Aktueller Stand und grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits von Duygu, Fernando und Ronnie gegen Getir, ehemals Gorillas

Duygu, Fernando und Ronnie waren Rider beim Lieferdienst Gorillas. Ihnen wurde gekündigt, weil sie gestreikt haben. Jetzt kämpfen die drei Unerschrockenen vor den Gerichten für ein besseres Streikrecht.

Zur Zeit liegt der Rechtsstreit beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Gorillas wurde inzwischen vom Lieferdienst Getir aufgekauft. Daher wird der Prozess der drei gegen die Getir Germany GmbH weitergeführt. Selbst wenn sich die Getir Germany GmbH, wie angekündig, aus Deutschland zurückzieht, muss das nicht das Ende der Verfasssungsbeschwerde sein. Denn diese Beschwerde ist von grundsätzlicher Bedeutung. In solchen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht auch dann entscheiden, wenn der Prozessgegener – hier die Getir Germany GmbH – nicht mehr existiert, das heißt im vorliegenden Fall, die Getir Germany GmbH aus dem Handelsregister gelöscht wird.

Das Verfassungsgericht berücksichtige in Urteilen und Beschlüssen »generell sämtliche entscheidungsrelevanten Umstände des jeweiligen Falles«, antwortete die Kammer, nach der Bedeutung der Beschwerde gefragt. Diese befinde sich »in Bearbeitung«.“ – berichtet die Junge Welt vom 16. Mai 2024, die beim Bundesverfassungsfgericht nachgefragt hatte.

Die Begründung dafür, dass es sich um einen Fall von grundsätzlicher Bedeutung handelt, kann in einem Satz zusammengefasst werden: Das Streikrecht steht insgesamt auf dem Prüfstand.

Im Einzelnen[1]der folgende Artikel von Benedikt Hopmann wurde veröffentlicht in: Die Rote Hilfe 2.2024 S. 13 ff.:

Um zu zeigen, dass das gesamte Streikrecht auf dem Prüfstand steht, sollen zunächst beispielhaft zwei Streiks beschrieben werden, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben:  

1. Beispiel: Verbandsfreier Streik der Gorillas-Beschäftigten 2021 in Berlin

In Lieferdiensten liefern Rider Waren mit dem Rad aus. Diese Waren wurden vorher von Kunden telefonisch bestellt und von sogenannten Pikern in einem Warenlager zusammengestellt. Rider und Piker des Lieferdienstes Gorillas streikten in Berlin im Oktober 2021, weil Gorillas für die gleiche Arbeit ungleiche Löhne zahlte und zudem Gorillas diese Löhne unpünktlich und unvollständig auszahlte. Die Beschäftigten streikten ohne Aufruf der Gewerkschaft.

Solche verbandsfreien Streiks sollen nach der bis heute geltenden Rechtsprechung verboten sein. Bei den Gorillas-Beschäftigten lief dieses Verbot auf ein generelles Streikverbot hinaus. Denn die Hälfte von ihnen wurde nie länger als ein halbes Jahr beschäftigt, die Arbeitsverträge der anderen Hälfte waren auf ein Jahr befristet und die zuständige Gewerkschaft versprach, erst aktiv zu werden, wenn die Hälfte der Beschäftigten Mitglied in der Gewerkschaft geworden sei. Unter diesen Bedingungen war ein gewerkschaftlicher Streik faktisch unmöglich. Zahlreiche Gorillas-Beschäftigte wurden entlassen, weil sie auf ihr Recht zum Streik nicht verzichten wollten und sich an dem verbandsfreien Streik im Oktober 2021 beteiligten.

Drei reichten gegen ihre Kündigung Klage ein, mit dem festen Willen alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Jetzt hat der Rechtstreit das Bundesverfassungsgericht erreicht. Wir werden sehen, ob das Bundesverfassungsgericht die Sache zur Entscheidung annimmt.

2. Beispiel: Ver.di Warnstreik im März 2024 ein politischer Streik?

Die Gewerkschaft ver.di betreibt zusammen mit Fridays for future (FFF) die Kampagne „Wir fahren zusammen“. Am 1. März 2024 rief ver.di zu einem Warnstreik auf, mit dem sie im Rahmen der Tarifauseinandersetzung ihrer Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen Nachdruck verlieh. Am selben Tag beteiligte sie sich im Rahmen des Klimastreiks von FFF an einer gemeinsamen Kundgebung für mehr Klimaschutz und mehr Investitionen in den öffentlichen Personennahverkehr. Die Leipziger Verkehrsbetriebe beantragten deswegen beim Arbeitsgericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Der Streik von ver.di sei politisch und politische Streiks seien verboten.

Das Arbeitsgericht Leipzig verhalf dem Antrag der Leipziger Verkehrsbetriebe nicht zum Erfolg. Die Forderungen nach Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs seien zwar politische Forderungen und dürften deshalb kein Streikziel sein, doch die politischen Forderungen seien nur auf der Kundgebung mit FFF erhoben wurden und daher kein Streikziel gewesen. Der Warnstreik von ver.di sei also kein politischer Streik gewesen.

In Frankreich undenkbar

In Frankreich wäre ein Rechtsstreit wie der vor dem Arbeitsgericht in Leipzig undenkbar; denn dort ist der politische Streik nicht verboten, so dass es nicht darauf ankommt, ob ein Streik politisch ist oder nicht.

Wir erinnern uns an die großen Streiks gegen die Regierung in Frankreich wegen der Erhöhung des Renteneintrittsalters. In Deutschland waren diese Proteste aus demselben Grund während der Schröder-Regierung nicht über wenige Stunden Arbeitsunterbrechung in der Metallindustrie hinausgegangen. Und selbst dieser Protest soll nach der herrschenden Rechtsmeinung unzulässig gewesen sein.

Undenkbar wäre in Frankreich auch der Rechtsstreit, den die ehemaligen Rider Duygu, Fernando und Ronni ausfechten. Denn in Frankreich sind solche „wilden“ Streiks ebenso wenig verboten wie politische Streiks.

Streiks beschränkt auf Hilfsfunktion zur Durchsetzung von Tarifverträgen

Im Rechtsstreit der Gorillas-Beschäftigten berief sich das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg auf die „ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts“, wonach „ein Arbeitskampf nur zur Durchsetzung tarifvertraglich regelbarer … Ziele geführt werden kann.“[1] Die Funktion von Streiks sei ausschließlich, bei der Durchsetzung von Tarifverträgen zu helfen.

Weil das Ziel von verbandsfreien und politischen Streiks nicht der Abschluss von Tarifverträgen ist, können sie auch nicht bei der Durchsetzung von Tarifverträgen helfen, und sollen deswegen verboten sein.

Dreh- und Angelpunkt des deutschen Streikrechts ist also die Beschränkung von Streiks ausschließlich auf eine Hilfsfunktion bei der Durchsetzung von Tarifverträgen.

“Arbeitskämpfe im allgemeinen unerwünscht.”

Das Bundesarbeitsgericht legte in seiner Entscheidung des Jahres 1963 die Basis offen, auf der es verbandsfreie Streiks verbot: Arbeitskämpfe seien “im allgemeinen unerwünscht”[2].

„Das Mittel des Streiks ist eine scharfe Waffe. Das verbietet es, das Streikrecht Personen oder Gruppen anzuvertrauen, bei denen nicht die Gewähr dafür besteht, dass sie nur in vertretbarem Umfang davon Gebrauch machen. Eine solche Gewähr ist bei den einzelnen Arbeitnehmern, den Mitgliedern der Belegschaft als solchen und nichtgewerkschaftlichen Gruppen nicht gegeben.”[3]

Der Gewerkschaft wird eine Kontrollfunktion zugeschoben, die sie in eine äußerst unangenehme Konfrontation zu ihren eigenen Mitgliedern bringen kann: “Im Gewande eines angeblichen Streikmonopols der Gewerkschaften werden so die Gewerkschaften zwischen die Stühle gebracht und die Kollegen, die an spontanen Arbeitsniederlegungen teilgenommen haben, der Willkür der Unternehmer ausgeliefert (Kündigung, Schadenersatz!). Für die Gewerkschaft kann es nicht darauf ankommen, die eigenen organisationspolitische Position durch das Rechtswidrigkeitsurteil des Bundesarbeitsgerichts prägen zu lassen”.[4]

Eine Wende ohne Konsequenzen

Inzwischen hat das Bundesarbeitsgericht die Wertung, Arbeitskämpfe seien “im allgemeinen unerwünscht”, die auf den ersten Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts Hans Carl Nipperdey zurückgeht, aufgegeben. Das Recht auf Streik wurde als Grundrecht anerkannt: Tarifverhandlungen ohne das Recht zum Streik seien “im allgemeinen nicht mehr als „kollektives Betteln“ (Blanpain)”[5].

Doch dieser Wandel hatte keine Konsequenzen für die Beschränkungen des Streikrechts. Es blieb bei der Beschränkung des Streiks auf die Funktion, Tarifverträge durchzusetzen. Es blieb bei dem Verbot des verbandsfreien Streiks. Es blieb bei dem Verbot des politischen Streiks.

Wortlaut, Geschichte und Völkerrecht

Der Wortlaut im Grundgesetz, die Geschichte und die einschlägigen internationalen Verträge verpflichten Deutschland, endlich diese Streikbeschränkungen aufzugeben.

Das Grundgesetz, das in Artikel 9 Absatz 3 die Koalitionsfreiheit garantiert, enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass der Streik darauf beschränkt sein soll, Tarifverträge  durchzusetzen. Es geht um die „Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“, für deren Wahrung und Förderung Koalitionen gebildet und gestreikt werden kann. Staatlich geregelte Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen werden nicht ausgeschlossen. Es ist auch nicht von Gewerkschaften die Rede, sondern nur von „Vereinigungen“.

