Hier kann die empfehlenswerte Rede des 1. Bevollmächtigten der IG Metall Hanau-Fulda, Robert Weißenbrunner, auf der friedenspolitschen Konferenz in Hanau am 23./24. 06. nachgelesen werden.
Im Einladungstext der Veranstalter IG Metall Hanau-Fulda und der Rosa-Luxemburg-Stiftung heißt es:
“Aus der Geschichte wissen wir, Kriege drängen Gewerkschaften in Widerspruchskonstellationen. Die deutschen Gewerkschaften stehen wieder einmal vor der Herausforderung, im Spannungsverhältnis von betrieblicher und institutioneller Interessenvertretung einerseits und sozialer Bewegung andererseits, ihre unverzichtbare Rolle als Friedensorganisation auszufüllen. Im Rahmen einer gemeinsamen Konferenz der IG Metall Hanau-Fulda und der Rosa-Luxemburg-Stiftung wollen wir über aktuelle friedenspolitische Herausforderungen sprechen. Wir wollen dabei auch einen Beitrag zur innergewerkschaftlichen Diskussion leisten und mit ihm Einfluss auf die sich verändernden friedenspolitischen Positionen der Gewerkschaften nehmen.“
Mit freundlicher Genehmigung veröffentlichen wir die Begrüßungsrede von Robert Weißenbrunner, 1. Bevollmächtigter IG Metall Hanau-Fulda:
Wortlaut der Rede von Robert Weißenbrunner
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Liebe Genossinnen und Genossen, Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, seid mir erstmal als herzlich Willkommen hier in Hanau. In einer vielfältigen und bunten Stadt mit alter Arbeitertradition. Seid mir herzlich Willkommen in einer IG Metall-Geschäftsstelle mit rund 8.500 Gewerkschaftsmitgliedern, die sich auf zwei Zentren verteilen, nämlich das rote Hanau und das schwarze Fulda. Willkommen in der Geschäftsstelle des Geburtsorts der Gebrüder Grimm. Das verbindende Element in der Region die A66 oder wie wir sie intern liebevoll unsere „Route 66“ nennen, und ihr werdet entlang dieser Strecke kaum ein Dorf finden, in dem es nicht irgendeine Verbindung zu den Märchen der Gebrüder Grimm gibt. Die Metallerinnen und Metaller unter euch kennen diese Region sicher auch durch das IG Metall-Bildungszentrum in Bad Orb, dass nicht nur unser best organisiertester Betrieb ist, sondern sich exakt in der Mitte der beiden genannten Zentren befindet. Ich darf und muss euch aber leider auch begrüßen in einer Stadt, in der am 19. Februar 2020 neun Menschenleben mit all ihrer Liebe, ihrem Lachen und ihren Hoffnungen von einem Rechtsextremisten ausgelöscht worden sind. Über ihre Familien und Freunde ist dabei unermessliches Leid hereingebrochen. Bis heute liegt diese menschenverachtende Tat wie ein Schatten über der Stadt und wir fühlen weiter mit den Angehörigen und unterstützen sie mit unseren Möglichkeiten. Dieser Angriff war ein Angriff auf uns alle. Und die Opfer waren keine Fremden. Wir sind als Gewerkschaften Teil eines lokalen Bündnisses und wir haben uns auf Mahnwachen, Kundgebungen und Beerdigungen ein Versprechen gegeben: "Dass die Namen der Opfer nicht vergessen werden und dass es nicht bei folgenloser Betroffenheit bleibt. Wir werden nicht zulassen, dass der 19. Februar 2020 unter den Teppich gekehrt wird – so wie die unzähligen rechten Morde zuvor." Das sind und bleiben wir den Opfern schuldig. Wir arbeiten dabei eng zusammen mit den Überlebenden und Hinterbliebenen der Mordopfer zusammen und unterstützen sie auch in ihren politischen Forderungen nach Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufklärung, Konsequenzen. Eine sehr intensive Zusammenarbeit pflegen wir mit der sehr aktiven antirassistischen Bildungsinitiative Ferhat Unvar, die nach einem der Opfer benannt ist. Die Bildungsini hat ihren Sitz hier im Gewerkschaftshaus und stellt uns auch für die Konferenz Räume und Infrastruktur zur Verfügung. Danke schon mal dafür. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Wir reklamieren für uns seit vielen Jahrzehnten eine Geschäftsstelle zu sein, die sich als aktiver Teil der Friedensbewegung versteht, sich hier vor Ort dazu engagiert und in friedenspolitischen Fragen auch auf die Meinungsbildung in der IG Metall Einfluss nimmt. Die Zusammenarbeit der Arbeiter- und der Friedensbewegung hat in dieser Stadt und der Region eine jahrzehntelange Tradition Und deshalb war es naheliegend, dass in diesen wilden Zeiten ein gemeinsames Vorgehen von Gewerkschaft und Friedensinitiative in gewerkschaftlichen, sozialen und friedenspolitischen Fragen verabredet wurde. Als erste gemeinsame Aktion stand im Rahmen der Metalltarifrunde ein geplanter Warnstreik an, der aber politisch über die reine Tarifforderung hinausgehen sollte. Ein breites lokales Bündnis, bestehend aus verschiedenen lokalen Organisationen, der Gewerkschaften, der Friedensbewegung, Migrantenvereinen, Jugendverbänden und sozialen Bewegungen hatte dann für den 17.11. zu einer öffentlichen Kundgebung und die IG Metall hat die Beschäftigten zeitgleich zum Warnstreik aufgerufen. Unser gemeinsamer Slogan lautete: „Statt Durchhalteparolen und Energiespartipps braucht es Frieden und mehr soziale Gerechtigkeit.“ Neben 8% Entgelterhöhung hatten wir uns auf weitere gesellschaftliche Forderungen im Bündnis verständigt. Uns ging es konkret um • mehr diplomatische Bemühungen zur Beendigung des Krieges, • einem Stopp der Aufrüstung der Bundeswehr, • Umwidmung des 100-Mrd.-Aufrüstungspakets in ein Investitionsprogramm für Jugend, Soziales, Umwelt, Gesundheit und Bildung, • eine Energiepreispauschale und • wirksame staatliche Regelungen zur Einführung einer Übergewinnsteuer, • eine allgemein höhere Besteuerung von Kapitaleinkünften, Erbschaften und Vermögen, • klimafreundliche Energieversorgung, aber auch eine Ausweitung der Tarifbindung. Über 1.000 Kolleginnen und Kollegen folgten diesem Aufruf. Es sollte aber nicht bei einer einzelnen Aktion bleiben: Wir haben gemeinsam weitere Veranstaltungen organisiert, um auch einen Raum für Diskussion zu schaffen. Wir haben in Betriebsversammlungen unsere politischen Positionen zur Diskussion gestellt und die Ostermärsche genutzt und dabei auch den einen oder anderen Widerstand aus unseren Strukturen aushalten und auch Konflikte austragen müssen. Ein weiterer Höhepunkt war dann die Tarifrunde und ein großer Warnstreik im Öffentlichen Dienst, der nach demselben Prinzip wie im Herbst organisiert wurde. Über 2.000 Kolleginnen und Kollegen folgten dem Aufruf ebenfalls auf dem Hanauer Freiheitsplatz. Eines unserer zentralen Ziele war es, dass wir die Friedens- und die soziale Frage sowohl in den Betrieben als auch gesellschaftlich nicht den rechten Hetzern überlassen wollten. Und eigentlich ist es verrückt, dass man das inzwischen betonen muss, aber es war klar, dass wir einer Vereinnahmung unserer Positionen durch rechtspopulistische Organisationen und Parteien eine klare Absage erteilt haben. Aber wir haben uns auch nicht durch eine vermeintliche Solidarisierung mit unseren Positionen in unseren Aktivitäten beschränken lassen, sondern wir haben uns entschieden öffentlich und praktisch abgegrenzt. Wir wurden in unseren Aktivitäten auch durch Solidaritätserklärungen darin bestärkt, weiterzumachen. Und irgendwann kamen Ulrike Eifler und ich ins Gespräch darüber, ob und wie man die innergewerkschaftliche Debatte nicht nur in der Region sondern auch darüber hinaus stärken könnte. Die Idee dieser Konferenz war geboren. Und mal ganz ehrlich: Wir waren uns bewusst, dass es eine erhöhte Nachfrage geben könnte. Wir haben auch lange nach geeigneten Räumlichkeiten und einem Termin gesucht, was in dieser Zeit und der Gegend nicht einfach war. Am Ende war auch die Idee mit dem Zelt geboren und wir sind weiter auf Sicht gefahren nach dem Motto: Was nicht passt, wird passend gemacht. Erst letzte Woche haben wir kurzfristig den Zeltanbau zusätzlich bestellt. Lange Rede, kurzer Sinn: Wir freuen uns riesig, dass ihr hier seid und der Einladung so zahlreich gefolgt seid. Es ist wirklich schön, dass ihr hier seid. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die IG Metall ist seit jeher Teil der Friedensbewegung und gewerkschaftliches Engagement ist immer auch ein Einsatz für den Frieden, für Freiheit, Solidarität, Respekt und Toleranz. Unabhängig von der Situation in der Ukraine, müssen wir feststellen, dass Kriege und bewaffnete Konflikte weltweit kein Ende nehmen, ja sogar zunehmen. Wir erleben, dass über 65 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht sind. Seit über einem Jahr tobt nun dieser völkerrechtswidrige Angriffskrieg in der Ukraine und er ist eine Katastrophe, insbesondere für die Menschen in der Ukraine und eine schreckliche Bedrohung für uns alle. Er hat auch massive Auswirkungen für die abhängig Beschäftigten und wirtschaftlich Schwächeren in Deutschland und weltweit. Lebensmittel und zahlreiche Konsumgüter, Mieten, und vor allem die Energie werden teurer. Der Krieg droht, sich immer weiter zuzuspitzen sich auch räumlich über die Grenzen der Ukraine hinaus zu bewegen. Und er hat eine Vorgeschichte, wie sie jeder Krieg hat, auf die wir heute in der Konferenz auch eingehen werden. Aus der Geschichte wissen wir, dass Kriege uns Gewerkschaften in Widerspruchskonstellationen drängen. Wir stehen wieder einmal vor der Herausforderung, im Spannungsverhältnis von betrieblicher und institutioneller Interessenvertretung und sozialer Bewegung, unsere unverzichtbare Rolle als Friedensorganisation auszufüllen. Wir sind der Überzeugung, dass eine erfolgreiche und wirksame Friedensbewegung die Gewerkschaften braucht und sie getragen werden muss von der Arbeiterbewegung. Damit das trotz aller Widrigkeiten wieder etwas besser klappt, wollen wir heute und morgen einen Beitrag zur innergewerkschaftlichen Diskussion leisten und damit Einfluss auf die sich verändernden friedenspolitischen Positionen der Gewerkschaften nehmen. Die ausgerufene Zeitenwende macht auch nicht vor den Gewerkschaften und auch nicht vor der IG Metall Halt. Betrachten wir uns nur die Beschlusslagen und Positionen der IG Metall im Rahmen ihres Gewerkschaftstages 2019 und damit vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine: Allein die Überschriften reichen: • Gegen eine Steigerung des Verteidigungshaushaltes und für Rüstungskonversion • Wir brauchen Abrüstung, statt Aufrüstung. • Gegen Waffenexporte in Krisenregionen • Gewerkschafspolitik ist Friedenspolitik • Den Frieden verteidigen – Waffenexporte weiter einschränken • Keine Erhöhung der Rüstungsausgaben auf 2 % des BIP • Keine Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden • Gegen weitere Aufrüstung und Militarisierung Soweit so klar! Und wir haben die letzten Jahren auch darum ringen müssen. Wie sieht es heute aus? In einem Auszug aus einem zweiseitigen Beschluss des Vorstands der IG Metall aus März diesen Jahres liest sich das inzwischen aber so: „Wir müssen feststellen, dass die Beschlüsse auf dem Gewerkschaftstag sowie unsere gemeinsame Positionierung auf dem DGB-Bundeskongress durch den Ukraine-Krieg infrage gestellt und überprüft werden müssen.“ Am Beispiel der Rüstungsexporte dann: „So schließt unsere eigene Beschlusslage Rüstungsexporte in Krisenregionen und kriegführende Staaten aus. Wir brauchen deshalb eine Verständigung über eine inhaltliche Schärfung unserer Positionen in dieser Frage.