Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte 2020 einen Gastbeitrag in der Zeitung der VVN-BdA antifa veröffentlicht. Es ging um die Briefe, Faxe und Mails, die mit „NSU 2.0“ unterschrieben waren. Nancy Faeser selbst hatte zwei dieser Briefe bekommen. Damals war sie Vorsitzende der Hessischen SPD und Fraktionsvorsitzender der SPD im Hessischen Landtag. Der Beitrag von Nancy Faeser kann hier nachgelesen werden.
Wegen dieses Gastbeitrages in der antifa nahm Anfang Februar 2022 das Sprachrohr der neuen Rechten, die Junge Freiheit, die häufig genug auch Rechtsextremen eine Bühne bietet, die Bundesinnenministerin aufs Korn. Die Springerpresse griff das auf, Politiker der AfD und CDU folgten. Begründet wurde die Kampagne damit, dass der bayrische Verfassungschutz die VVN-BdA im Jahr 2020 wie in den Jahren zuvor als „extremistisch beeinflusst“ eingestuft hatte (Bayrischer Verfassungsschutzbericht 2020, Seite 258) . Kaum erwähnt wurde, dass das Finanzamt Berlin, das für die Bundesvereinigung VVN-BdA zuständig ist und der VVN-BdA wegen dieser Einstufung im Jahr 2019 die Gemeinnützigkeit entzogen hatte, diese Aberkennung im Jahr 2021 wieder rückgängig machte. Nach der Abgabenordnung wird einem Verein die Gemeinnützigkeit entzogen, wenn er vom Verfassungsschutz auch nur eines Landes als „extremistisch“ eingestuft wird und er das gegenüber dem zuständigen Finanzamt nicht widerlegen kann (§ 51 Absatz 3 Satz 2 Abgabenordnung). Offensichtlich waren für das Berliner Finanzamt für Körperschaftssteuern diese Voraussetzungen nach der Abgabenordnung nicht erfüllt.
Anders das bayrische Finanzamt: Es erkennt die Gemeinnützigkeit des bayrischen Landesverband der VVN-BdA immer noch nicht an. Der Bayrische Laandesverband klagte dagegen, hatte aber vor dem Finanzgericht München keinen Erfolg. Nach einem Bericht der VVN-BdA Landesverband Bayer ließ aber das Finanzgericht München die Revision zu. Die nächste Runde des Rechtsstreits wird also demnächst vor Bundesfinanzhof ausgetragen werden.
Die Auseinandersetzung um die Gemeinnützigkeit der VVN-BdA und jetzt die Kampagne gegen die Bundesinnenministerin zeigen schlaggartig, dass der tief verwurzelte Antikommunismus, der über Jahrzehnte in der Bundesrepublik gepflegt wurde, noch längst nicht der Geschichte angehört.
Diese schlimme Tradition spiegelt sich in der Abgabenordnung unmittelbar wieder. Sie verwendet explizit den Begriff Extremismus und stellt sich damit in eine Tradition, die die antifaschistische Prägung des Grundgesetzes leugnet. Die Forderungen zur notwendigen Änderung der Abgabenordnung können hier nachgelesen werden.
Es muss endlich eine Diskussion darüber geführt werden, wie mit diesen unseeligen Traditionen gebrochen werden kann. Die VVN-BdA ist die älteste antifaschistische Organisation der Bundesrepublik und vereinigt Menschen unterschiedlichster Parteizugehörigkeit und verschiedener Weltanschauungen. Alle einigt das Ziel: „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“ Wieso kann ein Verfassungsschutz in seinem Verfassungsschutzbericht 2020 (Seite 258) unwahr über die VVN-BdA behaupten: „Vielmehr werden alle nicht marxistischen Systeme – also auch die parlamentarische Demokratie – als potenziell faschistisch, zumindest aber als eine Vorstufe zum Faschismus betrachtet, die es zu bekämpfen gilt“?
Nicht die VVN-BdA gehört beobachtet und auf den Prüfstand, sondern eine Behörde, die die älteste antifaschistische Organisation als „extremistisch beeinflusst“ einstuft, und Gerichte und eine Politik, die das stützen. Wie soll auf dieser Basis einem Rechtsblock begegnet werden, wie er sich exemplarisch gegen die Inneministerin Nancy Faeser von der „Jungen Freiheit“ bis zur Springer Presse, von der AfD bis zur CDU formierte?
Der Bundesverband der VVN-BdA nahm mit diesen Worten Stellung: „Es ist ein Skandal, dass Menschen über lange Zeiträume von einem NSU 2.0 bedroht werden, dessen Hintergründe bis weit in die hessische Polizei reichen und dessen Aufklärung bis heute von der hessischen Landesregierung hintertrieben wird. Es ist mehr als selbstverständlich für uns, den Betroffenen rechter Morddrohungen beizustehen und Öffentlichkeit für das Thema herzustellen. Die aktuelle Kampagne gegen Frau Faeser vonseiten rechter Medien verurteilen wir und schätzen es nur als weiteren Versuch ein, diejenigen einzuschüchtern, die sich gegen rechte Bedrohungen, Faschismus und Rassismus aussprechen.“
Nancy Faeser erklärte: „Ich habe immer klare Kante gegen Rechtsextremismus und alle Feinde der offenen Gesellschaft gezeigt – und werde das auch weiterhin tun.“ Wir wünschen uns, dass Nancy Faeser konsequent bleibt.