Die Weimarer Republik war geprägt von politischen Streiks. Sie kannte kein prinzipielles Verbot des verbandsfreien oder politischen Streiks. Sie wurde über einen Generalstreik am 9. November 1918 erzwungen und anderhalb Jahre später durch einen Generalstreik gegen den Kapp-Lütwitz Putsch verteidigt. Der Rathenaustreik im Juni 1922, zu dem alle Gewerkschaften und Arbeiterparteien aufriefen, war ein politischer Streik. Auch noch nach dem 2. Weltkrieg rief der DGB zu einem politischen Generalstreik am 12. November 1948 auf und forderte unter anderem die Überführung der Grundstoffindustrie und Kreditinstitute in Gemeineigentum und die Demokratisierung der Wirtschaft.  

Die Gewährleistung der Koalitionsfreiheit wurde wortgleich aus der Weimarer Reichsverfassung in das Grundgesetz übernommen. Dabei bestand im Parlamenta-rischen Rat Einigkeit, dass das Streikrecht durch das Grundgesetz geschützt sein sollte. Eine Initiative der Gewerkschaften, das Streikrecht auf die Gewerkschaften zu beschränken, wurde nicht weiter verfolgt, nicht einmal von der SPD. Die Debatten im parlamentarischen Rat zum politischen Streik hatten nicht das Ziel, generell politische Streiks auszuschließen.   

Wie lange wollen wir uns diese Entmündigung noch gefallen lassen?

Sehr früh schon forderten Juristen wie Wolfgang Abendroth die von der Rechtsprechung betriebene ausschließliche Ausrichtung des Streikrechts auf den Abschluss von Tarifverträgen aufzugeben.

Wolfgang Abendroth leitete das Streikrecht aus dem Sozialstaats-, Rechtsstaats- und Demokratieprinzip her[6]. Die Verankerung dieser Prinzipien im Grundgesetz war nach Abendroth eine Reaktion auf die Erkenntnis, dass eine soziale Ordnung in der Weimarer Republik nicht umgesetzt wurde und dies zum Scheitern der Weimarer Republik und schließlich zum Faschismus geführt hatte[7]. sondern auch über die Ausübung solcher Grundrechte wie das Streikrecht.

Diese Konzeption des Streikrechts musste Hans-Carl Nipperdey fernliegen. Nipperdey hatte nicht nur die Einschränkungen des Streikrechts in der Adenauerzeit maßgebend geprägt, er war auch während des Faschismus Kommentator des NS-Arbeitsrechts (AOG) und Mitglied der Akademie deutschen Rechts gewesen[8]. Aufgabe der Akademie deutschen Rechts war laut ihrer Satzung, die Umsetzung des Parteiprogramms der NSDAP in Recht[9]. Eine Konzeption des Streikrechts, die sich auf die antifaschistischen Grundsätze des Grundgesetzes besinnt, wird sich dagegen davon leiten lassen, dass Interessenvertretung nicht nur über die parlamentarische Gesetzgebung gewährleistet sein muss, sondern auch über den Streik als Ausdruck von Demokratie, Selbstbestimmung und Menschenwürde[10].

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg setzte sich auch über die Europäische Sozialcharta[11] hinweg – und das, obwohl der internationale Sachverständigenausschuss[12] und das Ministerkomitee, das die Einhaltung dieser Charta kontrollieren, Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder daran erinnerten, dass das deutsche Streikrecht gegen diese Sozialcharta verstößt. Auch das ILO-Abkommen Nr. 87 und der Sozialpakt der UNO gewährleisten ein Streikrecht über das deutsche Steikrecht hinaus.

Was tun?

Die Antwort auf die Frage “Was tun?” ist sehr einfach:

Wenn es nicht anders geht, verbandsfrei streiken.

Wenn es notwendig ist, politisch streiken.

Nur so können wir die bestehende Entmündigung beenden.

Wir müssen uns über die Konsequenz im Klaren sein, wenn wir erst politisch streiken, wenn es höchstrichterlich erlaubt worden ist. Dann wird es nie erlaubt. Denn das Streikrecht wird in Deutschland durch die Rechtsprechung bestimmt. Diese Rechtsprechung kann sich aber nur ändern, wenn die Gewerkschaften politisch streiken und danach die Gerichte darüber entscheiden müssen. Das Bundesarbeitsgericht darf nicht nur einmal mit einem solchen Fall konfrontiert werden. In den letzten Jahrzehnten wurde es nie mit einem solchen Fall konfrontiert.

Dasselbe gilt für den verbandsfreien Streik. Es gibt nur wenige Fälle, in denen das Bundesarbeitsgericht dazu entschieden hat.

Wir müssen ganz klar sagen:

Das ist nicht unser Recht. Wir finden uns damit nicht ab. 

Die Demokratie darf nicht vor den Eingängen zu den Betrieben und Büros enden.

1996, als die Kohlregierung die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall von 100 Prozent auf 80 Prozent absenkte, rief die IG Metall zum Streik auf. In diesem Aufruf der IG Metall heißt es:

„Protest ist unser gutes Recht. Demokratie ist keine Feierabend – oder Wochendveranstaltung. Sie macht nicht vor den Werkstoren halt. Aufrufe zu Protestktionen gegen die Sozialabbaupläne der Bundesregierung sind zulässig.“

Dieser Aufruf war ein Aufruf zum politischen Streik. Der Aufruf war vom damaligen 1. Bevollmächtigten der IG Metall, Klaus Zwickel, herausgegeben.

Übrigens: Dieser politische Streik konnte die Verabschiedung des Gesetzes, dass die Lohnfortzahlung von 100 Prozent auf 80 Prozent absenkte, nicht verhindern. Den Erfolg brachte der anschließende “wilde” Streik der Beschäftigten in den Daimler-Werken in Untertürkheim und Bremen. Er dauerte mehrere Tage und zwang den Unternehmerverband GesamtMetall zu Verhandlungen mit der IG-Metall, die am Ende zu einem Tarifvertrag führten, der 100 Prozent Lohnfortzahlung im Krankheitsfall festschrieb und damit die gesetzliche Absenkung der Kohlregierung beendete.[13] Später wurde auch die gesetzliche Absenkung wieder zurückgenommen.

Dieses Beispiel zeigt: Verbandsfreie Streiks können eine große Wirkung haben. Um die Rechtsmäßigkeit solcher Streiks geht es in dem Rechtsstreit, den Duygu, Fernando und Ronnie gegenwärtig führen. Sie haben unsere Solidarität verdient. Es geht um eines der wichtigsten Widerstandsrechte, die wir haben. Es geht um unser Recht.[14] Unterstützt die Kampagne #RechtAufStreik[15]!


[1] U.A. LAG Berlin-Brandenburg v. 25.4.2023 – 16 Sa 868/22, Seite 14, 9. Absatz, Entscheidungsgründe unter II.B.b.ff.

[2] BAG vom 20.12.1963 – 1 AZR 428/62 Juris Rn. 71. Es bezog sich damit auf eine Formulierung des großen Senat unter dem Vorsitz von Hans Carl Nipperdey aus dem Jahr 1955 (Großer Seant des BAG v. 28.01.1955 Az.: GS 1/54 unter I.3)

[3] BAG vom 20.12.1963 – 1 AZR 428/62 Entscheidungsgründe B II. 3. e., S. 31 f..

[4] Michael Kittner “Arbeitskampf. Geschichte Recht Gegenwart” München2005, S. 685

[5] BAG v. 106.1980 – 1 AZR 168/79, juris Rn. 22

[6]  Art. 20 Abs. 1 GG, Art. 28 Abs. 1 GG

[7] Abendroth, Wolfgang, Die Berechtigung gewerkschaftlicher Demonstrationen für die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der Wirtschaft, in: Heinz Maus, Friedrich Fürstenberg (Hrsg.), Antagonistische Gesellschaft und politische Demokratie, Aufsätze zur politischen Soziologie, Neuwied, Berlin 1967 (1953), S. 203–230

[8] Bereits Thilo Ramm hat darauf hingewiesen, »daß Wissenschaftler, die wie Alfred Hueck, Nipperdey oder Dersch immerhin zu den anerkannten Vertretern des Arbeitsrechts der Weimarer Republik zählten, als Mitglieder der Akademie für deutsches Recht unter ihrem Präsidenten Hans Frank an den Gesetzentwürfen (der Nazis; R. W.) mitgearbeitet haben« (Nationalsozialismus und Arbeitsrecht. 111: KJ 1968. 5.108 ff (I 14)). Martin Borowsky zu Nipperdey in Kritische Justiz“ (4/2022, S. 399-411); Kritik an dieser Position von Borowsky durch die VDJ: https://www.vdj.de/beitrage-aktuelles/juristen-als-teil-der-funktionselite-des-ns-regimes-kritische-anmerkung-zu-die-ns-belastung-des-bundesarbeitsgerichts-von-martin-borowsky-in-der-kj

[9]  „Die Akademie für Deutsches Recht hat nach dem Gesetz die Aufgabe, die Neugestaltung des deutschen Rechtslebens zu fördern und in Verbindung mit den für die Gesetzgebung zuständigen Stellen das nationalsozialistische Programm auf dem gesamten Gebiet des Rechts zu verwirklichen“ (§ 1 Satz 1 der Satzung der Akademie für Deutsches Recht; siehe auch § 2 des Gesetzes über die Akademie für Deutsches Recht v. 11.7.1934, Reichsgesetzblatt Nr. 78 v. 12.Juli 1934, S. 605 f; siehe:  https://www.servat.unibe.ch/dns/RGBl_1934_I_605_G_Akademie_Deutsches_Recht.pdf (abgerufen am 18.2.2024)

[10] „Rechtsprechung und Rechtswissenschaft haben die Zwecksetzung der Selbstbestimmung für die Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie als Teil der kollektiv ausgeübten Privatautonomie bereits akzeptiert“ (Theresa Tschenker „Politischer Streik. Rechtsgeschichte und Dogmatik des Tarifbezugs und des Verbots des politischen Streiks“, Berlin, 2023, S. 97 m.w.N.). Däubler-Däubler (2018) Arbeitskampfrecht, Handbuch für die Rechtspraxis. 4. Auflage, Hrsg. Wolfgang Däubler, Baden-Baden § 12 Rn, 24

[11]  Art. 6 Nr. 4 RESC              

[12] ”conclusions” XX-3 vom 5.12.2014 Germany“, siehe auch die „conclusions“ (Schlussfolgerungen) in den folgenden Jahren  unter: https://widerstaendig.de/europaeische-sozialcharta-esc/  

[13] Dazu ausführlich: Benedikt Hopmann „Die Gewerkschaft sind wir!“ – Die Streiks im Jahr 1996 zur Verteidigung der Entgeltfortzahlung bei Krankheit, in: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung 4/2023

[14] Mehr Informationen zum Thema Streik: https://widerstaendig.de/streik/

[15] Siehe auch: https://rechtaufstreik.noblogs.org/

References

References
1 der folgende Artikel von Benedikt Hopmann wurde veröffentlicht in: Die Rote Hilfe 2.2024 S. 13 ff.

