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In dem jahrelangen Konflikt um Wikileaks-Gründer Assange gegen seine Auslieferung von Großbritannien an die USA zeichnet sich überraschend eine Lösung ab. Assange erzielte mit dem US-Justizministerium offenbar eine Einigung.[1]Quelle

Der Whistleblower will sich im Rahmen einer Vereinbarung mit dem US-Justizministerium schuldig bekennen. Im Anschluss an sein Schuldbekenntnis und eine Verurteilung wegen Spionagevorwürfen soll er in seine Heimat Australien zurückkehren. Das geht aus am Montagabend veröffentlichten Gerichtsdokumenten hervor. Ein Gericht muss die Einigung allerdings noch absegnen.[2]Quelle

Unser Kommentar

Man kann Julian Assange nur beglückwünschen, dass nun sein jahrelanges Martyrium ein Ende hat. Das ist auch ein Erfolg der internationalen Solidaritätsbewegung mit Assange. Katastrophal ist allerdings, dass die USA, , wenn es um ihre Sicherheitsinteressen geht, Journalismus in Hochverrat umdefinieren und mit Hilfe von Großbritannien das, was sie für Recht halten, mindestens zum Teil auch gegen Bürger anderer Staaten durchsetzen. Das bleibt ein Bedrohung US-kritischer Journalisten in der ganzen Welt. Julian Assange, australischer Staatsbürger, wird zu den gut fünf Jahren Haft verurteilt, die er in Großbritannien schon verbüßt hat. Das Schuldanerkenntnis, das Assange im Gegenzug zu dieser Haftstrafe abgibt, ist jedoch keine Anwendung des Spionage Acts, auch wenn dieses Anerkenntnis von den USA so angesehen wird. “Eine von der Exekutive abgenötigte Erklärung kann solche Wirkung nicht haben. Sie hat auch nicht den Wert eines Gerichtsurteils.”[3]IALANA in einer Erklärung zum Schuldanerkenntnis von Julian Assange

Als Beispiel für Desinformation durch Verschweigen die folgende Übersicht von statista unter dem Titel „Julian Assange – was bisher geschah“:

Statista gab diesen Überblick der Ereignisse zur Weiterverwendung frei. 26.06.2024

Diese statista-Darstellung ist ein Musterbeispiel, wie ein Hergang verfälscht wird. Dabei kommt die Darstellung daher, als würden nur objektive Fakten mitgeteilt, um sich ein besseres Bild machen zu können. Tatsächlich besteht die Darstellung aus lauter Irreführungen, vor allem durch das, was nicht gesagt wird.

Im Einzelnen:

Statista: „Wikileaks veröffentlicht vertrauliche Informationen zu amerikanischen Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan“.

Tatsächlich veröffentlichte Julian Assange über Wikileaks nicht nur „vertrauliche Informationen zu amerikanischen Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan“, sondern Informationen über Kriegsverbrechen des US-amerikanischen Militärs: So konnte auf WikiLeaks ein dienstlich aufgenommenes Bord-Video veröffentlicht werden, das die gezielte Tötung von mindestens sieben Zivilpersonen durch die Besatzung eines US-Kampfhubschraubers am 12.07.2007 im Irak zeigt (https://collateralmurder.wikileaks.org). Chelsea Manning hatte zu diesem Material Zugang als Nachrichtendienstanalytikerin der US-Army

Statista: „Die schwedische Polizei befragt Assange zu zwei verschiedenen Vorwürfen der Vergewaltigung und Belästigung, die er beide abstreitet.“

Dazu stellte der UNO-Sonderberichterstatter Nils Melzer in dem Online Magazin ‚Republik‘ ‚fest: Ich habe noch nie einen vergleichbaren Fall gesehen. Jeder kann gegen jeden eine Voruntersuchung auslösen, indem er zur Polizei geht und die andere Person beschuldigt. Die schwedischen Behörden wiederum waren an der Aussage von Assange nie interessiert. Sie liessen ihn ganz gezielt ständig in der Schwebe. Stellen Sie sich vor, Sie werden neuneinhalb Jahre lang von einem ganzen Staats­apparat und von den Medien mit Vergewaltigungs­vorwürfen konfrontiert, können sich aber nicht verteidigen, weil es gar nie zur Anklage kommt.[4]https://www.republik.ch/2020/01/31/nils-melzer-spricht-ueber-wikileaks-gruender-julian-assange

