Autor: Benedikt Hopmann, 05.11.2022
Es ist instruktiv, die Erklärungen der G 20 des Jahres 2022 und des Jahres 2023 miteinander zu vergleichen. Der Textabschnitt zum Krieg in der Ukraine enthielt im Jahr 2022 unter Bezugnahme auf die entsprechende UN-Resolution eine direkte Verurteilung Russlands:
“Wir bekräftigten unsere nationalen Positionen, wie wir sie in anderen Foren zum Ausdruck gebracht haben, darunter im VN-Sicherheitsrat und in der VN-Generalversammlung, die in der Resolution ES-11/1 vom 2. März 2022, die mit einer Mehrheit (von 141 zu 5 Stimmen, bei 35 Enthaltungen und 12 Abwesenheiten) angenommen wurde, die Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine auf das Schärfste missbilligt und den vollständigen und bedingungslosen Abzug aus dem Hoheitsgebiet der Ukraine fordert.” Dabei wurde 2022 anerkannt: “Es gab andere Sichtweisen und unterschiedliche Bewertungen der Situation und von Sanktionen.“
In der Erklärung der G 20 des Jahres 2023 wird zwar – wie im Jahr 2022 – die UN-Resolution ES-11/1 bekäftigt. Eine ausdrücklich Verurteilung, bei der Russland namentlich genannt wird, findet sich aber in der Erklärung von 2023 nicht mehr.
Auch in der Erklärung der G 20 des Jahres 2023 findet sich der Satz: „Der Einsatz oder die Androhung von Atomwaffen ist unzulässig„. Aufschlussreich ist die Forderung nach der “sofortigen und ungehinderten Lieferung von Getreide, Lebensmittel und Düngemitteln aus der russischen Föderation und der Ukraine“. Dabei werden gewürdigt “die Bemühungen der Türkei und die von den Vereinten Nationen vermittelten Istanbuler Abkommen, bestehend aus der Vereinbarung zwischen der Russischen Föderartion und dem Sekretarial der Vereinten Nationen über die Förderung, russischer Lebensmittel und Düngemitteln auf den Weltmärkten.” In der Berichterstattung unserer Leitmedien wird in der Regel ausschließlich Russland für Nichtlieferung von “Getreide, Lebensmittel und Düngemitteln aus der russischen Föderation und der Ukraine” verantwortlich gemacht. Weiterlesen hier
Einleitung:
Die Informationsstelle für Militarisierung berichtete schon 2019, dass die USA die atomare Erstschlagfähigkeit erringen wollen.
Selenski drohte vor Beginn des Ukrainekrieges am 19. Februar auf der Münchener Sicherheitskonferenz, den Verzicht der Ukraine auf Atomwaffen zurückzunehmen.
Putin erklärte im September 2022 in seiner Rede zur Teilmobilisierung: „Sollte die Integrität unseres Landes bedroht werden, … werden wir nicht zögern, alle Mittel einzusetzen, die uns zur Verfügung stehen.“
Selenski forderte Anfang Oktober den atomaren Erstschlag der NATO gegen Russland.
Biden warnt vor einem „Armaggedon“ und erklärt wenige Tage später, er rechne nicht mit einem Atomeinsatz durch Putin.
Russland warnte vor dem Einsatz einer schmutzigen Waffe durch die Ukraine.
Der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr Harald Kujat, der von 2000 bis 2005 Vorsitzender des NATO Militärausschusses war, warnt vor einer immer weiter gehenden Eskalation bis zum Nuklearkrieg.
Der AtomwaffenexperteTed Postol warnte schon im März 2022 in einem Interview: „Wenn wir es tun, sind wir alle tot“.
Inhalt:
- 2019, USA planen atomare Erstschlagfähigkeit
- 19.2.22, Selenski drohte auf Münchener Sicherheitskonferenz mit Rücknahme des Atomwaffenverzichts
- 21.09.22, Putin: „Sollte Integrität unseres Landes bedroht werden, … werden wir nicht zögern, alle Mittel einusetzen, die uns zur Verfügung stehen“.