Jüdische Stimme antwortet auf Fragen von Rbb-Journalist:Innen

jüdische stimme

Die Jüdische Stimme wurde von Journalist:innen des rbb am 06.05.2023 kontaktiert.

Hier die Antwort im Wortlaut:

Die Fragen stehen weiter unten, zunächst aber unsere Antwort:


Sehr geehrte Frau Röder, sehr geehrter Herr Duwe, sehr geehrte Frau Daiber,

wir bekommen relativ selten Anfragen von der deutschen Presse, sind hingegen sehr mit Interviews für US-Amerikanische, britische, japanische, norwegische, italienische, kroatische usw. Medien beschäftigt. Deswegen haben wir uns über Ihre Anfrage gefreut. Die Freude währte allerdings nur kurz, weil Ihr Fragenkatalog eher einem Verhör ähnelt als einer journalistischen Arbeit mit echten Menschen.

Wir haben mit keinen der Journalist:innen aus den o.g. Ländern und Medien so eine feindselige Herangehensweise erlebt und wurden nie mit solchen Ja- oder Nein-Fragen konfrontiert - eher mit neugierige,n offenen Fragen von Menschen außerhalb Deutschlands, die den Kopf schütteln über die Anmaßung deutschen Journalist:innen aus staatlichen Sendern und Institutionen mit Nazi-Hintergrund, die Juden und Jüdinnen Antisemitismus vorwerfen und mit ihnen auf eine so entmenschlichende und respektlose Art und Weise umgehen.

Wenn wir Ihren Fragenkatalog beantworten würden - unabhängig vom Inhalt der Antworten - bedeutete dies, dass wir uns ihrem Verhör unterwerfen und dies Missachtung akzeptieren. Das werden wir natürlich nicht tun.

Wenn Sie möchten, können Sie diese Antwort in Gänze zitieren. Wir untersagen Ihnen aber, sie in Teile zu zerlegen, und werden sie auf jeden Fall auch öffentlich machen.

Der Vorstand der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost

Die Fragen von RBB lauteten:

Guten Tag,

hier schreibt Ihnen Marie Röder vom rbb. Für die Sendung Kontraste – die Reporter vom 15.05.2024 recherchiere ich mit meinen Kolleg:innen Silvio Duwe und Nathalie Daiber (cc) zu Antisemitismus in Deutschland. In dem Beitrag wird es auch um Ihren Verein „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ gehen. Daher möchten wir Sie bitten, zu den unten aufgeführten Fragen bis zum 09.05.2024, 12:00 Uhr Stellung zu beziehen.

Udi Raz, eines Ihrer Vorstandsmitglieder, behauptete am 29.03.2024 in einem Instagram-Video (Link: Unlike the leadership of Hamas, for example, Germany’s government does not differentiate between Zionism and Judaism.” – explained “Jewish… | Instagram) die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ sei eine der größten jüdischen Organisationen Deutschlands. Stimmen Sie dieser Aussage zu? Wie viele Mitglieder zählt Ihr Verein?

Im oben genannten Video behauptet Ihr Vorstandsmitglied Udi Raz außerdem: „Unlike the leadership of Hamas, for example, Germany’s government does not differentiate between Zionism and Judaism“. Sehen Sie in dieser Aussage eine Relativierung der Terrororganisation Hamas? Stimmen Sie der Aussage Ihres Vorstandmitglieds zu? Wenn ja, inwiefern?

Verurteilt Ihr Verein den Terrorangriff der Hamas vom 07.Oktober 2023?

Ihrem Verein wird u.a. aufgrund Ihrer Mitwirkung am Palästinakongress Antisemitismus vorgeworfen. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?

Danke und mit freundlichen Grüßen

Ehrenfriedhof für die Gefallenen der Roten Armee in Klosterfelde und Grabschändung

Inhaltsverzeichnis

08. Mai 2024 – 79. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus

In ein kleine Ort „Klosterfelde“ [1]liegt etwa 16 Kilometer nördlich der Berliner Stadtgrenze direkt an der ehemaligen Bundesstraße 109, heute L100, entlang der Chaussee Richtung Prenzlau und der Regionalbahnlinie … Continue reading fand am 8. Mai eine Gedenkveranstaltung am Ehrenfriedhof für die Gefallenen der Roten Armee statt.

Es waren ca. 30 Teilnehmer vor Ort und und Vertreter der Botschaft der Russischen Föderation in der Bundesrepublik Deutschland. der auch Worte des Gedenkens an die Teilnehmer richtete.

Anlässlich des Kriegsendes sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, der Gefallenen der Roten Armee zu gedenken, die Deutschland und uns vom Hitlerfaschismus und Kriegsgeschehen befreit hat.

Eingeladen hat

Eingeladen zum Ehrenfried hat Das Ostdeutsche Kuratorium von Verbänden,

„Das Ostdeutsche Kuratorium von Verbänden e.V. (OKV) ist ein Netzwerk von Initiativen und Vereinen, die sich der Überwindung von Diskriminierungen, Defiziten und Benachteiligungen im Prozess der Vereinigung Deutschlands verschrieben haben. Der Kampf um gerechte Renten und Alterssicherung, die Verteidigung der Eigentumsrechte der Ostdeutschen und soziale Gerechtigkeit im weitesten Sinne sind das Tätigkeitsfeld der im OKV vereinigten Verbände und Initiativen. Es wendet sich gegen jede Art von Geschichtsfälschung. Mit der Veröffentlichung des „Ostdeutschen Memorandums“ im Frühjahr 1993 begann die Vorgeschichte des OKV, das am 01. Juni 1994 als Verein beim
Registergericht eingetragen wurde.“

Thomas G. von OKV eröffnete mit einer Rede die Gedenkveranstaltung:

Hier sein Rede:

Liebe Genossen, liebe Freunde!
Heute, am 8. Mai jährt sich der Tag der Befreiung Deutschlands von Faschismus zum 79. Mal – ein Grund zur Freude, viel mehr noch aber ein Grund, der Opfer zu gedenken und Lehren aus Faschismus und Krieg zu ziehen. Unser besonderer Dank gilt den Völkern der Sowjetunion. Den größten Anteil am Sieg der Alliierten hatte die Rote Armee. Die Sowjetunion hat in diesem Krieg 27 Millionen Menschen verloren, ihre Bevölkerung erlitt unsägliches Leid, Dörfer wurden niedergebrannt und das Land wurde verwüstet.
Wir gedenken hier am Ehrenfriedhof auch der 344 in Klosterfelde Gefallenen der Roten Armee, die bereits am 21. April 1945 das Wandlitzer Gemeindegebiet von der faschistischen Gewaltherrschaft befreiten.
Millionen Menschen waren Opfer des Naziregimes: 6 Millionen jüdische Menschen, 27 Millionen Bürgerinnen und Bürger der Sowjetunion, hunderttausende Menschen in ganz Europa, die Widerstand gegen die Besetzung ihrer Heimatländer leisteten, Gegner der Nazis aus allen politischen Lagern und viele weitere, die dem Terror und dem Krieg des deutschen Faschismus zum Opfer fielen.
Nach der Befreiung waren sich die meisten Menschen Europas einig: Nie wieder sollte es Faschismus und Krieg geben. Doch ihre Hoffnungen waren trügerisch, die Voraussetzungen für eine Welt des Friedens und der Freiheit wurden, allen Versuchen zum Trotz, nicht geschaffen. Heute herrscht wieder Krieg in vielen Ländern der Erde.
Wer den Sieg über den Faschismus leugnet, wer ihn klein redet und verzerrt, der macht den Platz frei für seine Rückkehr. Nicht nur symbolisch. Ganz konkret. Umso schändlicher ist es, wenn heute wieder deutsche Panzer gen Russland rollen.
Der Faschismus ist zurück in Europa und anderen Teilen der Welt. Oder besser gesagt, er hat seine Tarnung aufgegeben, seinen Schafspelz abgelegt, hat sich demaskiert.
Es ist die schwerstwiegende und folgenreichste Verharmlosung des deutschen Faschismus, der Massenmorde und Kriegspolitik, einen nationalen Sozialismus zu nennen.
Tag für Tag wird im Westen und besonders auch in Deutschland daran gearbeitet, Feindseligkeit gegen Russland, alles Russische aufzubauen, und mit äußerstem Eifer wird die faschistische Gesinnung der Ukraine gleichzeitig verdeckt und übernommen.
Wer heute an die Befreiung von Faschismus und Krieg erinnert, der Opfer gedenkt und den Befreiern dankt, der muss die richtigen Lehren ziehen: Nie wieder Faschismus und Krieg heißt:
Frieden und Freundschaft mit Russland, mit unserem Verstand und unserem Herzen. Es gibt keine Alternative zu Völkerverständigung, Verhandlungen und Abrüstung,
um die Welt friedlicher und sicherer zu machen.
Die Forderung „Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg“ ist heute so aktuell wie vor 79 Jahren und verlangt aktuell von uns, dass wir uns für Frieden mit Russland und Freundschaft mit den russischen Menschen einsetzen
Druschba – Freundschaft mit Russland!
Hoch die internationale Solidarität!

Anschließend sprach der Vertreter der russischen Botschaft und es wurden danach Blumen und Kränze niedergelegt.

Eine kleine Bildergalerie:

Video zur Gedenkveranstaltung:

Video: Ingo Müller

Grabschändung

Leider gibt es auch eine traurige Nachricht. Wie mir gegen 21.30 mitgeteilt wurde, gab es am Ehrenmal eine Grabschändung.

2 Unbekannte Täter entfernten gegen 21.00 Uhr die Schleife vom Kranz der russischen Botschaft und stahlen alle Georgsbänder von Kränzen und Gebinden.

Mein langjährige, politische Freundind Petra W. schrieb dazu: “ Was geht bloß in diese Menschen vor, wo soll das noch enden?“

Vor der Schändung.

Foto: Ingo Müller

Nach der Schändung:

Foto: Jörg M.

References

References
1 liegt etwa 16 Kilometer nördlich der Berliner Stadtgrenze direkt an der ehemaligen Bundesstraße 109, heute L100, entlang der Chaussee Richtung Prenzlau und der Regionalbahnlinie RB 27, auch Heidekrautbahn genannt

Tag der Befreiung

Schon 2022 und 2023 war per Erlass das Zeigen der sowjetischen Fahne an über zehn Orten in Berlin verboten worden, auch am Treptower Ehrenmal – eine beispiellose Geschichtsvergessenheit des Berliner Senats. In diesem Jahr, am 8. Mai 2024, wurde dieses Verbot erneuert; auch das Zeigen der russischen Fahne, nicht aber das Zeigen der urkainischen Fahne wurde verboten[1]„I. In der Zeit vom 8. Mai 2024, 06:00 Uhr, bis zum 9. Mai 2024, 22:00 Uhr, wird in den unter II. bezeichneten Bereichen der Gemeingebrauch öffentlicher Flächen nd die Versammlungsfreiheit … Continue reading .


Am 8. Mai 2024, wurde in der Berliner Zeitung eine E-Mail von Gerhard Langguth, Nachfahre des SPD-Gründers Ferdinand Lassalle, Sohn antifaschistischer Widerstandskämpfer, an die Innensenatorin veröffentlicht[2]https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/8-mai-tag-der-befreiung-protest-gegen-verbot-der-sowjetfahne-offener-brief-an-berliner-senat-li.2213118; abgerufen am 8.5.2024 um 13:17 Uhr. Der Wortlaut:

„Sehr geehrte Frau Senatorin,

als Nachkomme des Gründungsvaters der deutschen Sozialdemokratie, Ferdinand Lassalle, meinem Ur-Ur-Ur-Urgroßonkel, bin ich über die politische Entscheidung, der unter Ihrer Führung, als Sozialdemokratin, stehenden Berliner Polizei sehr empört!

Gemäß der Allgemeinverfügung zum Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus wird, unter Strafandrohung, verboten, die Fahne des Siegers im Kampf mit dem deutschen Faschismus, der UdSSR, zu zeigen! Wer aber die Fahne des Siegers verbietet, stellt sich auf die Seite des Verlierers, also des Hitlerfaschismus, was dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland widerspricht und damit gegen den Diensteid der Innensenatorin, der Polizeipräsidentin und aller Polizeibeamten, verstößt!

Auch das sowjetische Lied „Der heilige Krieg“ richtet sich klar auf den Kampf gegen den Faschismus und darf daher nicht verboten werden! Sorgen Sie dafür, dass diese unsägliche Allgemeinverfügung unverzüglich aufgehoben wird, weil Sie sonst gegen Ihren Amtseid, als Senatorin, verstoßen.

Hochachtungsvoll
Gerhard Langguth,
Sohn antifaschistischer Widerstandskämpfer“

(per E-Mail an Iris Spranger)


Der Sieg über den Faschismus ist ein gemeinsames Erbe Russlands, der Ukraine und der vielen anderen Völker der Sowjetunion. Die Besinnung auf diese große gemeinsame Geschichte könnte eine starke Kraft für eine Beendigung des Krieges und eine Einigung zwischen Russland und der Ukraine sein.

In diesem Sinn hätte das Zeigen der sowjetischen Fahne eine besondere friedensstiftende Funktion erfüllen können.

Dass die NATO sich aus dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine heraushält und ihn nicht mit Waffenlieferungen an die Ukraine anheizt, wäre ebenso Voraussetzung für ein Ende des Krieges und die Besinnung dieser beiden Völker auf ihre gemeinsame große Vergangenheit.


Der Text auf den Transparenten, die auf diesen Bildern des Jahres 2022 zu sehen sind, geht auf eine Idee von Susanne zurück. Am 8. und 9. Mai 2022 zeigten Susanne, Ronni, Jochen, Andi, Ingrid und Benedikt die beiden Transparente – am 8. Mai 2024 mit Unterstützung einer Delegation von Griechen, mit denen es eine Austausch über viele Jahre gibt. Beide Transparente fanden sehr großen Beifall. Es waren genau diese beiden Transparente, auf die die Menschen gewartet hatten. Sehr viele haben die beiden Transparente photografiert.


„Zwei Tage nach dem Angriff des faschistischen Deutschlands veröffentlichte die sowjetische Zeitung »Iswestija« jene hehren Verse des Dichters Wassili Lebedew-Kumatsch: »Steh auf, steh auf, du Riesenland! / Heraus zur großen Schlacht! … / Tod der Faschistenmacht!« Sein Lied vom »Heiligen Krieg« erregte eine ganze Kriegsgeneration und trug dazu bei, dass der »Große Vaterländische Krieg«, wie er bald genannt wurde, ein Krieg aller Nationen, Nationalitäten und Ethnien der Sowjetunion wurde.

Man mag es kaum glauben, soll oder will es nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht: Dieses Land war 1917 mit der Verheißung des Internationalismus angetreten und praktizierte diesen auch. Erstmals in der Geschichte sollten Russe, Usbeke, Ukrainer, Georgier und Este gleich in Rechten und Pflichten beim Aufbau einer neuen Gesellschaft sein. Die Verfassung von 1936 erklärte zudem: »Der Militärdienst in den Reihen der Roten Armee der Arbeiter und Bauern ist Ehrenpflicht der Bürger der UdSSR.« Und ein Gesetz »Über die allgemeine Wehrpflicht« vom 1. September 1939, dem Tag, als Hitlerdeutschland Polen überfiel, verpflichtete alle Männer unabhängig von »Rasse, Nationalität, Glaubensbekenntnis, Bildungsgrad sowie sozialer Herkunft und Stellung«.

Die Sowjetunion umfasste 128 Nationalen und Völkerschaften … In der Roten Armee stellten Russen mit 56,4 Prozent den größ-
ten Anteil der Armeeangehörigen, Ukrainer folgten mit 20,2 Prozent, Belorussen mit 4,35 Prozent; die vielfältigen Völker Zentralasiens brachten 5,3 Prozent der Rotarmisten auf, Armenier machten 1,2 und Aserbaidschaner 1,1 Prozent, Georgier 1,4 und Tataren zwei Prozent sowie Juden 1,8 Prozent aus. …

An allen Fronten musste ums Überleben gekämpft werden. Die Zusammensetzung der Truppen und der Offizierskorps wandelten sich. Rekrutierungsgebiete im Westen gingen verloren, der Anteil der Soldaten aus Mittelasien stieg, auch bei den Offizieren. Natürlich dominierten immer noch die Russen, aber auch Ukrainer, Belorussen, Juden, Kaukasier übernahmen Kommandos in der Roten Armee. Es gab Animositäten, nationalistischen Dünkel, „Vorkommnisse“. Und doch überwog das Gemeinsame: gegen den Feind, den Aggressor, für »die Sache«. Soldaten wie Partisaninnen kämpften wacker. Der höchste Orden, »Held der Sowjetunion«, wurde im Krieg 11 657 Mal verliehen, jede vierte Auszeichnung erfolgte postum. 8182 Russen, 2072 Ukrainer, 311 Belorussen, 161 Tataren, 108 Juden, 91 Grusinier und 90 Armenier erhielten diese Ehrung sowie Angehörige von weiteren 55 Nationalitäten“.

Das schreibt Stefan Bollinger zum diesjährigen 8./9. Mai und zitiert am Ende den Helden des Romans »Mein Leutnant« von Daniil Granin, der als Panzeroffizier zeitweise selbst an der Leningrader Front war:

»Ich aber denke, dass wir uns nach diesem Land sehnen werden, wir werden wieder und wieder zu meiner Zeit zurückkehren, sie war heroisch und schön. Ihr habt die Fahne mit Hammer, Sichel und Stern heruntergeholt, doch was habt ihr gehisst – den Zarenadler, eine Mutation mit zwei Köpfen, die sowjetische Hymne habt ihr euch angeeignet, aber die Internationale singt ihr nicht mehr.«

Der vollständige Beitrag von Stefan Bollinger ist hier zu lesen.

References

References
1 „I. In der Zeit vom 8. Mai 2024, 06:00 Uhr, bis zum 9. Mai 2024, 22:00 Uhr, wird in den unter II. bezeichneten Bereichen der Gemeingebrauch öffentlicher Flächen nd die Versammlungsfreiheit dahingehend beschränkt, dass
a) das Tragen von militärischen Uniformen und Teile von Uniformen,
b) das Tragen von militärischen Abzeichen,
c) das einzelne oder hervorgehobene Zeigen der Buchstaben „V“ oder „Z“,
d) das Zeigen von St.-Georgs-Bändern,
e) das Zeigen von Fahnen und Flaggen mit russischem Bezug, Wappen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR), von Belarus, der autonomen Teil-Republik Tschetschenien sowie Bildnisse der jeweiligen Staatsoberhäupter,

f) das Zeigen von Symbolik und Kennzeichen, die geeignet sind, den Russland-Ukraine-Krieg zu verherrlichen, zum Beispiel das Zeigen der Flagge der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR), das Verwenden von russischen und sowjetischen Militärflaggen, das Zeigen von Darstellungen des ukrainischen Staatsgebietes ohne den Donbass (Oblaste Luhansk und Donezk, Cherson, Saporischschja und der Krim), Flaggen der Separatistengebiete Luhansk und Donezk und der derzeit unter russischer Kontrolle stehen-
den Gebiete Cherson, Saporischschja und der Krim, g) das Abspielen und Singen russischer Marsch- beziehungsweise Militärlieder (insbesondere aller Varianten des Liedes „Der Heilige Krieg“, Swjaschtschen-naja woina),
h) das Billigen des derzeit von Russland gegen die Ukraine geführten Angriffskrieges sowie Verhaltensweisen, die dazu bestimmt und geeignet sind, Gewaltbereitschaft zu vermitteln
untersagt wird.“ (Amtsblatt für Berlin Nr. 18 vom 3. Mai 2024, Seite 1099; file:///C:/Users/Benedikt/Downloads/abl_2024_18_1071_1130_online.pdf, abgerufen am 9. Mai 2024 um 10:10 Uhr).

2 https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/8-mai-tag-der-befreiung-protest-gegen-verbot-der-sowjetfahne-offener-brief-an-berliner-senat-li.2213118; abgerufen am 8.5.2024 um 13:17 Uhr

Höre, Israel


Erich Fried: „Höre Israel“*:


Höre, Israel


Als wir verfolgt wurden

war ich einer von euch

Wie kann ich das bleiben

wenn ihr Verfolger werdet?


Eure Sehnsucht war

wie die anderen Völker zu werden

die euch mordeten

Nun seid ihr geworden wie sie


Ihr habt überlebt

die zu euch grausam waren

Lebt ihre Grausamkeit

in euch jetzt weiter?


Den Geschlagenen habt ihr befohlen

„zieht eure Schuhe aus“

Wie den Sündenbock habt ihr sie

in die Wüste getrieben


in die große Mosche des Todes

deren Sandalen Sand sind

doch sie nahmen die Sünde nicht an

die ihr ihnen auferlegen wolltet


Der Eindruck der nackten Füße

im Wüstensand

überdauert die Spur

eurer Bomben und Panzer


*Erich Fried „Höre, Israel“ aus: „Anfechtungen“, Berlin, 1967. Es wurde erneut veröffentlicht in: „Gedichte“, 11. Auflage, Dezember 2003, München


8. Mai 2024. Benedikt Hopmann „Wiedergutmachung“:


Wiedergutmachung


Die Herrschenden in Deutschland

liefern Waffen an die Verfolger in Israel


Das, sagen sie,

ist ihre Lehre

aus der Vergangenheit


und bereiten in Nahost, in der Ukraine und Taiwan

mit der Führungsmacht der Welt

den Weltkrieg vor.


Deutschland finanziert, Israel bombardiert! Für einen gerechten Frieden in Nahost

Wann: am 11. Mai. 17 Uhr

Wo: Haus der Demokratie und Menschenrechte,
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin

Jetzt auf DVD: »Losgelöst von allen Wurzeln …« − der Film – Mit Esther Bejarano, Moshe Zuckermann und Rolf Becker.


Mit freundl. Genehmigung Arn Stromeyer

Über die besonderen Beziehungen Israels zum Apartheid-Regime in Südafrika informiert der Schriftsteller und Journalist

ein langjähriger Kenner der Ursachen des Palästina/Israel-Konfliktes. Er erläutert, warum gerade die heutige
südafrikanische Regierung Israel wegen seines Vernichtungskrieges in Gaza vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag verklagt.

"Meine letzten beiden Bücher waren das über die 
Antisemitismus-Hysterie und das über die Staatsräson. Beide Bücher finden Sie auf meiner Webseite." [1]https://www.arnstrohmeyer.de/buecher/politische-buecher/muessen-wir-israel-lieben [2]https://www.arnstrohmeyer.de/buecher/politische-buecher/falsche-loyalitaeten-1

Herr Strohmeyer bringt einiger seiner Bücher zum Verkauf mit.


Über Zoom wird

Arne List, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

[3]Moshe Zuckermann wurde 1949 in Tel Aviv geboren. Zwischen 1960 und 1970 lebte er in Frankfurt am Main. Nach seiner Rückkehr nach Israel studierte er Soziologie, Politologie und Geschichte in Tel … Continue reading

zugeschaltet, ein deutschisraelischer Soziologe und emeritierter Professor für Geschichte und Philosophie an der Universität Tel-Aviv und Autor von Büchern über den Nahost-Konflikt, darunter:

„Israels Schicksal. Wie der Zionismus seinen Untergang betreibt“ (The Fate of Israel. How Zionism purses its decline).


Als oppositioneller Historiker und Deutschland-Kenner wird er über die aktuelle Situation im Nahen Osten und die israelhörige deutsche Politik, ihre Ursachen und Folgen, berichten. Weitere Themen sind die deutschen Waffenlieferungen und die
staatliche Repression gegenüber der Solidaritätsbewegung mit dem palästinensischen Volk.

In (nicht nur) eigener Sache
Die DIG hat versucht, eine Veranstaltung mit mir in Heilbronn zu vereiteln. Dabei habe ich
mir eine offizielle Einstufung seitens der deutschen Bundesregierung als Antisemit
eingehandelt.
Von Mosche Zuckermann

Die Veranstaltung wird getragen von zahlreiche Organisationen, die sich im Bündnis:

Den Frieden gewinnen

zusammengeschlossen haben.


Hier geht’s zum Einladungsflyer:


Jetzt auf DVD: »Losgelöst von allen Wurzeln …« − der Film – Mit Esther Bejarano, Moshe Zuckermann und Rolf Becker

Eine Wanderung zwischen den jüdischen Welten.

Mit Esther Bejarano, Moshe Zuckermann und Rolf Becker.

Der israelische Filmemacher Dror Dayan und M&R-Chefredakteurin Susann Witt-Stahl haben die Veranstaltungen in Berlin und Hamburg mit Esther Bejarano, Moshe Zuckermann und Rolf Becker dokumentiert.

Und hier kann der Film gekauft werden:

References

References
1 https://www.arnstrohmeyer.de/buecher/politische-buecher/muessen-wir-israel-lieben
2 https://www.arnstrohmeyer.de/buecher/politische-buecher/falsche-loyalitaeten-1
3 Moshe Zuckermann wurde 1949 in Tel Aviv geboren. Zwischen 1960 und 1970 lebte er in Frankfurt am Main. Nach seiner Rückkehr nach Israel studierte er Soziologie, Politologie und Geschichte in Tel Aviv. Er promovierte 1987 in deutscher Geschichte. Seit 1990 lehrt Zuckermann an der Universität Tel Aviv Geschichte und Philosophie der Geistes- und Sozialwissenschaften. Seit 2000 leitet er das Institut für deutsche Geschichte in Tel Aviv.

HUMBOLDT UND GAZA

Der Autor des folgenden Beitrags Victor Grossman nimmt in seinen Bulletins regelmäßig als Amerikaner in Berlin zur Politik Stellung. Die Bulletins wenden sich an einen breite Leserschar in Deutschland und den USA. Hier sein neuestes Bulletin ‚HUMBOLDT UND GAZA‘. Wir danken dem Autor für die Erlaubnis dieses Bulletin hier wiedergeben zu dürfen (über DeepL übersetzt):

Berlin Bulletin Nr. 222 4. Mai 2024

Diesmal wurden Anfang Mai keine Bücher verbrannt. Aber es gab merkwürdige Parallelen, einige davon nur allzu erschreckend!

Es war der 10. Mai in Deutschlands schrecklichem Jahr 1933, Hitler war kaum drei Monate an der Macht, als Studenten und Mitarbeiter die Universitätsbibliotheken von verbotenen Büchern leerten und sie, schätzungsweise 20.000 Bücher von über hundert Autoren, in die Flammen eines riesigen Lagerfeuers warfen. Die meisten Autoren waren deutsch – jüdisch, atheistisch, liberal, links, Bertolt Brecht, Anna Seghers, Sigmund Freud und Magnus Hirschfeld, aber auch einige ausländische Werke wurden in die Flammen geworfen – Maxim Gorki, Hemingway, Jack London, Dos Passos.

Einundneunzig Jahre später, an diesem 3. Mai, wurden einige der heutigen Studenten, die mutig und entschlossen waren und das genaue Gegenteil der Nazis von 1933 darstellten, über den berühmten Berliner Boulevard Unter den Linden in den Innenhof der Universität geschleppt und in bereitstehende Polizeiautos verfrachtet. Die Studenten von 1933 befürworteten den Mord und bereiteten sich auf den folgenden Völkermord vor. Die Studenten des Jahres 2024 protestieren gegen Mord und Völkermord.

Der Bürgermeister und die Behörden behaupteten, dass verbotene Hamas-Parolen gerufen wurden, um die brutalen Handschellen und Verhaftungen zu rechtfertigen. Es ist möglich, dass einige arabische Teilnehmer, die von den Nachrichten und Bildern aus Gaza emotional bewegt waren, diese Gefühle verallgemeinert haben. Wer weiß das schon? Und ist das wichtig? Diese Gruppe war nicht antisemitisch; sie umfasste auch jüdische Studenten, einige von ihnen israelische Exilanten. Der Geist dieser ersten dreihundert Demonstranten richtete sich, wie bei ähnlichen Szenen an anderen Hochschulen und Universitäten in Deutschland und anderen Ländern – und so mutig überall in den USA – gegen die Zerstörung von Häusern, Moscheen, Kirchen, Bibliotheken, Schulen und Universitäten in Gaza, die schlimmer ist als jede andere seit 1945, und gegen die Tötung von mehr als 35.000 Menschen, die meisten von ihnen Frauen und Kinder, und die physische und psychische Verstümmelung von so vielen mehr.

