,

Das Verwaltungsgericht Bremen hat in einem Beschluss zu einem einstweiligen Rechtschutzverfahren einer Bremerin mit palästinensischen Wurzeln geurteilt, dass etliche Auflagen der Bremer Innenbehörde, die bei einer Demonstration gelten sollten, „offensichtlich rechtswidrig“ sind. .

In der beigefügten Ausgabe 13-2024 unserer Reihe „Zur Sache“ finden Sie dieganze Begründung des Urteilsspruchs und die Klagebegründung´

Mit freundlichen Grüßen

Das Ende der Besatzung ist der Schlüssel für den Frieden

*DR. R I B H I  Y O U S E F*

Schatzmeister
Vizepräsident Deutsch-Palästinensische Gesellschaft e.V.

Quelle:

Das Verwaltungsgericht Bremen hat in einem Beschluss zu einem einstweiligen Rechtschutzverfahren einer Bremerin mit palästinensischen Wurzeln geurteilt, dass etliche Auflagen der Bremer Innenbehörde, die bei einer Demonstration gelten sollten, „offensichtlich rechtswidrig“ sind. Die vom Ordnungsamt gemachten 17 verschiedenen Auflagen entsprachen den auch vom Bundesinnenministerium schon verbotenen Slogans wie zum Beispiel „From the river to the sea/Palestine will be free/ Kindermörder Israel“ u.a. Die vom Ordnungsamt beanstandeten Äußerungen durften also auf der Demo folgenlos verbreitet werden, da das Bremer Innenressort wegen der Kurzfristigkeit auch nicht mehr rechtzeitig das OVG anrufen konnte. Jetzt aber wird sich das OVG damit befassen und es ist offen, ob es ähnlich wie in Hessen am Ende zugunsten der Klägerin entscheidet und die Parolen grundsätzlich erlaubt werden.

In der Bremer Politik haben sich inzwischen etliche Politiker der zweiten Reihe vehement gemeldet und laufen Sturm mit fatalen Äußerungen wie „die Richter hätten die aktuellen politischen Dynamiken ausgeblendet“. Dies dürfte eher für die von wenig Sachverstand getrübten Blicke der shitstormlaufenden Politiker zutreffen. Ebenso heftig war die Reaktion des Vertreters der Jüdischen Gemeinde Bremens, der sogar die absurde Frage aufwarf „ob wir hier noch willkommen sind“! Andere Politiker sahen sogar, dass das „Sicherheitsgefühl der Jüdinnen und Juden in unserem Lande geschwächt“ wird.

Das alles ist besonders absurd angesichts der Tatsache, dass am 27.4. die 30te große Demonstration der „Palästinensischen Gemeinde Bremen und Umland e.V.“ in Zusammenarbeit mit Unterstützung der „Bremer Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft e.V.“ gegen den Gaza Krieg stattfand und es zu keinem Zeitpunkt seit dem Oktober 2023 irgendwelche nennenswerten Vorfälle gegeben hat, wie die Bremer Polizei jedes Mal anschließend mitteilte. Da auch alle Demonstrationen von dem Filmteam der DPG Marlies und Sönke Hundt in voller Länge aufgezeichnet und ins Netz gestellt wurden, kann jeder, der will, alle Abläufe und Reden noch nachvollziehbar – als YouTube-Film oder auf der Homepage „Nahost-Forum-Bremen.de“ – überprüfen. Man darf auf das Urteil des OVG gespannt sein, ob sie sich von einzelnen Politikern und medialer Begleitung beeinflussen lassen oder ebenso präzise und ausführlich begründet dem Unfug der Auflagen entgegentreten.

Die ganze Begründung des Urteilsspruchs und die Klagebegründung sind im Folgenden nachzulesen!


In dem Beschluss zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bremens vom 19.04.24 über den erfolgreichen Eilantrag gegen Auflagen für eine pro-palästinensische Versammlung (5 V 949/24, VersG § 15 Abs 1, Versammlungsrecht, Beschluss) heißt es unter anderem:

„(1) Die Parole „From the river to the sea – Palestine will be free“, deren Verwendung mit Ziff. 5b der angegriffenen Verfügung untersagt wird, stellt nach summarischer Prüfung keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. 7 Die Kammer geht nach summarischer Prüfung davon aus, dass die Parole als solche nach den oben genannten Grundsätzen voraussichtlich nicht strafbar ist.“

Begründung:

