1. Leiharbeit bis 1945

25. August 2020 von benhop

Bis 1967 war Leiharbeit verboten.

Das war nicht immer so.

Bis zum ersten Weltkrieg war die Verleihung von Arbeitskräften und Stellenvermittlung überwiegend das Geschäft von einigen Tausend privaten Vermittlern.

Die Wende kam in der Folge der Novemberrevolution.

Eine öffentliche Stellenvermittlung löste Schritt für Schritt die Arbeitsvermittlung durch privates Gewerbe ab[1]vgl. Abkommen von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften vom 15. November 1918: „Die großen Arbeitgeberverbände vereinbaren mit den Gewerkschaften der Arbeitnehmer u.a.: „… 5. Gemeinsame … Continue reading.

Da die Verleihung von Arbeitskräften durch privates Gewerbe als Arbeitsvermittlung galt, war sie, ebenso wie die private Arbeitsvermittlung, ab dem 31. Januar 1931 verboten.

Das Verbot der Verleihung von Arbeitskräften als privates Gewerbe wurde während des Faschismus aufgehoben. Arbeitskräfte wurden in großem Umfang zur Zwangsarbeit verliehen. Auch die Arbeitsämter selbst organisierten Zwangsarbeit und die Versorgung von Rüstungsbetrieben und anderen kriegswichtigen Betrieben mit Arbeitskräften. Die Arbeitslosigkeit sank, weil die Rüstungsproduktion stieg. Erst Millionen Arbeitslose, dann Millionen in der Rüstungsproduktion, dann Millionen Kriegstote.

Nach dem Krieg wurden die Vorschriften zur Arbeitsvermittlung und zur gewerbsmäßigen Verleihung von Arbeitskräften aus der Weimarer Republik wurden nahezu wortgleich übernommen. Gewerbsmäßige Arbeitskräfteverleihung galt wieder als Arbeitsvermittlung, verstieß damit wieder gegen das Alleinvermittlungsrecht der Arbeitsämter und war also wieder verboten.


References

References
1 vgl. Abkommen von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften vom 15. November 1918: „Die großen Arbeitgeberverbände vereinbaren mit den Gewerkschaften der Arbeitnehmer u.a.: „… 5. Gemeinsame Regelung und paritätische Verwaltung des Arbeitsnachweises“ (M. Schneider Kleine Geschichte der Gewerkschaften S. 426); „Arbeitsnachweis“ ist ein anderer Namen für  Arbeitsvermittlung; in diesem Abkommen wurde auch das kollektive Arbeitsrecht vereinbart, so wie es in den Grundzügen bis heute gilt. Dieses Abkommen war ein Dokument der Unterwerfung der Gewerkschaften unter die Herrschaft des Kapitals; denn von Sozialisierung des großen Kapitals war nicht mehr die Rede; das war aber das Ziel derjenigen, die die Novemberrevolution vorbereitet hatten, zum Beispiel der revolutionären Obleute; die Unternehmer  unterschrieben dieses Abkommen, um die Sozialisierung ihrer Betrieb zu verhindern

4. Frage des EGMR

16. Februar 2021 von benhop

Hat der Beschwerdeführer, soweit es die Umstände zulassen, überprüft, ob die offenbarten Informationen korrekt und zuverlässig sind? 

Hier geht es darum, dass Dr. Gawlik nicht Einsicht in die Papier-Patienten-Akten nahm, sondern sich bei seiner Strafanzeige nur auf die elektronischen Patientenakten stützte.

Mit der Behauptung, dass für Dr. Gawlik nach Einsichtnahme in die Papierakten „von vornherein“ die Unhaltbarkeit seiner Vorwürfe erkennbar gewesen wäre, ist nicht vereinbar,

  • dass die Arbeitgeberin die Vorwürfe durch einen Gutachter prüfen ließ, bevor sie Dr. Gawlik kündigte;
  • dass sich der Untersuchungsrichter veranlasst sah, von einem gerichtlich bestellten Gutachter die Vorwürfe prüfen zu lassen;
  • dass die Sicherstellung durch die Staatsanwakltschaft beim Landesspital einen Anfangsverdacht voraussetzt .

Es war eher umgekehrt: Hätte Dr. Gawlik Einsicht in die Physische Patientenakte genommen, so hätte er erst recht eine Strafanzeige gestellt, weil alle konkreten Anhaltspunkte, die ihm Anlass für eine Strafanzeige waren, in den Papierakten nur bestätigt wurden.

Zudem war Dr. Gawlik Einsicht in die physischen Patientenakten nicht „jederzeit möglich und zumutbar“, wie die Beschwerdegegnerin meint. Denn Dr. Gawlik musste fürchten, dass der Arbeitgeberin  Recherchen in den Papierakten nicht verborgen geblieben wären und zu seiner fristlosen Kündigung, jedenfalls aber zu seiner Beurlaubung gleich nach der polizeilichen Unterrichtung der Arbeitgeberin am 18.09.2014 geführt hätten; denn die Einsichtnahme  über die Vorwürfe im Archiv wird protokolliert; wenn die Akte noch nicht abgerechnet ist, muss der Beschwerdeführer die Akte suchen bzw. suchen lassen. 