Doch diese Demonstrationen, deren Zahl inzwischen rapide ansteigt, waren mehr als das. Für viele waren sie auch ein Ausdruck des Protests gegen das gesamte Geschehen, das sich derzeit in Deutschland abspielt, und nicht nur in Deutschland. Hass liegt in der Luft, jahrhundertealte Überlegenheitsgefühle gegenüber „minderwertigen“ Menschen, wachsender Druck, immer zerstörerischere Waffen zu bauen und sich darauf vorzubereiten, sie einzusetzen – natürlich immer „in berechtigter Selbstverteidigung“, ob in Gaza, in Litauen, Estland oder für Blockaden gegen Menschen an den Grenzen in Texas, Arizona oder entlang der Mittelmeerküste. Und mit diesem Hass wuchs auch der Druck zur Konformität. Bloß nicht aufmucken – oder sonst! Solche Tendenzen werden immer stärker und zielen auf die Erlangung der totalen Macht ab, und das nicht nur bei den offensichtlich rechtsextremen Gruppen! Denn viele der richtigen, akzeptierten Führer haben Verbindungen zu den milliardenschweren Profiteuren, die sich auf neue Konflikte und mehr Villen, Jets und Yachten freuen.

Es ist der neue Geist des Protests gegen diese Trends, die Suche nach neuen Antworten, der die herrschenden Kreise beunruhigt, ja ängstigt. Deshalb schicken sie die Polizei in den Hinds-Saal oder in den Innenhof der Humboldt-Universität. Manchmal setzen sie sich durch und können den Widerstand brechen, manchmal können lokale Siege errungen werden. Aber es ist die lang erwartete Bewegung, die zählt, und ihr Aufeinandertreffen mit ebenso mutigen Arbeitern in Automobilwerken, bei Walmart oder Starbuck oder in Zentralafrika und Zentralamerika.

Die Ironie des Ganzen ist, dass der Schauplatz der Demonstration am Freitag der Innenhof der Humboldt-Universität in Ost-Berlin war, die diesen Namen kurz nach der Niederlage der Nazis und der Befreiung Berlins durch die Rote Armee am 8. Mai 1945 erhielt. Auf die heutigen Kämpfer blickt die Statue Alexander von Humboldts herab, eines großen Wissenschaftlers und Entdeckers, der sich in den 1820er Jahren in Lateinamerika und den USA vehement gegen die Sklaverei – und gegen Unterdrückung überall – wandte. Ein würdiger Mäzen. Und im Inneren des stattlichen Gebäudes (in dem einst Albert Einstein lehrte) ist trotz der vielen Veränderungen, die der Charakter der Universität im Laufe der Jahre erfahren hat, ein Satz in goldenen Buchstaben über einer breiten zentralen Treppe erhalten geblieben. Er stammt von einem anderen berühmten Mann, der hier studiert hat, und er könnte auch als sehr relevant angesehen werden. Der Autor war kein anderer als Karl Marx. Die Worte lauteten: „Die Philosophen haben die Welt bisher nur auf verschiedene Weise interpretiert; es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“ Vielleicht ist es die Angst vor dem Wiederaufleben eines solchen Geistes, die den Bürgermeister und viele Politiker so wütend und besorgt gemacht und die Polizei auf den Plan gerufen hat. Hoffen wir, dass die besseren Analogien beispielhaft sind und nicht die beängstigenden!

1. Mai 2024 mit Ergänzungen

Inhaltsverzeichnis

Video: Eintreffen des Demozuges und Störung durch Polizei.

Hier ein kurzes Video des Eintreffens des Demozuges zur Kundgebung vor dem Roten Rathaus. Der Zug kam mit Verspätung.

Video: Ingo Müller

1. Mai 2024, eintreffen der Demoteilnehmer.

Sie kamen mit Verspätung. Hier wussten wir noch nicht warum. Text dazu folgt später.

00:35 Eintreffen des Zuges

10:19 Polizei versucht hier zu stoppen

11:00 Straße Frei 1. Mai – Rufe werden immer lauter

11:23 und sie zogen sich zurück

13:13 Hoch die Internationale Solidarität


DGB-Ordner blockiert mit Unterstützung der Polizei den klassenkämpferischen Block & den Block der Sozialen Arbeit


Revolutionäre Demo

Gastbeitrag: Klaus D.

Gewaltbereiter Polizeiblock am Anfang, bedrohte Demonstranten, gewaltbereiter Polizeiblock am Ende.

Die Demo wurde auch an den Seiten von einem ungeheuren Polizeiaufgebot begleitet, die Teilnehmer ließen sich aber nicht einschüchtern und brachten lautstark ihre Solidarität mit Palästina zum Ausdruck. Schon nachmittags, als die Demo sich noch weit entfernt am Südstern sammelte, unterband die BVG auf Geheiß der Polizeiführung am Hermannplatz bereits den Busverkehr. Die politische Führung der Stadt tut alles, um das Klima zu verschärfen.
Foto: Klaus D.
Foto: Klaus D.
Foto: Klaus D.

Auswertung der 1.Mai Berichterstattung im rbb-TV

Gastbeitrag: Gastbeitrag: Rüdiger Deissler schrieb eine E-Mail an den rbb-TV betreffs ihrer Berichterstattung zum 1. Mai. Mit freundlicher Genehmigung der der Brief veröffentlicht werden.

Berichterstattung zum 1. Mai- Sondersendung um 20.15h am 1.5.24 in rbb-tv

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Spannung habe ich die angekündigte abendliche Sondersendung des rbb gestern zu den 1. Mai- Demonstrationen erwartet. Doch welche Enttäuschung: Es ging hier garnicht um politische Inhalte, die mich sehr interessiert hätten.

Der 1. Mai ist schliesslich nur einmal im Jahr. Stattdessen eigentlich nur Geschwafel über Polizei-Taktiken, Festnahme- Statistiken der letzten 5 Jahre im Vergleich, Innensenatorin Spranger (SPD) mit dem üblichen blablabla "hart durchgreifen, Antisemitismus nicht zulassen, bla, notfalls...". Antisemitismus (vermutlich war hier die Kritik am israelischen Eroberungskrieg gegen die palästinensische Zivilbevölkerung gemeint?) hier als sogenannter "Israel-bezogener" auftretend, müsse auf jeden Fall verhindert und verfolgt werden. Vom Palästina-Bezug der Mai-Demonstrationen war ab und zu noch die Rede, und dass zu viele Palästina-Fahnen dabei seien.

Dann die weltbewegende Frage ins off: "Wo bleibt der 'Schwarze Block' in diesem Jahr? Ist es Taktik, dass er nicht auftaucht, etwa langfristige Strategie?" Dann Verschwörungstheorien aus Reportermund: "Linksextremisten (vorher 30 "Gefährder-Ansprachen" zuhause bei den "Gefährdern") versuchen, sich mit der ortsansässigen Bevölkerung, besonders der migrantischen, zu verbinden. Das gab's bisher so nicht".

Dann hatte "der DGB für seine Demo festgelegt: keine Nationalfahnen", gemeint waren aber Staatsfahnen, nur: den Staat Palästina gibt's bisher nicht, was uns bereits in der demokratischen Grundschule eingehämmert wurde. Weiter mit nichtssagendem laber, räsonier, schwafel und dann folgt - unvermeidlich - Herr Sundermeyer ("Experte seiner selbst") mit seinen Waschküchen-Expertisen und offensichtlicher Verbindung zum Verfassungsschutz; ein sympathischer, neuer junger Reporter darf sprechen, bei dem jedes zweite Wort mangels vorhandenem Sprachschatz die Einschätzung "überraschend friedlich" für den 1. Mai ist (er kannte von der Oma her noch die massiven Prügeleinsätze der Berliner Polizei und den Angst und Schrecken verbreitenden sogenannten "Schwarzen Block"). Richtig live las er - unter ständigem Vorzeigen seines Dienst-Handys in die Kamera - Instagram-Nonsens vor.

Keine Inhalte, aber wirklich auch gar keine von den vielen 1. Mai- Demonstrationen mit Bezug zu Internationales und zur Arbeitswelt im von uns bezahlten Staatssender rbb! (aber sowas gibt's ja nur in Russland und China)

Die Politik der mindestens zwei Meinungen in Öffentlich-Rechtlichen Sendern der BRD hat gefühlt spätestens mit der Einführung der staatlichen Coronaschutz-Massnahmen 2020 aufgehört zu existieren.

Die immer einseitigen Nachrichten werden dann im 20-Minuten-Turnus z.b. im rbb-Info-Radio wiederholt, wiederholt, wiederholt....

Wer, meinen Sie denn, soll die gesicherte Weiterexistenz der Öffentlich-Rechtlichen in der öffentlichen Meinung und auf der Straße gegen die fortlaufenden Angriffe der AfD in Zukunft noch verteidigen?

Viele sind dazu nicht mehr bereit.

Kritische Grüße

Rüdiger Deißler

Sondersendung des RBB, auf dem sich Rüdiger in seiner E-Mail bezieht

Hier der Bericht des RBB:

Der Tag der Arbeit endet in Berlin stets mit der sogenannten „Revolutionären 1. Mai-Demonstration“, die in diesem Jahr erstmals am Südstern stattfinden wird. Daneben sind zahlreiche Proteste angekündet, tausende Menschen werden voraussichtlich durch Berlin ziehen. Philipp Höppner führt ab 20:15 Uhr im Fernsehen, Web und auf den Social-Media-Kanälen des rbb durch den Livestream. rbb-Reporterinnen und -Reporter berichten vom Demonstrationsgeschehen.


Kleine Fotogalerie des Demozuges vor dem Roten Rathaus

Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag über den Antrag von Nikaragua

Mit freundlicher Genehmigung des IGH. Alle Rechte vorbehalten.


30. April 2024. Die Begründung des Internationalen Gerichtshofs (IGH), mit der er (im Verfahren Nikaragua ./. Deutschland) den Antrag Nikaraguas auf Erlass einer einstweiligen Maßnahme zurückgewiesen hat, ist einer Zusammenfassung zu entnehmen, die sich in der Original Fassung in Englisch auf der Homepage des IGH findet:

Der Gerichtshof erinnert an seine Beschlüsse vom 26. Januar 2024 und vom 28. März 2024 (Südafrika ./. Israel). Diese Beschlüsse gelten weiterhin und damit gilt auch ein völkerrechtliches Verbot, Kriegswaffen an Israel zu liefern.

Nachdem der Gerichtshof den Antrag Nikaraguas noch einmal wörtlich zitiert, gibt der Gerichtshof die Ansicht Nikaraguas wieder, dass Deutschland durch seine Waffenlieferungen und die Aussetzung der finanziellen Hilfe an UNRWA seine Verpflichtungen aus der Völkermordkonvention verletzt habe.

Danach wiederholt der Gerichtshof den Vortrag Deutschlands in Den Haag: Insbesondere wiederholt er den Vortrag Deutschlands, dass es an strenge Regeln der EU zum Export von Militärtechnologie und Waffen gebunden sei. Außerdem habe Deutschland seine Lieferungen an Israel erheblich zurückgefahren und nach dem 7. Oktober 2023 im Wesentlichen nur 3.000 tragbare Panzerabwehrwaffen geliefert. Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass Israel im Jahr 2023 an die deutsche Regierung wegen Panzermunition herangetreten ist und dass bisher keine Entscheidung Deutschlands bezüglich dieses Ersuchen ergangen ist.

Der Gerichtshof erklärt an keiner Stelle, dass Deutschland an Israel Kriegswaffen liefern dürfe, sondern stellt – gestützt auf die Erklärungen Deutschlands – fest, dass es keine Kriegswaffen an Israel geliefert hat, und erklärt – gestützt auf das Völkerrecht – dass Deutschland keine Kriegswaffen an Israel liefern darf.

Der Gerichtshof erklärt wörtlich: „Der Gerichtshof hält es für besonders wichtig, alle Staaten an ihre internationalen Verpflichtungen in Bezug auf den Transfer von Waffen an Parteien eines bewaffneten Konflikts zu erinnern, um das Risiko zu vermeiden, dass diese Waffen für Verstöße gegen die oben genannten Konventionen verwendet werden. Alle diese Verpflichtungen obliegen Deutschland als Vertragsstaat der genannten Konventionen bei der Lieferung von Waffen an Israel.“ Der Gerichtshof macht also unmissverständlich deutlich, dass Deutschland keine Waffen an Israel liefern darf.

Damit macht der Gerichtshof deutlich, dass die sechs von 47 Mitgliedern des Menschenrechtsrats, die am 5. April 2024 gegen die Forderung nach Waffenstillstand und Waffenstopp stimmten, darunter die USA und Deutschland, sich gegen das Völkerrecht stellten.

Beachtenswert ist die abweichende Stellungnahme des ad-hoc-Richters Al-Khasawneh. Er unterstützte den Antrag Nikaraguas mit der Begründung, dass Deutschland an Israel 3.000 Panzerabwehrwaffen zum Einsatz gegen einen Feind lieferte, der keine Panzer hat und deren Einsatz gegen zivile Wohnhäuser in Gaza durch Beweise belegt ist. Die Lieferung von 3.000 Panzerwaffen hatte Deutschland eingeräumt.

Das Hauptverfahren ist mit dieser Entscheidung nicht beendet. Denn dem Antrag Deutschlands auf Streichung der Rechtssache folgte der Gerichtshof nicht; dies begründete der Gerichtshof damit, dass er nicht offensichtlich unzuständig ist. Die Konsequenz ist: Deutschland muss damit rechnen, im Haupverfahren doch noch verurteilt zu werden, wenn sich herausstellt, dass Deutschland nach dem 7. Oktober über die 3.000 Panzerwaffen hinaus Kriegswaffen an Israel geliefert hat oder noch liefert – zum Beispiel die Panzermunition, um die Israel gebeten, über deren Lieferung an Israel aber Deutschland nach eigenen Angaben noch nicht entschieden hat.

Auszüge aus der Zusammenfassung des IGH im Folgenden als DeepL Übersetzung, zum besseren Verständnis an einigen Punkten leicht korrigiert:


„Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass Nicaragua am 1. März 2024 bei der Kanzlei des Gerichtshofs Klage gegen Deutschland wegen angeblicher Verstöße gegen bestimmte internationale Verpflichtungen in Bezug auf das besetzte palästinensische Gebiet eingereicht hat. Die Klage enthielt einen Antrag auf Erlass einstweiliger Maßnahmen.

Am Ende seiner mündlichen Erklärungen hat Nicaragua den Gerichtshof ersucht
„in äußerster Dringlichkeit, bis der Gerichtshof in der Sache entschieden hat und nachdem er die Parteien an die Verpflichtung zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts sowie der Verpflichtung zur Zusammenarbeit, um alle schwerwiegenden Verstöße gegen zwingende Normen des Völkerrechts zu beenden, die folgenden vorläufigen Maßnahmen zu treffen
in bezug auf Deutschland in bezug auf seine Beteiligung an dem andauernden mutmaßlichen Völkermord und schweren Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht und andere zwingende Normen des allgemeinen Völkerrechts, im Gazastreifen und in anderen Teilen Palästinas anzuordnen:
(1) Deutschland muss seine Hilfe für Israel sofort aussetzen, insbesondere seine militärische Militärhilfe, die Ausfuhr und die Genehmigung der Ausfuhr von Rüstungsgütern und Kriegswaffen auszusetzen, soweit diese Hilfe dazu verwendet wird oder verwendet werden könnte schwere Verstöße gegen die Völkermordkonvention, das humanitäre Völkerrecht oder andere zwingende Normen des allgemeinen Völkerrechts zu begehen;
(2) Deutschland muss unverzüglich sicherstellen, dass militärische Ausrüstung, Kriegswaffen und andere militärisch genutzte Ausrüstung, die bereits von Deutschland und deutschen
an Israel geliefert wurden, nicht zur Begehung oder Erleichterung schwerer Verstöße gegen die Völkermordkonvention, des humanitären Völkerrechts oder anderer zwingender Normen des allgemeinen Völkerrechts verwendet werden;
(3) Deutschland muss seine Unterstützung und Finanzierung des UNRWA in Bezug auf dessen Operationen in Gaza wieder aufnehmen.“

In dem Beschluss weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass er nach Artikel 41 der Satzung „befugt ist, wenn es die Umstände erfordern, vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die zur Wahrung der jeweiligen Rechte einer der Parteien zu treffen sind“. Im vorliegenden Verfahren ist der Gerichtshof der Auffassung zunächst zu prüfen, ob Nicaragua hinreichend dargelegt hat, dass die Umstände, wie sie sich dem Gerichtshof jetzt darstellen, die Ausübung seiner Befugnis erfordern, einstweilige Maßnahmen anzuordnen.

Der Gerichtshof stellt fest, dass nach Ansicht von Nicaragua Deutschland durch die Lieferung von Waffen an Israel und dadurch, dass es die Bereitstellung von Mitteln für das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) aussetzte, gegen seine Verpflichtungen aus der Völkermordkonvention und dem humanitären Völkerrecht, einschließlich der Genfer Konventionen vom 30. August 1949 und den Zusatzprotokollen vom 8. Juni 1977, sowie dessen unübertretbare Grundsätze verletzt.
Nicaragua macht geltend, dass die deutsche Regierung für das Jahr 2023 Ausfuhren von „militärischen Rüstungsgüter und Kriegswaffen“ im Wert von mehr als dem Zehnfachen des Jahres 2022 genehmigt habe, wobei der überwiegende Teil der Großteil davon nach Beginn der israelischen Militäroperation im Gaza-Streifen genehmigt wurde.
Nicaragua behauptet, dass Deutschland die Situation in Gaza nicht ignorieren konnte und die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass die von Deutschland bereitgestellten „militärischen Ausrüstungen und Kriegswaffen“ von Israel dazu verwendet würden „um Tausende von palästinensischen Kindern, Frauen und Männern zu bombardieren und zu töten“. Es behauptet außerdem, dass Deutschland nicht nur gegen seine Verpflichtungen zur Verhütung und Bestrafung von Verstößen gegen die Völkermordkonvention und das humanitäre Völkerrecht verstoßen habe, sondern sich auch „durch Beihilfe und Unterstützung der Begehung [dieser] Verstöße“ völkerrechtswidrig verhalten habe.

In seiner Antwort stellt der Gerichtshof fest, dass Deutschland zunächst erklärt, es habe die Verpflichtung erfüllt die den Vertragsstaaten der Völkermordkonvention obliegt, das Auftreten von Völkermord zu verhindern, indem es kontinuierlich alle ihm zur Verfügung stehenden angemessenen Mittel eingesetzt hat, um seinen Einfluss auf Israel geltend zu machen, um die Situation in Gaza zu verbessern und humanitäre Hilfe für die Bevölkerung von Gaza zu leisten. Zweitens trägt es vor, dass die Verpflichtung, die sich aus dem gemeinsamen Artikel 1 der Genfer Konventionen ableiten lasse, die Nichtparteien eines bewaffneten Konflikts treffe, einen Staat nicht dazu verpflichte, einem Staat, der an einem bewaffneten Konflikt beteiligt sei, keine militärische Unterstützung zu gewähren. Deutschland macht ferner geltend, dass es über strenge Genehmigungsstandards verfügt, um zu beurteilen, ob die Gefahr von schweren Verstößen gegen die Völkermordkonvention, des humanitären Völkerrechts und anderer zwingender Normen des Völkerrechts durch den Empfängerstaat besteht. Nach Auffassung Deutschlands gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Lieferung von Rüstungsgütern an Israel zu einem mutmaßlichen Völkermord oder zu Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht beigetragen hätte.

