Ergänzung: Erinnerungsfest für Winfried
Die Linke verliert einen wichtigen Ideengeber und Aktivisten Winfried Wolf ist am 22. Mai im Alter von 74 Jahren seiner Krebserkrankung erlegen. Die gesamte Linke verliert einen profilierten antikapitalistischen Ökonomen und Verkehrsexperten, der einen reichen Schatz an Büchern, Artikeln und praktischem Wirken hinterlässt. Winnie war ein 68er und in den 1970ern Mitglied der Gruppe Internationaler Marxisten (GIM), der deutschen Sektion des sich auf Trotzki berufenden Vereinigten Sekretariats der Vierten Internationale, später dann in der VSP (Vereinigten Sozialistischen Partei, Zusammenschluss der GIM mit der KPD/ML) und von 1994 bis 2002 Bundestagsabgeordneter der PDS. Als junger Mann selbst ein Autonarr, hat er sich zu einem leidenschaftlichen Kämpfer gegen die so genannte „Autogesellschaft“ und für einen Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs und Bahn-Experten entwickelt. Winnie war Herausgeber vieler Zeitungen und Zeitschriften, so unter anderem der “Zeitung gegen den Krieg”, die im April zum 53. Mal erschienen war und der Ökonomie-Zeitschrift lunapark21 Mitte der Nuller Jahre habe ich Winnie persönlich kennengelernt. Damals unterstützte er die Berliner WASG (Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit), die in Berlin eine klare Haltung gegen Regierungsbeteiligungen mit pro-kapitalistischen Parteien eingenommen hatte. Das war der Anfang einer politischen und freundschaftlichen Zusammenarbeit. Wir haben an verschiedenen Zeitungsprojekten (Streikzeitung in Solidarität mit den GDL Streiks, Faktencheck Europa und Faktencheck Corona) zusammen gearbeitet, die von ihm initiiert wurden und mit denen er einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung und zur linken Debatte leistete. Dabei habe ich sein unglaubliches Tempo beim Schreiben von Texten, seine hohen journalistischen Ansprüche und seinen Sinn für Genauigkeit kennen und schätzen gelernt (und manchmal auch verflucht…). Winnie hat auch immer wieder Gastbeiträge für die “Solidarität” und den Manifest-Verlag verfasst und war Redner bei den Sozialismustagen. Winnie war ein leidenschaftlicher Analytiker, Autor, Zeitungsmacher und Aktivist. Er hat unzähligen Linken Argumente und Analysen geliefert in seinen vielen Büchern, ob zur Ökonomie, Ökologie oder zur Geschichte und zeitgenössischen Ereignissen wie der Solidarnosc-Bewegung in Polen oder den Ursachen des Ersten Weltkriegs. Er war Anti-Stuttgart-21-Aktivist der ersten Stunde und regelmäßiger Redner bei den dortigen Montagsdemonstrationen und vielen anderen Protesten. Er gehörte zu den Linken, die sich weiter entwickelten, ohne ihre Prinzipien aufzugeben. Nicht zuletzt seine konsequent internationalistische Haltung, die sich unter anderem bzgl. des Ukraine-Krieges zeigte, hat uns verbunden. Nicht immer waren wir einer Meinung und oftmals zogen wir aus ähnlichen Analysen unterschiedliche programmatische Schlussfolgerungen, ob in der Frage der Griechenland Krise oder dem Kampf gegen die Corona-Pandemie. Aber mit Winnie konnte man diese Unterschiede debattieren und weiter an dem arbeiten, wo man sich einig war. Mit Winfried Wolf geht ein Großer und ein Guter. Wir werden ihn in unseren Gedanken und Herzen bewahren und den Kampf für eine gerechtere Welt jenseits des Kapitalismus, den er sein Leben lang geführt hat, fortsetzen. Unsere Anteilnahme gehen an Andrea und seine geliebte Tochter Paola und alle seine Genoss*innen und Freund*innen.
Das Original ist erschienen am 24.5.2023 bei “Solidarität Info” : Nachruf: Winfried Wolf (1949 – 2023).
Der Autor Sascha Staničić ist Bundessprecher von SoL (Sozialistische Organisation Solidarität). Wir danken für die Publikationsrechte.
Foto: Ingo Müller, 22.04.2019
Die SAV veranstaltete am 31.10.2019 eine Diskussion mit Winfried Wolf zum Thema;
“Umweltgerechte Verkehrspolitik vs Kapitalismus”
Ergänzung: Erinnerungsfest für Winfried, 15.07.2023
„Gestern besuchte ich das Erinnerungsfest für den vor einigen Wochen verstorbenen Genossen Winfried Wolf in Stuttgart. Es war ein würdige Ehrung eines außergewöhnlichen Menschen. Danke an Tom Adler , Volker Lösch und alle anderen, die das möglich gemacht haben. Es war traurig, schön, lustig. Ich habe mich gefreut Mitstreiterinnen und Mitstreiter für eine bessere Gesellschaft wieder zu treffen, die ich lange nicht gesehen hatte und neue kennen zu lernen. Und vor allem habe ich mich gefreut, Winnies Tochter Paola nach vielen Jahren wieder zu sehen und neu kennen zu lernen. Er war nicht nur ein toller Genosse, sondern wohl auch ein toller Vater. Paola sucht ein WG Zimmer oder eine Wohnung in Berlin. So wie ihr Vater scheint sie einen ausgeprägten Optimismus zu haben, dass man das scheinbar Unmögliche möglich machen kann.“
Text und Foto: Sascha Staničić