Für den Rechtsmediziner Prof. Dr. Püschel handelte Dr. Gawlik nachvollziehbar.

Hellhörig geworden war Dr. Gawlikdurch die Formulierung in dem (elektronischen) Austrittsbericht des verstorbenen Patienten ***…***: „Unter aufsteigenden Morphindosen ist der Patient schlussendlich am 22.08.2014 in den frühen Morgenstunden verstorben“. Eine Einsichtnahme in die Papierakten hätte ihn in seinem Verdacht eher bestärkt; denn in anderen der von Dr. Gawlik mitgeteilten Fällen finden sich in den Papierakten ähnliche Formulierungen („Limit nach oben offen“ oder „Bei Bedarf durch die Pflege zu erhöhen“.

Dr. Gawlik gab folgende Indizien für seinen Verdacht aktiver Sterbehilfe an (siehe 10.):

  1. die Formulierung „supportive Therapie“; diese Formulierung kann als Synonym gelesen werden für eine Hilfe zu sterben. „Aus der Tatsache der Morphinerhöhung ohne Schmerz und entsprechender Formulierung“ erkenne er bei ***…*** eine aktive Sterbehilfe
  2. Morphinerhöhung auch ohne Schmerzen
  3. Medikamentenkombinationen (Morphin mit Haldol oder Valium)
  4. Todeseintritt 1 – 2 Tage nach Einsatz eines Morphin Perfusors; er gab in einem Fall an, dass am 14.8. ein Morphin-Perfusor installiert wurde und die Patientin am 20.8. verstarb. Dazu im Einzelnen:

Diese Indizien hatte Dr. Gawlik ausschließlich den elektronischen Akten entnommen.  

Zu 1): Nach Meinung von Dr. Gawlik kann „supportive Therapie“ als Synonym gelesen werden für eine Hilfe zu sterben. Es ist nicht nachvollziehbar, warum ein Blick in die Papierakte den Beschwerdeführer zu einer anderen Auslegung hätte veranlassen können.

Zu 2): Aus „der Tatsache der Morphinerhöhung ohne Schmerz und entsprechender Formulierung“ (gemeint ist die Formulierung „supportive Therapie“) erkannte Dr. Gawlik der Beschwerdeführer aktive Sterbehilfe. Andere halten die Gabe von Morphin gegen Unruhe und Atemnot auch ohne Schmerzen des Patienten für vertretbar hält.

Zu 3): Unterschiedlichen Auffassungen exisitieren auch in der Bewertung der Kombination von Morphin mit Haldol oder Valium. Während die Verabreichung solcher Kombinationen den Verdacht von Dr. Gawlik des Beschwerdeführers verstärkte, hielten andere solche Kombinationen für zulässig.

Zu 4): Dr. Gawlik war aufgefallen und das war für ihn ganz entscheidend, dass nach der Installierung eines Morphin-Perfusors die Patienten nur noch wenige Tage lebten, häufig nur noch ein bis zwei Tage.

In den Papierakten wird nur in einem der zehn von ihm angezeigten Fällen eine niedrigere maximale Morphindosis als die vom Beschwerdeführer genannten Dosen angegeben, in einigen Fällen ist die Dosis exorbitant höher (siehe 21. und Anlage 117 = Anlage II).    

Prof. Püschel nennt u.a. den konkreten Fall einer ärztlich zu verantwortenden Vergiftung durch eine Opiatintoxikation und kommt  abschließend zum Ergebnis: „Insgesamt entsteht der Eindruck, dass Hinweise auf eine Opiat-Überdosierung bewusst vermieden wurden, indem die Dokumentation der Vitalparameter (bewusst!) frühzeitig abgebrochen wurde.“ (siehe 50. 2. Absatz).

Schon allein dieser Fall rechtfertigt eine Strafanzeige. 

In seiner gutachterlichen Stellungnahme erklärt Prof. Dr. Püschel u.a.:

In einem Fall ergibt sich für mich (betreffend ….), dass hier die klinische Diagnose einer iatrogenen Opiatintoxikation gestellt wurde“. ‚Opiatintoxikation‘ heißt: Vergiftung durch Opioid-Überdosis. ‚Iatrogen‘ heißt: durch ärztliche Einwirkung entstanden. Prof. Dr. Püschel: „Insgesamt entsteht der Eindruck, dass Hinweise auf eine Opiat-Überdosierung bewusst vermieden wurden, indem die Dokumentation der Vitalparameter (bewusst!) frühzeitig abgebrochen wurde“.  

Reicht die Einstufung “linksextremistisch beeinflusst” als Voraussetzung für eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit?