Der Gerichtshof stellt fest, dass Deutschland, wie es erklärt hat, durch den Vertrag über den Waffenhandel vom 2. April 2013 und durch den Gemeinsamen Standpunkt des Europäischen Rates vom 8. Dezember 2008 in der Fassung vom September 2019, der gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und von Militärtechnologie und Militärgütern festlegt, gebunden ist.
Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass, wie Deutschland ebenfalls erklärt hat, der deutsche Rechtsrahmen für die Herstellung, Vermarktung und Ausfuhr von Waffen und sonstigen Rüstungsgütern ein behördenübergreifendes Verfahren mit Prüfung durch mindestens zwei Ministerien und möglicherweise weitere Ministerien je nach dem Inhalt des Genehmigungsantrags verlangt. Nach diesem Rechtsrahmen gibt es zwei Kategorien von genehmigungspflichtiger Militärtechnologie und Militärgütern: „Kriegswaffen“, deren Ausfuhr Kriegsmaterial“, für dessen Ausfuhr zwei Genehmigungen erforderlich sind, und „sonstige Rüstungsgüter“, für deren Ausfuhr nur eine Genehmigung erforderlich ist. Unter dem deutschen Rechtsrahmen wird für jede erteilte Genehmigung von der Bundesregierung geprüft, ob ein eindeutiges Risiko besteht, dass das genehmigungspflichtige Gut zur Begehung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder schweren Verstößen der vier Genfer Konventionen verwendet wird.

Der Gerichtshof stellt außerdem fest, dass, wie von Deutschland angegeben, seit November 2023 ein erheblicher Rückgang des Materials zu verzeichnen ist, für das die Lizenzen erteilt wurden, von ca. 200 Millionen Euro im Oktober 2023 auf ca. 24 Millionen Euro im November 2023, auf etwa 1 Million € im März 2024. Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass seit dem 7. Oktober 2023 nach Angaben Deutschlands nur vier Genehmigungen für „Kriegswaffen“ erteilt wurden: zwei für Übungsmunition, eine für Treibladungen zu Testzwecken und eine für die Ausfuhr von 3.000 tragbaren Panzerabwehrwaffen. Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass Israel im Jahr 2023 an die deutsche Regierung wegen Panzermunition herangetreten ist und dass bisher keine Entscheidung der Beklagten bezüglich dieses Ersuchen ergangen ist. Darüber hinaus ist nach Angaben Deutschlands die Genehmigung für den Export eines U-Boots nach Israel anhängig, da bisher nur eine der beiden für diesen Export erforderlichen Genehmigungen erteilt worden ist.

Schließlich nimmt der Gerichtshof die Erklärung Deutschlands zur Kenntnis, dass 98 Prozent der seit dem 7. Oktober 2023 erteilten Genehmigungen „sonstige Rüstungsgüter“ und nicht „Kriegswaffen“ betrafen.

Hinsichtlich der Forderung Nicaraguas, dass Deutschland „seine Unterstützung und Finanzierung des UNRWA für seine Maßnahmen im Gazastreifen“ fortsetzen müsse, stellt der Gerichtshof fest, dass Deutschland entschieden habe, seinen Beitrag zum UNRWA am 27. Januar 2024 im Hinblick auf die Maßnahmen in Gaza auszusetzen. Diesbezüglich
stellt der Gerichtshof erstens fest, dass die Beiträge zum UNRWA freiwilliger Natur sind. Zweitens stellt er fest, dass nach den ihm von Deutschland vorgelegten Informationen in den Wochen nach der Ankündigung der Bekanntgabe seiner Entscheidung keine neue Zahlung fällig war. Schließlich stellt der Rechnungshof fest, dass Deutschland erklärte, dass es Initiativen zur Finanzierung der Arbeit der Agentur unterstützt hat, und zwar insbesondere durch die Zahlung von 50 Millionen Euro durch die Europäische Union an das UNRWA am 1. März 2024 sowie finanzielle und materielle Unterstützung für andere im Gazastreifen tätige Organisationen.

Auf der Grundlage der von den Parteien vorgetragenen Sachinformationen und rechtlichen Argumente kommt der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die Umstände derzeit nicht so sind, dass er von seiner Befugnis nach Artikel 41 der Satzung Gebrauch machen muss, einstweilige Maßnahmen anzuordnen.

Was den Antrag Deutschlands auf Streichung der Rechtssache von der Liste betrifft, so stellt der Gerichtshof fest, dass er in der Vergangenheit entschieden hat, dass er bei offensichtlicher Unzuständigkeit die Rechtssache im Stadium der vorläufigen Maßnahmen von der Liste streichen kann. Umgekehrt kann der Gerichtshof bei Fehlen einer solchen offensichtlichen Unzuständigkeit die Rechtssache in diesem Stadium nicht streichen. Da im vorliegenden Fall kein offensichtlicher Mangel an Zuständigkeit gibt, kann der Gerichtshof dem Antrag Deutschlands nicht stattgeben.

Der Gerichtshof erinnert daran, dass er in seinem Beschluss vom 26. Januar 2024 in der Rechtssache betreffend die Anwendung der der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes im Gazastreifen (Südafrika gegen Israel) festgestellt hat, dass die militärische Operation, die Israel nach dem Angriff vom 7. Oktober 2023 zu „einer großen Zahl von Toten und Verletzten sowie zur massiven Zerstörung von Häusern, die gewaltsame Vertreibung der großen Mehrheit der Bevölkerung und umfangreiche Schäden an der zivilen Infrastruktur“ geführt hat. Darüber hinaus ist der Gerichtshof weiterhin tief besorgt über die katastrophalen Lebensbedingungen der Palästinenser im Gaza-Streifen, insbesondere angesichts des weit verbreiteten Entzugs von Nahrungsmitteln und anderen lebensnotwendigen Gütern, dem sie ausgesetzt sind, wie der Gerichtshof in seinem Beschluss vom 28. März 2024 in der gleichen Rechtssache festgestellt hat.

Der Gerichtshof weist ferner darauf hin, dass nach dem gemeinsamen Artikel 1 der Genfer Konventionen alle Vertragsstaaten verpflichtet sind, die Konventionen „unter allen Umständen zu achten und für ihre Einhaltung zu sorgen“. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass jeder Vertragsstaat dieser Konventionen, unabhängig davon, ob er an einem bestimmten Konflikt beteiligt ist oder nicht, verpflichtet ist, dafür zu sorgen, dass die völkerrechtlichen Anforderungen eingehalten werden. Eine solche Verpflichtung ergibt sich nicht nur aus den Konventionen selbst, sondern aus den allgemeinen Grundsätzen des humanitären Rechts, denen die Konventionen lediglich konkretisiert werden. Was die Völkermordkonvention betrifft, so hatte der Gerichtshof Gelegenheit gehabt, festzustellen, dass die Verpflichtung, die Begehung des Verbrechens des Völkermordes nach Artikel I von den Vertragsstaaten verlangt, die sich der ernsten Gefahr bewusst sind oder normalerweise hätten bewusst sein müssen, dass ein Völkermord begangen worden wäre, bewusst sind oder normalerweise hätten bewusst sein müssen, alle ihnen vernünftigerweise zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um Völkermord so weit wie möglich zu verhindern. Ferner sind die Vertragsstaaten durch die Völkermordkonvention verpflichtet, keine anderen in Artikel III aufgezählten Handlungen zu begehen.

Darüber hinaus hält es der Gerichtshof für besonders wichtig, alle Staaten an ihre internationalen Verpflichtungen in Bezug auf den Transfer von Waffen an Parteien eines bewaffneten Konflikts zu erinnern, um das Risiko zu vermeiden, dass diese Waffen für Verstöße gegen die oben genannten Konventionen verwendet werden. Alle diese Verpflichtungen obliegen Deutschland als Vertragsstaat der genannten Konventionen bei der Lieferung von Waffen an Israel.

Der vollständige Wortlaut des verfügenden Teils des Beschlusses lautet wie folgt:
„Aus diesen Gründen,
DER GERICHTSHOF ,
Mit fünfzehn Stimmen gegen eine Stimme,
stellt fest, dass die Umstände, wie sie sich dem Gerichtshof jetzt darstellen, nicht so sind, dass sie die Ausübung seiner Befugnis nach Artikel 41 der Satzung erfordern, um vorläufige Maßnahmen anzuordnen.
DAFÜR: Präsident Salam, Vizepräsident Sebutinde, Richter Tomka,
Abraham, Yusuf, Xue, Bhandari, Iwasawa, Nolte, Charlesworth, Brant,
Gómez Robledo, Cleveland, Aurescu, Tladi;
DAGEGEN: Ad-hoc-Richter Al-Khasawneh.“
*
Vizepräsident SEBUTINDE fügt dem Beschluss des Gerichts eine gesonderte Stellungnahme bei; Richterin IWASAWA fügt dem Beschluss des Gerichtshofes eine gesonderte Stellungnahme bei; die Richter CLEVELAND und TLADI fügen dem Beschluss des Gerichtshofes Erklärungen bei; der Ad-hoc-Richter AL -KHASAWNEH fügt dem Beschluss des Gerichtshofes eine fügt dem Beschluss des Gerichtshofes eine abweichende Stellungnahme bei.“


Abweichende Meinung des Richters ad hoc Al-Khasawneh
Richter ad hoc Al-Khasawneh sieht sich gezwungen, eine abweichende Meinung zu vertreten. Diesbezüglich stellt er zunächst fest, dass den ungewöhnlichen Charakter des Gerichtsbeschlusses, insbesondere den minimalistischen Ansatz des Gerichts und den Mangel an Begründung, die in krassem Gegensatz zur umfangreichen und konstanten Rechtsprechung des Gerichtshofs steht. Er stellt fest dass es dennoch klar ist, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einstweiliger Maßnahmen im vorliegenden Fall erfüllt sind …
Die erste Frage ist die der Dringlichkeit, auf die sich der Ad-hoc-Richter Al-Khasawneh bezieht, u.a. auf die Verbringung von 3.000 Panzerabwehrwaffen zum Einsatz gegen einen Feind, der keine Panzer hat und deren Einsatz gegen zivile Wohnhäuser in Gaza durch Beweise belegt ist. Er verweist auch auf die bis weit in das Jahr 2024 hinein fortbestehenden Genehmigungen für den Export von Waffen und anderen militärischen Ausrüstungen, und zwar nicht zu Ausbildungs- oder Testzwecken, wie von Deutschland in Bezug auf frühere Genehmigungen behauptet. Er stellt fest dass Deutschlands Entscheidung, Israel zu unterstützen, inmitten von blutigen, völkermörderischen Erklärungen der israelischen Führung erfolgte.
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