Am Rande des NATO-Gipfels wurde am 10. Juli 2024 folgende
„Gemeinsame Erklärung der Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland zur Stationierung weitreichender Waffensysteme in Deutschland“
veröffentlicht:
„Die Vereinigten Staaten von Amerika werden, beginnend 2026, als Teil der Planung zu deren künftiger dauerhafter Stationierung, zeitweilig weitreichende Waffensysteme ihrer Multi-Domain Task Force in Deutschland stationieren.
Diese konventionellen Einheiten werden bei voller Entwicklung SM-6, Tomahawks und derzeit in Entwicklung befindliche hypersonische Waffen umfassen. Diese werden über deutlich größere Reichweite als die derzeitigen landgestützten Systeme in Europa verfügen.
Die Beübung dieser fortgeschrittenen Fähigkeiten verdeutlicht die Verpflichtung der Vereinigten Staaten von Amerika zur NATO sowie ihren Beitrag zur integrierten europäischen Abschreckung.“[1]https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975226/2298418/3505cf65bba4144bfb2c076c953b2d05/2024-07-10-gemeinsame-erklaerung-usa-ger-nato-gipfel-data.pdf?download=1 ; auf diese gemeinsame Erklärung … Continue reading
Was treibt die deutsche Bundesregierung dazu, ein solches Risiko einzugehen?
Die gemeinsame Erklärung Deutschlands und der USA spricht von „konventionellen“, also nicht atomaren Einheiten.
In der Tagesschau vom 10. Juli wurde ergänzend mitgeteilt: „Mit „Tomahawks“ können Ziele in deutlich mehr als 2.000 Kilometer Reichweite getroffen werden. Die Marschflugkörper sind wie auch das deutsche Waffensystem „Taurus“ in der Lage, im Tiefflug in gegnerisches Gebiet einzudringen und wichtige Ziele zu zerstören. Dazu können Kommandostellen, Bunker und Radaranlagen gehören. Dabei werden die Marschflugkörper von Schiffen oder U-Booten eingesetzt, während der „Taurus“ von Flugzeugen aus gestartet wird. Die USA hatten solche Waffen mit großer Reichweite zuletzt in den 1990er-Jahren in Deutschland stationiert.“[2]https://www.tagesschau.de/ausland/europa/usa-nato-marschflugkoerper-100.html
Bei den „hypersonischen Waffen“ handelt es sich um die Long-Range Hypersonic Weapon (LRHW) “Dark Eagle” mit „einer Reichweite von 2.750 km und der fünffachen Schallgeschwindigkeit“[3]Junge Welt vom 12. Juli 2024; siehe https://www.jungewelt.de/artikel/479233.neue-us-waffen-in-deutschland-zur%C3%BCck-im-kalten-krieg.html; abgerufen am 12.07.2025 um 08:07 Uhr
Moskau ist 1.500 km entfernt. Diese Waffen können also tief nach Russland eindringen. Es geht damit um US-amerikanische Waffen auf dem Boden Deutschlands, die auch umgekehrt ein Ziel Russlands in Deutschland bilden. Es geht um Waffen auf deutschem Boden in einem militärischen Konflikt zwischen den USA und Russland.
Einen Tag später erklärt Kriegsminister Pistorius: „Mit der geplanten Stationierung „holen wir das nach, was wir als Fähigkeitslücke beschreiben“. Pistorius fügt hinzu: „Wir sind aufgefordert, diese Systeme selber zu entwickeln“. Dazu habe er mit einigen europäischen Partnern eine Absichtserklärung unterschrieben.[4]https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/pistorius-usa-raketen-stationierung-deutschland-100.html ; abgerufen am 11.07.2024 um 23:12 Uhr. Die Partner sind Frankreich, Italien und Polen[5]Junge Welt vom 12. Juli 2024; siehe https://www.jungewelt.de/artikel/479233.neue-us-waffen-in-deutschland-zur%C3%BCck-im-kalten-krieg.html; abgerufen am 12.07.2025 um 08:07 Uhr. Sie wollen gemeinsam bodengestützte Marschflugkörper mit einer Reichweite von über 500 km entwickeln[6]Junge Welt vom 12. Juli 2024; siehe https://www.jungewelt.de/artikel/479233.neue-us-waffen-in-deutschland-zur%C3%BCck-im-kalten-krieg.html; abgerufen am 12.07.2025 um 08:07 Uhr
Ob mit weitreichenden Waffen der USA oder Deutschlands – in jedem Fall geht es um Deutschland als Schauplatz eines Krieges mit Russland.
Nach Jürgen Wagner, Geschäftsführender Vorstand der Informationsstelle Militarisierung (IMI), stellt sich die Frage, ob die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen von langer Hand geplant worden sei: „Hinweise darauf finden sich in der Vorgeschichte der Entscheidung zu einer Stationierung: Der russisch-amerikanischen INF-Vertrag (Intermediate Range Nuclear Forces), der die Herstellung und Stationierung landgestützter Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite 500 bis 5500 km seit 1987 verhindert hatte, war 2019 von den USA gekündigt worden. Jedoch hatten die Vereinigten Staaten nach offiziellen Informationen aus Militärkreisen schon vor dem Ende des INF-Vertrags mit der Entwicklung neuer Mittelstreckenraketen begonnen. Eine erste Multi Domain Task Force (MDTF) wurden zu Testzwecken bereits 2017 in Wiesbaden aufgestellt und 2021 das 56. Artilleriekommando wieder in Dienst gestellt, welches früher für die Pershing-Raketen zuständig war und künftig die Einsätze der neuen Mittelstreckenraketen in Deutschland verantworten soll. Dennoch stritten die Regierungen der USA und Deutschlands lange vehement ab, dass eine Stationierung von Mittelstreckenwaffen geplant sei. Am 10. Juli 2024 kündigten die USA und Deutschland gemeinsam die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen ab 2026 an. Dies erfolgte ohne jede parlamentarische oder öffentliche Debatte und irritierte viele Beobachter. Waffensysteme wie „Dark Eagle”, “Tomahawk” oder “Taurus” werden von Russland nicht ohne Grund als massive Bedrohung (“Messer an der Kehle”) wahrgenommen.“[7]siehe IMI v. 12. Juli 2024, https://www.imi-online.de/2024/07/12/gefahr-einer-weiteren-eskalation-mit-russland/ Die vollständige Analyse kann auf der Internetseite des Informationsstelle Militarisierung (IMI) unter www.imi-online.de gelesen und kostenlos heruntergeladen werden.[8]Zur Kündigung des INF-Vertrag am 2. Februar 2019 durch die USA siehe auch: Jürgen Wagner IMI-Analyse 2019/25
General Gansel weist in einem Kommentar vor allem auch auf die atomaren Gefahren hin, die die Stationierung der Hyperschallwaffen erhöht, weil die USA mit dieser Stationierung eine Erstschlags-Option erlangen, das heißt, sie könnten die Atomwaffen vernichten, die auf dem westlichen Teil Russlands stehen, und gleichzeitig glauben, einen Zweitschlag Russlands nicht befürchten zu müssen, weil sie alle russischen Atomraketen zumindestens im westlichen Teil Russlands zerstört haben. Die USA könnten die Illusion haben, damit die Doktrin ausgehebeln zu können: „Wer zuerst schießt, stirbt als zweiter.“[9]Übrigens: Die Mittelstreckenraketen („Cruise Missiles“) vom Typ Tomahawk können mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden. Die “Cruise Missiles” vom Typ Tomahawk, deren … Continue reading
Was treibt die Bundesregierung dazu, ein solches Risiko einzugehen? Die Antwort: Deutschland will seine Rolle als wirtschaftliche und militärische Führungsmacht in Europa im Windschatten der USA festigen. Ich sehe das als kein erstrebenswertes Ziel. Die Gefahren wachsen ins Unermessliche.
Der Ton gegen China verschärft sich
Die Konfrontation mit der VR China verschärft sich. Die NATO tut in ihrer Erklärung vom 10. Juli 2024 so, als ginge der verschärfte Konfrontationskurs von China aus. Wer nur aufmerksam die Zeitung liest, weiß dass dies nicht richtig ist. Was sollen die zunehmenden Militärmanöver der NATO vor der VR China? Was soll die Aufrüstung von Taiwan? Was sollen die zunehmenden Sanktionen gegen den Export chinesischer Waren? Die USA wollen die weltweite Fühungsmacht bleiben.
In der Erklärung der NATO vom 10. Juli 2024 heißt es: „… Die erklärten Ambitionen der Volksrepublik China (VRC) und ihre Zwangspolitik stellen weiterhin eine Herausforderung für unsere Interessen, Sicherheit und Werte dar. …“[10]Erklärung unter Nr. 4; siehe homepage der NATO: https://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_227678.htm; abgerufen am 11. Juli 2024 um 23:44 Uhr „Die Volksrepublik China ist durch ihre sogenannte „No Limits“-Partnerschaft und ihre umfangreiche Unterstützung der russischen Rüstungsindustrie zu einem entscheidenden Ermöglicher von Russlands Krieg gegen die Ukraine geworden. Dies erhöht die Bedrohung, die Russland für seine Nachbarn und für die euro-atlantische Sicherheit darstellt. Wir fordern die VR China als ständiges Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, das eine besondere Verantwortung für die Einhaltung der Ziele und Grundsätze der UN-Charta trägt, auf, jegliche materielle und politische Unterstützung für Russlands Kriegsanstrengungen einzustellen. Dazu gehört auch der Transfer von Dual-Use-Materialien wie Waffenkomponenten, Ausrüstung und Rohstoffen, die als Vorleistungen für den russischen Verteidigungssektor dienen. Die VR China kann den größten Krieg in Europa in der jüngeren Geschichte nicht ermöglichen, ohne dass sich dies negativ auf ihre Interessen und ihren Ruf auswirkt.“[11]NATO-Erklärung unter Nr. 26 und Nr. 4; siehe homepage der NATO: https://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_227678.htm; abgerufen am 11. Juli 2024 um 23:44 Uhr Dieser letzte Satz kann als eine Drohung der NATO gegen China gelesen werden. Die Tageszeitung „Junge Welt“ weist zu Recht daraufhin, dass China zwar Russlands Kriegsführung in der Ukraine nicht ausdrücklich verurteilt hat, dass China aber selbst seine Position als „neutral“ bezeichnet und auch so durch entsprechende Voten in der UNO gehandelt hat und betont hat, dass die territoriale Integrität der Ukraine gewahrt bleiben müsse[12]Junge Welt vom 12. Juli 2024; siehe https://www.jungewelt.de/artikel/479233.neue-us-waffen-in-deutschland-zur%C3%BCck-im-kalten-krieg.html; abgerufen am 12.07.2025 um 08:07 Uhr
Die NATO: „Die VR China stellt weiterhin eine systemische Herausforderung für die euro-atlantische Sicherheit dar. …. Wir sind besorgt über die Entwicklungen bei den Weltraumfähigkeiten und -aktivitäten der VR China. Wir fordern die VR China auf, die internationalen Bemühungen zur Förderung eines verantwortungsvollen Verhaltens im Weltraum zu unterstützen. Die Volksrepublik China baut ihr Atomwaffenarsenal weiterhin rasch aus und diversifiziert es mit mehr Sprengköpfen und einer größeren Zahl hochentwickelter Trägersysteme.“[13]NATO-Erklärung unter Nr. 27; siehe homepage der NATO: https://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_227678.htm; abgerufen am 11. Juli 2024 um 23:44 Uhr Die NATO und die USA haben immer noch weit höhere Rüstungsausgaben als China und Russland. Die NATO und die USA wollen ihre militärische Überlegenheit aufrechterhalten. Sie sind besorgt, weil sie fürchten, ihre Überlegenheit zu verlieren.
Die Doomsday Clock: Es ist 90 Sekunden vor 12
Auf der Weltuntergangsuhr (auch: “Atomkriegsuhr“, “Doomsday Clock” oder “Uhr des Jüngsten Gerichts“) stehen die Zeiger seit dem 24. Januar 2023 auf 90 Sekunden vor Zwölf. So nah stand die Menschheit nach Ansicht der verantwortlichen Wissenschaftler noch nie vor ihrem Untergang.
Seit 2020 stand die Weltuntergangsuhr auf 100 Sekunden vor 12. Mit dem neuerlichen Fortschreiten um 10 Sekunden bringt das Bulletin Board der Atomwissenschaftler die prekäre Lage der Weltbevölkerung zum Ausdruck, die vor allem mit dem Ukrainekrieg, aber auch mit der sich zuspitzenden Klimakrise begründet wurde.
Ankündigung des Bulletin Boards der Atomwissenschaftler im Januar 2023 in Washington D.C.:
Zur Petition gegen atomare Bedrohung
Siehe auch die Petition: Gegen die atomare Bedrohung
References
↑1 | https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975226/2298418/3505cf65bba4144bfb2c076c953b2d05/2024-07-10-gemeinsame-erklaerung-usa-ger-nato-gipfel-data.pdf?download=1 ; auf diese gemeinsame Erklärung im Wortlaut wird in der Tagesschau hingewiesen: https://www.tagesschau.de/ausland/europa/usa-nato-marschflugkoerper-100.html |
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↑2 | https://www.tagesschau.de/ausland/europa/usa-nato-marschflugkoerper-100.html |
↑3, ↑5, ↑6, ↑12 | Junge Welt vom 12. Juli 2024; siehe https://www.jungewelt.de/artikel/479233.neue-us-waffen-in-deutschland-zur%C3%BCck-im-kalten-krieg.html; abgerufen am 12.07.2025 um 08:07 Uhr |
↑4 | https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/pistorius-usa-raketen-stationierung-deutschland-100.html ; abgerufen am 11.07.2024 um 23:12 Uhr |
↑7 | siehe IMI v. 12. Juli 2024, https://www.imi-online.de/2024/07/12/gefahr-einer-weiteren-eskalation-mit-russland/ |
↑8 | Zur Kündigung des INF-Vertrag am 2. Februar 2019 durch die USA siehe auch: Jürgen Wagner IMI-Analyse 2019/25 |
↑9 | Übrigens: Die Mittelstreckenraketen („Cruise Missiles“) vom Typ Tomahawk können mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden. Die “Cruise Missiles” vom Typ Tomahawk, deren Stationierung in Westdeutschland gegen massenhaften Protest 1983 vom Bundestag beschlossen wurde, trugen Atomsprengköpfe. Dazu damals der Journalist Fritz Pleitgen: „Der amerikanischen Rüstungsindustrie kam die Entscheidung der NATO nicht ungelegen. Sie hatte das passende Gerät auf Lager, um die Raktenlücke in Westeuropa optimal zu schließen. Es wurde ein ertragreiches Geschäft. Denn die NATO deckte sich mit 108 Pershing II Rakten und 464 Cruise Missiles vom Typ Tomahawk ein, alle bestückt mit Atomsprengköpfen mit verheerender Wirkung.“(Fritz Pleitgen „Die Friedenbewegung“ in: Fritz Pleitgen, Michael Schischkin „Frieden oder Krieg: Russland und der Westen – eine Annäherung“; siehe https://books.google.de/books?id=GsF1DwAAQBAJ&pg=PT100&lpg=PT100&dq=K%C3%B6nnen+Tamhawks+mit+Atomsprengk%C3%B6pfen+best%C3%BCckt+werden?&source=bl&ots=OzTfW2Ti19&sig=ACfU3U0fYVEFSVS-i6SFxagX_htH8lp6OA&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwitw77lhqCHAxVPg_0HHdFtAkgQ6AF6BAgQEAM#v=onepage&q=K%C3%B6nnen%20Tamhawks%20mit%20Atomsprengk%C3%B6pfen%20best%C3%BCckt%20werden%3F&f=false).“Generell gelten Mittestreckenrakten als besonders destabilisierend, weil ihre kurzen Flugzeiten eine Reaktion binnen weniger Minuten erforderlich machen. Wenn die Seite, die sich als Ziel eines nuklearen Angriffs sieht, verhindern will, dass ihr Atomarsenal durch einen gegnerischen Erstschlag zerstört wird, muss sie ihre Raketen vorher starten. Das birgt das Risiko von Fehleinschätzungen, wie sich im kalten Krieg gezeigt hat.“(Süddeutsche Zeitung vom 12. Juni 2024, Seite 6). Es gibt jetzt schon Atomwaffen in Büchel, die auf einen Einsatz gegen Russland gerichtet sind. |
↑10 | Erklärung unter Nr. 4; siehe homepage der NATO: https://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_227678.htm; abgerufen am 11. Juli 2024 um 23:44 Uhr |
↑11 | NATO-Erklärung unter Nr. 26 und Nr. 4; siehe homepage der NATO: https://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_227678.htm; abgerufen am 11. Juli 2024 um 23:44 Uhr |
↑13 | NATO-Erklärung unter Nr. 27; siehe homepage der NATO: https://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_227678.htm; abgerufen am 11. Juli 2024 um 23:44 Uhr |