3. November 2020 von benhop

Hat der bayrische Verfassungsschutz die VVN-BdA als „linksextremistisch“ oder als „linksextremistisch beeinflusst“ eingestuft? Das Finanzamt geht offensichtlich davon aus, dass die VVN-BdA als “linksextremistisch” eingestuft wurde

Diese Frage ist aus zwei Gründen nicht unwichtig. Erstens hat der Bundesfinanzhof hat schon im Jahr 2012 klargestellt, dass die Vermutung, dass ein Verein extremistisch ist, voraussetzt, dass dieser Verein in einem  Verfassungsschutzbericht auch ausdrücklich als „extremistisch“ eingestuft wird[1]das Urteil des Bundesfinanzhofes vom 11.4.2012 Az.: 1 R 11/11 (https://datenbank.nwb.de/Dokument/Anzeigen/439331/) zitiert als Grundlage für die Aberkennung der Gemeinnützigkeit „die widerlegbare … Continue reading.

Zweitens würde man die Aberkennung der Gemeinnützigkeit wegen Linksextremismus ins Uferlose ausweiten, wenn man – abweichend von der Rechtsprechung  des Bundesfinanzhofs – auf den Gedanken kommen sollte, keinen Unterschied zwischen ‚linksextremistisch‘ und ‚linksextremistisch beeinflusst‘ zu machen.

Tatsächlich wird die VVN-BdA im Bericht des bayrischen Verfassungsschutzes 2018 nur als „linksextremistische beeinflusst“, nicht aber als „linksextremistisch“ eingestuft[2]Verfassungsschutzbericht Bayern 2018, unter diesem Stichwort  in der Suchmaschine abrufbar; dort auf Seite 235 unter 6.2.3.

Damit ist die Voraussetzung aus der Abgabenordnung nicht erfüllt, nach der das Finanzamt davon auszugehen hat, dass die VVN-BdA linksextremistisch ist. Der Streit wäre beendet und die Finanzbehörde müsste der VVN-BdA die Gemeinnützigkeit wieder zurück erkennen. Das hat die Finanzbehörde aber bisher nicht getan. 

References

References
1 das Urteil des Bundesfinanzhofes vom 11.4.2012 Az.: 1 R 11/11 (https://datenbank.nwb.de/Dokument/Anzeigen/439331/) zitiert als Grundlage für die Aberkennung der Gemeinnützigkeit „die widerlegbare Vermutung des § 51 Abs. 3 Satz Zweitens 2 Abgabenordnung i.d.F. des JStG 2009“, die voraussetzt, dass „die betreffende Körperschaft (hier: ein islamisch-salafistischer Verein) im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eine Landes für den zu beurteilenden Veranlagungszeitraum ausdrücklich als extremistisch eingestuft wird“. Derselbe Leitsatz findet sich in dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14. März 2018 Az.: V R 36/16 wieder. Wieder ging es um einen islamisch-salafistischen Verein
2 Verfassungsschutzbericht Bayern 2018, unter diesem Stichwort  in der Suchmaschine abrufbar; dort auf Seite 235 unter 6.2.3

Was will ein Verein erreichen, der die Anerkennung der Gemeinnützigkeit beantragt?

3. November 2020 von benhop

Diejenigen, die an einen gemeinnützigen Verein spenden, können diese Spende von  ihren zu versteuernden Einkünften absetzen. Ein gemeinnütziger Verein kann entsprechende Spendenbescheinigungen ausstellen. Wichtig ist auch, dass Zuschüsse aus öffentlichen Kassen regelmäßig an die Gemeinnützigkeit gebunden sind. Zudem befreit die Anerkennung der Gemeinnützigkeit einen Verein von zahlreichen Steuern, insbesondere von der Körperschaftssteuer (entspricht der Einkommenssteuer bei natürlichen Personen) und Gewerbesteuer. Diese Steuerbefreiung gilt vor allem für die Vereinseinnahmen aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden, Erbschaften, Zuschüssen usw.

Das Ende der Angst

7. Juni 2020 von benhop

Reinhold Nemerg/Maria Cerull/Susanne
Mohrig/Silvia Dulisch/Ruth Potschka-Zwickl (Hrsg.)
Das Ende der Angst
Charité Berlin: Die Beschäftigten der „outgescourcten“ therapeutischen Abteilung erstreiten ihre Rückführung

Kurztext:


Lohnt es sich, die Angst zu überwinden und den offenen betrieblichen Konflikt zu wagen, auch wenn der Gegner übermächtig erscheint? Kolleg:innen der im Jahr 2009 out¬gesourcten therapeutischen Abteilung der Charité sagen JA!