“ Genau hier setzt unsere Konferenz an, da auch die bisherigen innergewerkschaftlichen Diskussionsräume hierfür überschaubar waren und auch weiterhin sind. Unsere Hanauer Konferenz soll einen Beitrag dazu leisten, dass sich die Gewerkschaften wieder als starke gesellschaftliche Stimme des Friedens und der Diplomatie klarer und eindeutiger positionieren als dies seit Kriegsbeginn in der Ukraine der Fall ist. Dazu braucht es, neben den bereits vorhandenen wichtigen gewerkschaftlichen Friedensinitiativen breitere Diskussionen in den Gewerkschaften, die wir mit unserer Konferenz gemeinsam einfordern und vorantreiben wollen. Und wir brauchen diese Diskussionen und Positionierungen auch in unseren Betrieben. Und wir brauchen es auch deshalb, um die Beschäftigten wieder stärker politisch aus gewerkschaftlicher Sicht zu orientieren. Wir tun das viel zu wenig und wir sehen vielfach zu, wie es andere tun und die Stimmenzuwächse der AfD gerade im Bereich der abhängig Beschäftigten müssen uns Warnung genug sein. Um den rechten Rattenfängern das Wasser abzugraben, müssen wir Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter die Verbindung zwischen Krieg und Krisen aufzeigen und dabei die Frage der Friedens- und Außenpolitik enger mit der Frage der Verteilungs-, der Sozial- und der Tarifpolitik denken und benennen und konsequenter als bisher die Interessen und Ängste der Beschäftigten in den Fokus stellen, sonst tun es andere. Wehret den Anfängen ist längst vorbei. Lasst uns stärker als je zuvor alle Kräfte bündeln, damit sich hier Geschichte zwar vielleicht nicht wiederholt, aber wir sollten frei nach Mark Twain darauf achten, dass sie sich auch nicht reimt, Kolleginnen und Kollegen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, um die Einheit zu schaffen, braucht es Klarheit und auch dazu soll die Konferenz dienen. Sie soll auch Ort für den konstruktiven politischen Streit um Positionen sein. Wir werden dabei auch nicht um die Frage der Waffenlieferungen an die Ukraine oder in andere Krisengebiete herumkommen. Und lasst mich dazu nur wenige Sätze sagen: Wir können uns weiter bis aufs Messer streiten, es gut oder schlecht finden. Eines müssen wir doch klarsehen: Mit einem neuen globalen Rüstungswettlauf kann der Frieden im 21. Jahrhundert weder in der Ukraine noch anderswo nicht gesichert werden. Ein neuer Rüstungswettlauf löst keine Probleme, aber er schafft viele neue. Bei aller sicher vorhandener Widersprüchlichkeit in der aktuellen Situation gilt festzuhalten, dass immer mehr Waffen, definitiv nicht zu mehr Frieden führen werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Lasst mich am Ende meiner Begrüßung einen Dank aussprechen, an diejenigen, ohne die diese Konferenz nicht stattfinden würde. Stellvertretend für die Vorbereitungs- und Steuerungsgruppe herzlichen Dank an Ulrike Eifler. Herzlichen Dank auch an dich lieber Heinz Bierbaum für die gute Kooperation auf Augenhöhe mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung im Rahmen der Vorbereitung. Dank an unseren Ortsvorstand der IG Metall Hanau-Fulda, dass er das sowohl politisch wie praktisch mitträgt, hier stellvertretend Dank an den ehrenamtlichen 2. Bevollmächtigten Klaus Ditzel. Und last but not least: Herzlichen Dank an mein Team in der Geschäftsstelle, die insbesondere in den letzten Tagen intensiv an der Vorbereitung technisch, organisatorisch und politisch mitgewirkt haben und immer den letzten Meter gegangen sind, damit diese Konferenz zum Erfolg wird. Stellvertretend für das gesamte Team möchte ich einen Kollegen hervorheben, bei dem de facto die gesamten technischen und ein großer Teil der organisatorischen Fäden zusammengelaufen sind. Herzlichen Dank Kevin Eckert.