Autor: Benedikt Hopmann; 01.11.2022
Diese Rede hielt Benedikt Hopmann auf einer Kundgebung vor dem Reichstag, zu der die Aktion ./. Arbeitsunrecht aufgerufen hatte. Im Bundestag wurde das sogenannte Betriebsrätemodernisierungsgesetz beschlossen, das einige sehr kleine Verbesserungen des Betriebsverfassungsgesetzes enthielt.
Die Geschichte des Kampfes um mehr Rechte für Betriebsräte ist eine lange Geschichte Wir sind hier zu einer kleinen Kundgebung mit rund 50 Menschen versammelt und der Aktion ./. Arbeitsunrecht ist zu danken, dass sie diese Kundgebung organisiert hat. Vor über 100 Jahren standen hier am 13. Januar 1920 mehr als hunderttausend Menschen. Es ging um die Lesung des Betriebsrätegesetzes im Reichstag. Um die Mittagszeit stellten die Beschäftigten in praktisch allen großen Betrieben die Arbeit ein, auch Beschäftigte aus kleinen und mittelgroßen Betrieben waren dabei. Aus allen Himmelsrichtungen waren hierher geströmt. Auch Kolleginnen und Kollegen von Siemens, Daimler – Marienfeld und Otis waren dabei – Betriebe, die heute noch existieren. Alle waren empört, weil nichts von dem geblieben war, was sie gefordert hatten. „Hoch die Räteorganisation“ und „Her mit dem vollen Mitbestimmungsrecht“ stand auf den Schildern, die sie mit sich trugen. An der Spitze wurden rote Fahnen vorangetragen. Auch Kinder und Jugendliche waren dabei.
Und dann geschah Furchtbares. Die paramilitärische Sicherheitspolizei schoss in die Menge. 42 Tote und über 100 Verletzte war die Bilanz. Der Historiker Axel Weipert, der dieses Verbrechen gründlich untersucht hat, sagt: „Damit handelt es sich um die blutigste Demonstration der Deutschen Geschichte. Dennoch erinnert nirgendwo eine Gedenktafel an dieses Ereignis“[1]Axel Weipert in: Isaf Gün, Benedikt Hopmann, Reinhold Niemerg (Hrsg.) „Gegenmacht statt Ohnmacht – 100 Jahre Betriebsverfassung. Der Kampf um Mitbestimmung, Gemeineigentum und … Continue reading. Die Gedenkstätte der Sozialisten in Friedrichsfeld erinnert zwar zusammen mit den Opfern der Kämpfe im März 1919 und zusammen mit vielen, die später von den Faschisten umgebracht wurden, auch an die Toten dieser Kundgebung vom 13. Januar 1920, aber eine Gedenktafel hier am Tatort selbst, die an dieses Ereignis erinnert, fehlt.
Wir stünden heute nicht hier, wenn es nicht die Revolution von 1918 /19 gegeben hätte. Ohne die Revolution von 1918 /19 und die Rätebewegung gäbe es heute keine Betriebsräte. Wir stünden nicht hier mit unseren Forderungen, Betriebsräte zu gründen, sie zu schützen und sie stark zu machen.
Wir reihen uns also ein in eine lange Geschichte des Kampfes um unsere Rechte. Und diese Geschichte wird weitergehen. Die Betriebsräte sehen in ihrem Alltag, dass sie oft nicht so handeln können wie sie handeln müssten, um die Interessen ihrer Kolleginnen und Kollegen verteidigen zu können. Es fehlen ihnen die Rechte. Der Kampf für mehr Rechte geht also weiter, damit die Interessen unserer Kolleginnen und Kollegen nicht ‚unter die Räder kommen‘.
Das erste Betriebsrätegesetz in der Veröffentlichung im Rechsgesetzblatt von 1920 hier lesen.
References
↑1 | Axel Weipert in: Isaf Gün, Benedikt Hopmann, Reinhold Niemerg (Hrsg.) „Gegenmacht statt Ohnmacht – 100 Jahre Betriebsverfassung. Der Kampf um Mitbestimmung, Gemeineigentum und Demokratisierung“, Hamburg 2020, S. 62 f. |
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