Gewerkschaften: Ordnungsfaktor oder Gegenmacht?

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Das Bundesarbeitsgericht beantwortete diese Frage 1963 im Zusammenhang mit der Illegalisierung des verbandsfreien Streiks so:

„Der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts hat bereits betont, daß Arbeitskämpfe im allgemeinen un­erwünscht sind (BAG 1, 3oo). Zur Begründung hat er u. a. auf die mit ihnen zwangsläufig verbundenen volkswirtschaftlichen Schäden hingewiesen. Daraus ergibt sich – und das ist die vor allem entscheidende und schon für sich allein durchschlagende Erwägung gegenüber einer rechtlichen Anerkennung oder auch nur Tolerierung des wilden Streiks daß die Zulassung von Arbeitskämpfen nur in einem bestimmten Rahmen verantwortet werden kann. Dabei ist es wichtig, beim Ausbruch eines Streiks zu Kontrollzwecken Stellen einzuschalten, die wegen ihrer Stellung im Arbeitsleben, ihrer Bedeutung in wirtschaftlicher Hinsicht und ihrem Wissen auf dem Gebiet des Arbeitskampfrechts die Gewähr dafür bieten, daß nur in wirklich begründeten Fällen gestreikt wird und daß im Falle eines Streiks die im Allgemeininteresse erforderlichen Kampfregeln eingehalten werden. Als solche Stellen kommen auf der Arbeitnehmerseite bei ihrer gesell­schaftlichen Steilung nur die Gewerkschaften infrage”[1]BAG vom 20.12.1963 – 1 AZR 428/62 Entscheidungsgründe B II. 3. e., S. 31 f.

Der Gewerkschaft wird eine Kontrollfunktion zugeschoben, die sie in eine äußerst unangenehme Konfrontation zu ihren eigenen Mitgliedern bringen kann[2]Th. Ramm AuR 12/1964, S. 358, wie wenige Jahre später die IG Metall in ihrem Geschäftsbericht von 1971 – 1973 beschreibt: “Im Gewande eines angeblichen Streikmonopols der Gewerkschaften werden so die Gewerkschaften zwischen die Stühle gebracht und die Kollegen, die an spontanen Arbeitsniederlegungen teilgenommen haben, der Willkür der Unternehmer ausgeliefert (Kündigung, Schadenersatz!). Für die Gewerkschaft kann es nicht darauf ankommen, die eigenen organisationspolitische Position durch das Rechtswidrigkeitsurteil des Bundesarbeitsgerichts prägen zu lassen”.[3]Michael Kittner “Arbeitskampf. Geschichte Recht Gegenwart” München2005, S. 685

References

References
1 BAG vom 20.12.1963 – 1 AZR 428/62 Entscheidungsgründe B II. 3. e., S. 31 f
2 Th. Ramm AuR 12/1964, S. 358
3 Michael Kittner “Arbeitskampf. Geschichte Recht Gegenwart” München2005, S. 685