Inhalt:


Die Rückführung der aus Deutschlands renommiertester Universitätsklinik ausgegliederten »Charité Physiotherapie und Präventionszentrum GmbH« (CPPZ) zum 1.1.2020 steht als Erfolg am Ende eines langen Kampfes, weil sich die Arbeitsbedingungen während der Zeit der Ausgliederung stetig verschlechtert hatten. Eine Betriebsversammlung im September 2018 bildete den Auftakt zu einem rund 50 Tage andauernden ver.di-Streik um den TVöD, einem Streik, der mit der Rückführung der Beschäftigten in die Charité endete. Die Schilderung der Beteiligten mit ihren unterschiedlichen Perspektiven vermittelt eine Ahnung davon, welche Bedeutung dieser Kampf für sie – nicht nur als Beschäftigte – hatte.
Die Rückführung der CPPZ kann eine Ermutigung für alle sein, die sich an der ver.di Kampagne »TV-Entlastung und TVöD für alle!« beteiligen. An der Auftakt-Kundgebung dieser Kampagne am 12.Mai 2021, dem internationalen Tag der Pflegenden, beteilig¬ten sich über tausend Beschäftigte und Unterstützende, darunter viele Beschäftigte der Charité, der Vivantes GmbH und von deren Töchtern. Dem Senat und den Klinikleitungen wurde ein Ultimatum von 100 Tagen gestellt. Dann droht Streik – vier Wochen vor den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im September 2021. Die Rückführung der CPPZ kann eine Ermutigung sein: Erfolge sind möglich

Die Autor:innen:
Mit Beiträgen u.a. von Maria Cerull (Therapeutin CPPZ), Susanne Mohrig (stellv. Betriebsratsvorsitzende CPPZ), Stephan Strasser (Betriebsratsvorsitzender CPPZ), Ruth Potschka (Therapeutin CPPZ), Manfred Trneny (Masseur, Bademeister CPPZ) sowie von Kalle Kunkel und Gotthard Krupp (beide ver.di).
Reinhold Nemerg/Maria Cerull/Susanne
Mohrig/Silvia Dulisch/Ruth Potschka-Zwickl (Hrsg.)

Zu bestellen über den: VSA Verlag

7. Als Lokführer bin ich doch gut abgesichert. Kann es mir nicht egal sein, bei wem ich arbeite?

7. September 2020 von benhop

Einsparungen beim Personal sind eine wichtige Methode rasch die Gewinne zu erhöhen. Schon allein der Versuch, die Aktien der Deutsche Bahn AG an die Börse bringen, führte in den Jahren 2006 bis 2008 führte zu erheblichen  Personalreduzierungen bei der S-Bahn GmbH – mit verheerenden Folgen für den S-Bahn Betrieb im Jahr 2009. Auch ein privater Betreiber der S-Bahn wird auf Personaleinsparungen nicht verzichten wollen. Personaleinsparung führt zu Arbeitsverdichtung. Das wird sich bei allen Beschäftigten bemerkbar machen, auch bei den Lokführern. 

Die Ansprüche, die bei der S-Bahn GmbH durch Tarifvertrag  abgesichert waren und nach dem Betreiberwechsel nur noch durch den einzelnen Arbeitsvertrag abgesichert sind,  darf der neue Betreiber nach den gesetzlichen Regeln „nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers ändern“[1].

Eine fehlenden Tarifbindung des neuen Betreibers kann dem Lokführer auch aus einem anderen Grund nicht egal sein: Die Belegschaft wird gespalten und gegeneinander aufgebracht.

Die Arbeitskräfte, die von der S-Bahn GmbH übernommen wurden, haben bessere Arbeitsbedingungen als die übrigen Arbeitskräfte. Schlechter Arbeitsbedingungen haben diejenigen, die nicht von der S-Bahn GmbH übernommen wurden, die aber Tätigkeiten ausüben, die von der S-Bahn GmbH übernommen wurden. Die schlechtesten Arbeitsbedingungen haben diejenigen, die nicht von der S-Bahn GmbH übernommen wurden und auch keine Tätigkeiten ausüben, die früher von der S-Bahn GmbH ausgeführt wurden. Für diese dritte Gruppe Beschäftigter gibt es in der Ausschreibung keinerlei Vorgaben zu den Arbeitsbedingungen, zu denen sie arbeiten müssen. Die  ungleichen  Arbeitsbedingungen bestehen, obwohl exakt die gleiche Tätigkeit ausgeübt wird- zum Beispiel als Lokomotivführer.

Wenn der neue Betreiber an dieselben Tarifverträge gebunden wäre, wie die S-Bahn GmbH, gäbe es diese ungleichen Arbeitsbedingungen für dieselben Tätigkeiten nicht.. Eine Verpflichtung zu dieser Tarifbindung enthält die Ausschreibung aber nicht und kann sie  auch nicht enthalten. Die Zerstörung der bisherigen Tarifbindung ist also eine Folge der Ausschreibung.

Also: Ohne Ausschreibung kein Verlust der Tarifbindung. Und: Ohne Verlust der Tarifbindung keine Spaltung unter den Beschäftigten.

