Whistleblowing erneut vor Großer Kammer des EGMR

Das Whistelblower Netzwerk veröffentlichte m 07. September 2021 eine Presseerklärung, die wir hier wiedergeben möchten:

Zweite Chance für Meinungs- und Pressefreiheit
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat im Fall Halet v. Luxembourg (no. 21884/18) einen ermutigenden Schritt zugunsten des öffentlichen Whistleblowings getan. Ein Kammer-Urteil wurde von dem dafür vorgesehenen Richterausschuss der ungleich gewichtigeren Großen Kammer zur Überprüfung und Entscheidung vorgelegt.

Der Rechtsstreit betrifft die strafrechtliche Verurteilung von Raphael Halet im Fall „Luxleaks“ wegen der Weitergabe von Steuerunterlagen über Kunden seines Arbeitgebers, der Firma PricewaterhouseCoopers (PwC), an einen Journalisten.

Es ging dabei um die die Veröffentlichung von Steuerdeals großer multinationaler Konzerne mit den luxemburgischen Finanzbehörden. Mit den „Luxleaks“ hatten Antoine Deltour und später Raphael Halet aufgedeckt, dass diese in Luxemburg nur geringfügige Steuern zahlten.

Nach seiner Verurteilung in den ersten beiden Instanzen machte Raphael Halet in der Revision vor dem Court de Cassation unter Bezugnahme auf Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Recht auf freie Meinungsäußerung) geltend, dass seine Verurteilung einen unverhältnismäßigen Eingriff in sein Recht auf freie Meinungsäußerung darstellt. Halet wurde in der Revisionsverhandlung dennoch zu einer Geldstrafe von 1.000 Euro und zur Zahlung eines symbolischen Betrags von 1 Euro an PwC verurteilt.

Daraufhin legte er Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein.

In seinem Urteil vom 30. März 2021 entschied der Gerichtshof mehrheitlich (fünf zu zwei Stimmen), dass keine Verletzung von Artikel 10 (Meinungsfreiheit) der EMRK vorläge.

In dem Minderheitsvotum wurde hingegen folgende Rechtsmeinung vertreten: Bei Vorliegen eines prinzipiellen öffentlichen Interesses an den offengelegten Informationen gilt stets eine Vermutung zugunsten der Meinungsfreiheit. Nur wenn die Gegenseite (hier: der Arbeitgeber, PwC) mit überzeugender Begründung nachweist, dass konkrete und erhebliche Nachteile zulasten seiner privaten Interessen das öffentliche Interesse im Einzelfall eindeutig überwiegen, kann der Schutz des Whistleblowers ausnahmsweise entfallen.

Weiterführende Informationen Zum Minderheitsvotum
Urteil

Erinnerungen gegen Aufrüstung und Krieg

Zusammenfassung:

Vor dem Ersten Weltkrieg rüstete das deutsche Reich gewaltig auf.

Die Revolution 1918/19 beendete diesen Krieg und führte zur Gründung der ersten deutschlandweiten Republik.

Doch wurde der Bruch mit Militarismus und Kaisertreuen vermieden.

Wenige Jahre später folgte der Faschismus, eine erneute gewaltige Aufrüstung und der Zweite Weltkrieg.

Nach einer kurzen Zeit der Entmilitarisierung wurde ab 1955/57 die Armee wieder aufgebaut: Es begann eine Remilitarisierung, die bis heute anhält.

Die Eingliederung der Bundeswehr in die NATO bindet bis heute Deutschland in die Politik der USA ein.

55 Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg beteiligte sich Deutschland 1999 zum ersten Mal wieder an einem Krieg, dem Jugoslawienkrieg.

2022 unterstützt die deutsche Bundesregierung die Ukraine im Krieg gegen Russland, verhängt Wirtschaftssanktionen gegen Russland und exportiert Waffen in die Ukraine. SPD-Chef Lars Klingbeil verkündet einen Anspruch Deutschlands als “Führungsmacht” und SPD-Kanzler Scholz brüstet sich damit, dass Deutschland bald die schlagkräftigste Streitkraft in Europa haben werde.

Gegen den Faschismus kämpfte der Antifaschismus und die Antihitlerkoalition, gegen die Remilitarisierung die Bewegung “Ohne mich”, gegen die Atomwaffen kämpfte die Antiatombewegung und später die Bewegung gegen die Stationierung der Mittelstreckenraketen, auch gegen die Irakkriege kämpfte die Friedensbewegung und jetzt kämpft sie gegen die militärische Unterstützung der Ukraine, gegen die Unterstützung Israels im GAZA und die Eskalation zu einem Dritten Weltkrieg.

Die Doomsday Clock (Weltuntergangsuhr) des in Chicago ansässigen Bulletins for Atomic Scientists, die sich mit den Gefahren eines Atomkriegs beschäftigen, steht 2022 so dicht vor Zwölf wie selbst während des Kalten Krieges und der Kubakrise nicht.

Inhaltsverzeichnis:




Erster Weltkrieg und die unvollendete Revolution 1918/19

1914 erklärte Deutschland Russland den Krieg. Die SPD verkündete: „Wir lassen in der Stunde der Gefahr das Vaterland nicht im Stich“. Und die Gewerkschaften verkündeten den so genannten „Burgfrieden“, d.h. sie verzichteten für die Dauer des Krieges auf jeglichen Streik.

Es dauerte eine Zeit, bis sich Widerstand regte. …

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Zweiter Weltkrieg – ein Eroberungs- und Vernichtungskrieg

Als sich Markus Meckel [1]Markus Meckel, Pastor in der DDR, 1989 Mitbegründer der SPD in der DDR, nach der März-Wahl 1990 Außenminister der DDR, nach der Wiedervereinigung bis 2009 Mitglied des Bundestags des … Continue reading 2013 um  eine Neuausrichtung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge bemühte, entbrannte in den folgenden Jahren ein heftiger Streit um die Frage: Was war das für ein Krieg, den Deutschland von 1939 bis 1945 führte?

Der Bundesvertretertag des Volksbundes weigerte sich anzuerkennen, dass das faschistische Deutschland

ein rassistisch geprägtes Europa unter deutscher Vorherrschaft zu realisieren suchte“ und den Krieg „insbesondere im Osten Europas als Eroberungs- und Vernichtungskrieg“ führte [2]Der Vorstand hatte zunächst einen Entwurf beschlossen, in dem der Zweite Weltkrieg als Angriffskrieg beschrieben wurde, „in dem das nationalsozialistische Deutschland ein rassistisch geprägtes … Continue reading.

Markus Meckel trat mit folgender Begründung zurück: „Ich sehe keine Chance für die von mir angestrebte Reform im Volksbund“.

Dazu sein Nachfolger: „Der Rücktritt von Herrn Meckel hat nach meiner Auffassung so gut wie nichts mit inhaltlichen Fragen des Ausrichtung des Volksbundes für heute, morgen und übermorgen zu tun“[3]Zitiert nach  https://www.deutschlandfunk.de/volksbund-deutsche-kriegsgraeberfuersorge-schneiderhan -will.1773.dehtml?dram, abgerufen am 18.07.2018 Nachfolger von Markus Meckel ist der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr Wolfgang Schneiderhan[4]Stellvertreter des neuen Präsidenten Schneiderhan ist Wolfgang Wieland, vormals Mitglied des Deutschen Bundestags für Bündnis 90/Die Grünen. Neu in den Vorstand gewählt wurden Detlef Fritzsch, … Continue reading.


Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!

Am Mariannenplatz in Kreuzberg steht ein altes Schulgebäude, früher das Leibniz Gymnasium. Neben dem Gebäude steht ein Denkmal

Foto: Ingo Müller, 2021

Auf dem Denkmal ist folgende Inschrift zu lesen:

„DEN IM WELTKRIEG GEFALLENEN SCHÜLERN DES LEIBNIZ-GYMNAYSIUMS ZUM EHRENDEN ANDENKEN DULCE ET DECORUM EST PRO PATRIA MORI“

Foto: Ingo Müller, 2021

Es folgen die Namen von 122 Schülern, die im Ersten Weltkrieg gefallen sind.

Foto: Ingo Müller, 2021

Darunter eine weitere Inschrift:

Mit dem in diesem Denkmal eingelassenen Spruch – „es ist süß und ehrenvoll für das Vaterland zu sterben“ – wurden in der Vergangenheit junge deutsche Männer auf den sogenannten Heldentod vorbereitet. Die Bezirksverordnetenversammlung von Kreuzberg fordert demgegenüber im UN-Jahr des Friedens 1986

Nie wieder Krieg!‘“

Foto: Ingo Müller, 2021

Diese zusätzliche Inschrift ist eine seltene Ausnahme.

In Deutschland wird in jedem Dorf der gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs gedacht. Auf großen Tafeln sind die gefallenen Soldaten des Ortes verzeichnet.

Der Vater oder die Mutter, Bruder oder Schwester, Sohn oder Tochter  gingen vorbei und wussten, dass auf den Tafeln auch die ihren zu finden sind. Sie haben um den Tod ihres Sohnes, ihre Bruders oder Vaters getrauert.

Noch heute können Nachgeborene die Namen ihrer gefallenen Vorfahren lesen, aber auf keiner Tafel  die Inschrift:

Nie wieder Krieg!

Auf keiner Tafel steht:

Diese Soldaten wurden für fremde Interessen in den Tod geschickt, für Kaiser, Militär und Kapital„.

Die gefallenen Soldaten wurden geehrt, die Kriegsgegner geächtet.

Statt „Nie wieder Krieg!“ wurde nach dem ersten Weltkrieg Revanche wurde gefordert, der nächste Krieg vorbereitet und danach die Tafel ergänzt um die Namen der gefallenen Soldaten des Zweiten Weltkrieges.

Und immer noch können wir auf keiner Tafel lesen: „Nie wieder Krieg!

Auf keiner Tafel steht: „Nie wieder Faschismus!“.


Am Eingang des Jüdischen Friedhof, Berlin-Weißensee befindet sich ein Rondell in dem an die gefallen Brüder und Schwestern 1933 – 1945 erinnert wird.

Foto. Ingo Müller, 01.06.2022

In diesem Rondell ist ein Grabstein mit folgender Innenschrift aufgestellt:

GEDENKEN EWIGER

WAS UNS GESCHEHEN.

GEWIDMET DEM GEDÄCHTNIS

UNSERER ERMORDETEN

BRÜDER UND SCHWESTERN

1933 – 1945

UND DEN LEBENDEN

DIE DAS VERMÄCHTNIS

DER TOTEN ERFÜLLEN SOLLEN

DIE JÜDISCHE GEMEINDE ZU BERLIN

Foto: Ingo Müller, 01.06.2022

und es sind 20 Grabsteine mit den Namen von KZ´s angelegt:


Krieg gegen den Faschismus

Am Gehweg der Schönhauser Allee – dort, wo sich U-Bahn, Tram und S-Bahn schneiden – sind fünf Bronzetafeln angebracht.

Auf einer steht:

Foto: Ingo Müller, 2021

„alle, die ihr hier vorübergeht,

erweist jenen die Ehre,

die gefallen sind, damit ihr leben könnt“.

Dieser Satz ist auch auf Englisch, Französisch und Russisch zu lesen. Er gilt den englischen, französischen und russischen Soldaten des Zweiten Weltkrieges. 

Gilt er auch den deutschen Soldaten? Sie haben nur Tod gebracht. Kann man ihnen deswegen Ehre erweisen? Unser Väter oder Großväter sind gefallen, weil sie an einem Eroberungs – und Vernichtungskrieg beteiligt waren. Die überlebten, schwiegen. Sie haben diesen schändlichen Krieg totgeschwiegen und ihre Toten betrauert.

Nur wenige Deutsche haben gegen den Faschismus gekämpft. Auf einer der vier Bronzetafeln sind Flugblätter abgebildet. Darauf steht:

„BERLINER zum Kampf.

Rettet, was uns noch verblieben ist!

Rettet Berlin! Tod den Hitlerbanditen!

Unser das Leben: Unser die Zukunft!“


Eine Kämpferin gegen den Faschismus

Auf einer Bronzetafel in der Ritterstraße  in Kreuzberg ist der Kopf einer jungen Frau zu sehen.

Foto: Gedenktafel in Berlin, (https://www.gedenktafeln-in-berlin.de/)

Darunter steht:

„In der Lampenschirmfabrik Paulus, Ritterstr. 16, musste Hanni Meyer (1921-1943) als Jüdin Zwangsarbeit leisten.

Sie verbreitete mit der jüdisch-kommunistischen Widerstandsgruppe Baum antifaschistische Flugschriften.

Am 4. März 1943 wurde Hanni Meyer im Alter von 22 Jahren in Berlin-Plötzensee hingerichtet.“

Die Putzmacherin Hanni Meyer[5]siehe link: https://www.gedenktafeln-in-berlin.de/ dort auf der Karte Ritterstraße 16 in Kreuzberg suchen (geb. Linden­ber­ger) wurde wie andere Mitglieder des Widerstands der Gruppe Baum nach dem Brandanschlag auf die Nazi-Propagan­daausstellung „Das Sowjetpa­radies“ im Lustgarten (18.5.1942) Ende Mai verhaftet und am 10. Dezember 1942 zum Tode ver­urteilt.

Erinnert an die Opfer von Krieg und Faschismus!

Ehrt diejenigen, die gegen Krieg und Faschismus gekämpft haben!


Wie Deutschland mit Teilnehmern an der Wannseekonferenz umging

Am 22. Januar 2022 stellte die Bundestagsabgeordnete der Partei DIE LINKE, Gökay Akbulut folgende schriftliche Frage Nr. 01-349 an die Bundesregierung: „Aus welchem Grund wird nach Kenntnis der Bundesregierung auf der deutschen Kriegsgräberstätte im polnischen Poznan-Milostowo auf einer Bronzetafel auch des nationalsozialistischen Polizeifunktionärs Rudolf Lange gedacht, der als Teilnehmer der Wannseekonferenz sowie als SS-Standartenführer, Kommandeur und später Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes in Riga, Lettland, an der Organisation und Durchführung des Völkermordes an den europäischen Jüdinnen und Juden unmittelbar beiteiligt war und ist nach Ansicht der Bundesregierung Rudolf Lange ein „Opfer der Kriege und der Gewaltherrschaft“ im Sinne des hier einschlägigen deutsch-polnischen Kriegsgräberabkommens?“.

Die Antwort der Bundesregierung: „Soweit bekannt starb Rudolf Lange 1945 bei der Schlacht um Posen und ist damit ein deutscher Kriegstoter im Sinne des Abkommens vom 8. Dezember 2003 zwischen der Bundesrepublik und der Republik Polen über Gräber von Opfern der Kriege und Gewaltherrschaft. Sein Name war daher zusammen mit denen anderer nicht geborgener Kriegstoter an der Kriegsgräberstätte Poznan-Milostowo auf einer Bronzetafel dokumentiert worden.

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., der mit Unterstützung der Bundesregierung für deutsche Kriegsgräber im Ausland sorgt, hat diese Bronzetafel 2020 auf Bitten seiner polnischen Partnerorgansation von der Kriegsgräberstätte entfernt.“

Nach Angabe der Jungen Welt vom 8. Februar 2022 nahm sich Rudolf Lange am 23. Februar 1945 das Leben, um nicht in die Gefangenschaft der Roten Armee zu geraten. Gökay Akbulut nahm gegenüber der Jungen Welt zur Antwort der Bundesregierung so Stellung. „Es sei an Zynismus kaum zu überbieten, dass einem Organisator des Völkermordes überhaupt eine solche Ehrung zu Teil geworden war. Mit dem aus aus öffentlichen Mitteln finanzierten Erhalt der Gräber von Naziverbrechern bis hin zu KZ-Kommandanten auf Kriegsgräberanlangen müsse endlich Schluß sein“.

Bundespräsident Frank Walter Steinmeier in einer Rede am 18. Januar 2022 zu zwei Teilnehmern der Wannseekonferenz, die, „was sie vor 1939 waren … auch nach 1945 blieben: Juristen und Verwaltungsbeamte. Gerhard Klopfer etwa, Leiter der Abteilung III in der Parteikanzlei, einer der sicher einflussreichsten Beamten des NS-Staates an der Schnittstelle zwischen Partei und Staat“. In Wikipedia kann man über das Leben dieses Gerhard Klopfer nach 1945 lesen: „Nach der Entlassung aus dem Internierungslager wurde Klopfer im März 1949 durch eine Nürnberger Hauptspruchkammer als „minderbelastet“ entnazifiziert. … Ab 1952 war er Helfer in Steuersachen, und ab 1956 als Rechtsanwalt in Ulm tätig“.

Fritz Bauer, der als Staatsanwalt federführend den Auschwitz-Prozess betrieben hat, wußte, warum er den Aufenthaltsort von Adolf Eichmann, ebenfalls Teilnehmer an der Wannseekonferenz, nicht den deutschen Behörden meldete, sondern mit den israelischen Behörden zusammenarbeitete, damit Eichmann wegen seiner Taten vor Gericht gestellt werden konnte …


Entmilitarisierung Deutschlands 1945

Nach der Kapitulation 1945 wurde die Deutsche Rüstungsproduktion auf zivile Produktion umgestellt und die deutsche Armee aufgelöst. Deutschland wurde entmilitarisiert.

Diejenigen, die diese Zeit bewusst miterlebt haben, sind  heute über 80 Jahre alt. Wir sollten sie fragen: „Gab es Deutsche, die nach Kriegsende noch einmal deutsche Soldaten wollten, noch einmal ein deutsches Heer, noch einmal eine deutsche Marine, noch einmal eine deutsche Luftwaffe?“ Ich habe das meine Mutter gefragt, die 1920 geboren und 99 Jahre alt wurde; sie schüttelte mit dem Kopf: Es gab niemanden. Und das nicht nur, weil Deutschland 1945 kapitulieren musste und die Antihitlerkoalition die vollständige Entmilitarisierung Deutschlands beschlossen hatte [6] Potsdamer Abkommen .

Die Schrecken des Krieges waren noch zu lebendig.

Bald wird sich niemand mehr ein entmilitarisiertes Deutschland vorstellen können.

Die, die die Selbstverständlichkeit eines entmilitarisierten Deutschlands bezeugen können, leben bald nicht mehr.


Ohne mich – Remilitarisierung und NATO

Franz Josef Strauß verkündete 1949: „Wer noch einmal das Gewehr in die Hand nehmen will, dem soll die Hand abfallen“. Sieben  Jahre später war er Verteidigungsminister.

Gegen die Remilitarisierung kämpfte die „Ohne mich“-Bewegung. Es war der Beginn der bundesrepublikanischen Friedensbewegung. Gewerkschaften, Kirchen, die Frauenbewegung, die KPD und Teile der SPD beteiligten sich. Weil Gustav Heinemann die von Konrad Adenauer betriebene Wiederbewaffnung ablehnte, trat er 1950 als Bundesinnenminister zurück. Martin Niemöller regte eine Volksbefragung an. Sie wurde vom neuen Innenmister Lehr verboten. Trotzdem wurden fast 6 Millionen Unterschriften gegen die Wiederbewaffnung gesammelt [7] Ohne mich Bewegung  wikipedia, abgerufen am 18.7.2018. Siehe auch Dokumentarfilm Christoph Boekel und Be ate Rose mit Oskar Neumann, Konrad Adenauer und der Friedensbewegung der 50er … Continue reading.

1955 wurde Westdeutschland Mitglied der NATO, ein Jahr später der Remilitarisierung der Weg ins Grundgesetz geebnet.

Der  Beitritt zur NATO hatte Westdeutschland den Weg zur Remilitarisierung eröffnete. Die Worte „Wer noch einmal das Gewehr in die Hand nehmen will, dem soll die Hand abfallen“ – waren in wenigen Jahren vergessen.

1957 zogen die ersten Wehrpflichtigen in die Kasernen der Bundeswehr.

Einer der Autoren dieser website[8]Benedikt Hopmann erinnert sich aus eigener Erfahrung: „Als die Zeit der Musterung 1966 nahte, diskutierte ich mit meinen Freunden darüber, ob wir den Wehrdienst verweigern sollten. Diejenigen, die die Bundeswehr verteidigten, waren felsenfest davon überzeugt, dass sich Deutschland niemals wieder an einem Krieg beteiligen würde und vor allem, dass sie selbst als Soldaten niemals an einem Krieg beteiligt sein würden. Der Zweck der Bundeswehr sei ja gerade die Verhinderung von Krieg. Es waren die Kriegsgegner, die darauf bestanden, dass eine Armee, die nicht auch eingesetzt werden kann, keine Armee ist. Ebenso wichtig war die Furcht vor einem Regime wie das in der der DDR und Sowjetunion. Die Mutigsten lehnten dagegen ausdrücklich das Motto „Lieber tot als rot“ ab.

Ganz unabhängig davon, ob eine Mensch rechts oder links war, war es zu der damaligen Zeit für alle ganz unvorstellbar, dass deutsche Soldaten erneut an einem Kriegseinsatz in Jugoslawien teilnehmen würden“.

Und dann kam die Wende und die Stimmen wurden immer lauter, die eine Beteiligung deutscher Soldaten an internationalen Einsätzen forderten. Dabei berief man sich besonders gerne auf die Bündnispartner, die von Deutschland forderten, Verantwortung zu übernehmen. Zunächst waren es rein humanitäre Einsätze, also zum Beispiel Einsätze von medizinischem Personal. Es vergingen zehn Jahre und Deutschland schickte Soldaten in einen Kriegseinsatz Deutsche Piloten warfen Bomben auf Jugoslawien. Deutschland übernahm Verantwortung, indem es sich an einem völkerrechtswidrigen Krieg beteiligte, gegen ein Land, gegen das Deutschland schon im 2. Weltkrieg Krieg geführt hatte.

Der Begriff Krieg wurde bei den Einsätzen in Jugoslawien und am Anfang auch bei den Einsätzen in Afghanistan konsequent vermieden. Zehntausende Zivilisten starben in diesem Krieg. 59 deutsche Soldaten fielen in Afghanistan. Wozu? Nach 20 Jahren sprechen alle, selbst Politiker der CSU, von einem Desaster. Aber welche Konsequenzen werden gezogen?


Das ökonomische Fundament der Blockkonfrontation

Deutschland hatte gegen die Sowjetunion Krieg geführt hatte. Nur wenige Jahre waren vergangen. Und wieder war die Sowjetunion der Hauptfeind. 

Im Mai 1950 erklärten die Vereinigten Stabschefs der westlichen Alliierten: „Die Vereinigten Stabschefs sind der festen Überzeugung, dass aus militärischer Sicht die angemessene und frühe Wiederbewaffnung Westdeutschlands von grundlegender Bedeutung für die Verteidigung Westeuropas gegen die UdSSR ist“.

Erst nachdem Westdeutschland der NATO beigetreten war, gründete sich der Warschauer Pakt. Beide Militärblöcke wurden ergänzt durch länderübergreifende wirtschaftliche Zusammenschlüsse [9] Den Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) auf der einen Seite und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) auf der anderen Seite. .

Entscheidend für diese Blockkonfrontation war ihr gegensätzliches ökonomisches Fundament. Die Länder, die sich in der NATO zusammengeschlossen hatten, waren kapitalistische Länder. Ihre Wirtschaft beherrschten Großunternehmen, die in privaten Händen waren, während in der UdSSR und den anderen Länder des Warschauer Paktes solche Privatunternehmen enteignet worden waren.

Die USA, Deutschland die anderen NATO-Länder fürchteten  nichts so sehr als dass es den großen kapitalistischen Unternehmen in ihren Ländern genauso ergehen könnte. Alleine die Existenz von Staaten, die nicht von kapitalistischen Großunternehmen beherrscht werden, war eine Bedrohung für die kapitalistischen Länder.


Der Kampf gegen den Krieg der USA in Vietnam

Dieser Gegensatz war weltumspannend und erlaubte den Ländern in Asien und Afrika die Befreiung vom Kolonialismus.

Vietnams langer Befreiungskampf war ein besonders bedeutsames Beispiel. Ohne die Unterstützung der UdSSR und Chinas wäre dieser Befreiungskampf nicht erfolgreich gewesen. Der weltweite Widerstand gegen Krieg der USA in Vietnam war Teil der weltweiten Antikriegsbewegung. Dies galt auch für Westdeutschland. Die Bundesrepublik bekämpfte die Befreiungsbewegungen, die DDR unterstützte sie. Auch Kuba hätte ohne das sozialistische Lager kaum überlebt.  


Kampf dem Atomtod

Von1980 bis 1983 verteilte die Friedensbewegung diesen Geldschein zur geplanten Stationierung von atomar bestückten pershing und cruise-missiles in der Bundesrepublik. 40 Jahre später, am 22. Januar 2021, trat der Atomwaffenverbotsvertrag in Kraft. Immer noch sind in Büchel (Eifel) Atomwaffen stationiert, in Zukunft für eine Zeit nach Nörvenich verlagert. Unterstützt die Forderung nach dem Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag. Die sogenannte nukleare Teilhabe der Bundesrepublik Deutschland ist jetzt schon völkerrechtswidrig, hier weiterlesen.
Die Rückseite desselben Geldscheins. Unterstützt die gegenwärtige Initiative Abrüsten statt Aufrüsten!

Auslöser der Bewegung „Kampf dem Atomtod“ waren Pläne der Bundesregierung, die Bundeswehr mit taktischen Atomwaffen auszurüsten. Dagegen veröffentlichten 1957 deutsche Atomwissenschaftler den Göttinger Appell. Es folgte ein Aufruf „Kampf dem Atomtod“, hinter dem sich ein breites Bündnis von SPD, DGB, FDP, EKD, Wissenschaftlern und Schriftstellern versammelte. Es folgten Massenkundgebungen und auch politische  Streiks. Im Dezember 1958 entschied die NATO, dass nicht die Bundeswehr, sondern nur die USA in Westdeutschland über Atomsprengkörper und die notwenigen Codes für ihre Entsperrung verfügen sollen.

1983 kämpfte die Friedensbewegung gegen die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland. Es waren Raketen mit Atomsprengköpfen. Viele Städte und Gemeinden sahen sich als Stadt oder Gemeinde in der Verantwortung und erklärten sich zu „atomwaffenfreien Zonen“. So drückten sie ihre Ablehnung von Atomwaffen aus.

In Berlin erklärten die Bezirksverordneten von Kreuzberg ihren Bezirk zur atomwaffenfreien Zone. In der Yorkstraße an der Grenze zum Bezirk Schöneberg enthüllten die Bezirksverordneten feierlich ein Schild „Kreuzberg – atomwaffenfreie Zone“. Der Schildermacher in der Schinkestraße wurde beauftragt, das Schild anzufertigen. Er freute sich über diesen Auftrag: „Ich selbst war vor vielen Jahren aktiv in der Bewegung „Kampf dem Atomtod“.“

Es waren einmal rund 7.000 Atomsprengköpfe an ca. 100 Standorten in Deutschland gelagert.

Immer noch sind in Deutschland in Büchel (Eifel) Atomwaffen stationiert. Am 22. Januar 2021 trat der Atomwaffenverbotsvertrag [10]siehe zum Begriff pdf Datei des wissenschaftlichen Dienstes Deutscher Bundestag in Kraft. Die Friedensbewegung fordert den Beitritt Deutschlands zu diesem Vertrag.

„Das in Büchel stationierte Jagdbombergeschwader 33 der Bundeswehr hat im Rahmen der nuklearen Beihilfe der NATO die Aufgabe, mit den Tornado-Flugzeugen die Beförderung und den Abwurf der dort stationierten Atombomben zu üben und diese im Kriegsfall zu den Zielgebieten zu fliegen und sie dort abzuwerfen, nachdem der US-Präsident sie freigegeben und das US-Militär sie einsatzbereit geschaltet hat. Damit erlangen die Bundeswehrsoldaten im Kriegsfall unter dem Schutz der NATO die Verfügungsgewalt über Atomwaffen …“[11]Beitrag vom 14. März 2021 von Bernd Hahnfeld (IALANA) „Nukleare Teilhabe“ – Diese nukleare Beihilfe der Bundesrepublik Deutschland ist schon jetzt völkerrechtswidrig, hier den Beitrag von Bernd Hahnefeld (IALANA) weiterlesen.

Wer sich zur sogenannten nuklearen Teilhabe Deutschlands infomieren will, kann dies auf der Homepage der deutschen Sektion der „International Association of Lawyers against Nuclear Arms (IALANA)“ tun.

In jedem Jahr wird im August an die Atombombenabwürfe auf Hiroshima (6. August 1945) und Nagasaki (9. August 1945) erinnert. Hier ein Bericht über die Gedenkveranstaltung in Berlin am 6. August 2022 an der Friedensglocke.

Die Doomsday Clock (Weltuntergangsuhr) des in Chicago ansässigen Bulletins for Atomic Scientists, die sich mit den Gefahren eines Atomkriegs beschäftigen, übrigens eine Einrichtung, die 1947 von Albert Einstein mit ins Leben gerufen wurde, steht im Jahr des Ukraine-Krieges 2022 so dicht vor Zwölf wie selbst während des Kalten Krieges und der Kubakrise nicht.


Das Ende der Blockkonfrontation?

Die „Verteidigung Westeuropas gegen die UdSSR“ erledigte sich 1989.  Denn Grundlage des NATO-Vertrages war von Anfang an die Annahme, dass die Sowjetunion Westeuropa angreifen könnte [12] Die Mitglieder der NATO verpflichteten sich zu gegenseitigem Beistand, auch mit Waffengewalt, wenn eines oder mehrere ihrer Mitglieder bewaffnet angegriffen werden würden. Artikel 5 des NATO … Continue reading. Aber die Sowjetunion griff nicht an, sie zerfiel.

Die UdSSR gab es nicht mehr. Der Warschauer Pakt hatte sich aufgelöst. 

Die NATO löste sich nicht auf und die Bundeswehr auch nicht, obwohl sie das Ziel, für das sie gegründet worden waren, erreicht hatten.


Keine Osterweiterung der NATO?

Foto: Ingo Müller

“Immer wieder geht es … auch um die Frage, ob die USA 1990 Gorbatschow im Zusammenhang mit seiner Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung versprochen haben, die NATO nicht über die deutschen Grenzen nach Osten zu erweitern. Hier sollte man die wichtigste Quelle US-amerikanischer Forschung heranziehen …. weiterlesen hier


Der Unterschied zwischen der NATO und einem System kollektiver Sicherheit

Wer passt hinein? – Diese Frage wurde bereits 1960 von der Zeitschrift “Der Mahnruf”, dem Mitteilungsblatt für die Mitglieder der VVN Westberlin, gestellt, wie das Bild zeigt.

Ist es verständlich, wenn sich die Ukraine der NATO anschließen will, nachdem Russland kapitalistisch geworden ist und Truppen in die Ukraine geschickt hat? Ist die NATO im Krieg in der Ukraine plötzlich zu einer Schutzmacht geworden? Gibt es eine Alternative zum Militärbündnis NATO?

Es wäre besser, wenn die Militärallianz NATO durch ein System kollektiver Sicherheit aller europäischen Länder einschließlich Russlands ersetzt würde. Das können aber nur wir durchsetzen. Der Aufruf „Frieden schaffen“ stellt diese Forderung nach einem System kollektiver Sicherheit in den Mittelpunkt. Er wird von vielen Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern unterstützt.

Es lohnt, sich Klarheit darüber zu verschaffen, was der Unterschiede zwischen einem Verteidigungsbündnis und einem System kollektiver Sicherheit ist

Weiterlesen hier


Der Angriffskrieg gegen Jugoslawien – ein Lehrstück

Einführung:

Bis zur Wiedervereinigung glaubte kein deutscher Soldat an einen Kriegseinsatz, schon gar nicht an einen Kriegseinsatz in Afghanistan. Undenkbar war ein Einsatz deutscher Soldaten in Jugoslawien. Auch diejenigen, die das bezeugen können, werden bald nicht mehr leben.

Wenige Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion und des Warschauer Pakts bombardierte die NATO Jugoslawien – und Deutschland bombardierte mit.

Das Undenkbare war Realität geworden. Deutschland war im Krieg. Krieg war wieder ein Mittel der Politik. Das war Deutschlands Rückkehr zur „Normalität“.

Der Sieg der NATO und USA über die Sowjetunion und den Warschauer Pakt ebnete den Weg zu diesem ersten Krieg in Europa nach über 50 Jahren. Mit dem Jugoslawienkrieg galt eine neue NATO Strategie: Der Einsatz von NATO-Truppen zur Durchsetzung weltweiter Interessen ohne UN-Mandant.

Inhaltsverzeichnis:


Der Film: Deutschlands Weg in den Kosovo-Krieg – Es begann mit einer Lüge

Der folgende Film der beiden Monitor-Redakteure Jo Angerer und Mathias Wirth zeigt in fünf Teilen, mit welchen Methoden 1999 der Angriff der NATO gegen Jugoslawien geführt wurde. Dieser Krieg war eine „Zeitenwende“[13]Bundeskanzler Scholz mit Blick auf den Ukraine-Krieg in seiner Rede während der Sondersitzung des Bundestages am Sonntag, den 27. Februar 2022. Denn die NATO zeigte sich nicht mehr als Verteidigungsbündnis, als das es sich bis dahin ausgegeben hatte, sondern als Bündnis, das „out of area“, also außerhalb der NATO-Länder einen völkerrechtswidirgen Angriffskrieg führte und so imperialistische Ziele verfolgte.


Kein Krieg?

Bundeskanzler Schröder behauptete: „Wir führen keinen Krieg, aber wir sind aufgerufen, eine friedliche Lösung im Kosovo auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen“[14]Erklärung von Bundeskanzler Schröder zur Lage im Kosovo, Pressemitteilung Nr. 111/99 vom 24. März 1999 Presse und Informationsamt der Bundesregierung. Eine „Lösung mit militärischen Mitteln“ ist genau das, was Schöder bestreitet: Krieg. Die Bundeswehr beteiligte sich an den Bombardements vom ersten Tag an mit 10 Tornados ECR und 4 Tornados Recce. Die ECR Tornados flogen 428 SEAD – Einsätze. Unter anderem wurden 200 Raketen des Typs AGM-88 HARM eingesetzt[15]Alle Angaben nach https://de.wikipedia.0rg/wiki/kosovokrieg#kriegsgeshehen.

Brigadegeneral a.D. Heinz Loquai am 5. Dezember 2000 in einem Interview zur Behauptung, die Bombardierung Jugoslawiens sei kein Krieg gewesen: „Vom Verteidigungsministerium wurde die argumentative Marschroute ausgegeben, dass es sich bei den Luftschlägen der NATO nicht um Kriegshandlungen handeln würde, schließlich habe es ja keine Kriegserklärung gegeben. Wenn man dieses Argument gelten lässt, dann waren Hitlers Überfälle auf Polen und auf die Sowjetunion auch keine Kriege. Daran zeigt sich die ganze Fragwürdigkeit dieses Arguments. Wenn jedoch allgemeine und militärwissenschaftliche Literatur herangezogen wird und die dortigen Definitionen betrachtet werden, so kann überhaupt nicht bestritten werden, dass die NATO als internationale Organisation und einzelne NATO-Staaten gegen die Bundesrepublik Jugoslawien einen Krieg geplant, begonnen und geführt haben“.


Vermeidung von Verlusten der Zivilbevölkerung?

Bundeskanzler Schröder: „Wir werden alles tun, um Verluste unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden“[16]Erklärung von Bundeskanzler Schröder zur Lage im Kosovo, Pressemitteilung Nr. 111/99 vom 24. März 1999 Presse und Informationsamt der Bundesregierung.

Einige Beispiele dieser Vermeidungsstrategie: Die NATO bombardierte in der ersten Kriegsnacht mehrere serbische Chemie – und Petrochemiewerke im Chemie-Großkombinat Pancevo, einem Vorort von Belgrad. Große Mengen an giftigen und krebserregenden Stoffen traten dabei in Wasser und Luft aus. Die Schwaden aus den brennenden Fabriken hüllten Pancevo in eine Giftwolke, darunter Phosgen, das vor allem für seinen Einsatz als Lungenkampfstoff im Ersten Weltkrieg bekannt ist (Grünkreuz). Später wurde das Gebäude des Serbischen Rundfunks (RTS) bombardiert. 16 Zivilisten wurden dabei getötet. Der Belgrader Fernsehturm wurde zerstört. Es starben 19 Menschen[17]Alle Angaben nach https://de.wikipedia.0rg/wiki/kosovokrieg#cite_note-HS-12. Im Mai und Juni richteten sich die Angriffe auf die Stromversorgung in Serbien.


Verhinderung einer humanitären Katastrophe?

Bundeskanzler Schröder nannte als Ziel des Krieges gegen Jugoslawien: „Weitere schwere und systematische Verletzungen der Menschenrechte unterbinden und eine humanitäre Katastrophe im Kosovo verhindern“[18]Erklärung von Bundeskanzler Schröder zur Lage im Kosovo, Pressemitteilung Nr. 111/99 vom 24. März 1999 Presse und Informationsamt der Bundesregierung. Wer will schon schwere und systematische Verletzungen der Menschenrechte hinnehmen? Wer will eine humanitäre Katastrophe zulassen? Es waren die Bilder im Fernsehen mit der endlosen Zahl von Flüchtenden, die niemand akzeptieren wollte. Aber vor wem flüchteten sie?


In einem Beitrag vom 15. Dezember 2000 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zitiert Dieter S. Lutz einen Generalbericht der Parlamentarischen Versammlung der NATO, wonach das Vorgehen der NATO im Jugoslawien-Konflikt unvereinbar mit diesem von Bundeskanzler Schröder genannten Ziel der NATO war. Denn ein zwischen den USA und Jugoslawien ausgehandelte Abkommen vom Oktober 1998[19]sogenanntes „Holbrookre-Milosevic-Abkommen“, wonach Milosevic „sich verpflichtete, 1. die Forderungen der UN-Resolution 1199 vollständig zu erfüllen, 2. eine … Continue reading habe der UCK[20]UCK war die für die Unabhängigkeit des Kosovo kämpfenden bewaffneten Organisation der Kosovo-Albaner eine Atempause verschafft, die die UCK nutzte, um ihre Kräfte zu stärken, während die serbische Repression unter dem Einfluss dieses Abkommens und der Kosovo-Verifikationsmission (KVM) der OSZE[21]Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit, die die Einhaltung der Abkommens überprüft nachgelassen habe. Die Folgen werden vom Generalbericht mit folgenden Worten beschrieben: „So nahmen die Angriffe der UCK auf serbische Sicherheitskräfte und Zivilisten ab Dezember 1998 stark zu. Der Konflikt eskalierte neuerlich, um eine humanitäre Krise zu erzeugen, welche die NATO zur Intervention bewegen würde“[22]Dieter S. Lutz in seinem Beitrag vom 15. Dezember 2000 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wörtlich: „Unbemerkt von den Medien hat die Parlamentarische Versammlung der Nato, ein von der … Continue reading. Die humanitäre Katastophe, die endlose Zahl von Flüchtenden, wurde also durch die Angriffe der UCK auf serbische Sicherheitskräfte ausgelöst, was wiederum – ganz im Sinne der UCK – die Intervention der NATO zur Folge hatte.


Faschismus? Völkermord?

Außenminister Fischer: „Die rassistischen Übergriffe, der Neonazismus, die Skinheads. Natürlich steckt da auch bei mir immer die Erinnerung an unsere Geschichte und spielt da eine Rolle. Und ich frage mich, wenn wir innenpolitisch dieses Argument immer gemeinsam verwandt haben, warum verwenden wir es dann nicht, wenn Vertreibung, ethnische Kriegsführung in Europa wieder Einzug halten und eine blutige Ernte mittlerweile wieder zu verzeichnen ist? Ist das moralische Hochrüstung, ist das Overkill? Ausschwitz ist unvergleichbar. Aber ich stehe auf zwei Grundsätzen: Nie wieder Krieg, nie wieder Ausschwitz; nie wieder Völkermord, nie wieder Faschismus. Beides gehört bei mir zusammen …“[23]Josef Fischer auf dem Parteitag der GRÜNEN in Bielefeld (Quelle: Spiegel-online vom 13.5.1999, über wikipedia-org/wiki/Rede_Joschka_Fischers_zumm NATO-Einsatz_im_Kosovo. Der Satz „Natürlich … Continue reading.

Von den rassistischen Übergriffen in Deutschland zieht Fischer einen Bogen zur Vertreibung im Kosovo, ethnischer Kriegsführung, Auschwitz, Völkermord, Faschismus und rechtfertigt damit den Krieg gegen Serbien und die Beteiligung Deutschlands an diesem Krieg.

Dazu der Friedensforscher Dieter S. Lutz in einem Beitrag vom 15. Dezember 2000 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung:

„Aus einer Lageanalyse des Auswärtigen Amtes vom 19. März 1999 geht hervor, daß die politischen Entscheidungsträger bereits vor dem Krieg Bescheid gewußt haben müssen. In der internen Vorlage, die wenige Tage vor Beginn des Nato-Bombardements vom 24. März angefertigt und an den Außenminister sowie an das Bundesverteidigungsministerium weitergereicht wurde, heißt es expressis verbis, daß der Waffenstillstand nicht allein von den Serben, sondern „von beiden Seiten nicht mehr eingehalten“ wird. Als Ziele der Operationen der jugoslawischen Streitkräfte (VJ) werden ferner auch nicht Völkermord und Vertreibung angegeben. Ziel sei vielmehr, „durch gezielte Geländebereinigung sämtliche Rückzugsmöglichkeiten für die UCK zu beseitigen“. Die Zivilbevölkerung werde in der Regel sogar „vor einem drohenden Angriff durch die VJ gewarnt“. Allerdings werde „die Evakuierung der Zivilbevölkerung vereinzelt durch lokale UCK-Kommandeure unterbunden“. Nach Abzug der serbischen Sicherheitskräfte kehre die Bevölkerung meist in die Ortschaften zurück. Eine Massenflucht in die Wälder sei nicht zu beobachten. Und dann heißt es: „Von Flucht, Vertreibung und Zerstörung im Kosovo sind alle dort lebenden Bevölkerungsgruppen gleichermaßen betroffen. Etwa 90 vormals von Serben bewohnte Dörfer sind inzwischen verlassen. Von den einst 14 000 serbisch-stämmigen Kroaten leben nur noch 7000 im Kosovo. Anders als im Herbst/Frühwinter 1998 droht derzeit keine Versorgungskatastrophe.“

Weder Lutz noch Loquai verharmlosen in irgendeiner Weise das Handeln der serbischen Militärs, aber es war weder Völkermord noch Faschismus. Die Anwendung dieser Begriffe auf Jugoslawien hatten nur einen Zweck: Dem durch nichts zu rechtfertigenden Krieg, mit dem die NATO Jugoslawien überzog, doch noch den Anschein einer Rechtfertigung zu geben.

Der WDR beschrieb im Jahr 2001 in einer Sendung die Lügen, mit denen der NATO-Krieg gegen Jugoslawien gerechtfertigt wurde.

Dieter S. Lutz wertet die einseitige Parteinahme der NATO für die UCK so:

„Die einseitige Parteinahme zu Lasten eines Vertragspartners oder dessen Bevölkerung unter Verweis auf das Geschehen in der Zeit davor ist nach Abschluß der Vereinbarung jedenfalls nicht mehr erlaubt ­ weder politisch noch rechtlich und schon gar nicht moralisch. Die Nato aber hat sich im Kosovo-Konflikt sehenden Auges zum Instrument der UCK machen lassen. Aus der Perspektive der Charta der Vereinten Nationen war es ein Völkerrechtsbruch mit unabsehbaren Folgen für die künftige Entwicklung der internationalen Ordnung. Aus der Sicht des Grundgesetzes war es ein verfassungswidriger Angriffskrieg mit verheerenden Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit von Politik“[24]a.a.O..


Angriffskrieg und Völkerrechtsbruch der NATO

Unter der Losung des Antifaschismus verstieß die Bundesregierung im Bündnis mit der NATO gegen alle Regeln, zu denen sich die Völkergemeinschaft als Konsequenz aus Krieg und Faschismus in der UNO verpflichtet hatte. Das Recht für eine militärische Intervention muss vom Sicherheitsrat der UNO festgestellt werden. Die NATO hatte kein Mandat der UNO für einen Krieg gegen Jugoslawien. Die NATO konnte den Krieg auch nicht als Selbstverteidigung rechtfertigen; die NATO war von keinem Land angegriffen worden und kam auch keinem völkerrechtswidrigen angegriffenen Staat zu Hilfe; denn der Kosovo war kein souveräner Staat. Auch eine humanitäre Katastrophe rechtfertigt keinen Krieg. Bundeskanzler Schröder gab später zu, dass er gegen das Völkerrecht verstoßen hat. Auf die Nachfrage „Was haben Sie gemacht?“ antwortete Gerhard Schröder wörtlich: „Gegen das Völkerrecht verstoßen. Kurz und konkret: Da haben wir unsere Flugzeuge, unsere Tornados nach Serbien geschickt und die haben zusammen mit der NATO einen souveränen Staat gebombt – ohne dass es einen Sicherheitsratsbeschluss gegeben hätte“

Der Bundesregierung Deutschland war der NATO unter der Führung der USA wichtiger als das Völkerrecht und die UNO, die aus dem Staatenbündnis gegen den Faschismus hervorgegangen war, wichtiger auch als das eigene antifaschistische Erbe, das im Grundgesetz in der Ächtung des Angriffskrieges seinen Ausdruck gefunden hat[25]Damit hat Bundeskanzler Schröder auch gegen das Grundgesetz verstoßen: „Das Grundgesetz knüpft an gravierende Verstöße gegen gegen das Völkerrecht auch innerstaatliche Rechtsfolgen. Dies gilt … Continue reading.


Neue NATO-Strategie: Einsätze zur Verteidigung weltweiter Interessen ohne UN-Mandat

Brigadegeneral a.D. Heinz Loquai beschrieb am 5. Dezember 2000 in einem Interview das tatsächliche Ziel der NATO in diesem Krieg „Für die NATO selbst wurde das Kosovo immer mehr zu einer Arena, in der die Politik der NATO exemplarisch angewandt und auch getestet wurde, in der Konflikte zwischen der NATO und Russland sich offen zeigten, in der aber auch die unterschiedliche Politik einzelner NATO-Länder ihren Ausdruck fand und schließlich harmonisiert wurde. Die NATO war ja dabei, eine neue Strategie einzuführen, Einsätze außerhalb des Artikel 5 des NATO-Vertrages sollten in Zukunft ohne UN-Mandat möglich sein. Im Krieg gegen Jugoslawien setzte die NATO vorab ihre Strategie um. Bezeichnend hierzu ist, dass der amerikanische Präsident am 24. März 1999 in seiner Rede an das amerikanische Volk nicht die humanitäre Katastrophe, sondern die Glaubwürdigkeit des NATO-Bündnisses an die erste Stelle gestellt hat. Um jeden Preis sollte verhindert werden, dass die NATO – wie vorher die UN – als Papiertiger erschien“.

Heinz Loquai zitiert einen Artikel von Gunter Hoffmann in DIE ZEIT vom April 1999: „Im Auswärtigen Amt entsteht jetzt der Eindruck, die USA wollten versuchen, einen Präzedenzfall dafür zu schaffen, dass nicht nur sie, sondern die NATO zur Verteidigung weltweiter Interessen ohne Sicherheitsbeschluss militärisch handeln können“[26]Gunter Hoffmann „Wie Deutschland in den Krieg geriet“ in: Die Zeit, 20/1999, S. 17-21; zitiert nach Heinz Loquai „Der Kosovo-Konflikt – Wege in einen vermeidbaren Krieg. Die … Continue reading.

Die NATO hatte schon vor ihrer „humanitären  Intervention“ in Jugoslawien die Erweiterung  nach Osten begonnen. 1990 wurden die Gebiete der ehemaligen DDR und Berlins Teil des NATO Gebiets; aber nichtdeutsche NATO-Truppen dürfen dort nicht dauerhaft stationiert werden [27]Art. 5 Abs. 3 des Regelungsvertrages vom 12. September 1990 (BGBl. II S. 1318) . Danach nahm die NATO zahlreiche Länder der ehemaligen Sowjetunion, des Warschauer Pakts und Jugoslawiens in die NATO auf[28]1999: Tschechien, Polen und Ungarn; 2004: Estland, Lettland, Litauen, die Slowakei, Slowenien, Bulgarien,  Rumänien; 2008/2009: Albanien und Kroatien (siehe: „Keine Osterweiterung der NATO?“).

Noch während des Krieges gegen Jugoslawien beschloss die NATO im April 1999 ein neues strategisches Konzept. Danach will die NATO „Konflikte verhüten oder, sollte eine Krise auftreten, in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht zu deren wirksamer Bewältigung beitragen, darunter auch durch die Möglichkeit von nicht unter Artikel 5 fallenden Krisenreaktionseinsätzen  (Ziffer 31)“ [29]siehe www.bpb.de/apuz/32306/das-neue-strategische -konzept-der-nato?p=all. Hier wird einerseits die Beschränkung nach Artikel 5 des NATO Vertrages aufgehoben, die keinen Kriegseinsatz erlaubte, wenn ein oder mehrere NATO Staaten nicht angegriffen werden, und andererseits die „Übereinstimmung mit dem Völkerrecht“ verlangt, gegen das die NATO zur gleichen Zeit im Jugoslawienkrieg verstieß. Die „humanitären Interventionen“ der NATO  beschränkten sich nicht mehr auf Europa. Der ISAF – Einsatz in Afghanistan (kein Blauhelmeinsatz) stand von 2003 bis 2014 unter der Führung der NATO[30]wikipedia unter NATO ISAF – Einsatz in Afghanistan, abgerufen 17.7.2018. In diesem Rahmen konnte „Deutschlands Sicherheit auch am Hindukusch verteidigt“[31]Beitrag „De Maiziére lobt Strucks Leistung“ vom 3.7.2013 unter https://www.ntv-tv.de/politik/De-Maiziere-lobt-Strucks-Leistung-article9886866.html werden.

Jüngst wurde  Kolumbien als „globaler Partner“ der NATO aufgenommen[32]Volker Hermsdorf „Forum der Linken“ in JW vom 14./15.7.2018 S. 5). Dabei ist Partnerschaft nicht mit Mitgliedschaft zu verwechseln. Irak, Afghanistan, Pakistan, Japan, Australien, Süd-Korea u.a. sind globale Partner der NATO[33]https//:crp-infotec.de/nato-partnerschaft-und-kooperation/.

Eine bekannte Parole lautet: „Deutsche Waffen, deutsches Geld – morden mit in aller Welt“. Diese Parole stammt offensichtlich aus einer Zeit, in der es unvorstellbar war, dass auch deutsche Soldaten in die ganze Welt gechickt werden. Die Parole muss aktualisiert werden:

„Deutsche Soldaten, deutsche Waffen, deutsches Geld – morden mit in aller Welt“.


Mit oder ohne Russland?

Heinz Loquai beschreibt in seinem Buch „Der Kosovo-Konflikt – Wege in einen vermeidbaren Krieg“ eine Auseinandersetzungen um eine Erklärung des NATO-Rats auf der Sitzung am 30. Januar 1999: „Frankreich wollte durchsetzen, dass die Kontaktgruppe ein Votum abgeben sollte, bevor der NATO-Generalsekretär die Luftangriffe auslöste. Dahinter verbarg sich ein prinzipieller Konflikt. Die USA setzten ausschließlich auf die NATO, Frankreich wollte die Kontaktgruppe zumindest gewichtig mit einbeziehen Da fünf der Kontaktgruppen-Staaten ohnehin der NATO angehörten, ging es bei der französischen Forderung vor allem um eine Mitwirkung Russlands im Konsultationsprozess. Doch das war gerade das, was die USA vermeiden wollten. … Letztlich setzte sich auch bei dieser etwa zwölfstündigen, für den weiteren Verlauf sehr wichtigen Sitzung die amerikanische Linie durch, da Frankreich auf sich allein gestellt war. … Deutschland tat alles, um nicht in Konflikt mit den USA zu geraten. Den Deutschen ging es vor allem darum, in der Erklärung des NATO-Rats die „humanitäre Kastrophe“, die Legitimationsgrundlage für den Einsatz deutscher Soldaten, zu verankern, was auch gelang“[34]Heinz Loquai „Der Kosovo-Konflikt – Wege in einen vermeidbaren Krieg. Die zeit vom Ende Novemer 1997 bis März 1999“ Baden-Baden 2000, S. 102.


Verschärfung der Konfrontation

Benedikt Hopmann

Kundgebung gegen den Krieg am 2. Juli 2022 Berlin Bebelplatz. Foto: Ingo Müller
Foto: Ingo Müller

China und Russland haben sich zu einem Bündnis zusammen geschlossen. Sie sind Teil des BRICS- Bündnisses (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika), das sich inzwischen um weitere Staaten vergrößert hat. Die USA verschärfen die politische und militärische Konfrontation gegen China und Russland. Die Bundesregierung Deutschland ist im Rahmen der NATO in diese Stratigie der USA eingebunden. Die Herrschenden in Deutschland glauben, dies sei in ihrem Interesse[35]siehe die Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik „Autonomie Europas? und handeln entsprechend. Der Bundestag beschloss am 3. Jui 2022 mit großer Mehrheit einen Sonderfond von 100 Milliarde €, der durch das Grundgesetz geschützt wird. Jährlich sollen 2 Prozent der wirtschaftlichen Leistung in die Rüstung investiert werden und die Bundesregierung schickt Waffen, auch Panzer, an die Ukraine zur Unterstützung in dem Krieg gegen Russland.

Dagegen gibt es vier Initiativen:  

  • Der Appell für den Frieden, hier lesen und unterschreiben
  • Der Aufruf „Abrüsten statt aufrüsten“, der sich gegen einen Rüstungshaushalt von 2 Prozent des wirtschaftlichen Leistung (BIP = Bruttoinlandsprodukt) richtet, unterschreiben hier:
  • Der Atomwaffenverbotsvertrag im Rahmen der vereinten Nationen ist seit dem 22. Januar 2021 in Kraft. Deutschland muss diesem Vertrag beitreten. Erst dann sind auch in Deutschland Atomwaffen verboten. Die Petition unterschreiben hier:
  • Die Aktionen der Friedenskoordination Berlin unterstützen.

Jutta Kausch: 44 Jahre Berliner Friedenskoordination

Am 5. August 2024 sprach Jutta Kausch über 44 Jahre Berliner Friedenskoordination.

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Helma Fries zu ihrem Plakat „Buchen Sie eine Reise nach Europa …“

Helma Fries (Berliner Compagnie) fertigte vor über 40 Jahren das Plakat an „Buche eine Reise nach Europa, solange es Europa noch gibt. Helma Fries zu diesem Plakat in einem Interview mit Benedikt Hopmann

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Gegen Aufrüstung und Kriegsvorbereitung: Bundeswehr und Waffenproduktion

Hier sind Beiträge zur Bundeswehr, gegen Aufrüstung und Waffenproduktion zu finden.

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Zum Krieg in der Ukraine

Alle Beiträge zum Krieg in der Ukraine hier lesen

Foto: Ingo Müller
Foto: Ingo Müller

Konfliktherd: Nahost

Hier alle Beiträge zum Konfliktherd Nahost lesen.


Kanonen und Butter

Clemes Fuest, Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts ifo: „Kanonen und Butter – das wäre schön, wenn das ginge, aber das ist Schlaraffenland, das geht nicht, sondern: Kanonen ohne Butter: Das heißt wir werden Einbußen haben …“

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References

References
1 Markus Meckel, Pastor in der DDR, 1989 Mitbegründer der SPD in der DDR, nach der März-Wahl 1990 Außenminister der DDR, nach der Wiedervereinigung bis 2009 Mitglied des Bundestags des wiedervereinigten Deutschlands.
2 Der Vorstand hatte zunächst einen Entwurf beschlossen, in dem der Zweite Weltkrieg als Angriffskrieg beschrieben wurde, „in dem das nationalsozialistische Deutschland ein rassistisch geprägtes Europa unter deutscher Vorherrschaft zu realisieren suchte. Er wurde insbesondere im Osten Europas als Eroberungs- und Vernichtungskrieg geführt und war Voraussetzung für einzigartige Verbrechen, vor allem für den millionenfachen Mord an den europäischen Juden….“

Der Bundesvertretertag des Volksbundes verabschiedete jedoch wenige Monate später folgende Version:  „…Dieser Angriffskrieg des  nationalsozialistischen Deutschlands forderte Millionen Opfer, Soldaten und Zivilisten, und war Voraussetzung für beispiellose Verbrechen bis hin zum Völkermord an den europäischen Juden ….“ (www.zukunft-der-kriegsgräberfürsorge.de/Leitbild-Diskussion)

3 Zitiert nach  https://www.deutschlandfunk.de/volksbund-deutsche-kriegsgraeberfuersorge-schneiderhan -will.1773.dehtml?dram, abgerufen am 18.07.2018
4 Stellvertreter des neuen Präsidenten Schneiderhan ist Wolfgang Wieland, vormals Mitglied des Deutschen Bundestags für Bündnis 90/Die Grünen. Neu in den Vorstand gewählt wurden Detlef Fritzsch, ehemaliger Präsident der Bundespolizeidirektion Pirna und Hartmut Tölle, Vorsitzender des DGB-Bezirks Niedersachsen-Bremen-Sachsen-Anhalt (https://www.presseportal.de/pm/18238/3623413 und https://www.volksbund.de/presse/volksbund/organisation/mitgliedergremien.html, abgerufen am 18.7.2018) Schirmherr des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge arbeitet nicht nur mit Mitteln des Auswärtigen Amtes, aber im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland  (Wikipedia unter Volksbund Deutsch Kriegsgräberfürsorge unter 3.6  – aktuelle Organisation -, abgerufen am 17.07.2018).
5 siehe link: https://www.gedenktafeln-in-berlin.de/ dort auf der Karte Ritterstraße 16 in Kreuzberg suchen
6  Potsdamer Abkommen
7  Ohne mich Bewegung  wikipedia, abgerufen am 18.7.2018. Siehe auch Dokumentarfilm Christoph Boekel und Be ate Rose mit Oskar Neumann, Konrad Adenauer und der Friedensbewegung der 50er Jahre: Der längeres Atem. Antimilitaristische Opposition und Wiederaufrüstung in Westdeutschland 1945 – 1955 Herausgeber: UNIDOC-Film GmbH, Dantestraße 29, 80000 München 19, München 1983, 7 ff ; vgl. auch Christoph Boekel:  Der lange Atem – ein gewöhnlicher Fall politischer Zensur (unter  protest-muenchen.sub-bavaria.de/artikel/3717)
8 Benedikt Hopmann
9  Den Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) auf der einen Seite und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) auf der anderen Seite.
10 siehe zum Begriff pdf Datei des wissenschaftlichen Dienstes Deutscher Bundestag
11 Beitrag vom 14. März 2021 von Bernd Hahnfeld (IALANA) „Nukleare Teilhabe“
12  Die Mitglieder der NATO verpflichteten sich zu gegenseitigem Beistand, auch mit Waffengewalt, wenn eines oder mehrere ihrer Mitglieder bewaffnet angegriffen werden würden. Artikel 5 des NATO Vertrages: „Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen wird; sie vereinbaren daher, dass im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Ausübung des Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechts der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, indem jede von ihnen unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten. Von jedem bewaffneten Angriff und allen daraufhin getroffenen Gegenmaßnahmen ist unverzüglich dem Sicherheitsrat Mitteilung zu machen. Die Maßnahmen sind einzustellen, sobald der Sicherheitsrat diejenigen Schritte unternommen hat, die notwendig sind, um den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit wiederherzustellen und zu erhalten.“ Die NATO berief sich dabei auf das Recht zur Selbstverteidigung nach Artikel 51 der Satzung der UNO.
13 Bundeskanzler Scholz mit Blick auf den Ukraine-Krieg in seiner Rede während der Sondersitzung des Bundestages am Sonntag, den 27. Februar 2022
14, 16, 18 Erklärung von Bundeskanzler Schröder zur Lage im Kosovo, Pressemitteilung Nr. 111/99 vom 24. März 1999 Presse und Informationsamt der Bundesregierung
15 Alle Angaben nach https://de.wikipedia.0rg/wiki/kosovokrieg#kriegsgeshehen
17 Alle Angaben nach https://de.wikipedia.0rg/wiki/kosovokrieg#cite_note-HS-12
19 sogenanntes „Holbrookre-Milosevic-Abkommen“, wonach Milosevic „sich verpflichtete, 1. die Forderungen der UN-Resolution 1199 vollständig zu erfüllen, 2. eine OSZE-Verfikationskommission mit bis zu 2.000 Verifikateuren zuzulassen, die ungehinderten und freien Zugang im gesamten Kosovo haben sollen, 3. als Ergänzung dazu der NATO unbewaffnete Überwachungsflüge im Kosovo zu ermöglichen und 4. nach einem bestimmten Zeitplan zu einer politischen Lösung zu kommen, die dem Kosova Eigenverwaltung und eine eigene Polizei geben sollte“; zitiert nach Heinz Loquai „Der Kosovo-Konflikt – Wege in einen vermeidbaren Krieg“, Baden-Baden 2000, S. 53 f.
20 UCK war die für die Unabhängigkeit des Kosovo kämpfenden bewaffneten Organisation der Kosovo-Albaner
21 Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit, die die Einhaltung der Abkommens überprüft
22 Dieter S. Lutz in seinem Beitrag vom 15. Dezember 2000 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wörtlich: „Unbemerkt von den Medien hat die Parlamentarische Versammlung der Nato, ein von der Nato unabhängiges Gremium, das als Bindeglied zwischen dem Bündnis und den nationalen Parlamenten fungiert, vor wenigen Tagen einen „Generalbericht“ verabschiedet. Eigentlich hätte er einen Aufschrei provozieren müssen. Denn in diesem Bericht über „Die Folgen des Kosovo-Konfliktes und seine Auswirkungen auf Konfliktprävention und Krisenmanagement“ wird erstmals das Versagen der westlichen Politiker im Kosovo-Konflikt offiziell eingestanden. Mit Blick auf die „Befreiungsorganisation“ UCK der Kosovo-Albaner wird unverblümt zugegeben, die UCK habe im Kosovo eine Verschärfung der Notlage angestrebt, um die Bevölkerung zum Aufstand für die Unabhängigkeit zu bewegen“. Dann zitiert Lutz den Generalbericht der Parlamentarischen Versammlung der NATO wörtlich: „So nutzte die UCK das Holbrooke-Milosevic-Abkommen als Atempause, um ihre Kräfte nach den Rückschlägen des Sommers zu verstärken und neu zu gruppieren. Die serbischen Repressionen ließen unter dem Einfluß der KVM in der Zeit von Oktober bis Dezember 1998 nach. Dagegen fehlte es an effektiven Maßnahmen zur Eindämmung der UCK, die weiterhin in den USA und Westeuropa ­ insbesondere Deutschland und der Schweiz ­ Spenden sammeln, Rekruten werben und Waffen über die albanische Grenze schmuggeln konnte. So nahmen die Angriffe der UCK auf serbische Sicherheitskräfte und Zivilisten ab Dezember 1998 stark zu. Der Konflikt eskalierte neuerlich, um eine humanitäre Krise zu erzeugen, welche die NATO zur Intervention bewegen würde“
23 Josef Fischer auf dem Parteitag der GRÜNEN in Bielefeld (Quelle: Spiegel-online vom 13.5.1999, über wikipedia-org/wiki/Rede_Joschka_Fischers_zumm NATO-Einsatz_im_Kosovo. Der Satz „Natürlich steckt auch bei mir da die Erinnerung an unsere Geschichte und spielt eine Rolle“ fehlt in Spiegel-online, ist aber enthalten in: Heinrich Böll Stiftung Archiv Grünes Gedächtnis Hannover 1999
24 a.a.O.
25 Damit hat Bundeskanzler Schröder auch gegen das Grundgesetz verstoßen: „Das Grundgesetz knüpft an gravierende Verstöße gegen gegen das Völkerrecht auch innerstaatliche Rechtsfolgen. Dies gilt besonders für den vorliegenden Fall. Der deutsche Verfassungsgesetzgeber hat nämlich unter dem Eindruck des von deutscher Seite völkerrechtswidrig begonnen Zweiten Weltkrieges in Artikel 26 des Grundgesetzes das Verbot des Angriffskrieges verankert … Paragraph 80 Strafgesetzbuch zeigt die Konsequenzen auf: Wer einen Angriffskrieg …, an dem die Bundesregieung Deutschland beteiligt sein soll, vorbereitet und dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahre bestraft“(Steffen Wirth FR 7.4.1999
26 Gunter Hoffmann „Wie Deutschland in den Krieg geriet“ in: Die Zeit, 20/1999, S. 17-21; zitiert nach Heinz Loquai „Der Kosovo-Konflikt – Wege in einen vermeidbaren Krieg. Die Zeit vom Ende Novemer 1997 bis März 1999“ Baden-Baden 2000, S. 154
27 Art. 5 Abs. 3 des Regelungsvertrages vom 12. September 1990 (BGBl. II S. 1318)
28 1999: Tschechien, Polen und Ungarn; 2004: Estland, Lettland, Litauen, die Slowakei, Slowenien, Bulgarien,  Rumänien; 2008/2009: Albanien und Kroatien
29 siehe www.bpb.de/apuz/32306/das-neue-strategische -konzept-der-nato?p=all
30 wikipedia unter NATO ISAF – Einsatz in Afghanistan, abgerufen 17.7.2018
31 Beitrag „De Maiziére lobt Strucks Leistung“ vom 3.7.2013 unter https://www.ntv-tv.de/politik/De-Maiziere-lobt-Strucks-Leistung-article9886866.html
32 Volker Hermsdorf „Forum der Linken“ in JW vom 14./15.7.2018 S. 5). Dabei ist Partnerschaft nicht mit Mitgliedschaft zu verwechseln
33 https//:crp-infotec.de/nato-partnerschaft-und-kooperation/
34 Heinz Loquai „Der Kosovo-Konflikt – Wege in einen vermeidbaren Krieg. Die zeit vom Ende Novemer 1997 bis März 1999“ Baden-Baden 2000, S. 102
35 siehe die Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik „Autonomie Europas?

Whistleblower oder Denunziant?

Beispiel:
Angenommen Edward Snowden hätte eine weitere Person in seine Pläne eingeweiht und diese Person hätte Edward Snowden’s Offenlegungspläne vorzeitig an einen Vorgesetzen der NSA weiter gegeben, wen würden Sie als Denunziant bezeichnen, Edward Snowden oder die Person, die Edward Snowdens Pläne an Vorgesetzte der NSA weiter gibt? Wen würde die NSA als Denunzianten bezeichen?


1. Schlussfolgerung aus diesem Beispiel:
Ohne die Beachtung der unterschiedlichen Interessen von Arbeitgeber und Whistleblower kann der Whistleblower nicht präzise vom Denunzianten abgegrenzt werden. Welche Bezeichnung man wählt, hängt davon ab, auf wessen Seite man sich stellt, oder, anders gesagt, wessen Interessen man vertreten will. Früher hätte man gesagt: Es kommt auf den Klassenstandpunkt an. Es ist zu wünschen dass diese Begriffe wieder mehr Verwendung finden, weil sie zum besseren Verständnis beitragen können.

2. Die Ächtung von Whistelblowern als Denunzianten:
Peter Bleser (CDU/CSU) bezeichnete im Bundestag ganz allgemein Whistelblowerschutz als Denunziantenschutz:
Sie haben verlangt – das ist der Kern Ihrer Botschaft -, dass wir den Denunziantenschutz in Deutschland einführen
(Waltraud Wolff (Wolmirstedt), SPD: Da ist es wieder!)
Das bedeutet, dass Mitarbeiter ihren eignen (! – Zusatz durch Verf.) Betrieb bei Behörden denunzieren, indem sie entsprechende Ereignisse melden.
(Waltraud Wolff (Wolmirstedt), SPD: Schützen ist für Sie
Denunziantentum
! – Kerstin Tack, SPD: Sie sollten sich was schämen!“
(Protokoll der 83. Sitzung des Deutschen Bundestages, S. 9288).
Dabei folgte die CDU der Auffassung der Unternehmerverbände. Für die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände erklärte ein Herr Roland Wolf auf der Öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am 4.06.2008 zu ‚Regelungen des Informantenschutzes für Arbeitnehmer‘:
Das ist ein schwerer Schlag gegen die Loyalität zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Betrieb und wird ohne weiteres … die Gefahr fördern, dass es zu einem stärkeren Verstoß gegen Loyalitätpflichten, ja man muss sogar von Denunziantentum sprechen, kommt.“ (Wortprotokoll der 81. Sitzung, S. 11).
Den Vogel in dieser schmutzigen Kampagne schoss Volker Kauder ab, der wistleblower als „Blockwarte“ bezeichnete (so der Vorwurf des Abgeordneten Kelber an Kauder, Protokoll der 83. Sitzung des Deutschen Bundestages, S. 9288).

3. In der Regel besteht keine Verpflichtung, Fehlverhalten von Kollegen dem Arbeitgeber anzuzeigen1.

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1 Kittner/Däubler- Klebe BetrVG 16. Auflg. § 87 Rn. 62 mit Verweis auf Klebe/Wroblewski GS Zachert S. 314 (S. 318 ff. m.w.N.); LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 8.7.16 juris (Tz. 95 m.w.N.), Leitsatz: I.d.R. keine Verpflichtung, Fehlverhalten von Kollegen dem Arbeitgeber anzuzeigen

Vivantes: Streikrecht verteidigt!

Foto von der Kundgebung, Demo und Streik

Fotos: Ingo Müller, 24.08.20121

Der Krankenhauskonzern Viviantes, die Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH,  wollte den Warnstreik gerichtlich auf dem Wege einer einstweiligen Verfügung verbieten lassen, zu dem ver.di vom 23. bis 25. August 2021 die Beschäftigten der „Mutter“ Vivantes aufgerufen hatte, um einen Entlastungstarifvertrag durchzusetzen. In einem sogenannten Zwischenbeschluss vom 20. August war die 29. Kammer des Arbeitsgerichts dem Antrag von Vivantes gefolgt und hatte ver.di verboten, die Beschäftigten der Mutter und der Töchter zum Streik aufzurufen, “soweit nicht die Leistung eines Notdienstes nach den Vorstellungen der Arbeitgeberseite gewährleistet ist”; es “obliege dem Arbeitgeber, die Einzelheiten des Notdienstes festzulegen; es könne nicht der streikenden Gewerkschaft überlassen bleiben, den Personalbedarf ihrerseits einseitig festzulegen” (siehe Pressemitteilung Nr. 25/21 vom 20.8.21). Eine solche Auffassung würde dazu führen, dass der Arbeitgeber über das Streikrecht bestimmen kann und ist unvereinbar mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts[1]BAG 31.11.95, AuR 95, 374.

Nachdem ver.di gegen diese Entscheidung Rechtsmittel eingelegt hatte, teilte das Arbeitsgericht in einer Pressemitteilung vom 24. August mit, dass die 36. Kammer das das Ende des Streikverbots für die Mutter beschlossen habe. Das Gericht wies den Antrag der Mutter, den Streik zu verbieten, zurück. Das Arbeitsgericht konnte keinen Verstoß gegen die Friedenspflicht erkennen: Die Forderungen nach einem Entlastungstarifvertrag seien bisher nicht in einem Tarifvertrag geregelt, so dass keine Friedenspflicht bestehe. Auch der Notdienst sei mit den Zusagen von ver.di hinreichend geregelt. Die Pressemitteilung hebt im letzten Satz richtig hervor: Eine Vereinbarung von Notdienstregelungen ist nicht erforderlich. Das heißt: Es können, es müssen aber nicht Notdienstregelungen vereinbart werden. Das gilt zum Beispiel dann, wenn sich das Unternehmen einer Notdienstregelung verweigert und die Gewerkschaft einen ausreichenden Notdienst gewährleistet.

Mit dieser Entscheidung muss sich der Regierende Bürgermeister Manfred Müller vom Gericht über das Grundrecht auf Streik belehren lassen. Müller ging am selben Tag auf der Landespressekonferenz nicht auf die Frage ein, ob die Forderung der Geschäftsführung der Viviantes GmbH nach Einhaltung einer angeblichen Friedenspflicht der Gewerkschaft überhaupt Substanz hat oder nicht einfach nur vorgeschoben ist, um die Beschäftigten an der Wahrnehmung ihres Streikrechts zu hindern.  Auch war das Angebot des  Regierende Bürgermeister vollkommen verfehlt, sich als “Moderator” für den Fall anzubieten, dass sich Vivantes und ver.di nicht über einen Notfallplan einigen könnten. Notwendig wäre nicht dieses Moderationsangebots gewesen, sondern eine unmissverständliche Weisung gegenüber der Geschäftsführung mit dem Ziel, die Beschäftigten nicht in der Wahrnehmung ihres Streikrechts zu behindern. Dazu ist das Land Berlin als alleinige Gesellschafterin der Vivantes GmbH berechtigt (§ 37 GmbHG).

Dass das Land Berlin die Geschäftsführung von Viviantes in dieser Weise agieren ließ, zeugt von mangelndem Respekt vor einem der wichtigsten  Menschenrechte, dem Streikrecht.

Auch für die Beschäftigten der Töchter wurde am 25. August das Streikverbot durch die 29. Kammer aufgehoben. Der Rechtsstreit hatte sich dadurch erledigt, dass sich ver.di und Vivantes auf Regelungen über den Notdienst einigten. Nur in einem Fall entschied die 29. Kammer des Arbeitsgericht durch Urteil über die Regelungen zum Notdienst (siehe Pressemitteilung vom 26. August Nr. 29/21).

References

References
1 BAG 31.11.95, AuR 95, 374

Gewinntabelle

Gewinne und Verluste der S-Bahn GmbH von 2000 bis 2019

Haben wir alle schon das Desaster im Jahr 2009 vergessen? Um die Deutsche Bahn AG börsenfähig zu machen, wurde die S-Bahn GmbH gezwungen, die Gewinne von 2006 bis 2008 die Gewinnabführungen an die Deutsche Bahn AG massiv zu erhöhen – durch Kosteneinsparungen beim Personal. Die katastrophalen Folgen waren ab 2009 zu besichtigen. Die Privatisierungsvorbereitungen wurden abgebrochen. Warum die S-Bahn privatisieren, wenn schon 2009 die Vorbereitung der Privatisierung der Deutschen Bahn AG die schlimmsten Folgen hatte?https://www.youtube.com/embed/hKhBYYhdInU?feature=oembed

Wir wissen was uns erwartet

Schon bisherige Privatisierungsschritte waren folgenschwer. | Benedikt Hopmann

Es ist jetzt gut zehn Jahre her: Wir standen auf den Bahnsteigen und warteten. Manchmal kam eine S‐Bahn nach einer halben, manch­mal nach einer Stunde. Und manchmal kam sie gar nicht. Es war Winter, die Bahn­steige waren überfüllt, und wir klapperten mit den Zähnen. Das ging wochenlang so.
»Da sieht man es doch. Die öffentliche Hand kann es nicht«, schimpften diejenigen, die es schon immer besser wussten und das Wasser, die Gesundheitsversorgung und die S‐Bahn lieber heute als morgen privatisieren möchten.

Die S-Bahn Berlin GmbH gehört zu 100 Prozent der Deutschen Bahn AG (DB AG), und die Deutsche Bahn AG gehört zu 100 Prozent dem Staat. War das Desaster Ende der 2000er Jahre der Beweis dafür, dass die S-Bahn ausgeschrieben werden muss, damit sie besser wird?

Als GmbH muss die S-Bahn ihr Ergebnis, also Gewinn oder Verlust, jähr­lich veröffentlichen. Am 17. Juni 2020 legte das Verkehrsministerium den Bundestags-abgeordneten auf einer Sitzung des Verkehrsausschusses die Ergebnisse der Gewinn- und Ver­lust­rechnungen der S-Bahn Berlin GmbH aus den Jahren 2000 bis 2019 vor: Zwischen 2001 und 2005 schwankte das Ergebnis zwischen einem Verlust von vier Millionen Euro und einem Gewinn von 17 Millionen Euro. Der durchschnittliche Gewinn betrug neun Millionen Euro. Dann vervielfachte sich der Gewinn innerhalb weniger Jahre. Grund war der geplante Gang an die Börse. Ab 2006 bereitete Bahnchef Hart­mut Mehdorn den Verkauf der Bahn­aktien an der Börse vor. Die Bahn war schon vorher, im Zuge der Bahn­re­form 1994, in eine Aktien­gesell­schaft (AG) umgewandelt worden – eine formelle Privatisierung als erste Stufe einer Privatisie­rungs­kas­ka­de hat­te stattgefunden. Aber die Aktien waren noch zu 100 Prozent in staatlicher Hand. Damit sollte nun Schluss sein. Ziel war es, die Bahnaktien zu einem hohen Preis zu verkaufen. Das konnte nur erreicht werden, wenn die DB AG hohe Gewinne auswies.

Die S‐Bahn lieferte. Ihre Ge­win­ne, die sie an die DB AG abführt, ver­vielfachten sich von neun Millionen Euro im Jahr 2005 auf 54 Millionen Euro im Jahr 2008.

Wie erhöht man den Gewinn? Indem man die Kosten senkt. Wie lassen sich schnell und einfach Kosten sparen? Durch Kürzungen beim Personal: Hatte die S-Bahn Berlin GmbH im Jahr 2006 noch 3.766 Beschäftigte, waren es Ende 2008 fast 900 weniger. Auf der Suche nach weite­ren Einsparmöglichkeiten schloss das Unternehmen 2006 die wichtige Betriebswerkstatt Friedrichsfelde. Trotz aller Bemühungen konnten die Beschäftigten die Züge nicht mehr im notwendigen Umfang warten. Zudem verschrottete die Bahn angeblich überflüssige Züge, so dass es an Reserven fehlte.

Im Januar 2009 frieren die Fahrsperren ein. Am 1. Mai entgleist ein Zug durch Radbruch. S-Bahn-Chef Tobias Heinemann sieht keine Probleme. Wenige Tage später fordert die Aufsichtsbehörde, das Eisen­bahn-Bundesamt (EBA), zusätzliche Sicher­heitsprüfungen. Ende Juni stellt das EBA fest, dass die Prüfungen völlig unzureichend durchgeführt wurden. Alle nicht geprüften Fahrzeuge werden aus dem Verkehr gezogen. Nur noch 165 von 632 Viertelzügen sind einsatzbereit. Im Herbst werden defekte Brems­zylin­der festgestellt, dann Störungen an Türen und Antrieben. Mehrere Linien werden eingestellt, später wird nur mit ausgedünntem Fahrplan und verkürzten Zügen gefahren.

Doch dann muss der Börsengang als nächster Privatisierungsschritt abgesagt werden. Denn 2009 ist nicht nur ein Krisenjahr der Berliner S-Bahn, sondern zugleich der Höhe­punkt einer allgemeinen Wirtschafts- und Finanzkrise, in der sich Aktien nicht mehr gewinnbringend verkaufen lassen. Es beginnen die Aufräumarbeiten. Dazu gehört auch, dass die S-Bahn Berlin GmbH dem Land Berlin viel Geld als Schadensersatz zu zahlen hat. An eine Abführung von Gewinnen an die DB AG ist nicht mehr zu denken. Die desaströsen Folgen der geplanten Privatisierung führen in den Jahren 2009 bis 2012
zu hohen Verlusten der S-Bahn Berlin GmbH: 93 Millionen Euro Verlust im Jahr 2009, 222 Millionen Euro im Jahr 2010.

Seit 2013 führt die S-Bahn wieder Gewinne ab: 2013 einen Ge­winn von 43 Millionen Euro und zwischen 2015 und 2017 sogar jährlich rund 70 Millionen Euro. Heißt das, dass uns wieder ein Absturz im nächsten kalten Winter bevorsteht? Nein, die S-Bahn hat aus dem Desaster gelernt. Sie ist gut ausgelastet, hat wieder Personal eingestellt und die Werk­statt Friedrichsfelde reaktiviert. Es ist also das Gegenteil von dem richtig, was die Privatisierungsverfechter verbreiten. Schon die bisher vollzogenen beziehungsweise geplanten Privatisierungsschritte waren folgenschwer. Die öffentliche Hand kann es besser. Alle haben im Jahr 2009 zu spüren bekommen, was droht, wenn der öffentliche Nahverkehr privatisiert wird.
Wer beklagt, dass das Land Berlin jährlich viele Millionen Euro verliert, weil die S-Bahn Berlin GmbH sie an die DB AG abführen muss, und dass die S-Bahn die Preise diktiert, sollte nicht dem Kapital weiter die Türen öffnen. Schon die Rechtsformprivatisierung hat die Betriebskultur negativ verändert. Jeder weitere Privati­sierungsschritt verschlechtert die Lage, wie der geplante Börsengang in den 2000er Jahren belegt. Dem Land Berlin ist nicht damit gedient, dass Millionen Euro Gewinn nicht mehr an die DB AG, sondern an die privaten Mitbewerber abgeführt werden. Besser ist es, wenn Berlin das Betreiben der S‐Bahn in die eigene Hand nimmt und zügig mit den Vorbereitungen für eine kommunale S‐Bahn beginnt. Was jetzt als Gewinn abgeführt wird, bleibt dann im Land und kann dem Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs dienen.

Cuba: Befreiung und Blockade

Autor: Benedikt Hopmann, 10.08.2021

Auf dieser Seite berichten wir über Cuba.

Inhalt:


Am 2. November 2023 wird die UN-Generalversammlung, wie schon seit Jahrzehnten, wieder über die Resolution Kubas über die Beendigung der Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade durch die USA abstimmen.

2022 stimmten 185 Staaten gegen die Blockade, Brasilien und Ukraine enthielten sich der Stimme und lediglich die USA und Israel stimmten dagegen.

Die Aktivitäten gegen die Blockadepolitik werden immer lauter und fordern. So hat der Der “Gipfel der Völker” parallel zum Celac-EU-Gipfel in Brüssel auf ihrer Tagung am 19.07.2023 beschlossen eine Internationales Tribunal gegen die US-Blockade einzuberufen.

Dieses Tribunal wird am 16,/17. November 2023 in Brüssel stattfinden.

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Drei Jahrzehnte – welch lange Zeit. Der Arbeitskreis Internationalismus der IG Metall Berlin feiert in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen und wir feierten dieses Ereignis am 08. November 2023 im Haus der IG Metall Berlin.

In der Veranstaltung wurden Grußbotschaften ausgesprochen, so der kubanische stellv. Botschafter Prof. Miguel E. Torres Tesoro.

Über die 30 Jahr Feier berichtete die cubanische Botschaft auf ihrer homepage.

Weiterlesen hier


USA setzen schändlichen Wirtschaftskrieg gegen Kuba fort

Ein Gericht im US-Bundesstaat Florida hat vier Kreuzfahrtlinien, die das sozialistische Kuba angesteuert hatten, zu einer Geldstrafe in Höhe von mehr als 400 Millionen US-Dollar verurteilt. Die Strafzahlung soll als Entschädigung für angebliche Schäden für nordamerikanische Firmen dienen, die vor dem Sieg der Revolution 1959 die Rechte zur Bewirtschaftung einiger Docks im Hafen von Havanna innehatten und 1960 enteignet wurden” – berichtete Marcel Kunzmann am 4. Januar 2023 in amerika21

Weiterlesen hier


2020: 60 Jahre Wirtschaftskrieg gegen Cuba

Rede von Benedikt Hopmann in Berlin vor dem Brandenburger Tor aus Anlass des 60 Jahrestages der Wirtschftsblockade gegen Cuba durch die USA. Zwei Jahre später, im November 2022, stimmten in der UNO-Vollversammlung 185 Staaten für die Aufhebung dieser US-Blockkaden gegen Cuba, 2 Staaten stimmten dagegen: Die USA und Israel. 4 Staaten nahmen an der Abstimmung nicht teil.

Meine Frau war in Cuba.

Die Töchter waren in Cuba.

Ich war nie in Cuba.

Aber man muss nicht in Cuba gewesen sein, um dieses Land zu bewundern.

Dieses Land hat mich mein Leben lang begleitet.

weiterlesen hier


Aktuelle Informationen zur Blockade Cubas

Ingo Müller, 06.11.2022

Foto: Petra Willemelis, 05.11.2022, Brandenburger Tor

Zum dreißigsten Mal befasste sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen, am 2. und 3. November in New York, mit der Kuba-Resolution: „Notwendigkeit der Beendigung der von den Vereinigten Staaten von Amerika gegen Kuba verhängten Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade“.

Weiterlesen hier:

Kuba-Resolution (engl.)

Deutscher Text:

Blockade gegen Kuba: Die Mitgliedstaaten der UNO isolieren die USA

UN Abstimmungsanzeigetafel Kuba-USA-Blockade 2022-11-03.jpg

Foto: Kpf-informationen

1962: Festnahme Nelson Mandelas mit Hilfe der CIA, Unterstützung des Befreungskrieges Angolas durch Cuba

5. August 2022. Die selbsternannte „westliche Wertegemeinschaft“ versucht immer gerne vergessen zu machen, auf welcher Seite der Geschichte sie über Jahrzehnte im Kampf gegen Kolonialismus und Apartheid stand und auf welcher Seite die Länder des sozialistischen Blocks. Exemplarisch dafür steht die Festnahme von Nelson Mandela am 5. August 1962, die nur „dank“ des US-Geheimdienstes CIA gelang. Mandelas Freilassung nach Jahrzehnten in Kerkerhaft ist wiederum zu großen Teilen dem Engagement Kubas im südlichen Afrika zu verdanken.

Den sehr aufschlussreichen Artikel von Florian Warweg hier weiterlesen

Recht auf verbandsfreien Streik

Foto: Ingo Müller. Benedikt Hopmann gemeinsam mit Elmar Wiegand, Aktion gegen Arbeitsunrecht

2. August 2021. Am Freitag, den 30. Juli, lud die Aktion ./. Arbeitsunrecht zu einer Veranstaltung  mit dem Thema “Mythos ‘wilder’ Streik und Illegalität” in den Nachbarschaftsladen Kommune65 in Berlin ein. RA Benedikt Hopmann hielt einen Vortrag zu diesem Thema. Etwas gekürzt ist  der Vortrag am 3. August auf der Themenseite der Zeitung “Junge Welt” unter dem Titel “Scharfe Waffe” nachzulesen. Hier zunächst der Vortrag als Video, dann der Vortrag als Text (mit Fußnoten).

Der Vortrag kann über eine Sendung des freien Radios LORA hier angehört werden.

Kompletter Vortrag mit Diskussion als Video:

Link: https://youtu.be/PW9xLwE_nss


Der Vortrag als Text:

Inhalt:

Teil 1: Das Recht auf Streik

Link zum Video:

https://youtu.be/y4689Vjcsf0

Der Text dieses Videos:

Einleitung

Nach der herrschenden Meinung sind nur Streiks zulässig, die ein tariflich regelbares Ziel haben und von der Gewerkschaft getragen werden, das heißt: Die Gewerkschaft muss dazu aufgerufen haben. Sie kann aber auch nachträglich einen Streik übernehmen.

Damit sind „wilde“ Streiks und politische Streiks, insbesondere politische Demonstrationsstreiks, verboten und ich könnte meinen Vortrag schon beenden.

So einfach ist es aber nicht. Ich will beginnen mit einem persönlichen Erlebnis.   

Als ich vor rund zwanzig Jahren mit Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter  in England war und wir dort mit der englischen Bergarbeitergewerkschaft sprachen, haben wir gefragt: Was ist eine wichtige Lehre aus Eurem großen Streik gegen die Thatcher Regierung? Sie antworteten: Thatcher hatte vorher das Streikrecht geändert. Wir haben damals die Bedeutung unterschätzt.

Das war für mich beeindruckend. Denn die Bergarbeitergewerkschaft ist eine sehr kämpferische Gewerkschaft und lässt sich nichts vormachen. Aber auch sie hatte die volle Tragweite der Änderungen des Streikrechts nicht erkannt. Vielleicht hängt dies damit zusammen, dass die Wegnahme von Streikrechten nicht so unmittelbar spürbar ist, wie der Griff in das Portemonnaie? Es hilft, sich vor Augen zu halten: Rechtspositionen sind Machtpositionen. Und ohne Macht sind wir verloren.

Nicht nur diese kleine Geschichte, sondern die gesamte Geschichte lehrt uns:  Diese Machtpositionen müssen verteidigt werden und Verbesserungen werden uns gerade in einer solche fundamentalen Frage niemals geschenkt.

Kapitel 1. Koalitionsfreiheit im Grundgesetz

Als Folge der Novemberrevolution bekam das Streikrecht erstmals in die Weimarer Reichsverfassung Verfassungsrang. Mit kaum geändertem Wortlaut wurde nach dem 2. Weltkrieg die Koalitionsfreiheit in das Grundgesetz aufgenommen. Der erste Satz des Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz lautet:

„Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und alle Berufe gewährleistet“.

Im Zusammenhang mit der Notstandsgesetzgebung 1968 wurde auf Druck der Gewerkschaften in einem dritten Satz auch der Arbeitskampf ausdrücklich durch das Grundgesetz geschützt. 

Diese grundrechtlich geschützte Koalitionsfreiheit ist ein sogenanntes Doppelgrundrecht: Es schützt sowohl den einzelnen Arbeitnehmer, sich zu organisieren, zusammenzuschließen und gegen die Machtpositionen der Unternehmen anzugehen, als auch den Bestand und die Betätigung der Koalitionen, zum Beispiel der Gewerkschaften, selbst.

Das Grundgesetz spricht nicht von Gewerkschaften, sondern allgemeiner von „Vereinigungen“. Das Bundesverfassungsgericht verwendet in seinen Entscheidungen auch nicht den Begriff Gewerkschaften, sondern den Begriff Koalitionen[1]vgl. auch Däubler/Däubler Arbeitskampfrecht 4. Auflage § 12 Rn. 20, § 9 Rn.8. Die Begriffe „Vereinigungen“ und „Koalitionen“ lassen sehr wohl zu, darunter auch Zusammenschlüsse zu fassen, die nur zum Zweck eines Streiks gebildet werden, um bestimmten Forderungen Nachdruck zu verleihen. Das ist das, was die Beschäftigten von Gorillas gemacht haben. Solche Zusammenschlüsse werden auch ad-hoc-Koalitionen genannt. Diese Streiks werden manchmal „wilde“ Streiks genannt. Wir wollen sie verbandsfreie Streiks nennen und damit andeuten, dass die Gewerkschaft nicht dazu aufruft und sie auch nicht nachträglich übernimmt.

Im Streik setzen die abhängig Beschäftigten der Fremdbestimmung durch das Kapital, der jeder Beschäftigte unterworfen ist, ihre Selbstbestimmung entgegen. Der Streik ist daher Ausdruck des Artikel 1 Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“[2]vgl. Polzin SR 6/20 S. 216 ff.. Dieser Artikel 1 ist ein wichtiges Zeugnis der antifaschistischen Prägung des Grundgesetzes und der Streik herausragend als kollektive Ausdruck und kollektive Einforderung dieser Menschenwürde.

Das Bundesverfassungsgericht hat bisher noch nie darüber entschieden, ob ein Streik einer ad-hoc-Koalition, also ein verbandsfreier Streik rechtmäßig ist. 


Teil 2: Der verbandsfreie Streik

Link zum Video: https://youtu.be/B0Pk5xPo6Pc

Zum Text dieses Videos:

Kapitel 2. Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts 1963 zum verbandsfreien Streik

Anders das Bundesarbeitsgericht, das 1963 einen verbandsfreien Streik für rechtswidrig erklärte. Hier ein Auszug aus der Begründung: „… es ist wichtig, beim Ausbruch eines Streiks zu Kontrollzwecken Stellen einzuschalten, die … die Gewähr dafür bieten, dass nur in wirklich begründeten Fällen gestreikt wird … Als solche Stellen kommen auf der Arbeitnehmerseite bei ihrer gesellschaftlichen Stellung nur die Gewerkschaften infrage. … Das Mittel des Streiks ist eine scharfe Waffe. Das verbietet es, das Streikrecht Personen oder Gruppen anzuvertrauen, bei denen nicht die Gewähr dafür besteht, dass sie nur in vertretbarem Umfang davon Gebrauch machen. Eine solche Gewähr ist bei den einzelnen Arbeitnehmern, den Mitgliedern der Belegschaft als solchen und nichtgewerkschaftlichen Gruppen nicht gegeben“[3]BAG vom 20.12.1963 – 1 AZR 428/62 Entscheidungsgründe B II. 3. E., S. 32.

Die Gewerkschaften sind in diesem Urteil nicht Gegenmacht, sondern werden als Ordnungsfaktor instrumentalisiert.

Kapitel 3. Die unseelige Tradition des Herrn Hans Carl Nipperdey

Damit wendet sich die Rechtsprechung von der Rechtsprechung der Weimarer Republik, ja sogar der Rechtsprechung der Kaiserzeit ab. Die Rechtsprechung der Weimarer Republik und auch die der Kaiserzeit war alles andere als streikfreundlich, aber ein Streik war vorher nie deswegen rechtswidrig gewesen, weil keine Gewerkschaft dazu aufgerufen hatte.

Die Grundlage zu dieser obrigkeitsstaatlichen Wende im Arbeitsrecht legte Hans Carl Nipperdey. Nipperdey war während der Nazizeit einer der Kommentatoren des Gesetzes „zur Ordnung der nationalen Arbeit“ (AOG). Dieses Gesetz setze mit einem Federstrich das gesamte kollektive Arbeitsrecht der Weimarer Republik außer Kraft und ersetzt es durch das uneingeschränkte Prinzip „Führer“ – „Gefolgschaft“.

Als Vertreter der Befürworter der Rechtswidrigkeit verbandsfreier Streiks zitiert das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung einzig Nipperdey[4]BAG vom 20.12.1963 – 1 AZR 428/62 Entscheidungsgründe B II. 2., S. 28.


Teil 3: Der politische Streik

Link zum Video: https://youtu.be/qirPSgpJ2XU

Der Text dieses Videos:

Kapitel 4. Politischer Streik

Nipperdey hatte schon einige Jahre vorher den sogenannten Zeitungsstreik als Gutachter im Auftrag der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) für rechtswidrig erklärt. 

In diesem Gutachten ging es allerdings nicht um einen verbandsfreien Streik, sondern um einen politischen Streik im Jahr 1952. Es ging also nicht um den Streikträger, sondern um das Streikziel. Die Gewerkschaften hatten zu diesem Streik aufgerufen. Der Streik richtete sich gegen das geplante Betriebsverfassungsgesetz und war damit ein politischer Streik. Nipperdey hatte diesen politischen Streik für rechtswidrig befunden und sich damit als erster Präsident des Bundesarbeitsgerichts empfohlen.

Das Gutachten von Nipperdey führte allerdings nicht zu einem Verbot des politischen Demonstrationsstreik durch das Bundesarbeitsgericht.

Vielmehr wird dieses Verbot bis heute immer nur indirekt daraus abgeleitet, dass das Bundesarbeitsgericht mehrfach hervorgehoben hat, dass Streikziele in einem Tarifvertrag regelbar sein müssen. Das ist nicht möglich, wenn sich der Streik zum Beispiel gegen ein geplantes Gesetz oder gegen die Bundesregierung richtet.  Denn dann geht es um eine Regelung des Gesetzgebers.  

Weder dem Bundesarbeitsgericht noch dem Bundesverfassungsgericht wurde bis heute ein politischer Streik zur Entscheidung vorgelegt, so dass diese Gerichte dazu auch bis heute nicht entschieden haben.

Kapitel 5. Politischer Demonstrationsstreik

Fridays-for-future rufen zum Klimastreik auf. Aber niemand streikt.

Von der Süddeutschen Zeitung bis zur Bild-Zeitung wird landauf landab verkündet: Das ist verboten. Parents-for-future bewundern ihre tapferen Kinder, aber sagen auch nichts anderes.

Schritte in eine andere Richtung gingen am 20. September 2019 über zwanzig Beschäftigte des Botanischen Gartens der Freien Universität Berlin. Sie nahmen an der Kundgebung der Fridays for future teil. Im September 2020 wiederholten mehr als zehn Beschäftigten diese Teilnahme an einer Kundgebung der Fridays-for-Future.

Es war zwar kein Streik und konnte damit auch kein politischer Streik sein. Denn der Arbeitgeber hatte die Lage der Arbeitszeit insgesamt, also auch die Kernarbeitszeit zur Disposition gestellt. Damit konnten die Beschäftigten am Tag des Klimastreiks jederzeit frei nehmen, ausstempeln, aufhören zu arbeiten und sich damit in die Freizeit begeben. Wenn man nicht arbeitet, kann man nicht die Arbeit niederlegen.

Der Arbeitgeber hätte allerdings wohl kaum die Kernarbeitszeit an diesem Tag aufgehoben, wenn es nicht Beschäftigte gegeben hätte, die am Klima”streik” teilnehmen wollten. Auch der Umstand, dass die Leitung erst zwei Tage vorher einer solchen Arbeitsniederlegung zustimmte und die Kernarbeitszeit aufhob, zeigt, dass die Aufhebung der Kernarbeitszeit an diesem Tag kein “Selbstläufer” war.

Eine solche Aktion wird auch in der Öffentlichkeit wie ein Streik gesehen, was einen besonderen Nutzen ausmacht. Der Arbeitsrechtler Däubler hat auf eine interessante historische Parallele hingewiesen: “Zu Beginn des Kapp-Putsches erklärte die Reichsregierung, die öffentlichen Bediensteten einschließlich der Beamten sollten (oder dürften) mit der Arbeit aufhören – auch das war der Sache nach “Dienstbefreiung”. Dennoch ist vom “Generalstreik” wegen des Kapp-Putsches die Rede.

Es war also ein sehr wichtiges Zeichen, das die Beschäftigten des Botanischen Gartens an der Freien Universität Berlin setzten.

Trotzdem bleibt die Frage: Was ist, wenn Beschäftigte an einem Klimastreik teilnehmen wollen und der Arbeitgeber die Arbeitszeit nicht zur Disposition der Beschäftigten stellt?

Dieselbe Frage stellte sich, als 2020 zehntausende Beschäftigte zum Gedenken an die Ermordeten in Hanau die Arbeit niederlegten[5]siehe https://widerstaendig.de/hanau/4-maerz-2020-arbeitsniederlegung-gegen-rechts/

Was ist, wenn der Arbeitgeber Anhänger der AfD und gegen eine Arbeitsniederlegung ist? Wollen die Beschäftigten in solchen Fällen ihre Entscheidung von dem Willen des Arbeitgebers abhängig machen?

Das Bundesarbeitsgericht erklärte 2002, dass die Frage der zulässigen Streikziele einer Überprüfung bedarf[6]BAG v. 10.12.2002 – 1 AZR 96/02 juris Rn. 38[7]Das Bundesverfassungsgericht nahm zum Streikrecht über viele Jahre in der folgenden Weise Stellung: „Das Grundrecht schützt als koalitionsmäßige Betätigung auch Arbeitskampfmaßnahmen, die auf … Continue reading.

Daher stellt sich die Frage: Wie lange wollen wir diese unseeligen Traditionen fortsetzen, die von Nipperdey in Gang gesetzt wurde? Wie lange wollen wir uns noch von einem Herrn Nipperdey sagen lassen, ob und wofür wir streiken dürfen?


Teil 4: Das Völkerrecht zum Streikrecht

Link: https://youtu.be/Qfsm139UK0c

Text dieses Videos:

Kapitel 6. Europäische Sozialcharta und ILO schützen verbandsfreie Streiks und nicht tariflich regelbare Ziele

Eine wichtige Unterstützung für unsere Forderungen nach einem besseren Streikrecht finden wir im Völkerrecht. Vor allem sind das die Bestimmungen der Internationale Arbeitsorganisation (International Labour Organisation, ILO) und der Europäischen Sozialcharta (ESC).

Das wohl wichtigste Übereinkommen der ILO[8]Die ILO arbeitet unter dem Motto: „Weltfrieden durch soziale Gerechtigkeit“. Sie will weltweit soziale Mindeststandards durchsetzen. Sie wurde 1919, also in den Jahren der großen Umwälzungen … Continue reading ist das Übereinkommen Nr. 87. In dem Vertragstext ist zwar nicht ausdrücklich das Streikrecht erwähnt, aber es ist zu einem „Herzstück dieses Übereinkommens“ geworden[9]Däubler/Lörcher Arbeitskampfrecht 4. Auflg. § 19 Rn. 46. Die Unternehmerverbände haben vor nicht allzu lange Zeit eine massive Kampagne vom Zaun gebrochen, die sich dagegen richtete, dass die ILO Aussagen zum Streikrecht trifft[10]Schuster, AuR 12/19 S. 504 ff.. Dieser Konflikt ist zunächst nur zugedeckt worden, aber noch längst nicht ausgestanden.   

Die zuständigen Ausschüsse der ILO haben „wilde“ („wild-cat“) Streiks ausdrücklich anerkannt[11]Ausschuss für Vereinigungsfreiheit (CFA), siehe: Freedom of Association „Compilation of decisions oft he Committee on Freedom of Association“, sixth edition, 2018, ILO Geneva, Nr. 784; siehe … Continue reading, sind der Auffassung, dass die Streikziele nicht auf tariflich regelbare Ziele beschränkt werden dürfen und haben von Deutschland gefordert, Proteststreiks zuzulassen[12]Stellungnahme des DGB vom 13.3.2020 a.a.O S.12.  

Die älteste ausdrückliche völkerrechtliche Streikgarantie enthält die Europäische Sozialcharta (ESC). Die ESC ist ein Vertrag des Europarats, in deren 47 Mitgliedsstaaten rund 820 Millionen Menschen leben[13]Zu den Mitgliedsstaaten gehören auch Russland und die Türkei, die wichtigsten Organe des Europarats sind die Parlamentarische Versammlung, das Ministerkomitee und der Europäische Gerichtshof für … Continue reading.

Teil II Artikel 6 Nr. 4 Europäische Sozialcharta lautet:

„Um die wirksame Ausübung des Rechtes auf Kollektivverhandlungen zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragspartner … und anerkennen das Recht der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber auf kollektive Maßnahmen einschließlich des Streikrechts im Falle von Interessenkonflikten, vorbehaltlich etwaiger Verpflichtungen aus geltenden Gesamtarbeitsverträgen“ 

Auf diesen Begriff „Arbeitnehmer“ kommt es an. Es geht also nicht nur um das Recht der Gewerkschaften, sondern viel allgemeiner um das Recht der Arbeitnehmer auf kollektive Maßnahmen einschließlich des Streikrechts.

Kapitel 7. Das Bundesverfassungsgericht zur Bedeutung völkerrechtlicher Verträge 

Deutschland hat der Europäische Sozialcharta von 1961 mit einigen Ausnahme durch förmliches Gesetz[14]gemäß Art. 59 Abs. 2 GG zugestimmt und sie 1965 mit diesen Einschränkungen ratifiziert[15]BGBl. II 1964, S. 1251; 1965 S. 1122. Zu den Bestimmungen, denen Deutschland ohne Einschränkungen zugestimmt hat, gehört die eben zitierte Bestimmung zum Streikrecht. Sie gilt also uneingeschränkt für Deutschland.

Das Bundesverfassungsgericht beschreibt die Bedeutung von solchen völkerrechtlichen Übereinkommen so: „Damit hat der Gesetzgeber sie in das deutsche Recht transformiert und einen entsprechenden Rechtsanwendungsbefehl erteilt“[16]Das Bundesverfassungsgericht bezieht sich auf die Europäische Menschenrechtskonvention, BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04 unter V.I.1.a.. Diese Rangzuweisung führt dazu, dass deutsche Gericht solche Völkerrechtsverträge „wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden haben“. Das Bundesverfassungsgericht hat auch gesagt, was unter „methodisch vertretbarer Auslegung“ zu verstehen ist: Solche Völkerrechtsverträge dürfen ausnahmsweise nicht beachtet werden, wenn „nur auf diese Weise ein Verstoß gegen tragende Grundsätze der Verfassung abzuwenden ist“[17]BVerfG a.a.O.. Da das Bundesverfassungsgericht einen entsprechenden Fall nie zu entscheiden hatte, ist auch nicht bekannt, ob es tragende „Grundsätze der Verfassung“ sieht, die eine Anwendung von Art. 6 Nr. 4 ESC ausschließen. Ich wüsste nicht, welche das sein sollen.


Teil 5: Fortdauernder Völkerrechtsbruch in Deutschland

Link zum Video: https://youtu.be/c2zRR_7hWQA

Text dieses Videos:

Kapitel 8. Durchsetzungsbemühungen und Bruch des Völkerrechts

Das Ministerkomitee des Europarats, in dem sich die Außenminister der Mitgliedsstaaten versammeln, überwacht unter anderem die Einhaltung der Europäischen Sozialchart (ESC) in den einzelnen Mitgliedsstaaten und wird dabei von einem Sachverständigenausschuss (EASR bzw. ECSR) unterstützt. Seit Jahren erklärt dieser Sachverständigenausschuss EASR, dass in Deutschland das „Verbot aller Streiks, die nicht auf Tarifverträge ausgerichtet sind und nicht von den Gewerkschaften ausgerufen oder übernommen werden“ ein Verstoß gegen die Sozialcharta ist[18]AuR 1998, S. 156. 1998 sprach das Ministerkomitee selbst eine sogenannte „Empfehlung“ gegenüber Deutschland aus. Damit wurde die Kritik an dem Streikrecht in Deutschland auf die höchste Stufe gehoben, die dem Ministerkomitee zur Verfügung steht. Eine schwerere „Sanktion“ kann das Ministerkomitee nicht aussprechen[19]AuR 1998, S. 156.

Das Bundesarbeitsgericht stellte wenige Jahre nach der Rüge des Ministerkomitees fest: „Dabei mag die generalisierende Aussage, Arbeitskämpfe seien stets nur zur Durchsetzung tarifvertraglich durchsetzbarer Ziele zulässig, im Hinblick auf Teil II Art. 6 Nr. 4 ESC einer erneuten Überprüfung bedürfen. Denn immerhin ist nach Meinung des Sachverständigenausschusses das Verbot aller Streiks in Deutschland, die nicht auf den Abschluss eines Tarifvertrages gerichtet sind und nicht von einer Gewerkschaft ausgerufen oder übernommen worden sind, mit den Garantien von Art. 6 Nr. 4 ESC unvereinbar … Auch erteilte das Ministerkomitee des Europarats am 3. Februar 1998 die „Empfehlung“, in angemessener Weise die negative Schlussfolgerung des Ausschusses unabhängiger Experten zu berücksichtigen“[20]BAG v. 10.12.2002 – AZR 96/02 juris Rn. 43.

Die Bundesregierung hoffte wohl, dass mit diesem gerichtlichen Hinweis der fortgesetzte Völkerrechtsverstoß aus der Welt geschafft wäre. Doch reichte dem  Sachverständigenausschuß EARS die bloße Ankündigung nicht[21]Conclusions XVIII-1, S. 305 f., 2006 Deutschland. Die Rechtsprechung muss sich ändern. Der Sachverständigenausschuss hielt seine Kritik an dem deutschen Streikrecht aufrecht.

Die Bundesregierung versuchte daraufhin die Diskussion zu verschieben und behauptete, dass Gewerkschaften in Deutschland leicht als Zusammenschluss gegründet werden könnten und deshalb keine Verletzung der Europäischen Sozialcharta mehr vorliege[22]Lörcher in: Däubler Arbeitskampfrecht 3. Auflg. § 10 Rn. 33 – etwa nach dem Motto: Wenn Gewerkschaften als Zusammenschluss aus dem Stand gegründet werden können, hat sich das Recht, ohne Gewerkschaften zu streiken erledigt. Doch der Sachverständigenausschuss hat auch das nicht akzeptiert, weil die Gründung einer Gewerkschaft zu schwer ist, die zum Streik aufufen darf: „Der Ausschuss gelangt zu dem Schluss, dass die Situation in Deutschland mit Artikel 6 Absatz 4 der Charta aus den folgenden Gründen nicht in Einklang steht: … die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit von einer Gruppe von Arbeitnehmern eine Gewerkschaft gegründet werden kann, die zu einem Streikaufruf berechtigt ist, stellen eine übermäßige Einschränkung des Streikrechts dar„.[23]„Bei der Auslegung des Artikels durch den … Sachverständigenausschuss (Europäischer Ausschuss für Soziale Rechte, EASR) in Zusammenhang mit den von Deutschland nach Artikel 21 ESC … Continue reading

Wohlgemerkt: Mögen solche ad-hoc-Koalitionen für eine bestimmte Dauer und aus einem bestimmten Anlass auch „Gewerkschaften“ genannt werden, sie sind es nicht in dem Sinne, dass sie Tarifverträge abschließen könnten. „Ad-hoc-Koalitionen“ sollen streiken können, um ein Unternehmen zum Beispiel zur Ausgabe eines Dienst-Handy‘s für jeden rider zu zwingen – nicht im Sinne eines Tarifvertrages, aber im Sinne einer Absprache. Das wäre der Weg, um ein völkerrechskonformes Streikrecht in Deutschland durchzusetzen

Die Anforderungen an die Tariffähigkeit von Gewerkschaften (Mächtigkeit) würden damit nicht in Frage gestellt, eben weil es nicht darum geht, dass ad-hoc-Koalitionen  – wie Gewerkschaften – Tarifverträge abschließen können. Die Gewerkschaften haben gerade erst rechtskräftig durchgesetzt, dass der DHV die Mächtigkeit aberkannt wurde. Das war angesichts der extremen Kapitalhörigkeit dieser „Gewerkschaft“ ein Erfolg. Die Kehrseite dieser Anforderungen an die Mächtigkeit aber ist, dass Gewerkschaften in Deutschland eben nicht leicht gegründet werden können. Dies ergibt sich auch aus dem Konzept der Einheitsgewerkschaft, die aus der Einsicht in verheerenden Folgen der Spaltung der abhängig Beschäftigten in der Weimarer Republik nach dem 2. Weltkrieg geschaffen wurden. Ihnen liegt das Ziel zugrunde: „Ein Betrieb – eine Branche – eine Gewerkschaft – ein Tarifvertrag“. Das ist im Interesse der abhängig Beschäftigten.

Doch an einer Rechtsprechung, die ad-hoc-Koalitionen das Streikrecht zuerkennt,  fehlt es bis heute. Deshalb rügt der Sachverständigenausschuss des Ministerkomitees, EASR, bis heute diesen Völkerrechtsverstoß Deutschlands, der nun schon fast 60 Jahr anhält[24]der Sachverständigenausschuss EASR im Jahr 2014 in seiner Schlussfolgerung, Conclusion: „Da sich die Lage während der aufeinander folgenden Berichtszeiträume, die Gegenstand der … Continue reading.

Nach zwanzig Jahren „sorgfältiger Prüfung“ stimmte Deutschland in diesem Jahr auch der revidierten Sozialcharta zu[25]BGBl. II 2020, S. 900. Doch wurde dieser Zustimmung eine „Auslegungserklärung“ hinzugefügt, die sich unter anderem auf das Streikrecht (Art. 6 Nr. 4 ESC) bezieht[26]„1. Die Bundesrepublik legt Artikel 6 Absatz 4 der Europäischen Sozialcharta (revidiert) vom 3. Mai 1996 in der Weise aus, dass die rechtmäßige Ausübung des Streikrechts der Arbeitnehmer von … Continue reading. Ein internationaler Vertrag wird genau dann vollständig entwertet, wenn ihn jeder Staat auf seine Weise auslegt. Genau diesem Ziel dient diese „Auslegungserklärung“. Damit soll die Rechtsprechung gegen die streikrechtlichen Bestimmungen in der Europäischen Sozialcharta immunisiert werden. Im Kern handelt es sich um eine „Missachtung des Überwachungssystems der Europäischen Sozialcharta“[27]Stellungnahme des DGB vom 13.3.2020 zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zum Vertragsgesetz zur Revidierten Sozial-Charta S. 12; … Continue reading, dem sich Deutschland mit der Ratifizierung dieses Vertrages unterworfen hat.

Die Bundesregierung setzt damit eine nun mehr fast 60 Jahr anhaltende Tradition fort: Dem Streikrecht nach der Europäischen Sozial-Charta zustimmen, sie dann aber nicht einhalten, jede Rüge internationaler Gremien an sich abperlen lassen und den andauernden Völkerrechtsbruch mit einer eigenen Auslegung des Völkerrechts rechtfertigen. Man kann nur hoffen, dass die Gerichte diese völkerrechtsverachtende ‚Doppelstrategie‘ durchschauen und erkennen, dass solche „Auslegungserklärungen“ rechtlich unbeachtlich sind[28]Lörcher AuR 7-8, 2020, S. 303, 308 f.; Stellungnahme des DGB vom 13.3.2020 a.a.O S.5 f..


Teil 6: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

Link zum Video: https://youtu.be/ku9XOlNosC0 

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9. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte

Es kann sein, dass der entscheidende Anstoß für Verbesserung des Streikrechts vom Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg kommt. Dieses Gericht hat dadurch eine hohe Durchschlagkraft in Deutschland bekommen, dass vor einigen Jahren die Zivilprozessordnung geändert wurde [29]§ 580 Nr. 8 ZPO. Seitdem kann ein Verfahren, das vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gebracht und dort gewonnen wurde, in Deutschland wieder aufgerollt werden. Die innerdeutschen Gerichte müssen auf der Grundlage der gewonnen Beschwerde in Straßburg erneut entscheiden. Ich habe das selbst im Fall der Altenpflegerin Heinisch ./ Deutschland mit weitgehendem Erfolg druchexerziert. Es geht.  

Der Gerichtshof trifft seine Entscheidungen auf der Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), die an die Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen angelehnt ist. Für das Streikrecht ist der folgende Artikel 11 (Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit) vorrangig:

„(1) Jede Person hat das Recht, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen; dazu gehört auch das Recht, zum Schutz seiner Interessen Gewerkschaften zu gründen und Gewerkschaften beizutreten“.

In dem zweiten Absatz werden dann die Einschränkungen genannt[30]„(2) Die Ausübung dieser Rechte darf nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale oder öffentliche … Continue reading.

Bedeutsam ist, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sehr stark das internationale Recht berücksichtigt. Für das Streikrecht bedeutet das also, dass der EGMR die Bestimmung in der Europäischen Sozialcharta und ILO mit in seine Entscheidungen einfließen lassen würde.

Zur Zeit ist in Straßburg ein Verfahren anhängig, das die deutschen Gewerkschaften eingereicht haben und das sich gegen das Streikverbot für Beamte richtet. Diejenigen, die jetzt von der Gewerkschaft in Straßburg vertreten werden, haben zunächst an einem Streik teilgenommen, obwohl sie Beamte waren und sie damit gegen das Streikverbot für Beamte verstießen. Nur dadurch und die folgenden Sanktionen der Dienstbehörden konnten die Gerichte das Streikverbot für Beamte überprüfen. Ohne verbotene Streiks kein Ende des Streikverbots. Im vorliegenden Fall ist das Bundesverfassungsgericht jedoch stur bei seiner Rechtsmeinung geblieben, dass ein Beamtenstreik verboten ist und hat sogar noch behauptet, das sei mit internationalem Recht vereinbar. Allerdings hat der EGMR in anderen Fällen ein Streikrecht für Beamte grundsätzlich bejaht. Wir werden sehen. Noch hat der EGMR in der genannten Beschwerde nicht entschieden.    

Zur Frage von verbandsfreien Streiks hat der Europäische Gerichtshof inzwischen entschieden. In dieser Entscheidung Nr. 52051/17 ATEŞ AND OTHERS v. TÜRKİYE vom 18. Februar 2023 [31]EGfMR Nr. 52051/17 ATEŞ AND OTHERS v. TÜRKİYE v. 19. Februar 2023: https://hudoc.echr.coe.int/eng#{%22itemid%22:[%22001-224035%22]}; die Übersetzung durch DeepL hier lesen; entscheidend ist … Continue reading stellt der Gerichtshof fest, dass „Streiks grundsätzlich nur dann durch Artikel 11 geschützt sind, wenn sie von Gewerkschaftsorganisationen initiiert werden und als tatsächlicher – und nicht nur vermeintlicher – Teil der gewerkschaftlichen Tätigkeit gelten.“ Allerdings weist der Gerichtshof auch darauf hin, dass der Umstand, dass das Streikrecht den Gewerkschaften vorbehalten ist, nur mit Artikel 6 Nr. 4 der Europäischen Sozialcharta vereinbar ist, „sofern die Gründung einer Gewerkschaft nicht von übermäßigen Formalitäten abhängig gemacht wird“. In Deutschland werden sehr hohe Voraussetzungen für die Bildung einer Gewerkschaft gestellt. Das hat der Sachverständigenausschuss immer wieder kritisiert. Hier scheint auch eine Überprüfung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte möglich zu sein.

Die größten Chancen, das Streikrecht zu verbessern, sehe ich bei einer Erweiterung der Streikziele. Dass also der politische Demonstrationsstreik legalisiert wird, jedenfalls dann, wenn sich die Forderungen auf die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen beziehen und es zulässig wird, gegen Unternehmensentscheidungen zu streiken, etwa gegen Ausgliederungen oder Privatisierungen, und zwar auch dann, wenn das keine unmittelbaren und schwerwiegenden Auswirkungen auf die Beschäftigten hat.     

Wichtig ist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte[32]EGMR v. 27.11.2014 HLS ./. Kroatien Nr. Nr. 36701/09 Lörcher AuR 4/2015 S. 126 ff., in der er für die Rechtmäßigkeit eines Streiks einer kroatischen Ärztegewerkschaft ohne weitere Begründung hat ausreichen lassen, dass eine hilfsweise erhobene Tarifforderung auf ein tariflich regelbares Ziel gerichtet war, während die beiden Hauptforderungen offensichtlich rechtswidrig waren[33]EGMR v. 27.11.2014 HLS ./. Kroatien Nr. Nr. 36701/09 Lörcher AuR 4/2015 S. 126 ff.. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet genau andersherum: Ist auch nur eine Forderung nicht zulässig, ist der ganze Streik unzulässig [34]sog. „Rühreitheorie“, vgl. Wankel in: Berg/Kocher/Schumann Tarifvertragsgesetz und Arbeitskampfrecht 7. Auflg. Teil 4 Rn. 18.


Teil 7 : Beispiele für verbandsfreie Streiks und Hinweise dazu

Linkzum Video: https://youtu.be/THgorOhrB8U

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Kapitel 10. Verbot von verbandsfreien Streiks richtet sich gegen die Gewerkschaften selbst   

Das Verbot des verbandsfreien Streiks richtet sich am Ende gegen die Gewerkschaften selbst. Legendär sind die verbandsfreien Septemberstreiks 1969. Es wurde ein „Nachschlag“ bei den Löhnen gefordert. Die Löhne hatte die IG Metall in Tarifverträgen vereinbart. Während der Laufzeit dieser Tarifverträge sind die Gewerkschaften an die Friedenspflicht gebunden. Sie können also während dieser Zeit nicht für höhere Löhne streiken. 1973 kam es aufgrund von erheblichen Preissteigerungen noch einmal zu verbandsfreien Streiks. Daran beteiligten sich 275.000 Beschäftigte aus 335 Betrieben[35]Däubler Arbeitskampfrecht 4. Auflg. § 8 Rn. 54. Die Septemberstreiks und die Streiks von 1973 führten zu einer differenzierten Betrachtungsweise, die sich im Geschäftsbericht der IG Metall für die Jahre 1971 bis 1973 so liest: „Im Gewande eines angeblichen Streikmonopols der Gewerkschaften werden so die Gewerkschaften zwischen die Stühle gebracht und die Kollegen, die an spontanen Arbeitsniederlegungen teilgenommen haben, der Willkür der Unternehmer ausgeliefert (Kündigung, Schadenersatz usw.). Für die Gewerkschaften kann es nicht darauf ankommen, die eigene organisationspolitische Position durch das Rechtswidrigkeitsurteil des Bundesarbeitsgerichts prägen zu lassen. Hier muss die Bewertung von Fall zu Fall je nach den einzelnen Umständen getroffen werden. … Es gibt (spontane Arbeitsniederlegungen), und eine Vielzahl der Arbeitsniederlegungen des Jahres 1973 waren solche, die durch die Preistreiberei und die tarifpolitische Starrköpfigkeit der Arbeitgeber ausgelöst wurden. Und es gibt viele Aktionen, in denen die Kollegen sich legitimerweise gegen Willkür und Übergriffe im betrieblichen Bereich zur Wehr setzen“[36]zitiert nach Kittner „Arbeitskampf, Geschichte-Recht-Gegenwart“ München 2005 S. 685 f.. Die IG Metall war nicht mehr bereit, das Verdikt verbandsfreier Streiks durch das Bundesarbeitsgericht ‚auf Gedeih und Verderb‘ mitzutragen. Damit „eroberte sich die IG Metall ein großes Stück Handlungsfreiheit“ so der damalige Justitiar der IG Metall Kittner[37]zitiert a.a.O. S. 686 f..

Kapitel 11. Verbandsfreie Streiks zur Verteidigung der Entgeldfortzahlung

Zu den bedeutsamen verbandsfreien Streiks gehören auch die Streiks gegen die Herabsetzung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall im Jahr 1996. An diese Verteidigung der Lohnfortzahlung durch verbandsfreie Streiks in der Metallindustrie wird kaum erinnert, während der Kampf der IG Metall um die Lohnfortzahlung 1956/57 Kultstatus besitzt. Aber beide Streiks waren ganz außerordentliche Streiks, die wir in unserem Gedächtnis bewahren sollten. Dazu gibt es ein schönes kleines Buch in der Reihe WIDERSTÄNDIG im VSA Verlag mit dem Titel „Streik und Menschenwürde“. Dort fasst Helmut Platow, der frühere Justitiar von ver.di, in einem verständlichen und empfehlenswerten Beitrag die Entwicklung des Streikrechts in Deutschland zusammen. 

Kapitel 12. Der Streik der Mercedes Arbeiter 2014 in Bremen

In diesem Buch wird auch die verbandsfreie Arbeitsniederlegung gegen Werkverträge und Leiharbeit im Mercedes Werk in Bremen im Jahr 2014 beschrieben. Rund tausend Beschäftigte streikten eine ganze Nachtschicht lang verbandsfrei. 761 bekamen deswegen eine Abmahnung. 34 klagten dagegen. Obwohl wir in der 1. Instanz verloren hatten, nahm der Arbeitgeber alle 761 Abmahnungen vorzeitig aus den Personalakten. Ich glaube, dass Mercedes auf keinen Fall eine Niederlage in der 2. Instanz riskieren wollten. Jedenfalls war das ein Teilerfolg für uns. Danach war es sehr schwer, den Rechtstreit fortzusetzen, weil die Gerichte der Auffassung waren, dass sich mit der Herausnahme der Abmahnungen aus den Personalakten der Rechtstreit erledigt habe.

Interessant war die Begründung des Arbeitsgerichts für sein Urteil:

„Selbst wenn man wie die Kläger von einer zwingenden und unmittelbaren Anwendung der Europäischen Sozialcharta ausgeht, so war die Arbeitsniederlegung … jedenfalls vom Schutzbereich des Art.6 Nr. 4 ESC nicht umfasst. … Artikel 6 ESC gewährleistet das Recht auf Kollektivverhandlungen und erkennt in diesem Rahmen auch das Streikrecht unter bestimmten Bedingungen an …. Es ist nicht ersichtlich, wer sich wann mit welchem Verhandlungsangebot an die Beklagte (d.h. Mercedes) gewandt haben soll“[38]Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven v. 16.2.2014 6 Ca 6166/15.  

Kapitel 13. Lehren für verbandsfreie Streiks

Selbstverständlich kann es kein ausgefeiltes Regelwerk für verbandsfreie Streiks geben. Man kann auch nicht die Regeln, die für einen von der Gewerkschaft getragenen Streik gelten, auf einen verbandsfreien Streik übertragen.

Aus dem bisher vorgetragenen ergeben sich aber meines Erachtens zwei Lehren für verbandsfreie Streiks, die ich hier nennen möchte:

  1. Die Streikenden müssen eine Person haben, die sich mit einem bestimmten Verhandlungsangebot an den Arbeitgeber wendet. Um diese Person nicht zu gefährden, sollte es jemand sein, der selbst nicht an dem verbandsfreien Streik teilnimmt. Diese Person sollte nicht als Sprecher, sondern als Vermittler auftreten. Eine solche Person kann ein Mitglied des Betriebsrates sein.
  2. Unter den Forderungen sollte mindestens eine Forderung sein, die ganz unstreitig zulässig ist, bei den Gorillas wäre das zum Beispiel die Zur-Verfügung-Stellung eines Dienst-Handy‘s     

Teil 8: Wie das Streikrecht verbessern

Link zum Video: https://youtu.be/THgorOhrB8U

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Kapitel 14. Was ist Recht? Wie das Streikrecht verbessern?

Was ist Recht? Keinesfalls immer die Rechtsprechung, auch nicht wenn sie als ständige Rechtsprechung bezeichnet wird. Das Recht ist nicht wie die Gesetzestafeln des Hammurabi in Stein gehauen. Was das Streikrecht angeht haben inzwischen fast alle Gewerkschaften Beschlüsse gefasst, in denen das politische Streikrecht gefordert wird[39]siehe Nachweise in Berg in: Berg/Kocher/Schumann „Tarifvertragsgesetz und Arbeitskampfrecht 7. Auflg.  Teil 4 n.  188 ff. Doch es wird kaum die Frage diskutiert, wie diese Forderung durchgesetzt werden kann. Es ist den wenigsten bewusst, dass sich diese Forderung nicht an den Gesetzgeber richtet, weil das im Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem schlechteren Recht führen würde. Da sind sich wohl alle gewerkschaftlich orientierten Juristen einig. Daher bleibt nur der Versuch, ein besseres Recht über die Rechtsprechung durchzusetzen. Das verlangt aber als ersten Schritt den gezielten und kalkulierten Rechtsbruch. Diesen Rechtsbruch kann man allerdings auch anders bezeichnen, indem das erstrebte Recht, für das gestritten wird, von vornherein als das bessere Recht bezeichnet wird („Streikrecht als Menschenrecht!“, „Selbstbestimmung gegen Fremdbestimmung durch das Kapital“, „Wir verteidigen unsere Würde“ usw.). Denn was soll man davon halten, wenn ein „Rechtsbruch“ nur darauf beruht, dass die Bundesregierung ihrerseits Völkerrecht bricht?

Auch das Argument der unkalkulierbaren Schadenersatzansprüche sticht nicht. Die Gewerkschaft hat in der Hand in welchem Ummfang zu sie zu Streiks aufruft oder sie übernimmt. Die finanziellen Risiken sind also kalkulierbar.

Damit kehre ich zum Anfang meines Vortrags zurück: Das gesamte Streikrecht ist erkämpft worden. Und es kann auch nur so verteidigt und verbessert werden.


Diskussion:

Link: https://youtu.be/VEI2YTT2gwQ


 [BH1]

References

References
1 vgl. auch Däubler/Däubler Arbeitskampfrecht 4. Auflage § 12 Rn. 20, § 9 Rn.8
2 vgl. Polzin SR 6/20 S. 216 ff.
3 BAG vom 20.12.1963 – 1 AZR 428/62 Entscheidungsgründe B II. 3. E., S. 32
4 BAG vom 20.12.1963 – 1 AZR 428/62 Entscheidungsgründe B II. 2., S. 28
5 siehe https://widerstaendig.de/hanau/4-maerz-2020-arbeitsniederlegung-gegen-rechts/
6 BAG v. 10.12.2002 – 1 AZR 96/02 juris Rn. 38
7 Das Bundesverfassungsgericht nahm zum Streikrecht über viele Jahre in der folgenden Weise Stellung: „Das Grundrecht schützt als koalitionsmäßige Betätigung auch Arbeitskampfmaßnahmen, die auf den Abschluss von Tarifverträgen gerichtet sind. Sie werden jedenfalls insoweit von der Koalitionsfreiheit erfasst, als sie erforderlich sind, um eine funktionierende Tarifautonomie sicher zu stellen. Dazu gehört auch der Streik.“(BVerfG v. 26.6.1991 – 1 BvR 779/85 AuR 92, 29 m. Anm. Däubler). Entscheidend ist das Wort „jedenfalls“. Es ist deshalb oben fettgedruckt. Mit diesen Worten lässt das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich offen, ob auch Streiks geschützt werden, die nicht „auf Tarifverträge gerichtet sind“
8 Die ILO arbeitet unter dem Motto: „Weltfrieden durch soziale Gerechtigkeit“. Sie will weltweit soziale Mindeststandards durchsetzen. Sie wurde 1919, also in den Jahren der großen Umwälzungen gegründet, zunächst als Sonderorganisation des Völkerbundes, dann als älteste Sonderorganisation der UNO. Die Organe der ILO sind immer dreigliedrig besetzt durch staatliche Repräsentanten, Repräsentanten der Beschäftigten und Repräsentanten der Unternehmer
9 Däubler/Lörcher Arbeitskampfrecht 4. Auflg. § 19 Rn. 46
10 Schuster, AuR 12/19 S. 504 ff.
11 Ausschuss für Vereinigungsfreiheit (CFA), siehe: Freedom of Association „Compilation of decisions oft he Committee on Freedom of Association“, sixth edition, 2018, ILO Geneva, Nr. 784; siehe auch Däubler/Lörcher Arbeitskampfrecht 4. Auflg. § 10 Rn. 69
12 Stellungnahme des DGB vom 13.3.2020 a.a.O S.12
13 Zu den Mitgliedsstaaten gehören auch Russland und die Türkei, die wichtigsten Organe des Europarats sind die Parlamentarische Versammlung, das Ministerkomitee und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg – nicht zu verwechseln mit dem EuGH, dem Gerichtshof der EU in Brüssel
14 gemäß Art. 59 Abs. 2 GG
15 BGBl. II 1964, S. 1251; 1965 S. 1122
16 Das Bundesverfassungsgericht bezieht sich auf die Europäische Menschenrechtskonvention, BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04 unter V.I.1.a.
17 BVerfG a.a.O.
18, 19 AuR 1998, S. 156
20 BAG v. 10.12.2002 – AZR 96/02 juris Rn. 43
21 Conclusions XVIII-1, S. 305 f., 2006 Deutschland
22 Lörcher in: Däubler Arbeitskampfrecht 3. Auflg. § 10 Rn. 33
23 „Bei der Auslegung des Artikels durch den … Sachverständigenausschuss (Europäischer Ausschuss für Soziale Rechte, EASR) in Zusammenhang mit den von Deutschland nach Artikel 21 ESC vorgelegten Berichten zur Anwendung der Bestimmungen der ESC hat der EASR zu Artikel 6 Absatz 4 Folgendes festgestellt: Der Ausschuss nimmt die im deutschen Bericht enthaltenen Angaben zur Kenntnis. Der Ausschuss er innert daran, dass das deutsche Recht in Bezug auf kollektive Maßnahmen, das sich auf Artikel 9 Absatz 3 der Verfassung in der Auslegung durch die Rechtsprechung stützt, nach wie vor Streiks verbietet, die nicht auf den Abschluss eines Tarifvertrags abzielen. Da der Bericht keinerlei Entwicklung der Situation verzeichnet, ist der Ausschuss weiterhin der Auffassung, dass die Situation nicht in Einklang mit Artikel 6 Absatz 4 der Charta steht. Der Ausschuss hat in seinen früheren Schlussfolgerungen zur Kenntnis genommen, welche Voraussetzungen von der Rechtsprechung festgelegt worden sind, damit eine Gewerkschaft zu einem legalen Streik aufrufen kann (vgl. Addendum zu den Schlussfolgerungen XV-1, S. 29) und er hat festgestellt, dass es schwierig ist, diese Voraussetzungen zu erfüllen. Er führt aus, dass sich die Situation in diesem Punkt nicht geändert hat und vertritt in Anbetracht der Tatsache, dass eine Gruppe von Arbeitnehmern nicht ohne Weiteres eine Gewerkschaft zum Zweck eines Streiks gründen kann, die Auffassung, dass die Situation nicht in Einklang mit der Charta steht. In Zusammenhang mit den Verfahrenserfordernissen und den Folgen kollektiver Maßnahmen verweist der Ausschuss auf seine Beurteilung der Situation in seinen Schlussfolgerungen XV-1 und XVI-1. Dem Bericht zufolge ist keinerlei Änderung in diesem Punkt eingetreten: Der Ausschuss gelangt zu dem Schluss, dass die Situation in Deutschland mit Artikel 6 Absatz 4 der Charta aus den folgenden Gründen nicht in Einklang steht:
1. Streiks, die nicht den Abschluss eines Tarifvertrags zum Ziel haben, sind verboten;
2. die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit von einer Gruppe von Arbeitnehmern eine Gewerkschaft gegründet werden kann, die zu einem Streikaufruf berechtigt ist, stellen eine übermäßige Einschränkung des Streikrechts dar
„, siehe BT-Drs. 19/20976 v. 10.07.2020, S. 54 f.
24 der Sachverständigenausschuss EASR im Jahr 2014 in seiner Schlussfolgerung, Conclusion: „Da sich die Lage während der aufeinander folgenden Berichtszeiträume, die Gegenstand der Schlussfolgerungen des Ausschusses 2001, 2003, 2006, 2006, 2010 waren, nicht verändert hatte, wiederholte dieser seine Schlussfolgerung, wonach das im deutschen Recht verankerte Verbot sämtlicher nicht auf einen Tarifvertrag gerichteter Streiks mit Artikel 6 Nr. 4 ESC nicht vereinbar sei …“ Auch 2019 hält der Sachverständigenausschuss in seiner Schlussfolgerung daran fest, dass das Streikrecht in Deutschland gegen Art. 6 Nr. 4 ESC verstößt
25 BGBl. II 2020, S. 900
26 „1. Die Bundesrepublik legt Artikel 6 Absatz 4 der Europäischen Sozialcharta (revidiert) vom 3. Mai 1996 in der Weise aus, dass die rechtmäßige Ausübung des Streikrechts der Arbeitnehmer von dem Vorliegen von Zulässigkeitsvoraussetzungen abhängig gemacht werden kann. 2. Die Bundesrepublik Deutschland erklärt, dass die von den Gerichten in der Bundesrepublik Deutschland in ihrer Rechtsprechung entwickelten Zulässigkeitsvoraussetzungen für Streiks auf die Beurteilung der Frage angewandt werden, ob das in Artikel 6 Absatz 4 der Europäischen Sozialcharta vom 18. Oktober 1961 und Artikel 6 Absatz 4 der Europäischen Sozialcharta vom 3. Mai 1996 verankerte Streikrecht der Arbeitnehmer rechtmäßig aus geübt wird. Insbesondere umfasst dies Zulässigkeitsvoraussetzungen, nach denen ein Streik der Durchsetzung eines tariflichen regelbaren Zieles dienen muss und nur von einer tariffähigen Arbeitnehmervereinigung geführt werden kann, an die für die Tariffähigkeit die von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen gestellt werden.“; siehe BT-Drs. 19/20976 v. 10.07.2020, S. 55
27 Stellungnahme des DGB vom 13.3.2020 zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zum Vertragsgesetz zur Revidierten Sozial-Charta S. 12; file:///C:/Users/Fujitsu/Downloads/DGB-SN-zum-Vertragsgesetz-zur-RESC-2.pdf
28 Lörcher AuR 7-8, 2020, S. 303, 308 f.; Stellungnahme des DGB vom 13.3.2020 a.a.O S.5 f.
29 § 580 Nr. 8 ZPO
30 „(2) Die Ausübung dieser Rechte darf nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale oder öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Dieser Artikel steht rechtmäßigen Einschränkungen der Ausübung dieser Rechte für Angehörige der Streitkräfte, der Polizei oder der Staatsverwaltung nicht entgegen“
31 EGfMR Nr. 52051/17 ATEŞ AND OTHERS v. TÜRKİYE v. 19. Februar 2023: https://hudoc.echr.coe.int/eng#{%22itemid%22:[%22001-224035%22]}; die Übersetzung durch DeepL hier lesen; entscheidend ist Nr. 14. aus der Urteilsbegründung, wo es heißt: „… Der Gerichtshof bekräftigt seine Feststellungen in der Entscheidung Barış u. a./Türkei (Nr. 66828/16 vom 14. Dezember 2021), wonach Streiks grundsätzlich nur dann durch Artikel 11 geschützt sind, wenn sie von Gewerkschaftsorganisationen initiiert werden und als tatsächlicher – und nicht nur vermeintlicher – Teil der gewerkschaftlichen Tätigkeit gelten. Der Gerichtshof hat nie akzeptiert, dass ein Streik, der nicht von einer Gewerkschaft, sondern von deren Mitgliedern oder sogar von Nichtmitgliedern ausgerufen wurde, ebenfalls den Schutz von Artikel 11 genießt (ebd., § 45). Der Gerichtshof weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass nach der Praxis des Europäischen Ausschusses für soziale Rechte die Tatsache, das Streikrecht den Gewerkschaften vorzubehalten, mit Artikel 6 § 4 der Europäischen Sozialcharta vereinbar ist, sofern die Gründung einer Gewerkschaft nicht von übermäßigen Formalitäten abhängig gemacht wird …“.
32, 33 EGMR v. 27.11.2014 HLS ./. Kroatien Nr. Nr. 36701/09 Lörcher AuR 4/2015 S. 126 ff.
34 sog. „Rühreitheorie“, vgl. Wankel in: Berg/Kocher/Schumann Tarifvertragsgesetz und Arbeitskampfrecht 7. Auflg. Teil 4 Rn. 18
35 Däubler Arbeitskampfrecht 4. Auflg. § 8 Rn. 54
36 zitiert nach Kittner „Arbeitskampf, Geschichte-Recht-Gegenwart“ München 2005 S. 685 f.
37 zitiert a.a.O. S. 686 f.
38 Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven v. 16.2.2014 6 Ca 6166/15
39 siehe Nachweise in Berg in: Berg/Kocher/Schumann „Tarifvertragsgesetz und Arbeitskampfrecht 7. Auflg.  Teil 4 n.  188 ff

II. Thesen zur Bedeutung dieser Revolution für eine antifaschistische Politik

These: 1

Eine der zentralen Losungen der VVN-BdA ist: Nie wieder Krieg.  Schon aus diesem Grund muss die Revolution von 1918 für uns eine große Bedeutung haben. Denn diese Revolution von 1918 baute auf den Massenstreiks während des ersten Weltkrieges auf und war zuallererst eine Antikriegsbewegung. Massenstreiks gegen den Krieg in diesem Ausmaß hat es danach nie mehr gegeben.

These: 2

1918 bis 1933 umfassten keine lange Zeit: 15 Jahre. Die meisten, die das Ende der ersten deutschen Republik mit der Ernennung von Hitler zum Reichskanzler erlebten, hatten schon die Geburtsstunde dieser Republik in der Revolution am 9. November 1918 erlebt. 

Wichtiger als der engen zeitliche Zusammenhang ist der  innere Zusammenhang zwischen der Nichtvollendung der Revolution 1918/19 und dem Sieg des Hitlerfaschismus 1933. Einer der wichtigsten Gründe für das Erstarken des Hitlerfaschismus war, dass der Militarismus und die Schwerindustrie in der Revolution 1918/19 nicht entmachtet wurden und kein starkes demokratische Fundament geschaffen wurde. So konnte sich in wenigen Jahren der Faschismus formieren. 

These: 3 

Der Faschismus beseitigte alle Errungenschaften, die 1918 erkämpft worden waren, und machte den 9. November zu einem Tag des Gedenkens an diejenigen, die im Hitler – Ludendorff Putsch 1923 gegen die Republik getötet worden waren. Der Faschismus verkehrte den 9. November als einem Tag der Erinnerung an die Geburtsstunde der Republik in einen Tag der Erinnerung an diejenigen, die diese Republik schon am 9. November 1923 zerstören wollten.

These: 4

Auch nach 1945 gelang es nicht, die Verantwortlichen für Krieg und Faschismus von den Ämtern in der Justiz, in den Verwaltungen und im Militär fernzuhalten, jedenfalls gilt das uneingeschränkt für Westdeutschland. Gut 10 Jahre später gab es wieder eine deutsche Armee – mit faschistischen Generalen an der Spitze. 

In diese Zeit der Restauration gehört auch, dass die Erinnerung an die Revolution 1918 fast vollständig ausgelöscht und auch damit das Werk des Faschismus weitergeführt wurde.

Wenn wir den 9. November als Tag der Novemberrevolution vergessen, haben die Nazis ihr Ziel erreicht, die Novemberrevolution aus dem Gedächtnis des Volkes zu löschen.

These: 5

Auch die Reichspogromnacht 1938 fiel auf den 9. November.

In einer Erklärung zum 100. Jahrestag der Novemberrevolution, die von rund 170 Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern unterstützt wurde, heißt es dazu: “Wir glauben nicht, dass die jährliche Erinnerung an die Reichspogromnacht von 1938 am 9. November die Erinnerung an die Revolution von 1918/19 am selben Tag ausschließt. Im Gegenteil: Wer angemessen an die Judenpogrome erinnern will, muss an die Zerstörung der Republik 1933 erinnern, die schon mit der blutigen Niederschlagung der Revolution 1918/19 begann. Die Machtübergabe an Hitler 1933 war die Vollendung der Gegenrevolution, völker- und massenmörderische Menschheitsverbrechen waren die Folge und der Antisemitismus von Beginn an Teil des konterrevolutionären Programms. 1933 waren die Gegenkräfte auch des Antisemitismus niedergeworfen, 1938 die Gewerkschaften und Arbeiterparteien längst verboten, alle demokratischen Rechte längst beseitigt“.

Wer angemessen an die Judenpogrome erinnern will, muss an die Zerstörung der Republik 1933 erinnern. Wer an die Zerstörung der Republik erinnert, muss an ihre Begründung 1918 erinnern und an das Unvermögen, sie danach zu verteidigen. Nur so können Lehren aus der Geschichte gezogen werden.

These: 6

Der Schwur von Buchenwald lautet: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel“. Das waren auch die Ziele der Revolution von 1918: Gegen den Krieg, für die Republik und Demokratie. Die Antifaschisten nach 1945 und die Revolution von 1918/19 kämpften für dasselbe Ziel: Den Aufbau einer Welt des Friedens und der Freiheit.

Auf einem Denkstein auf dem alten Friedhof Buer in Gelsenkirchen steht: „Zerstampft des Unrechts Drachensaat / Zerstampft den Hass von Staat zu Staat / Versenkt die Waffen in Gewässern / Dann wird im Friedenssonnenschein / Die ganze Welt uns Heimat sein“ Auf der linken Seite sind die Namen derer genannt, die als Mitglieder der Roten Ruhrarmee gegen den Kapp-Putsch ermordet wurden. Das Denkmal wurde von den Nazis zerstört und auf Initiative des „Komitees ehemaliger politischer Gefangener und Konzentrationäre“, aus der später die VVN hervorging, nach dem Krieg neu errichtet. Nun wurden auf der rechten Seite die Namen von ermordeten Mitgliedern von Arbeiterorganisationen und von Angehörigen zweier jüdischer Familien hinzugefügt, die von den Nazis ermordet wurden. Auf dem Denkstein steht in der Mitte unten: “Sie starben für die Befreiung der Arbeiterklasse”. Dabei ging es immer auch um den Kampf um Demokratie.

Auch die Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin Friedrichsfelde erinnert an die Opfer der Revolution von 1918/19 und an diejenigen, die gegen den Faschismus im Widerstand waren und dabei ihr Leben verloren.

These: 7

Die VVN-BdA Kreuzberg Friedrichshain hatte in ihrer Rede am 8. Mai 2021 darauf hingewiesen, dass sich die Häftlinge in Buchenwald in den letzten Stunden vor der Befreiung durch die amerikanische Armee selbst befreiten. Dieser Akt der Selbstbefreiung ist gerade deshalb so bedeutsam, weil die Deutschen insgesamt sich nicht selbst vom Faschismus befreien konnten.

Die Forderung nach „Befreiung“ spielte auf der Demonstration am 8. Mai 2021 eine sehr große Bedeutung. „Befreiung“ stand auf dem Transparent, das an der Spitze des Zuges getragen wurde. Befreiung wurde als gegenwärtige Aufgabe verstanden. Und das kann nur Selbstbefreiung sein: Gemeinsam dieses Land von Rassismus, aber auch von Kriegsgefahr, Aufrüstung und Unterdrückung zu befreien.

Als Beispiel für Selbstbefreiung ist die Revolution von 1918/19 das große Beispiel in unserer Geschichte. Die Revolution von 1918 war ein Massenkampf von enormem Ausmaß und hatte auch mindesten zum Teil Erfolg. Denn sie besiegelte nicht nur das Kriegsende, sondern schuf auch – anders als der erste Versuch 1848 – die erste deutsche Republik, die für die Dauer von 15 Jahren Bestand hatte.

These: 8

In Frankreich ist der 14. Juli, der Tag des Sturms auf die Bastille, der wichtigste Nationalfeiertag. Denn dieser Tag legte 1789 den Grundstein für die erste französische Republik. Sicher wird dieser Tag von der herrschenden Klasse stark vereinnahmt, zum Beispiel zeigt die französische Armee an diesem Tag in jedem Jahr in einer Militärparade ihre neueste Waffentechnik auf dem Champs Elysee. Aber das ist nur die eine Seite. Dieser Tag des Aufstandes ist tief in der französischen Bevölkerung verankert. Er wird in jedem Dorf gefeiert. Die Gelbwesten riefen bei ihren Protesten: „Macron in die Bastille“.

Bei uns ist der entsprechende Tag der 9. November. Er kann wegen der Reichspogromnacht 1938 nicht gefeiert werden. Aber als nationaler Erinnerungstag an die Novemberrevolution 1918 und die Reichspogromnacht 1938 muss er ein arbeitsfreier Tag werden.