Foto von der Kundgebung, Demo und Streik
Fotos: Ingo Müller, 24.08.20121
Der Krankenhauskonzern Viviantes, die Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH, wollte den Warnstreik gerichtlich auf dem Wege einer einstweiligen Verfügung verbieten lassen, zu dem ver.di vom 23. bis 25. August 2021 die Beschäftigten der „Mutter“ Vivantes aufgerufen hatte, um einen Entlastungstarifvertrag durchzusetzen. In einem sogenannten Zwischenbeschluss vom 20. August war die 29. Kammer des Arbeitsgerichts dem Antrag von Vivantes gefolgt und hatte ver.di verboten, die Beschäftigten der Mutter und der Töchter zum Streik aufzurufen, “soweit nicht die Leistung eines Notdienstes nach den Vorstellungen der Arbeitgeberseite gewährleistet ist”; es “obliege dem Arbeitgeber, die Einzelheiten des Notdienstes festzulegen; es könne nicht der streikenden Gewerkschaft überlassen bleiben, den Personalbedarf ihrerseits einseitig festzulegen” (siehe Pressemitteilung Nr. 25/21 vom 20.8.21). Eine solche Auffassung würde dazu führen, dass der Arbeitgeber über das Streikrecht bestimmen kann und ist unvereinbar mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts[1]BAG 31.11.95, AuR 95, 374.
Nachdem ver.di gegen diese Entscheidung Rechtsmittel eingelegt hatte, teilte das Arbeitsgericht in einer Pressemitteilung vom 24. August mit, dass die 36. Kammer das das Ende des Streikverbots für die Mutter beschlossen habe. Das Gericht wies den Antrag der Mutter, den Streik zu verbieten, zurück. Das Arbeitsgericht konnte keinen Verstoß gegen die Friedenspflicht erkennen: Die Forderungen nach einem Entlastungstarifvertrag seien bisher nicht in einem Tarifvertrag geregelt, so dass keine Friedenspflicht bestehe. Auch der Notdienst sei mit den Zusagen von ver.di hinreichend geregelt. Die Pressemitteilung hebt im letzten Satz richtig hervor: Eine Vereinbarung von Notdienstregelungen ist nicht erforderlich. Das heißt: Es können, es müssen aber nicht Notdienstregelungen vereinbart werden. Das gilt zum Beispiel dann, wenn sich das Unternehmen einer Notdienstregelung verweigert und die Gewerkschaft einen ausreichenden Notdienst gewährleistet.
Mit dieser Entscheidung muss sich der Regierende Bürgermeister Manfred Müller vom Gericht über das Grundrecht auf Streik belehren lassen. Müller ging am selben Tag auf der Landespressekonferenz nicht auf die Frage ein, ob die Forderung der Geschäftsführung der Viviantes GmbH nach Einhaltung einer angeblichen Friedenspflicht der Gewerkschaft überhaupt Substanz hat oder nicht einfach nur vorgeschoben ist, um die Beschäftigten an der Wahrnehmung ihres Streikrechts zu hindern. Auch war das Angebot des Regierende Bürgermeister vollkommen verfehlt, sich als “Moderator” für den Fall anzubieten, dass sich Vivantes und ver.di nicht über einen Notfallplan einigen könnten. Notwendig wäre nicht dieses Moderationsangebots gewesen, sondern eine unmissverständliche Weisung gegenüber der Geschäftsführung mit dem Ziel, die Beschäftigten nicht in der Wahrnehmung ihres Streikrechts zu behindern. Dazu ist das Land Berlin als alleinige Gesellschafterin der Vivantes GmbH berechtigt (§ 37 GmbHG).
Dass das Land Berlin die Geschäftsführung von Viviantes in dieser Weise agieren ließ, zeugt von mangelndem Respekt vor einem der wichtigsten Menschenrechte, dem Streikrecht.
Auch für die Beschäftigten der Töchter wurde am 25. August das Streikverbot durch die 29. Kammer aufgehoben. Der Rechtsstreit hatte sich dadurch erledigt, dass sich ver.di und Vivantes auf Regelungen über den Notdienst einigten. Nur in einem Fall entschied die 29. Kammer des Arbeitsgericht durch Urteil über die Regelungen zum Notdienst (siehe Pressemitteilung vom 26. August Nr. 29/21).
References
↑1 | BAG 31.11.95, AuR 95, 374 |
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