Republik: Sie sagen: Die schwedischen Behörden waren an der Aussage von Assange nicht interessiert. Medien und Behörden zeichneten in den vergangenen Jahren ein gegenteiliges Bild: Julian Assange sei vor der schwedischen Justiz geflüchtet, um sich der Verantwortung zu entziehen.
Nils Melzer: Das dachte ich auch immer, bis ich zu recherchieren begann. Das Gegenteil ist der Fall. Assange hat sich mehrfach bei den schwedischen Behörden gemeldet, weil er zu den Vorwürfen Stellung nehmen wollte. Die Behörden wiegelten ab.[5]https://www.republik.ch/2020/01/31/nils-melzer-spricht-ueber-wikileaks-gruender-julian-assange

Republik: Was heisst das: Die Behörden wiegelten ab?
Nils Melzer: Darf ich von vorn beginnen? Ich spreche fliessend Schwedisch und konnte deshalb alle Original­dokumente lesen. Ich traute meinen Augen nicht: Nach Aussagen der betroffenen Frau selber hat es nie eine Vergewaltigung gegeben. Und nicht nur das: Die Aussage dieser Frau wurde im Nachhinein ohne ihre Mitwirkung von der Stockholmer Polizei umgeschrieben, um irgendwie einen Vergewaltigungs­verdacht herbeibiegen zu können. Mir liegen die Dokumente alle vor, die Mails, die SMS.[6]https://www.republik.ch/2020/01/31/nils-melzer-spricht-ueber-wikileaks-gruender-julian-assange

Nils Melzer zu den Folgen der Aussage dieser Frau: Sie weigert sich, die Einvernahme weiterzuführen, und fährt nach Hause. Trotzdem erscheint zwei Stunden später im «Expressen», einer schwedischen Boulevard­zeitung, die Titel-Schlagzeile: Julian Assange werde der doppelten Vergewaltigung verdächtigt.[7]https://www.republik.ch/2020/01/31/nils-melzer-spricht-ueber-wikileaks-gruender-julian-assange

Hinweis: Die Aussagen der zweiten Frau sind völlig widersprüchlich und unglaubwürdig[8]https://www.republik.ch/2020/01/31/nils-melzer-spricht-ueber-wikileaks-gruender-julian-assange. Die Veröffentlichung in der Presse über die Aussagen der beiden Frauen geschah nach Melzers Aussagen am 20. August 2010. Die zweite Frau machte ihre Aussage jedoch erst am 21. August 2010.[9]https://www.republik.ch/2020/01/31/nils-melzer-spricht-ueber-wikileaks-gruender-julian-assange. Die Verbreitung dieser durch nichts belegten Anschuldigungen einer Vergwaltigung haben die Solidaritätskampagne mit Julian Assange massiv gestört. Nils Melzer zu den Gründen für diese Gegenkampagne gegen Julian Assange: Der zeitliche Kontext ist entscheidend: Ende Juli veröffentlicht Wikileaks in Zusammen­arbeit mit der «New York Times», dem «Guardian» und dem «Spiegel» das sogenannte «Afghan War Diary». Es ist eines der grössten Leaks in der Geschichte des US-Militärs. Die USA fordern ihre Alliierten umgehend dazu auf, Assange mit Straf­verfahren zu überziehen.

Statista: „Nichtöffentliche Anklageschrift der USA wegen der veröffentlichten militärischen Geheimakten“

Nach Angaben der Tagesschau bestand das Schuldanerkenntnis von Julian Assange darin, dass er sich in einem Fall der Verschwörung zur Beschaffung und Weitergabe von Informationen zur nationalen Verteidigung schuldig bekannte.[10]https://www.tagesschau.de/ausland/ozeanien/assange-freiheit-ankunft-australien-100.html. Doch Assange hat nichts anderes als seine journalistische Arbeit gemacht.