„Bei der strafrechtlichen Einordnung der Parole ist zwar zu berücksichtigten, dass damit der Wunsch nach einem freien Palästina vom (Jordan)Fluss bis zum Mittelmeer ausgedrückt wird, das heißt in einem Gebiet, in dem Israel in seinen heutigen Grenzen liegt. Die Parole sagt aber als solche nichts darüber aus, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Grundsätzlich sind politisch verschiedene Mittel und Wege denkbar, dieses abstrakte Ziel zu erreichen. Ob die verschiedenen Wege politisch realistisch sind, ist dabei unerheblich. Einen zwingenden Aufruf zum bewaffneten Kampf gegen Israel beinhaltet der Slogan als solcher jedenfalls nicht (vgl. dazu ausführlich: HessVGH, Beschl. v. 22.03.2024 – 8 B 560/24 – juris Rn. 21). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Verwendung des Slogans durch die Versammlungsteilnehmenden zwingend als Aufruf zu Gewalt und Terror gegen Israel zu verstehen ist, hat die Antragsgegnerin nicht vorgetragen und sie sind auch für das Gericht nicht ersichtlich (vgl. HessVGH, Beschl. v. 22.03.2024 – 8 B 560/24 – juris Rn. 21).“

weiter

„(2) Auch Abbildungen des israelischen Staatsgebietes, ausgefüllt mit den Farben der palästinensischen Flagge, die in Ziff. 5a der Verfügung untersagt werden, stellen voraussichtlich keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Sie sind nach Auffassung der Kammer nicht strafbar. Eine solche Abbildung weist im Kern denselben Inhalt auf, wie die Parole „From the river to the sea – Palestine will be free“. Auch mit ihr wird der Wunsch nach einem palästinensischen Staat geäußert, der sich auch auf das derzeitige israelische Staatsgebiet bezieht. Eine Strafbarkeit nach §§ 111, 130 und 140 StGB ist aus den oben zu der genannten Parole ausgeführten, Überlegungen, auf die auch insoweit Bezug genommen wird, zu verneinen.“

Und weiter

„(3) Ausgehend von den oben dargelegten Grundsätzen zur Beachtung von Art. 5 Abs. 1 GG im Rahmen strafrechtlicher Vorschriften, stellt sich auch die unter Ziff. 5c der Verfügung untersagte Parole „Kindermörder Israel“ nicht als strafbare Äußerung dar. Der Ausspruch „Kindermörder Israel“ ist mehreren Deutungsmöglichkeiten zugänglich. Er wird bislang häufig in Verbindung mit Verschwörungsmythen, wonach jüdische Menschen Ritualmorde an Kindern durchführen und das Blut von Kindern trinken würden, gebraucht. Diesem Verständnis liegt auch zugrunde, dass der Staat Israel im öffentlichen Diskurs häufig mit dem Judentum bzw. jüdischen Menschen gleichgesetzt wird. Die beschriebene Deutung ist vor dem Hintergrund aktueller Geschehnisse aber nicht der einzige Bezug, der aus Sicht eines verständigen Beobachters hergestellt werden kann. Es ist auch eine Auslegung dahingehend denkbar, dass mit dem Ausspruch „Kindermörder Israel“ Kritik an der derzeitigen Kriegsführung Israels geübt werden soll. Es ist nicht ausgeschlossen, die Äußerung auch so zu verstehen, dass hiermit nicht jüdische Menschen, sondern der Staat Israel als politischer Akteur gemeint ist. Das Vorgehen der israelischen Regierung und der israelischen Armee in der derzeitigen kriegerischen Auseinandersetzung stößt, auch international, zum Teil auf Kritik. Diese bezieht sich u.a. darauf, dass im Rahmen des Krieges in Gaza auch Kinder zu Tode gekommen sind. Vor diesem Hintergrund kann der Ausspruch „Kindermörder Israel“ auch als von Art. 5 Abs. 1 GG gedeckte Kritikäußerung verstanden werden. Die Meinungsfreiheit gestattet dabei auch eine zugespitzte Kritik, bei der zudem keine juristisch präzise Verwendung des Begriffs „Mord“ vorausgesetzt werden darf (eine Strafbarkeit des Ausspruchs verneinend: HessVGH, Beschl. v. 02.12.2023 – 2 B 1715/23 –, juris Rn. 22; VGH BW, Beschl. v. 17.12.2023 – 12 S 1947/23 –, juris Rn. 45 ff.; Beschl. v. 05.06.2021 – 1 S 1849/21 –, juris Rn. 15; VG Münster, Beschl. v. 17.11.2023 – 1 L 1011/23 –, juris Rn. 36 ff.)“


Die vollständige Begründung zum Beschluss in der Verwaltungsrechtssache

19.04.2024 – Versammlungsrecht, 5 V 949/24, Beschluss vom 19.04.2024
Datum der Entscheidung
19.04.2024
Aktenzeichen
5 V 949/24
Normen
VersG § 15 Abs 1
Rechtsgebiet
Versammlungsrecht
Schlagworte
Auflage
Versammlungsauflage
Titel der Entscheidung
Versammlungsrecht, 5 V 949/24, Beschluss vom 19.04.2024 (pdf, 167.8 KB)
Leitsatz
Erfolgreicher Eilantrag (Auflagen für eine pro-palästinensische Versammlung)

Hier geht es zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bremen einschließlich der vollständigen Begründung: