Whistleblowing

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“Alles zu retten
Muss alles gewagt werden.
Ein verzweifeltes Übel
Will eine verwegene Tat”
Friedrich Schiller: Aus “Die Verschwörung des Fiesco zu Genua”


Inhaltsverzeichnis:


Inhaltsverzeichnis:


Neues zum Hinweisgeberschutz-Gesetz

Das Hinweisgeberschutzgesetz wurde im Bundesgesetzesblatt vom 2. Juni 2023 verkündet (BGBl. v. 2. 6. 2023 I Nr. 140) und trat am 2. Juli 2023 in Kraft. Es ist eine Gesetz geblieben, das Unternehmen mehr schützt als diejenigen, die Missstände in diesen Unternehmen bekannt machen wollen.

In zahlreichen Punkten bleibt es sogar hinter der EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern zurück. Die schwerwiegensten Mängel bestehen in dem Recht der Offenlegung: Das Verbot unrichtige Informationen offenzulegen, kann für Whistleblower eine unüberwindbare Hürde sein, weil sie zwar handfeste Anzeichen für schwere Missstände haben, aber nicht mit Sicherheit die Richtigkeit der Missstände beweisen können. Ebenso schwerwiegend ist das Verbot der Offenlegung, wenn nur geringe Aussichten bestehen, dass die zuständigen Ermittlungsbehörden wirksam gegen einen Verstoß vorgehen werden. Auch die Pervertierung des Whistleblowerschutzes bei Beamtinnen und Beamten in einen Denunziantenschutz ist geblieben, siehe § 2 Abs. 1 Nr. 10 des Gesetzes.

Das Whistleblower-Netzwerk hat bei der Europäischen Kommission Beschwerde gegen das Hinweisgeberschutzgesetz eingelegt[1]https://www.whistleblower-net.de/online-magazin/2023/09/26/beschwerde-bei-der-europaeischen-kommission-gegen-hinweisgeberschutzgesetz/


Hinweisgeberschutz-Gesetz: Whistleblowerschutz als Denunziantenschutz

Das Hinweisgeberschutzgesetz wurde im Februar 2023 vom Bundesrat gestoppt. Es hatte vorgesehen, dass auch die Meldung oder die Offenlegung von Informationen über “Äußerungen von Beamtinnen und Beamten des Bundes, die einen Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue darstellen” geschützt werden [1]. Nun gibt es zahlreiche historischer Erfahrungen, wie das ausgelegt wird. Vom Gesetz zum Schutz der Republik des Jahres 1922 bis zu den Berufsverboten richtete sich das immer vor allem gegen Demokraten und Linke. Bisher war die Bekämpfung der Demokraten allerdings immer Sache der Obrigkeit. Neu ist nun, dass die Meldung und Offenlegung solcher Informationen zur Aufgabe der Kolleginnen und Kollegen gemacht wird.

Weiterlesen hier


Hinweisgeberschutzgesetz im Bundesrat gestoppt

Das Hinweisgebergesetz wurde im Februar 2023 im Bundesrat gestoppt: Jetzt wird es Verhandlungen zwischen Bundestag und Bundesrat geben:

1. Hinweisgebergesetz zur Vorlage für den Bundesrat: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2023/0001-0100/20-23.pdf?__blob=publicationFile&v=1

2. Entschließung des Bundestages vom 20. Januar 2023 zum vom Bundestag beschlossenen Hinweisgebergesetz: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2023/0001-0100/zu20-23.pdf?__blob=publicationFile&v=1

3. Erläuterungen zu 1. und 2. vom 10. Februar 2023: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/TO/1030/erl/2.pdf?__blob=publicationFile&v=1

2. Der Bundesrat stimmt dem vom Bundestag beschlossenen Hinweisgebergesetz nicht zu, Beschluss des Bundesrates vom 10. Februar 2023: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2023/0001-0100/20-23(B).pdf?__blob=publicationFile&v=1


Im Bundestag beschlossene Hinweisgeberschutzgesetz reicht nicht

Whistelblowerschutz ist Gefahrenschutz ersten Ranges. Kein Unternehmen und keine Einrichtung darf gegen diesen Gefahrenschutz abgeschirmt werden.

Diese Anspruch erfüllt das am 16. Dezember 2022 im Bundestag beschlossene Hinweisgebergesetz nicht.

Wir hatten schon gezeigt, welche Mängel der Referententwurf zum Hinweisgeberschutz vom März 2022 hat. Die folgenden Mängel wurden im Gesetzgebungsverfahren nicht behoben:

Unternehmen erhalten einen besonderen Schutz vor Veröffentlichungen, der sonst im Zivilrecht oder Strafrecht nicht existiert. Menschen wie Daniel Ellsberg, Edward Snowden oder Chelsea Manning legen Verstösse im nationalen Sicherheitsbereich, Bundesnachrichtendienst usw. offen. Sie dürfen nicht vom Whistleblowerschutz ausgeschlossen werden. Im Übrigen müssen auch Whistleblower geschützt werden, die Missstände offenlegen, die keine Rechtsverstösse sind.


1. Whistleblower

Whistleblower sind Menschen, die unternehmensinterne Missstände bekannt macht. Eine Person ist auch ein whistleblower, die Missstände der öffentlichen Einrichtung, in der sie arbeitet, bekannt macht.

Edward Snowden war ein Whistleblower. Er gab Informationen an den Guardian-Journalisten Glenn Greenwald über streng geheime US-amerikanische und britische Programmen weiter, die der Überwachung der weltweiten Internetkommunikation dienten und zu denen er als Systemadministrator Zugang hatte. Er bekam für seinen Dienst an der Öffentlichkeit zahlreiche Preise, darunter den Right Livelihood Award (Alternativer Nobelpreis), den Whistleblower Preis der Vereinigung deutscher Wissenschaftler und die Carl-von-Ossietzky-Medaille der Liga für Menschenrechte. In den USA wird er per Haftbefehl gesucht.

Daniell Ellsberg war ein Whistleblower. Er kopierte als Mitarbeiter im Verteidigungsministerium die so genannten Pentagon Papiere. Diese Papiere zeigten, dass bereits Vorbereitungen für einen Krieg gegen Vietnam  getroffen worden waren, als US-Präsident Johnson noch behauptete, nicht in Vietnam intervenieren zu wollen. Die Papiere zeigten auch, dass der Krieg trotz steigender amerikanischer Verluste weiter geführt werden sollte, um Vietnam auszubluten. Die New York Times begann 1971, sie abzudrucken. US-Präsident Nixon verbot die weitere Veröffentlichung. Dieses Veröffentlichungsverbot wurde vom obersten Gerichtshof der USA aufgehoben. Das Geheimhaltungsinteresse des Staates müsse im Zweifelsfall hinter den Interessen der Öffentlichkeit und der Pressefreiheit zurückstehen.

Katharin Gun gab an den Observer eine E-Mail der NASA vom 31. Januar 2003 weiter, in der britische Agenten aufgefordert wurden, den UN-Sicherheitsrat auszuspionieren, um eine Rechtfertigung für den Irak-Krieg zu finden. Diese E-Mail und weitere Recherchen veröffentlichte der Observer am 2. März 2003. Am 5. Februar 2003 hielt Colin Powell seine Rede, mit der den Sturz Saddam Husseins und den Krieg im März 2003 rechtfertige: Saddam Hussein verfüge über Massenvernichtungswaffen. Diese Behauptung war falsch gewesen, wie Powell im Jahr 2005 in einem Interview enräumte, weiterlesen hier.

Chelsea Manning war eine Whistleblower. Sie übergab Material an Wikileaks weiter, darunter ein dienstlich aufgenommenes Bord-Video, das die gezielte Tötung von mindestens sieben Zivilpersonen durch die Besatzung eines US-Kampfhubschraubers am 12.07.2007 im Irak zeigt (https://collateralmurder.wikileaks.org). Chelsea Manning hatte zu diesem Material Zugang als Nachrichtendienstanalytikerin der US-Army

Miroslav Strecker war ein Whistleblower. Ihm wird als LKW-Fahrer bekannt, dass die Wertfleich GmbH Wurst- und Fleischfabrik Fleischabfälle zu Dönerfleisch verarbeitet und gibt das an die Gewerbeaufsicht weiter. Der Bundesminister für Landwirtschaft und Forsten, Horst Seehofer, ehrt ihn 2007 mit der „Goldenen Plakette“ für Zivilcourage. Strecker wird krank wegen eines Rückenleidens. Nachdem er wieder gesund ist, erhält er die Kündigung. Jetzt arbeitet er als Busfahrer (https://www.anstageslicht.de/menschen-dahinter/miroslav-strecker/).     

Brigitte Heinisch war ein Whistleblower. Sie bekam als einzige Nichtakademikerin den Whistleblower-Preis der Vereinigug deutscher Wissenschaftler. Wegen schwerer Pflegemängel in einem Altenpflegeheim von Vivantes, in dem sie als Altenpflegerin arbeitet, erstattete sie Strafanzeige gegen ihre eigene Arbeitgeberin, die Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH. Brigitte Heinisch wird krank, auch wegen der Belastungen in diesem Konflikt. Der Kern ihrer Kritik: Personalmangel führte zu schweren Pflegemängeln. Vivantes kündigt ihr zunächst wegen ihrer Krankheit, dann erneut, fristlos, wegen des „Verdachts der Initiierung eines Flugblattes“, in dem gegen die unhaltbaren Zustände in dem Pflegeheim und ihre erste Kündigung protestiert wurde. Brigitte Heinisch klagt gegen diese Kündigungen. In der ersten Instanz gewinnt sie, weil das Flugblatt durch die Meinungsfreiheit geschützt ist. In der zweiten Instanz verliert sie wegen der Strafanzeige, die sie erstattet hatte. Erst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wertet diese Strafanzeige als rechtmäßig. Die Kündigung war eine Verletzung der  Meinungsäußerungsfreiheit, auf die sich Brigitte Heinisch bei ihrer Strafanzeige berufen konnte (Beschwerde Nr. 28274/08 Heinisch ./. Deutschland unter: https://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-108773).

Romana Knezevic ist Whistleblower. Sie arbeitet als Krankenpflegerin in der Asklepios-Klinik St. Georg in Hamburg, ist dort Mitglied des Betriebsrates und seit Jahren in der Bewegung für ein besseres Gesundheitswesen aktiv. Sie hatte im Fernsehen den Personalmangel in der Intensivstation der Asklepios-Klinik St. Georg kritisiert. Daraufhin forderte die Klinik die Zustimmung des Betriebsrates zur Kündigung von Ramona Knezevic. Der Betriebsrat lehnte ab. Die Klinik zog vor das Arbeitsgericht, um sich dort die Zustimmung ersetzen zu lassen, die der Betriebsrat verweigerte. Ramona Knezevic kämpfte zusammen mit dem Betriebsrat gegen ihre Kündigung und erfuhr große Zustimmung. Das war etwas ganz Besonderes, weil es häufig der Geschäftsleitung gelingt, die Kolleginnen und Kollegen gegen Whistleblower aufzubringen, so dass sie von ihren Kolleginnen und Kollegen gemieden werden. Das entschiedene Handeln von Ramona Knezevic zusammen mit der Unterstützung durch ihre Kolleginnen und Kollegen führten zu einer Solidaritätsbewegung über die Pflegekräfte hinaus: Hört auf die Beschäftigten! Diese Kraft war so wirksam, dass die Asklepios-Klinik St. Georg den Antrag beim Arbeitsgericht zurükzog.[2]https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/hamburg_journal/index.html

2. Whistleblower oder Unternehmen schützen?

Die Meinungsäußerungsfreiheit von Whistleblowern ist deswegen so bedeutsam, weil sie die Warnung vor drohenden Gefahren ermöglicht, denen die Allgemeinheit sonst schutzlos ausgeliefert wäre; niemand anderes weiß davon oder wir erfahren das erst, wenn es zu spät ist.

Doch die Machtmittel der Unternehmen und des Staates sind groß, Whistleblowing zu unterbinden. Denn das Arbeitsverhältnis ist ein Herrschaftsverhältnis. Ein Unternehmer muss nicht einmal zur Kündigung greifen, um seine Beschäftigten davon abzuhalten, Missstände im Betrieb oder Büro extern anzuzeigen oder öffentlich zu machen. Der Arbeitgeber hat über sein Direktionsrecht zahlreiche andere Möglichkeit, Druck auszuüben. Schikanen, Mobbing, Zuweisung schlechter Arbeit, Versetzung – alles das sind Repressalien, die die Arbeit auf Dauer unerträglich machen können.  

So werden die privaten Betriebe und Büros zu einer Blackbox.

Der ehemalige Richter beim Bundesverfassungsgericht Dr. Jürgen Kühling beschrieb die Situation von Whistleblowern 1999 so: “Das Recht schützt – auch bei uns – die dunklen Geheimnisse der Mächtige. Wer rechtswidrige oder gemeinschädliche Handlungen staatlicher Stellen oder seines Arbeitgebers offen legt, verletzt regelmäßig Verschwiegenheitspflichten und setzt sich Maßregelungen aus … Im Arbeitsrecht gibt es kein allgemein anerkanntes gesetzliches Maßregelungsverbot für ‘Whistleblower’. Der strafrechtliche Schutz von Staats-, Amts- und Geschäftsgeheimnissenreicht weit und kennt ebenfalls keine generelle Ausnahme für rechtswidrige oder gemeinschädliche Tatsachen. Auch das gesellschaftliche Umfeld des Whistleblowers steht gewöhnlich nicht auf seiner Seite. Sein Verhalten wird als Verrat eingestuft, gilt als illoyal. Ein tief verwurzelter Ethos der Gefolgstreue überlagert die Grundsätze einer aufgeklärten Ethik, die sein Verhalten gutheißt. Zustimmung erfährt er, wenn überhaupt, gewöhnlich von weit her. … Von Freunden gemieden, vom Recht verfolgt – das ist das gewöhnlich Schicksal dessen, der sich im Interesse von Frieden, Umwelt oder anderen höchstrangigen Rechtsgütern zum Bruch der Verschwiegenheit entschließt … Das darf nicht so bleiben. Wer überragende Gemeinschaftsbelange, Überlebensinteressen der Menschheit über seine beruflichen oder allgemeinen Loyalitätsbindungen stellt, darf nicht zum Verfolgten werden. Das Recht muss auf seiner Seite stehen”[3]Geleitwort von Dr. Jürgen Kühling zur Verleihung des Whistelblowerpreises 1999 an Alexander Nikitin.

So ist es im Wesentlichen bis heute geblieben. Das Wichtigste, was ein Whistelblower braucht, ist die Solidarität. Aber auch “das Recht muss auf seiner Seite stehen”. Erster Schritte sind die Verabschiedung des Geschäftsgeheimnisgesetzes und der Whistelbower-Richtlinie der EU. Aber das reicht nicht.

Den ganzen Beitrag hier lesen:


Angenommen Edward Snowden hätte eine weitere Person in seine Pläne eingeweiht und diese Person hätte Edward Snowden’s Offenlegungspläne vorzeitig an einen Vorgesetzen der NSA weiter gegeben, wen würden Sie als Denunziant bezeichnen, Edward Snowden oder die Person, die Edward Snowdens Pläne an Vorgesetzte der NSA weiter gibt? Wen würde die NSA als Denunzianten bezeichen?

Den ganzen Beitrag hier lesen:


Whistleblower können betriebliche Missstände intern oder extern melden oder sie können diese Missstände öffentlich machen (offenlegen). Im Folgenden kurzgefasst die individuellen Rechte von Whistleblowern nach der Whistleblowing Richtlinie der EU 2019/1937.

I. Interne Meldung

Eine interne Meldung ist eine Meldung, die nicht den Betrieb bzw. das Unternehmen verlässt.

  • Schon jetzt eröffnet zum Beispiel das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) die Möglichkeit der internen Beschwerde bei allen Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit.
  • Die Artikel 8 und 9 der EU-Richtlinie 2018/0106 zum Whistleblowerschutz verpflichten bei mehr als 50 Beschäftigten zur Einrichtung einer internen Stelle zur Meldung von Verstößen gegen EU-Recht und regeln das Verfahren für diese interne Meldungen und die Folgemaßnahmen.

II. Externe Meldung

Eine externe Meldung ist eine Meldung an die zuständigen Behörden, wie z.B. den Medizinischen Dienst der Krankenkassen, die Heimaufsicht, die Lebensmittelkontrollen oder die Gewerbeaufsichtsämter.

Die EU-Richtlinie 2018/0106 verlangt in jedem Fall, dass Vertraulichkeit gewährleistet wird. Es wird darauf ankommen, dass beide Regelungen – freie Wahl interner oder externer Meldung und Vertraulichkeit – bei der Umsetzung in deutsches Recht nicht aufgegeben oder verwässert werden.

III. Offenlegung regelmäßig letztes Mittel

Eine Offenlegung ist die Mitteilung eines betrieblichen Missstandes an die Öffentlichkeit, also Presse, Funk und Fernsehen. Nach der Rechtsprechung des EGfMR ist die Offenlegung das letzte Mittel zur Beseitigung von Missständen und die Whistleblowing-Richtlinie (EU) 2019/1937 verlangt: Regelmäßig erst interne und externe Meldung oder nur externe Meldung, dann Offenlegung[4]https://eur-lex.europa.eu/eli/dir/2019/1937/oj?locale=de. Nur in Ausnahme darf ohne vorherige interne oder externe Meldung die Öffentlichkeit informiert werden. Wenn die Öffentlichkeit informiert wird, ist besonders sorgfältigdie Richtigkeit der Angaben zu prüfen, die an die Öffentlichkeit gegeben werden.

Hinweis: Eine Offenlegung (Öffentlichmachung) sollte nur unter Zuhilfenahme eines Anwalts erfolgen.

Das ist das größte Problem aller bisherigen Bemühungen. einen besseren gesetzlichen Schutz für Whistleblower durchzusetzen: Das, was am meisten Druck auf das Kapital und den Staat erzeugt, Missstände im Büro oder Betrieb zu vermeiden, ist zugleich das, was am stärksten eingehegt wird: Die Öffentlichmachung dieser Missstände in Presse, Funk und Fernsehen.

Eine ausführliche Darstellung der Whistleblower Rechte weiterlesen hier:


Im Folgenden seien sechs Punkte genannt, die bei der Umsetzung der EU-Verordnung in deutsches Recht beachtet und das Whistelblower-Recht verbessern sollten:  

1. Forderung: Veröffentlichung von Rechtsverstößen vorbehaltslos ermöglichen

Eine Weitergabe von unternehmensinternen Rechtsverstößen an Journalisten und die Veröffentlichung in Presse, Funk und Fernsehen darf nicht  regelmäßig nur unter Vorbehalt erlaubt sein. Zur Voraussetzung darf also nicht gemacht werden, dass eine unternehmensinterne Meldung oder eine externe Meldung bei einer  zuständigen Behörde keinen Erfolg hatte[5]Abs. 1 a)  Art. 15 EU-Richtlinie.

Das Recht des Whistelblowing muss so gefasst sein, dass „bei allen Äußerungen von Beschäftigten, die nicht leichtfertig und nicht wider besseres Wissen erfolgen sowie eine das öffentliche Interesse wesentlich berührende Frage betreffen, eine gesetzliche Vermutung für den Vorrang der Meinungsäußerungsfreiheit vor anderen rechtlich geschützten Interessen spricht“ [6]D. Deiseroth, Neue Vorgaben für die deutschen Gerichte aus Straßburg? Der Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit von Beschäftigten nach Art.10 EMRK, in: ZRFC 2/12 S.66-71, S.71; siehe auch … Continue reading

Die effektivste Möglichkeit der Bekämpfung von Missständen und Rechtsverstößen in Unternehmen ist ihre Veröffentlichung.

2. Forderung: Freie Wahl zwischen interner und externer Meldung beibehalten 

3. Forderung: Anonymisierung

4. Forderung: Allgemeiner Schutz des Whistleblowing, auch bei wesentlichen Sicherheitsinteressen und Verschlusssachen

5. Forderung: Bei Strafanzeigen nur dann kein Schutz, wenn wissentlich oder leichtfertig falsche Angaben gemacht werden 

6. Forderung: Schutz nicht nur bei der Bekanntmachung von Rechtsverstößen

Zu den Forderungen im Einzelnen weiterlesen hier:

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Siehe auch FAQ zur Whistleblower-Richtlinie der EU im Whistlebower-Netzwerk


Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte im Fall Halet v. Luxembourg (no. 21884/18) einen ermutigenden Schritt zugunsten des öffentlichen Whistleblowings getan. Ein Kammer-Urteil wurde der Großen Kammer zur Überprüfung und Entscheidung vorgelegt.
Am 14. Febraur 2023 hat die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) entschieden: Sie hat das Urteil der Vorinstanzen revidiert und Raphaël Halet eine Entschädigung zugesprochen.

Whistleblower-Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 16.2.2021 für Menschenrechte (EGMR Nr. 23922/19 Gawlik ./. Liechtenstein)

Der deutsche Arzt Dr. Gawlik klagte, weil ihm im Jahr 2014 sein Arbeitgeber, das Landesspital Liechtensteins, gekündigt hatte. Dr. Gawlik hatte den Chefarzt des Landesspitals bei der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Euthanasie angezeigt. Deswegen wurde ihm fristlos gekündigt. Die Gerichte Liechtensteins billigten die Kündigung.

Auch wenn er sich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nicht durchsetzen konnte und auch die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte den Fall nicht noch einmal überprüfen wollte, warf Dr. Gawlik wichtige Fragen auf, die gelöst werden müssen. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bedarf in folgenden Fragen einer dringenden Korrektur:

  • Was kann von einem Beschäftigten verlangt werden, der gegen seinen Chef Strafanzeige wegen des Verdachts der Tötung stellt?
  • Darf einem Menschen gekündigt werden, weil er bei der Staatsanwaltschaft den Verdacht einer schweren Straftat seines Chefs anzeigt, dazu auch wahre Tatsachen hinterlegt, aber nicht weiter ermittelt?
  • Verdienen Unternehmer oder Arbeitgeber einen größeren Schutz vor Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft als alle anderen Personen?
  • Was ist wichtiger: Das Ansehen einer Klinik oder die Sorge um das Leben der Patientinnen und Patienten?

Im deutschen Recht wird die Entscheidung Gawlik ./. Liechtenstein voraussichtlich keine Auswirkungen haben. Dr. Gawlik hat aber dazu beigetragen, dass sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte diesen Fragen auf Dauer nicht wird entziehen können.

Ein sehr gutes Portrait von Dr. Gawlik kann gelesen werden in: Katharina Kutsche, Süddeutsche Zeitung vom 1. Juli 2021 „Der Arzt, der seinen Chef verdächtigt“: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/whistleblower-kriminalitaet-sterbehilfe-1.5337099?reduced=true

Weiterlesen hier

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References

References
1 https://www.whistleblower-net.de/online-magazin/2023/09/26/beschwerde-bei-der-europaeischen-kommission-gegen-hinweisgeberschutzgesetz/
2 https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/hamburg_journal/index.html
3 Geleitwort von Dr. Jürgen Kühling zur Verleihung des Whistelblowerpreises 1999 an Alexander Nikitin
4 https://eur-lex.europa.eu/eli/dir/2019/1937/oj?locale=de
5 Abs. 1 a)  Art. 15 EU-Richtlinie
6 D. Deiseroth, Neue Vorgaben für die deutschen Gerichte aus Straßburg? Der Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit von Beschäftigten nach Art.10 EMRK, in: ZRFC 2/12 S.66-71, S.71; siehe auch Annegret Falter „Wistleblowerschutz in Deutschland vor der gesetzlichen Regelung“ Festschrift Zöpel