- 7.10.22, Biden sieht Gefahr eines Armaggedon – Biden rechnet nicht mit dem Einsatz von Atomrakten durch Russland
- 7.10.22, Selenski fordert atomaren Erstschlag
- Oktober 22, Nato und Russland üben Einsatz von Atomwaffen
- 23.10.22, Russland warnt vor ’schmutziger Bombe‘ der Ukraine
- Eskalation bis zum Atomkrieg verhindern
- 12.10.22, General a.D. Kujat: „Situation eskaliert …“
- 3.11.22, General a.D. Kujat: „Man kann eine Nuklearmacht nicht besiegen“
- 4. 11. 22, Scholz und Xi Jinping sprechen sich gegen den Einsatz von und die Drohung mit Atomwaffen aus. Doch sie sagen nicht dasselbe
- 15. 11. 22: Xi und Biden sprechen miteinander in Bali
- 15./16. 11. 2022: Gemeinsame Erklärung der G-20 Staaten im Jahr 2022
- 25.03.22, Ted Postol: „Wenn wir es tun, sind wir alle tot“
- Schluss mit der völkerrechtswidrigen nuklearen Teilhabe Deutschlands
- 9.9.2023: Gemeinsame Erklärung der G-20 Staaten im Jahr 2023
USA planen nukleare Erstschlagfähigkeit
Was die nuklearen Pläne der USA angeht, kam eine Analye der Informationsstelle Militarisierung schon 2019 zu folgendem Ergebnis: „Die gesamten atomaren US-Rüstungspläne lassen wenig andere Schlüsse zu, als dass die USA tatsächlich eine nukleare Erstschlagfähigkeit anstreben, ein Ergebnis, zu dem bereits 2006 ein Artikel in der renommierten Foreign Affairs mit dem bezeichnenden Titel „Der Aufstieg der USA zur nuklearen Vorherrschaft“ gelangte: „Streben die Vereinigten Staaten mit Absicht die nukleare Dominanz an? […] Die Natur der vorgenommenen Veränderungen bezüglich des Arsenals und der offiziellen Politik und Rhetorik stützen diese Schlussfolgerung. […] Mit anderen Worten, die gegenwärtigen und künftigen Nuklearstreitkräfte der USA scheinen dafür konzipiert zu sein, einen präemptiven Entwaffnungsschlag gegen Russland oder China zu führen.“ Etwas mehr als zehn Jahre später legten die beiden Autoren, Keir A. Lieber und Daryl G. Press, in der International Security noch einmal nach, in der sie argumentierten, durch die Modernisierung der US-Atomwaffen würden die USA noch einmal deutlich näher in Richtung einer Erstschlagfähigkeit gegenüber Russland rücken““.
Selenski drohte auf Münchener Sicherheitskonferenz mit Rücknahme des Atomwaffenverzichts
Selenskij hatte schon am 19. Februar 2022 auf der Münchener Sicherheitskonferenz erklärt: “Ich initiiere Konsultationen im Rahmen des Budapester Memorandums. Der Außenminister wurde beauftragt, sie einzuberufen. Wenn sie nicht wieder stattfinden oder zu keinen konkreten Entscheidungen zur Gewährleistung der Sicherheit unseres Staates führen, wird die Ukraine mit Recht glauben, dass das Budapester Memorandum nicht funktioniert und alle Beschlüsse des Pakets von 1994 in Frage gestellt wurden”. In diesem Budapester Memorandum verpflichteten sich am 5. Dezember 1994 Russland, die USA und England gegenüber Kasachstan, Belarus und der Ukraine, die nach der Auflösung der Sowjetunion alle im Besitz von Nuklearwaffen waren, die Souveränität und die Grenzen dieser Länder als Gegenleistung zu einem Nuklearverzicht zu achten. Wenn die Ukraine glaubt, dass “alle Beschlüsse des Pakets von 1994 in Frage gestellt wurden”, betrachtet sie sich nicht mehr an den in diesem Memorandum festgelegten Nuklearverzicht gebunden.
Putin: „Sollte die Integrität unseres Landes bedroht werden, werden wir nicht zögern, … alle Mittel einzusetzen, die uns zur Verfügung stehen“
Putin hatte in seiner Rede zur Teilmobilmachung am 21. September 2022 erklärt: „Nicht einmal vor atomarer Erpressung schrecken sie zurück. Ich habe dabei nicht nur die vom Westen gebilligten Angriffe auf das Atomkraftwerk Saporoschje im Auge, die eine atomare Katastrophe auslösen können. Es gibt Äußerungen bestimmter hochgestellter Vertreter von NATO-Staaten über die Möglichkeit und Zulässigkeit, gegen Russland Massenvernichtungswaffen einzusetzen – auch atomare. Denjenigen, die sich an die Adresse Russlands derartige Erklärungen erlauben, will ich hier in Erinnerung rufen, dass auch unser Land über verschiedene schlagkräftige Waffensysteme verfügt und dass sie in einigen Komponenten auch moderner sind als diejenigen, über die die NATO verfügt. Sollte die territoriale Integrität unseres Landes bedroht werden, werden wir nicht zögern, zur Verteidigung Russlands und unseres Volkes alle Mittel einzusetzen, die uns zur Verfügung stehen. Das ist kein Bluff“.
Selenski fordert atomaren Erstschlag
Das Handelsblatt berichtete am 7. Oktober 2022 über die Forderung des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski nach atomaren Präventivschlägen:
„Die NATO muss nach Ansicht Selenskis die Möglichkeit eines russischen Atomwaffeneinsatzes verhindern – notfalls mit Präventivschlägen. Selenski betonte bei einem Auftritt vor dem Lowy Institut am Donnerstag die Bedeutung von Präventivmaßnahmen.
Die NATO „muss die Möglichkeit eines Atomwaffeneinsatzes durch Russland ausschließen. Wichtig ist aber – ich wende mich wie vor dem 24. Februar deshalb an die Weltgemeinschaft – dass es Präventivschläge sind, damit sie wissen, was ihnen blüht, wenn sie sie anwenden.“ Er betonte: „Nicht umgekehrt: Auf Schläge von Russland warten, um dann zu sagen: „Ach du kommst mir so, dann bekommst du jetzt von uns““.
Selenskis Sprecher Serhij Nykyforow erklärte, Selenskis sie falsch verstanden worden, Selenski habe lediglich die Zeit vor dem 24. Februar gemeint. Diese Korrektur durch den Pressesprecher ist jedoch mindestens ebenso aufschlussreich wie die Aufforderung zum Präventivschlag durch Selenski; denn der Pressesprecher bestätigt, dass für Selenski der atomare „Präventivschlag“ ein legitimes Mittel der Kriegsführung ist. Und was heißt Präventivschlag? Wenn er wirksam sein sollte, müsste er alle Atomwaffen auf einen Schlag zerstören, so dass Russland zu einem Zweitschlag nicht mehr fähig wäre. Das wäre das Inferno, das auch die Ukraine vernichten würde, so dass dies die letzte Konsequenz der Politik wäre, die der ukrainische Präsident seit Monaten betreibt: Die Exekution amerikanischer Politik bis zum letzten Ukrainer.
Russland betrachtete diese Aufforderung von Selenski als Aufruf zum Dritten Weltkrieg .
Biden sieht Gefahr eines „Armageddon“ – Biden rechnet nicht mit dem Einsatz von nuklearen Raketen durch Russland
US-Präsident Joe Biden sieht nach einem Bericht des Handelsblatts vom 7. Oktober 2022 die „Gefahr einer atomaren Konfrontation so groß wie seit 60 Jahren nicht mehr“, „mit katastrophalen Folgen“. Die Welt habe seit der Kuba-Krise 1962 nicht vor der Aussicht auf ein „Armageddon“ gestanden, sagte Biden bei einem Auftritt in New York. „Er kenne Putin ziemlich gut, so Biden. Der Kremlchef scherze nicht …“.
Wenige Tage nach seiner Warnung vor einem „Armaggedon“ erklärt Biden in einem Interview mit CNN, er gehe davon aus, dass der russische Präsident Wladimir Putin im Krieg mit der Ukraine keine taktischen Atomwaffen einsetzen werde. „Nun, ich glaube nicht, dass er das tun wird“, antwortet Biden in einem Interview auf dem Sender CNN auf die Frage, für wie realistisch er es halte, dass Putin eine taktische Nuklearrakete einsetzen werde. „Ich denke, er ist ein rationaler Akteur, der sich erheblich verkalkuliert hat“, sagte Biden zu CNN..
Biden lässt die Vorschläge für eine umfassende Abrüstung unerwähnt, die Russland noch im Dezember 2021 der USA und der NATO unterbreitete. Sie enthielten auch die Forderung, keine Mittel – und Kurzstreckenrakten in Gebieten zu stationieren, von denen aus die andere Vertragspartei erreicht werden kann. Der Vorschlag Russlands umfasste alle Kurz – und Mittelstreckenrakten, also sowohl die mit nuklearen als auch die mit nuklearen Sprengköpfen.
NATO und Russland üben Einsatz von Atomwaffen
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom 14. Oktober 2022 über ein Treffen der Verteidigungsminister der NATO zu einer Sitzung der Nuklearen Planungsgruppe tags zuvor: „Das ist jenes Gremium, in dem die Allianz die nukleare Bedrohung analysiert und ihre Strategie der Abschreckung bespricht. Auch das war gewiss keine Routinesitzung. Man diskutiere nun in einem „radikal veränderten Kontext“, sagte ein Diplomat. Das bedeutet allerdings, dass die Vertreter der Mitgliedstaaten noch zugeköpfter sind als sonst, wenn es um dieses Thema geht. … Und auch im tiefsten Hintergrund versteinert Mienen von Gesprächspartnern, sobald man das N-Wort in den Mund nahm“.
Die USA übten im Oktober 2022 in Europa den Einsatz von Atomwaffen.
Ende Oktober 2022 übte Russland ebenfalls den Einsatz von Atomwaffen.
Im Gegensatz zu China haben weder die USA noch Russland auf den Erstschlag von Atomwaffen verzichtet.
Warnung vor ’schmutziger Bombe‘ der Ukraine
In Presse und Fernsehen wurde am 23. Oktober 2022 und den Folgetagen über Warnungen Russlands berichtet, die Ukraine wolle „schmutzige Waffen“ einsetzen, und das dann Russland in die Schuhe schieben. Eine „schmutzige Bombe“ in diesem Sinne ist eine konventionelle Bombe, die nukleares Material verstreut. Russland brachte auch eine entsprechende Beschwerde im UN-Sicherheitsrat vor.
Eskalation bis zu einem Atomkrieg verhindern
Es ist offensichtlich: Wenn man die Warnung von Biden vor einem „Armageddon“ ernst nimmt, dann kann die NATO nicht mehr so weiter machen wie bisher. Dann darf nicht mehr auf Sieg über Russland gesetzt werden, dann muss umgehend auf einen Waffenstillstand gedrängt und der Krieg mit Verhandlungen beendet werden. Die IPPNW hat detailiiert die Vorschläge, die dazu gemacht wurden, beschrieben.
General a.D. Harald Kujat warnt in der zweiten Oktoberwoche 2022 eindringlich vor einer weiteren Eskalation des Ukrainkrieges. In dem folgenden Interview sagt er: „Die Politik muss eine diplomatische Lösung finden. Sonst wird das eine endlose Spiral der Gewalt. Der eine steigert die Gewalt, der andere folgt ihr. Dann wieder der nächste Schritt und so geht es immer weiter … bis wir den Punkt erreichen, an dem keiner mehr zurück kann. Und das ist tatsächlch die nukleare Drohung. Ein nuklearer Einsatz wird tatsächlich Europa zerstören – darüber muss man sich jeder im Klaren sein. Eine nukleare Waffe eingesetzt verändert diesen Krieg völlig – darüber muss man sich jeder im Klaren sein“
General a.D. Kujat: „Man kann eine Nuklearmacht nicht besiegen …“
Am 3. November antwortete General a.D. Harald Kujat auf die Frage, ob man nicht auch Kampfpanzer und andere schwere Waffen an die Ukraine liefern müsse, um Russland zu Verhandlungen zu zwingen, mit folgenden Worten: „Na ja das ist immer das Argument. Zunächst hieß es: ‚Russland will ja gar nicht verhandeln‘. Das ist ja nun widerlegt. Dann heißt es: ‚Mit Russland kann man nicht verhandeln‘. Das ist nun auch widerlegt. Denn die Ukraine hat ja mit Russland verhandelt und zwar sehr erfolgreich verhandelt. Und jetzt heißt es:’Wir müssen Russland besiegen, in der Ukraine besiegen, um dann zu verhandeeln. Ja, dann braucht man nicht mehr zu verhandeln. Diese Aussicht auf einen totalen Sieg über Russland – das ist völlig ausgeschlossen. Man kann eine Nuklearrmacht nicht besiegen“
„Situation eskaliert …“
Doch die USA, Deutschland und die anderen NATO-Länder tun nichts für ein Ende des Krieges; sie liefern immer weiter und immer mehr Waffen an die Ukraine. Über die Eskalation bis zum Atomkrieg haben wir in einem vorhergehenden Beitrag ausführlich berichtet. Auch Jeffrey Sachs hat in einem Interview am 10. Oktober 2022 noch einmal unmissverständlich deutlich gemacht, für wie gefährlich er den Einfluss der Neocons auf die Politik der USA hält. Die USA sehen, wie sie ökonomisch immer mehr an Gewicht verlieren, wollen aber die Weltherrschaft behalten. Diese Neocons haben großes amerikanisches Kapital im Rücken.
Dagegen gilt für die Beschäftigten in den USA wie in Deutschland: Wer von ihnen will Krieg? Und erst recht: Wer von ihnen will einen Atomkrieg? 4.11.22, Scholz und Xi Jinping sprechen sich gegen den Einsatz von und die Drohung mit Atomwaffen aus
4. November 2022: Scholz und Xi Jiping sprechen sich gegen gegen den Einsatz von und die Drohung mit Atomwaffen aus. Doch sie sagten nicht dasselbe.
4. November 2022. Auf seinem Besuch in Peking haben sich sowohl Bundeskanzler Scholz als auch Chinas Präsident Xi Jinping gegen den Einsatz von und die Drohung mit Atomwaffen ausgesprochen. Doch Scholz und Xi Jiping sagten nicht dasselbe.
Scholz sagte bei einer Pressekonferenz in der großen Halle des Volkes, dass es wichtig sei, dass China seinen Einfluss auf Russland geltend mache. „Staatspräsident Xi und ich sind uns einig: Atomare Drohgebärden sind unverantwortlich und brandgefährlich.“
Wer genau wissen will, was der chinesische Präsident sagte, sollte die Pressemitteilung des chinesischen Außenministerium lesen. Dort heißt es unter im letzten Absatz:
„Präsident Xi bekräftigte Chinas Unterstützung für Deutschland und Europa, die eine wichtige Rolle bei der Erleichterung von Friedensgesprächen und beim Aufbau einer ausgewogenen, effektiven und nachhaltigen Sicherheitsarchitektur in Europa spielen. Unter den gegenwärtigen Umständen sollte die internationale Gemeinschaft: alle Bemühungen unterstützen, die der friedlichen Beilegung der Ukraine-Krise förderlich sind, und die betroffenen Parteien auffordern, rational zu bleiben und Zurückhaltung zu üben, so schnell wie möglich ein direktes Engagement aufzunehmen und die Bedingungen für die Wiederaufnahme von Gesprächen zu schaffen; sich gegen die Androhung oder den Einsatz von Atomwaffen aussprechen, dafür eintreten, dass Atomwaffen nicht eingesetzt werden dürfen und dass keine Atomkriege geführt werden dürfen, und eine Atomkrise in Eurasien verhindern“. Die vollständige Presseerklärung des chinesischen Außenministerium kann hier gelesen werden.
Es leuchtet unmittelbar ein, dass es wichtig ist, „Kontakt aufzubauen, um die Bedingungen für eine Wiederaufnahme von Gesprächen zu schaffen“. Wie soll es anders zu einem Waffenstillstand kommen und die Eskalation beendet werden, die in einem Atomkrieg enden kann? Von Scholz war nicht zu hören, dass es wichtig ist, „Kontakt aufzubauen, um die Bedingungen für eine Wiederaufnahme von Gesprächen zu schaffen.
Xi Jiping sprach in diesem Zusammenhang, dass es für die internationalen Gemeinschaft notwendig ist, „Bemühungen zu unterstützen, die der friedlichen Beilegung der Ukraine-Krise förderlich sind“, davon, „sich gegen die Androhung oder den Einsatz von Atomwaffen aus(zu)sprechen, dafür ein(zu)treten, dass Atomwaffen nicht eingesetzt werden dürfen und dass keine Atomkriege geführt werden dürfen, und eine Atomkrise in Eurasien (zu) verhindern
Der Kommentator der FAZ meint nur, man „sollte Chinas Hebel in dieser Frage nicht überschätzen.“. Er stellt nicht die Frage, welchen Einfluss Deutschland geltend machen könnte, um „eine Wiederaufnahme der Verhandlungen zu schaffen“ – etwa im Rahmen der NATO oder direkt gegenüber den USA, vielleicht zusammen mit Frankreich.
Vielleicht ergibt sich am 16. und 16. November auf dem Gipfel-Treffen der G20 – Mitglieder die Möglichkeit, genau das einzuleiten, was Xi Jinping in seinem Appell forderte. Indonesien als Gastgeber, unterstützt von China und Brasilien, konnte die Versuche Polens, der USA und dann auch Kanadas abwehren, Russland von diesem Gipfel auszuschließen.
15. November 2022: Das Treffen zwischen dem chinesischen und US-amerikanischen Präsidenten in Bali
Am 15. November 2022 berichten alle Zeitungen von dem Gespräch zwischen dem amerikanischen Präsidenten Biden und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping. Danach wurde keine gemeinsame, sondern eine US-amerikanische und chinesische Mitteilung über dieses Gespräch veröffentlicht.
Unter der Überschrift „Xi und Biden warnen vor Atomwaffen – Drohungen“ berichtet der Tagesspiegel: „Wörtlich hieß es in der Mittelung der USA, die beiden Präsidenten hätten ihre Ablehnung „gegen den Einsatz von und die Drohung mit Atomwaffen mit Atomwaffen in der Ukraine“ bekräftigt. Die offizielle chinesische Darstellung des Gesprächs enthielt die Warnung vor dem Einsatz von Atomwaffen nicht explizit. Erwähnt wurde aber, dass Xi Jinping seine früheren Äußerungen wiederholt habe, dass Kriege keine Gewinner hervorbrächten, es keine einfachen Lösungen für komplexe Probleme gebe und Konfrontation zwischen großen Ländern vermieden werden müssten.“
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet, nach der chinesischen Pressemitteilung habe Xi
„auf die „vier Dinge verwiesen, die die internationale Gemeinschaft zusammen tun müsse, und die er kürzlich vorgeschlagen habe“. Diese verklausulierte Formulierung bezog sich auf die Äußerungen, die der chinesische Staatschef vor einigen Tagen gegenüber Scholz gemacht hatte. Da hatte Xi in der Tat gesagt, die internationale Gemeinschaft müsse die Drohung mit und den Einsatz von Atomwaffen gemeinsam ablehnen. Es ist kein Zufall, dass Peking nicht bereit ist, die gleiche Aussage in der Mitteilung zu Xis Gespräch mit dem amerikanischen Präsidenten zu wiederholen. Offensichtlich will China vermeiden, gemeinsam mit den Vereinigten Staaten, Kritik an Rusland zu üben. Den russischen Angriff hat Peking bis heute nicht verurteilt.“
Richtig ist, das Xi bei dem Besuch von Bundeskanzler Scholz gesagt hatte, die internationale Gemeinschaft müsse die Drohung mit und den Einsatz von Atomwaffen gemeinsam ablehnen. Nicht richtig ist jedoch, dass Xi Jiping beim Scholz-Besuch diesen Vorwurf ausschließlich gegen Russland gerichtet hatte. Das lässt sich aus der chinesischen Pressemitteilung entnehmen, der man wohl unterstellen kann, dass sie möglichst wiedergibt, was China zu sagen hatte.
Nach Angaben der Süddeutschen Zeitung (SZ) sagte Xi, China unterstütze eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche zwischen der Ukraine und Russland..
Wie schon Scholz während seines Besuchs bei Xi, sagt auch Biden dazu nichts. Biden erklärte nicht, er unterstütze eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche zwischen der Ukraine und Russland.
Biden, Scholz, Deutschland, die USA, die Nato – sie wollen keine Friedensverhandlungen.
Wer den Wortlaut der ganzen chinesischen Pressemitteilung kennen lernen will, kann das hier lesen.
15./16. November 2022: Die gemeinsame Erklärung der G-20- Staaten in Bali
Nun ist also auch die gemeinsame Erklärung der G 20-Staaten veröffentlicht. Alle Staaten, auch Russland und China stimmten ihr zu. Putin nahm an dem Treffen der Staats- und Regierungschefs nicht teil, sondern schickte den Außenminister Lawrow.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung titelt: „Die wichtigsten Industrie – und Schwellenländer erhöhen bei ihrem Gipfel den Druck auf Russland. In ihrer Abschlusserklärung wollen die meisten den Krieg verurteilen. Sogar Peking und Moskau selbst stimmen dem Entwurf zu“. Da stellt sich sofort die Frage: Warum stimmt Russland zu?
Es lohnt sich zumindest die beiden Punkte in vollem Wortlaut zu lesen, über die in der Presse besonders viel berichtet wurde und die auch wohl besonders umstritten waren. Im Punkt 3 geht es um den Ukrainekrieg und in Punkt 4 geht es um den Einsatz von und die Bedrohung mit Atomwaffen:
Weiterlesen hier:
„Wenn wir es tun, sind wir alle tot“
Der Atomwaffenexperte Ted Postol erklärte in einem Interview am 25. März 2022: „Ich kann Ihnen nur sagen, der Grund, warum diese Waffen nicht eingesetzt werden können, ist der, dass wir alle sterben werden, wenn wir sie einsetzen. So einfach ist das. Und ich könnte auch noch viel ausführlicher erklären, warum das, was ich gerade gesagt habe, richtig ist. Wenn sie also wieder die Frage stellen, warum wir diese Waffen nicht einsetzen können, ist die einfache Antwort: Wenn wir es tun, sind wir alle tot“.
Schluss mit der völkerrechtswidrigen nuklearen Teilhabe Deutschlands
Warum tat die Bundesregierung, die beansprucht, die führende militärische Macht in Europa zu sein, nicht den ersten Schritt und setzte sich für eine Absage der Atomkriegsmanövers der NATO im Herbst 2022 ein? Warum fordert die Bundesregierung nicht den Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen und ihren Abzug von deutschem Boden, also von Büchel? Dort wird der Flughafen bis 2026 saniert, so dass nur ein „Notbetrieb“ für die „nukleare Teilhabe“ aufrechterhalten wird. Bis 2026 werden die bisher auf dem Fliegerhorst Büchel (Eifel) stationierten Tornado-Kampfjets auf dem Ausweichstandort Nörvenich stationiert. Nörvenich leigt in der Nähe von Köln.
Wir brauchen keinen Ersatz für die Tarnados, der von der Bundesregierung beschlossen wurde und aus dem 100 Milliarden Rüstungs Sondervermögen finanziert werden soll.
Aus dem Aufruf der Initiative „Ohne Rüstung leben“, der sich gegen die NATO-Übung des Einsatzes von Atomwaffen richtete:
„Die ca. 20 Atombomben in Büchel sollen in den nächsten Jahren ersetzt werden durch neue lenkbare Atombomben. Ein Atomkrieg wird dadurch wahrscheinlicher, denn die „Mini-Nukes“ senken die Einsatzschwelle für Atomwaffen. Im neuen Strategischen Konzept der NATO von 2022 wird den Atomwaffen ein besonderer Wert zugemessen und auch ein Ersteinsatz dieser Waffen nicht ausgeschlossen.
… Atomkriegsübungen und atomare Hochrüstung verschlingen Unsummen, die woanders nötig gebraucht würden. Deutschland will im Rahmen des 100-Milliarden-Aufrüstungs-Pakets für die Bundeswehr auch für mehrere Milliarden neue F-35-Atombomber anschaffen.
Die neuen Atombomben B61-12 werden insgesamt rund 10 Milliarden US-Dollar kosten. All diese Milliarden fehlen im Sozialhaushalt, im Gesundheitswesen und bei der Bekämpfung der Klimakatastrophe. Wer im Jahr 2022 Atomkriege übt, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt, denn bei einem Atomkrieg kann es keine Gewinner, sondern nur Verlierer geben!“
Ein Rechtsgutachten des internationalen Gerichtshofs in Den Haag hatte schon im Jahr 1996 deutlich gemacht, dass die Androhung und der Einsatz von Atomwaffen völkerrechtswidrig ist. Auch die sogenannte nukleare Teilhabe Deutschlands ist völkerrechtswidrig. Nukleare Teilhabe bedeutet, dass deutsche Piloten auf Befehl der USA Atombomben abwerfen. Damit haben deutsche Piloten Verfügungsgewalt über Atomwaffen. Das verstößt gegen den Atomwaffensperrvertrag, der Länder wie Deutschland und damit auch deutsche Piloten von der Verfügungsgewalt über Atomwaffen ausschließt.
