„Wer passt hinein?“ – Wie das Bid zeigt, wurde diese Frage bereits 1960 von der Zeitschrift “Der Mahnruf”, dem Mitteilungsblatt für die Mitglieder der VVN Westberlin, gestellt.
Ist es verständlich, wenn sich die Ukraine der NATO anschließen will, nachdem Russland kapitalistisch geworden ist und Truppen in die Ukraine geschickt hat? Ist die NATO im Krieg in der Ukraine plötzlich zu einer Schutzmacht geworden? Gibt es eine Alternative zum Militärbündnis NATO?
Eine neutrale Ukraine, wie es nach 1990 für einige Jahre in der urkainischen Verfassung stand, ist eine größere Garantie für eine souveräne und unabhängige Ukraine als eine Mitgliedschaft in dem Militärbündnis NATO. Der Krieg in der Ukraine ist zu einem erheblichen Teil darauf zurückzuführen, dass die Ukraine diesen Kurs aufgegeben hatte und Mitglied der NATO werden wollte. Dazu wurde sie von den USA gedrängt.
Auch für die Bundesrepublik Deutschland ist die Mitgliedschaft in der NATO ein Verhängnis. Sie bindet sie viel zu sehr an die Politik der USA.
Warum löste sich nicht auch die NATO auf, als sich der Warschauer Pakt auflöste? Warum ist dieses Militärbündnisses nicht durch ein System kollektiver Sicherheit ersetzt worden?
Die USA wollten die NATO als ein Instrument in ihren Händen behalten und über dieses Militarbündnis ihren Einfluss in Europa weiter geltend machen. Das ist der Grund, warum sich die NATO nicht auflöste. So nahm das Unheil seinen Lauf.
Es wäre besser, wenn die Militärallianz NATO durch ein System kollektiver Sicherheit aller europäischen Länder einschließlich Russlands ersetzt würde. Große Teile des deutschen Kapitals halten jedoch an der NATO fest. Ein System kollektiver Sicherheit muss also gegen diese Kräfte durchgesetzt werden. Der Aufruf „Frieden schaffen“ stellt die Forderung nach einem System kollektiver Sicherheit in den Mittelpunkt. Diese Forderung steht in der Tradition sozialdemokratischer Außenpolitik, die allerdings die gegenwärtige Sozialdemokratie vollständig aufgegeben hat. Der Aufruf „Frieden schaffen“ wird von vielen Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern unterstützt. Es scheint der kleinste gemeinsame Nenner zu sein, auf den sich Kriegsgegnerinnen und – gegner einigen können.
Der Unterschied zwischen einem Verteidigungsbündnis und einem System kollektiver Sicherheit
Es lohnt, sich Klarheit darüber zu verschaffen, was der Unterschiede zwischen einem Verteidigungsbündnis und einem System kollektiver Sicherheit ist. Deshalb sei hier Dieter Deiseroth[1]Mitglied der IALANA und Richter des Bundesverwaltungsgerichts im Ruhestand, gestorben 21.8.2019 zitiert:
“Im Völkerrecht ist seit Jahrzehnten klar: “Kollektive Sicherheit und Verteidigungsbündnisse widersprechen sich fundamental.”Was sind die fundamentalen Unterschiede, worin bestehen sie? Es lassen sich vier zentrale Kriterien festhalten:
(1) Verteidigungsbündnisse und “Systeme kollektiver Sicherheit” reflektieren zwei entgegengesetzte Konzeptionen von Sicherheitsspolitik. Das Grundkonzept von Verteidigungsbündnissen basiert auf Sicherheit durch eigene Stärke und die Stärke der eigenen Verbündeten. Es ist “partikulär-egoistisch”. Denn es verankert die eigene Sicherheit nicht zugleich in der Sicherheit des potentiellen Gegners, also gerade nicht in der gemeinsamen Sicherheit, sondern im Gegenteil in der relativen Schwäche und Unterlegenheit des potentiellen Gegners.
Die Grundkonzeption kollektiver Sicherheit, die in der Periode zwischen den beiden Weltkriegen als bewusste Alternative zu den tradierten sogenannten Militärallianzen und Verteidigungsbündnis-Systemen entwickelt wurde, basiert dagegen auf der Sicherheit aller potenziellen Gegner durch Reziprozität und Gegenseitigkeit innerhalb einer internationalen Rechtsordnung. Er gründet auf dem Konzept der gemeinsamen Sicherheit.
(2) Anders als ein System kollektiver Sicherheit ist ein Verteidigungsbündnis – so auch die NATO – nicht auf Universalität im Sinne des Einschlusses potentieller Aggressoren angelegt.
So steht die NATO – bezeichnenderweise anders als das System kollektiver Sicherheit der UNO – nicht jedem Beitrittswilligen offen, der die im NATO-Vertrag vernankerten Ziele anerkennt. Dementsprechend haben die NATO und ihre Mitgliederstaaten sowohl in den Jahren 1954/55 als auch im Zusammenhang mit den NATO-Osterweiterungen der letzten Jahre Begehren der früheren Sowjetunion und Russlands auf Einbeziehung in das NATO-Bündnis ausdrücklich ausgeschlossen.
(3) Der NATO-Vertrag enthält – und dies ist ein weiterer gravierender Unterschied eine Verteidigungsbündnisses (Militärallianz) zu einem kollektiven Sicherheitssystem – für den Fall eines von einem eigenen Mitgliedstaat begangenen Aggressionsaktes keine verbindlichen internen Konfliktregelungsmechanismen.
Eine NATO-interne Verpflichtung der übrigen NATO-Partner, dem einen Aggesssionsakt begehenden NATO-Verbündeten mit kollektiven Zwangsmaßnahmen entgegenzutreten, sieht der NATO-Vertrag gerade nicht vor. Diese Defizit ist typisch für ein Bündnis zur kollektiven Verteidigung, das ja gerade zur Verteidigung gegen einen potenziellen externen Aggressor geschlossen wird.
(4) Die NATO etabliert auch – dies ist der vierte wesentliche Unterschied zu einem System kollektiver Sicherheit – keine den Mitgliedstaaten übergeordnete Macht nach dem Modell der Vereinten Nationen.”
Bild-Quelle: Mahnruf, März/April 1960, Seite 4; https://vvn-vda-westberlinerarchiv.de/14-1960/