Die Erfahrung zeigt, dass in diesen unterschiedlichen Arbeitsbedingungen bei gleicher Tätigkeit eine große Sprengkraft liegt[2]. Die Bedeutung der ungleichen Arbeitsbedingungen nach einer Ausgliederung oder nach einer Vergabe durch Ausschreibung wie im vorliegenden Fall wird regelmäßig deswegen unterschätzt, weil alles nur aus der Jetzt-Perspektive der S-Bahn Beschäftigten betrachtet wird: Die Arbeitsbedingungen der S-Bahn Beschäftigten sollen sich nicht verschlechtern. Wenn das auch nur über Einzelarbeitsverträge gesichert werden kann, soll das ausreichen. Nach einem Betreiberwechsel kommt es aber auf die neue Belegschaft an, die eben nicht nur aus den von der S-Bahn GmbH übernommenen Arbeitskräften besteht. Die allein auf den individuellen Anspruch fokussierte Betrachtungsweise ist ein Gift, das die Beschäftigten ohnmächtig macht, weil es davon ablenkt, dass diese Individualansprüche immer das Ergebnis von gemeinsamem Handeln sind und auch nur in gemeinsamem Handeln verteidigt werden können.


[1]                     § 613a BGB: „(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird. …….

                (4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt“.    

[2]                      J. Seppelt, R. Niemerg u.a. Der Aufstand der Töchter, Hamburg 2018 VSA Verlag

6. Tariftreue – ist das nicht was Gutes?

7. September 2020 von benhop

Die neuen Betreiber können nicht zu einem Vertrag mit den Gewerkschaften verpflichtet werden, aber als Ersatz können sie zu einem Vertrag mit dem Staat verpflichtet werden. In diesem Vertrag verpflichtet der Staat den neuen Betreiber zur Einhaltung von bestimmten Tarifverträgen (Tariftreue)[1].

Nach dem Wortlaut des Gesetzes haben die Länder Berlin und Brandenburg zwar einen Ermessenspielraum bei der Bestimmung dieser Tarifverträge, aber das Gesetz stellt auch klar, dass das Land Berlin einen neuen Betreiber der Verkehrsdienste nur dazu verpflichten muss, seine Beschäftigten „bei der Ausführung dieser Dienste mindestens nach den hierfür jeweils geltenden Entgelttarifen zu entlohnen“[2]. Das Gesetz verlangt nicht, dass die Tariftreue auch für alle anderen Arbeitsbedingungen gilt, die durch die bisher geltenden Tarifverträge festgeschrieben wurden und die sich nicht auf den Lohn beziehen, z.B. Arbeitszeit,  Ruhezeit, Urlaub, Kündigungsschutz usw. 

Die Ausschreibung der Nord-Süd-Bahn und der Stadtbahn enthält eine Verpflichtung zur Tariftreue im Verkehrsdienst[4] und eine Verpflichtung zur Tariftreue in der Instandhaltung[5]. Unternehmen, die den Verkehrsbetrieb oder die Instandhaltung übernehmen wollen, werden in der Ausschreibung verpflichtet, ihre Arbeitskräfte bei der Ausführung dieser Tätigkeiten „mindestens nach den hierfür jeweils geltenden Entgelttarifen zu entlohnen“. Dann werden die Tarifverträge (pdf-Datei) aufgelistet, die zur Anwendung kommen sollen. Es sind nur Tarifverträge mit Entgeltregelungen. Alle anderen Regelungen in diesen Tarifverträgen und alle anderen Tarifverträge der EVG und GdL, an die die S-Bahn GmbH gebunden ist, fallen unter den Tisch, z.B. der Demographie-TV der EVG, der einen sehr starken Kündigungsschutz enthält. Zudem kritisiert die EVG, dass der Senat in die Liste nicht einschlägige Entgelttarife für die Beschäftigten der S-Bahn GmbH aufgenommen hat.

Weil es sich um einen Vertrag mit dem Staat handelt, kann auch nur der Staat für die Einhaltung dieser Tariftreue sorgen. Aus dieser  Tariftreue entstehen keine Ansprüche, die der einzelne Beschäftigte geltend machen könnte. Vielmehr sind die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften darauf angewiesen, dass der Staat für die Einhaltung dieser Tariftreue sorgt.     

Tariftreue heißt also nicht Tarifbindung. Tariftreue ist besser als keine Tariftreue[3], aber wesentlich schlechter als die bisherige Tarifbindung. Nach einem Betreiberwechsel müssen die Gewerkschaften die Bindung an die bestehenden Tarifverträge neu erkämpfen. Sollten der Verkehrsbetrieb nach 15 Jahren und das Instandhaltungsunternehmen nach 30 Jahren aufgrund einer erneuten Ausschreibung noch einmal wechseln, fängt wieder alles von vorne an.


[1]              Das Kapital entzieht sich in den letzten 20 Jahren nicht nur immer mehr der Tarifbindung und hat selbstverständlich auch kein Interesse an Auflagen zur Tariftreue, die in einem über viele Jahre andauernden Konflikt gegen das Kapital durchgesetzt wurden. Die einschlägigen Regeln zur Tariftreue finden sich im Berliner Auftrags – und Vergabegesetz (BerlAVG), GVBl. 2020, 276. Das geänderte BerlAVG trat am 1. Mai 2020 in Kraft. Es gilt für alle Vergabeverfahren, die ab dem 1. Mai 2020 begonnen werden. Am 2. April 2020 hatte das Berliner Abgeordnetenhaus dieses Gesetz in der Fassung der Vorlage zur Beschlussfassung  – Drucksache 18/2538 – angenommen Die Regelungen zur Tariftreue finden sich also nicht im GWB, sondern in den Ländergesetzen, die dafür auch die Zuständigkeit haben, da diese „Regelungen unter das Recht der Wirtschaft nach Art. 74 Absatz 1 Nr. 11 GG fallen und nach Art. 70 GG i.V.m. Art. 72 Absatz 2 GG der Bund im Rahmen dieser konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz den hier vorliegenden Regelungsgegenstand nicht abschließend gesetzlich geregelt hat (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11.07.2006 – 1 BvL 4/00)“ – so wörtlich die Begründung zu § 9 BerlAVG.   

[2]                     § 10 BerlAVG lautet: „Öffentliche Personennahverkehrsdienste
Unbeschadet etwaiger weitergehender Anforderungen nach § 128 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vergeben öffentliche Auftraggeber gemäß § 2 Aufträge über öffentliche Personennahverkehrsdienste, wenn sich die Auftragnehmer bei der Angebotsabgabe verpflichten, ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (ohne Auszubildende) bei der Ausführung dieser Dienste mindestens nach den hierfür jeweils geltenden Entgelttarifen zu entlohnen. Die öffentlichen Auftraggeber bestimmen in der Bekanntmachung der Ausschreibung sowie in den Vergabeunterlagen den oder die einschlägigen Tarifverträge nach Satz 1 nach billigem Ermessen und vereinbaren eine dementsprechende Lohngleitklausel für den Fall einer Änderung der Tarifverträge während der Vertragslaufzeit. Außerdem sind insbesondere die Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (Abl. L 315 vom 3. Dezember 2007, S. 1) zu beachten“.(§ 10 BerlAVG v. 22.April 2020, verkündet als Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetzes und weiterer Rechtsvorschriften v. 22. April 2020 (GVBl. S. 276))

[4]                     „Das BerlAVG und das BbgVgG enthalten Verpflichtungen zur Tariftreue. Die AG haben gem. § 4 Satz 1 BerlAVG und § 4 Abs. 3 BbgVgG entschieden, für die Leistungen auf den Gebieten beider Länder die Regelungen des BerlAVG in der jeweils geltenden Fassung zur Anwendung zu bringen. Der AN wird daher im Sinne von § 10 Satz 1 BerlAVG verpflichtet, seine Arbeitskräfte bei der Ausführung der vertragsgegenständlichen Leistungen über öffentliche Personennahverkehrsdienste mindestens nach den hierfür jeweils geltenden Entgelttarifen zu entlohnen. Etwaige Änderungen der Entgelttarife bei Änderungen der Tarifverträge während der Vertragslaufzeit sind nachzuvollziehen. Maßgeblich sind die hier dargestellten Tarifverträge: https://www.daisikomm.de/download.aspx?file=D63399/008. Der Auftragnehmer wird verpflichtet, Leistungen der Kundenbetreuer und Leistungen der Triebfahrzeugführer in einem bestimmten Umfang selbst zu erbringen. Nähere Angaben hierzu sind aus den Vertragsunterlagen ersichtlich. Die in Abschnitt III.2.2), (1) geregelte Pflicht zur Personalübernahme bleibt hiervon unberührt.“ (Aus der Ausschreibung Teillose 2 und 4, jeweils unter II.2.4)           

[5]                     „Die AG haben sich zum Schutz des für die vertragsgegenständlichen Instandhaltungsleistungen eingesetzten Personals für eine Tariftreueverpflichtung entschieden. Der AN wird daher verpflichtet, diese Arbeitskräfte bei der Ausführung der o.g. Leistungen mind. nach den hierfür jeweils geltenden Entgelttarifen zu entlohnen. Maßgeblich sind die hier dargestellten Tarifverträge: https://www.daisikomm.de/download.aspx?file=D63399/008. Etwaige Änderungen der Entgelttarife bei Änderungen der Tarifverträge während der Vertragslaufzeit sind nachzuvollziehen. Für alle vorstehenden Ausführungen wird ergänzend auf die Vertragsunterlagen verwiesen.“ (Aus der Ausschreibung Teillose 1 und 3, jeweils unter II.2.4)               

5. Für wen sind die Regelungen aus Tariftreue wichtig?

7. September 2020 von benhop

Für alle, die Tätigkeiten ausüben, die bisher von Beschäftigten der S-Bahn GmbH ausgeführt wurden, nach einem möglichen Betreiberwechsel aber nicht mehr von ihnen ausgeführt werden.

Beschäftigte, die früher bei der S-Bahn GmbH gearbeitet haben und dann von dem neuen Betreiber übernommen wurden, werden nach und nach aus dem neuen Unternehmen ausscheiden, altersbedingt, krankheitsbedingt oder auch deswegen, weil sie bei diesem neuen Betreiber nicht bleiben wollen und einen Arbeitsplatz in einem anderen Unternehmen gefunden haben.  Denkbar ist auch, dass Beschäftigte der S-Bahn GmbH Widerspruch gegen den Wechsel zu einem neuen Betreiber eingelegt haben und auf diese Weise bei der Deutschen Bahn bleiben. So werden sehr rasch frühere S-Bahn-GmbH-Tätigkeiten von Beschäftigten ausgeführt, die nicht von der S-Bahn GmbH übernommen wurden. Sie führen Tätigkeiten aus, die früher bei der S-Bahn GmbH zu den dort geltenden Tarife erledigt wurden, haben aber keine Ansprüche aus den Tarifverträgen der S-Bahn GmbH, auch nicht über ihren Arbeitsvertrag, weil sie keine Arbeitskräfte sind, die von der S-Bahn GmbH übernommen wurden.

Die Regelungen zur Tariftreue greifen nach dem Gesetz nur für die „Arbeitskräfte, die die den Auftrag prägenden, mit der eigentlichen Verkehrserbringung verknüpften Tätigkeiten wahrnehmen“ oder auf die „mit der die im Kernbereich der Verkehrserbringung tätigen“ Arbeitskräfte, also für die Lokführer.

Die Ausschreibung der Nord-Süd-Bahn und der Stadtbahn enthält aber eine Verpflichtung zur Tariftreue im Verkehrsdienst[1] und auch eine Verpflichtung zur Tariftreue in der Instandhaltung[2]. Also soll auch für die Arbeitskräfte in der Instandhaltung die Verpflichtung zur Tariftreue gelten.

…………………………………………………………………………………………………………………………….


[1] „Das BerlAVG und das BbgVgG enthalten Verpflichtungen zur Tariftreue. Die AG haben gem. § 4 Satz 1 BerlAVG und § 4 Abs. 3 BbgVgG entschieden, für die Leistungen auf den Gebieten beider Länder die Regelungen des BerlAVG in der jeweils geltenden Fassung zur Anwendung zu bringen. Der AN wird daher im Sinne von § 10 Satz 1 BerlAVG verpflichtet, seine Arbeitskräfte bei der Ausführung der vertragsgegenständlichen Leistungen über öffentliche Personennahverkehrsdienste mindestens nach den hierfür jeweils geltenden Entgelttarifen zu entlohnen. Etwaige Änderungen der Entgelttarife bei Änderungen der Tarifverträge während der Vertragslaufzeit sind nachzuvollziehen. Maßgeblich sind die hier dargestellten Tarifverträge: https://www.daisikomm.de/download.aspx?file=D63399/008. Der Auftragnehmer wird verpflichtet, Leistungen der Kundenbetreuer und Leistungen der Triebfahrzeugführer in einem bestimmten Umfang selbst zu erbringen. Nähere Angaben hierzu sind aus den Vertragsunterlagen ersichtlich. Die in Abschnitt III.2.2), (1) geregelte Pflicht zur Personalübernahme bleibt hiervon unberührt.“ (Aus der Ausschreibung Teillose 2 und 4, jeweils unter II.2.4)           

[2] „Die AG haben sich zum Schutz des für die vertragsgegenständlichen Instandhaltungsleistungen eingesetzten Personals für eine Tariftreueverpflichtung entschieden. Der AN wird daher verpflichtet, diese Arbeitskräfte bei der Ausführung der o.g. Leistungen mind. nach den hierfür jeweils geltenden Entgelttarifen zu entlohnen. Maßgeblich sind die hier dargestellten Tarifverträge: https://www.daisikomm.de/download.aspx?file=D63399/008. Etwaige Änderungen der Entgelttarife bei Änderungen der Tarifverträge während der Vertragslaufzeit sind nachzuvollziehen. Für alle vorstehenden Ausführungen wird ergänzend auf die Vertragsunterlagen verwiesen.“ (Aus der Ausschreibung Teillose 1 und 3, jeweils unter II.2.4)        

4. Wenn ich bei einem möglichen neuen Betreiber beschäftigt werde, was passiert mit meinen TV- Ansprüchen, die ich bei der S-Bahn Berlin hatte?

7. September 2020 von benhop

Der Senat kann einen neuen Betreiber der S-Bahn nicht dazu verpflichten, sich durch Vertrag mit den Gewerkschaften an die bisher geltenden Tarifverträge zu binden. Wenn der neue Betreiber nicht mehr an die bisher geltenden  Tarifverträge gebunden ist, dann bestehen auch keine Ansprüche mehr aus diesen Tarifverträgen. 

a. Für eine Gruppe von S-Bahnern gilt: Kollektive Ansprüche (d.h. Ansprüche aus den bisher geltenden Tarifverträgen) werden durch Gesetz zu Individualansprüchen (d.h. zu Ansprüchen aus Arbeitsvertrag)

Allerdings geht alles das, was bisher aus Tarifvertrag geltend gemacht werden konnte, nach dem Verlust der bisher geltenden Tarifverträge nicht ganz verloren. Denn ein Beschäftigter, der bisher bei der S-Bahn GmbH gearbeitet hat, verliert zwar nach einem Betreiberwechsel seine Ansprüche aus den bisher geltenden Tarifverträgen, nicht aber seine Ansprüche aus seinem Arbeitsvertrag. Sein Arbeitsvertrag gilt weiter und die andere Vertragspartei wird durch Gesetz ausgewechselt: An Stelle der S-Bahn GmbH wird der neue Betreiber Partei des Arbeitsvertrages. Und nicht nur das. Die Ansprüche aus diesem Arbeitsvertrag werden durch Gesetz erweitert: Alle Ansprüche, auf die der Beschäftigte bisher aus Tarifvertrag Anspruch hatte, gelten jetzt als Ansprüche aus dem einzelnen Arbeitsvertrag weiter.

Das gilt aber nicht für alle S-Bahner, die von einem neuen Betreiber übernommen werden. Es git nur für die S-Bahner, deren Tätigkeiten für die Erbringung der Verkehrsdienstleistungen „unmittelbar erforderlich“ sind.Dazu gehören jedenfalls die Lokführer.

b. Für eine andere Gruppe von S-Bahner gilt nur das Senatsversprechen, zu denselben Arbeitsbedingungen wie bisher in eine landeseigene Beschäftigungsgesellschaft übernommen zu werden.

Vor allem für die S-Bahner in den Werkstätten ist nicht verbindlich gesichert, welche Arbeitsbedingungen sie zu erwarten haben, wenn zukünftig nicht mehr die S-Bahn GmbH für die Instandhaltung verantwortlich ist. Denn der Berliner Senat ist zwar der Auffassung, dass die Beschäftigten in der Instandhaltung und Reparatur für die Erbringung der Verkehrsdienstleistungen „unmittelbar erforderlich“ sind. Allerdings ist diese Auffassung wohl mit der Befürchtung gepaart, dass diese Auffassung vor einem Gericht erfolgreich zu Fall gebracht werden könnte. Dann wäre das Werkstattpersonal nicht mehr geschützt: Es hätte damit weder einen Anspruch auf Übernahme durch den neuen Betreiber noch eine Anspruch auf Weitergeltung der bisherigen Arbeitsbedingungen.

Deswegen hat der Berliner Senat als Ersatzregelung die landeseigene  Beschäftigungs-Gesellschaft (LBG) erdacht und will ein neues Instandhaltungsunternehmen zur Beschäftigung dieser Arbeitskräfte aus der landeseigenen Beschäftigungsgesellschaft verpflichten.

Das Land Berlin bietet den S-Bahnern aus den Werkstätten zwar einen Arbeitsvertrag mit der landeseigenen Beschäftigungsgesellschaft an, aber es ist völlig unsicher, zu welchen Bedingungen. Es ist unsicher, ob und in welcher Form die Arbeitsbedingungen weiter gelten, auf die sich die Beschäftigten der S-Bahn GmbH bisher aus Tarifvertrag berufen konnten.

Um die Verpflichtung zur Übernahme des Werkstattpersonals bei einem Betreiberwechsel gab es Streit im Senat. Dieser Streit endete in einer Protokollnotiz[1], die zu dieser Regelung in der veröffentlichten Ausschreibung führte und die dieselben Arbeitsbedingungen verspricht wie bei der S-Bahn GmbH. Rechtssicher ist diese Zusicherung derselben Arbeitsbedingungen allerdings nicht; eine neuer Senat muss sich an diese Zusicherung durch eine Protokollnotiz nicht gebunden fühlen, erst recht nicht ein neuer Senat, der politisch anders zusammen gesetzt ist als der derzeitige rot-rot-grüne Senat.

c. Für eine dritte Gruppe ist nichts gesichert, d.h. weder ihre Übernahme noch die bisherigen Arbeitsbedingungen sind gesichert

Das sind dijenigen, die in der S-Bahn GmbH weder als Lokführer noch in der Instandhaltung arbeiten. Wenn sie nach einem Betreiberwechsel nicht übernommen werden, auch nicht zu schlechteren Arbeitsbedingungen, hat sich die Frage erledigt, was mit den TV-Ansprüchen passiert, die bei der S-Bahn GmbH galten.    



[1]  In der Protokollnotiz wird unter Nr. 2 verlangt, dass „im Bereich der Instandhaltung sichergestellt werden muss, dass die Menschen, die beim bisherigen Betreiber für die Instandhaltung der S-Bahn Fahrzeuge beschäftigt waren und für die Erbringung der Instandhaltungsleistungen unmittelbar erforderlich sind, entweder von einem etwaigen neuen Betreiber ein Arbeitsangebot nach Maßgabe der Vorgaben für einen Betriebsübergang  (§613a BGB)  erhalten oder ein Angebot erhalten, im Rahmen einer Auffanggesellschaft und unter Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs mit dem neuen Betreiber zu den bisherigen Bedingungen beschäftigt zu werden, wenn diese Menschen beim bisherigen Betreiber nicht weiter beschäftigt werden“.