Nils Melzer zur Veröffentlichung geheimer staatlicher Informationen durch Julian Assange, die Chelsea Manning an Wikileaks weiter gegeben hat, insbesondere das Video, das die gezielte Tötung von mindestens sieben Zivilpersonen durch die Besatzung eines US-Kampfhubschraubers am 12.07.2007 im Irak zeigt (https://collateralmurder.wikileaks.org): Ein Rechtsstaat würde möglicherweise gegen Chelsea Manning ermitteln wegen Amts­geheimnis­verletzung, weil sie das Video an Assange weitergegeben hat. Er würde aber sicher nicht Assange verfolgen, denn dieser hat das Video im öffentlichen Interesse publiziert, im Sinne des klassischen investigativen Journalismus. Was ein Rechts­staat aber vor allem tun würde, ist, dass er die Kriegs­verbrecher verfolgt und bestraft. Diese Soldaten gehören hinter Gitter. Es wurde aber gegen keinen einzigen von ihnen ein Straf­verfahren durchgeführt. Stattdessen sitzt der Mann, der die Öffentlichkeit informiert hat, in London in Auslieferungs­haft und könnte in den USA dafür 175 Jahre ins Gefängnis kommen. Das ist ein Strafmass, das vollkommen absurd ist. Als Vergleich: Die Haupt­kriegsverbrecher im Jugoslawien-Tribunal haben Strafen von 45 Jahren bekommen. 175 Jahre Gefängnis unter Haft­bedingungen, die vom Uno-Sonder­bericht­erstatter und von Amnesty International als unmenschlich eingestuft werden. Das wirklich Erschreckende an diesem Fall ist der rechtsfreie Raum, der sich entwickelt hat: Mächtige können straflos über Leichen gehen, und aus Journalismus wird Spionage. Es wird ein Verbrechen, die Wahrheit zu sagen.[11]https://www.republik.ch/2020/01/31/nils-melzer-spricht-ueber-wikileaks-gruender-julian-assange

Statista vernachlässigt die Gefahr, dass die USA mit diesem Deal Journalismus als Spionage neu definieren. Jeder Journalist wird eingeschüchtert sein. John Rees von der Free Assange-Kampagne: „Jede Zeitung und jeder Sender wird sich regierungskritisches Material ansehen und erheblichen Druck verspüren, es nicht zu veröffentlichen, aus Angst vor Strafverfolgung und Inhaftierung. Dies ist der wichtigste Fall von Pressefreiheit im 21. Jahrhundert, und wir müssen sicherstellen, dass wir keine hart erkämpften Freiheiten verlieren.” Dazu sagt auch das ZDF nichts[12]https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/julian-assange-wikileaks-loesung-usa-freilassung-100.html, abgerufen am26.6.2024 um 23:36 und das ARD gibt nur die Position der USA und die der „Unterstützer“ von Assange wieder, ohne selbst Stellung zu beziehen[13]https://www.tagesschau.de/ausland/assange-306.html, abgerufen am26.6.2024 um 23:41. Dagegen ist im rbb ein Interview mit dem Zeit-Journalisten Holger Stark zu hören, in dem dieser deutlich macht, dass die Arbeit von Investigativ-Journalisten jetzt riskanter geworden ist[14]https://www.inforadio.de/rubriken/interviews/2024/06/26/was-der-fall-assange-fuer-den-investigativen-journalismus-bedeut.html#top ; abgerufen am 28.06.2024 um 00:35 Uhr. Die USA zerstören eines der wichtigsten Grundrechte: die Pressefreiheit. Auch die Junge Welt hat das klar benannt: „Assange frei, Presse nicht!“[15]https://www.jungewelt.de/artikel/478121.free-assange-assange-frei-presse-nicht.html ; abgerufen am 28.06.2024 um 00:45 Uhr