Deutschland muss diese nukleare Teilhabe beenden.
Es müssen atomwaffenfreie Zonen geschaffen werden.
Die Welt muss von sämtlichen Atomwaffen befreit werden.
Zur Vertiefung empfehlen wir den Artikel: Eskalation bis zum Atomkrieg.
Hinweise:
„Ohne Rüstung leben“ hier der link: https://www.ohne-ruestung-leben.de/aktuell.html
Zum Aufruf zur Demonstration in Nörvenich auf dem Schlossplatz hier der link: https://www.ohne-ruestung-leben.de/nachrichten/article/demonstration-22-oktober-2022-noervenich-atomkriegsmanoever-steadfast-noon-2022-absagen-523.html, abgerufen am 15.Oktober 2022 13:48 Uhr.
Der Bericht von t-online über das Manöver „steadfast Noon“: https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/militaer-verteidigung/id_100064804/nato-atomuebung-das-passiert-bei-steadfast-noon-.html, abgerufen am 15.10.2022 15:15 Uhr
Zum Bericht im Handelsblatt vom 7. Oktober 2022 der link: https://www.handelsblatt.com/politik/international/ukraine-die-lage-am-morgen-selenski-nato-muss-atomwaffeneinsatz-verhindern-biden-so-nahe-am-armageddon-wie-seit-kuba-krise-nicht-mehr/28731488.html
9. September 2023: Abschlusserklärung der G 20
Es ist instruktiv, die Erklärungen der G 20 des Jahres 2022 und des Jahres 2023 miteinander zu vergleichen. Der Textabschnitt zum Krieg in der Ukraine enthielt im Jahr 2022 unter Bezugnahme auf die entsprechende UN-Resolution eine direkte Verurteilung Russlands:
„Wir bekräftigten unsere nationalen Positionen, wie wir sie in anderen Foren zum Ausdruck gebracht haben, darunter im VN-Sicherheitsrat und in der VN-Generalversammlung, die in der Resolution ES-11/1 vom 2. März 2022, die mit einer Mehrheit (von 141 zu 5 Stimmen, bei 35 Enthaltungen und 12 Abwesenheiten) angenommen wurde, die Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine auf das Schärfste missbilligt und den vollständigen und bedingungslosen Abzug aus dem Hoheitsgebiet der Ukraine fordert.“ Dabei wurde 2022 anerkannt: „Es gab andere Sichtweisen und unterschiedliche Bewertungen der Situation und von Sanktionen.„
Auch in der Erklärung der G 20 des Jahres 2023 findet sich der Satz: „Der Einsatz oder die Androhung von Atomwaffen ist unzulässig„.
In der Erklärung der G 20 des Jahres 2023 wird zwar – wie im Jahr 2022 – die UN-Resolution ES-11/1 bekäftigt. Eine ausdrücklich Verurteilung, bei der Russland namentlich genannt wird, findet sich aber in der Erklärung von 2023 nicht mehr.
Aufschlussreich ist, dass in der Erklärung der G 20 des Jahres 2023 gefordert wird, „die sofortige und ungehinderte Lieferung von Getreide, Lebensmittel und Düngemitteln aus der russischen Föderation und der Ukraine„. Dabei werden gewürdigt „die Bemühungen der Türkei und die von den Vereinten Nationen vermittelten Istanbuler Abkommen, bestehend aus der Vereinbarung zwischen der Russischen Föderartion und dem Sekretarial der Vereinten Nationen über die Förderung, russischer Lebensmittel und Düngemitteln auf den Weltmärkten.“ In der Berichterstattung unserer Leitmedien wird in der Regel ausschließlich Russland für Nichtlieferung von „Getreide, Lebensmittel und Düngemitteln aus der russischen Föderation und der Ukraine“ verantwortlich gemacht.
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