Ich möchte später einmal sagen können: „Ich bin aufgestanden gegen die, auf die wir noch am ersten Einfluss nehmen konnten und die den Krieg hätten beenden können, aber Öl ins Feuer gegossen haben“.
Wir demonstrieren für den Frieden. Aber reicht das? Mit dieser Forderung bewegen wir uns keinen Millimeter auf ein Ende des Krieges zu. Denn alle behaupten, für den Frieden zu sein, die Bundesregierung, die NATO, Russland, die USA und die Ukraine. Aber es wird trotzdem Krieg geführt.
Inhaltsverzeichnis:
2. Was fordern, um den Krieg zu beenden?
1. Konkret Position beziehen!
Wenn es konkret wird, ist die Einheit für den Frieden vorbei. Russland will auf keinen Fall, dass die Ukraine Mitglied der NATO wird. Die NATO hat dagegen noch im Jahr 2021 eine Mitgliedschaft der Ukraine in einem Beschluss des NATO-Rats ausdrücklich nicht ausgeschlossen[1]Klaus von Dohnanyi „Nationale Interessen. Orientierung für deutsche und eurropäische Politik in Zeiten globaler Unruhen“ 3. Auflg., München 2022, S. 104.
Wer hat sich schon in Deutschland Gedanken oder gar Sorgen gemacht, weil die NATO die Tür für eine Mitgliedschaft der Ukraine immer offen gehalten hat?
‚Siegfrieden‘
Reinhard Veser kommentiert am 21. März in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) unter der Überschrift „Appeasement“: „Putins Regime bedroht auch uns. Wird es in diesem Krieg nicht geschlagen oder so geschwächt, dass es zu weiteren Aggessionen nicht mehr fähig ist, wird es in der Ukraine nicht mehr halt machen. Die Ukrainer kämpfen auch für unsere Freiheit“[2]Kommentar von Reinhard Veser FAZ vom 21. März 2022 Seite 1.
‚Siegfrieden‘ hieß dieses Ziel im Ersten Weltkrieg.
Unter Berufung auf die furchbaren Bilder aus Butscha bei Kiew, die in allen Zeitungen und schon am Tag vorher in den Nachrichten im Fernsehen gezeigt wurden, kommentiert Stefan Kornelius am 4. April in der Süddeutschen Zeitung: „Wer glaubt, die Ukraine könne mit Russland irgendwann einen Frieden schließen, und der Krieg würde dann enden, der sollte sich ehrlich machen: Niemand in der Ukraine wird einen Frieden schließen, diese Bilder aus Butscha werden den Krieg in eine neue Dimension katapultieren“[3]Stefan Kornelius in SZ 4.04.2022. Stefan Kornelius[4]https://de.wikipedia.org/wiki/Stefan_Kornelius ist Leiter des Ressorts Politik der SZ und Mitglied der Atlantik-Brücke[5]https://de.wikipedia.org/wiki/Atlantik-Br%C3%BCcke. Er schließt „irgendwann einen Frieden“ aus.
Putin wird wahlweise zu einem Faschisten oder Irren erklärt anstatt den Konflikt in der Ukraine einmal aus der Perspektive Russlands zu betrachten. Eine Politik, die zu diesem Perspektivwechsel auffordert, wird in der FAZ als „Appeasement“[6]Kommentar von Reinhard Veser FAZ vom 21. März 2022 Seite 1 bezeichnet und so mit einer Politik des britischen Premierminister Chamberlain, des französischen Premierministers Daladier und des Faschisten Benito Mussolini verglichen, die im Münchener Abkommens des Jahres 1938 Hitler nachgaben.
Manche fordern Flugverbotszonen oder wollen Friedenstruppen in die Ukraine schicken und nehmen in Kauf, dass die NATO unmittelbar in den Krieg mit Russland gezogen wird. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das immer vermieden. Man wollte eine Dritten Weltkrieg verhindern. Jetzt verstummen die Stimmen nicht, die darauf keine Rücksicht nehmen wollen.
Haben nicht zwei Weltkriege gereicht? Haben wir nichts daraus gelernt?
Atomraketen
Wir hoffen, dass niemals Atomraketen eingesetzt werden. Besser wäre es, wenn es unmöglich wäre, solche Raketen einzusetzen.
Wir alle wissen, dass US-Atomwaffen in Deutschland (Büchel/Eifel), in den Niederlanden, in Belgien, Italien und der Türkei gelagert und über die sogenannte „nukleare Teilhabe“, also zum Beispiel in Deutschland mit deutschen Piloten, eingesetzt werden können.
Die Stationierung amerikanischer Mittel- und Kurzstreckerakten in Rumänien wurde damit begründet, dass diese Raketen nur defensiven Charakter hätten und sich nicht gegen Russland, sondern gegen den Iran richteten. Glaubt denn jemand im Ernst diese Behauptung der USA? Einer der wichtigsten außenpolitischen Berater des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl, Horst Teltschick, fragt zu recht, warum der Iran ausgerechnet Rumänien mit Raketen angreifen sollte; das aber wäre die Voraussetzung, wenn die Raketen sich gegen den Iran richteten, wie die USA behauptet haben[7]siehe Rudi Rupp: Teil 1, Teil 2 und Teil 3; diese Beiträge von Rupp stammen aus dem Jahr 2018; am Ende meint Rupp, dass der INF Vertrag enorm gefährdet sei; 2019 haben die USA diesen Vertrag … Continue reading, um den defensiven Charakter der Raketen zu belegen. Nach den Angaben der NATO sind diese Raketen konventionell ausgestattet und schon insoweit genug gefährlich, aber sie können auch mit nuklearen Sprengköpfen ausgestattet werden[8]siehe Rudi Rupp: Teil 3; dieser Beitrag von Rupp stammt aus dem Jahr 2018; am Ende meint Rupp, dass der INF Vertrag enorm gefährdet sei; 2019 haben die USA diesen Vertrag gekündigt: zur … Continue reading.
Der INF-Vertrag, der atomare Mittelstreckenrakten mit einer Reichweite zwischen 500 und 5.000 km verbot, war auch ein später Erfolg der Friedensbewegung, die trotz einer großen Kampagne zunächst die Stationierung atomarer Kurz- und Mittelstreckenrakten nicht verhindern konnte. Doch 2019 kündigten die USA den INF Vertrag[9]zur Vertragskündigung hier lesen.
Ziele
Was wollen wir?
Wir waren gegen den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine. Und jetzt ist unser Ziel, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden. Jeder Tag, an dem der Krieg andauert, werden Menschen getötet, nimmt die Verrohung zu, vergiften Militarisierung und Nationalismus die gesamte Gesellschaft.
Einem raschen Kriegsende kommen wir nicht dadurch näher, dass wir den bedingungslosen Abzug der russischen Truppen fordern. Wer einen bedingungslosen Rückzug Russlands aus der Ukraine fordert, dem bleibt nur die militärische Lösung. Bedingungslose Kapitulation heißt ‚Siegfrieden‘. Das ist kein rasches Ende des Krieges.
Eine Bedingung Russlands wird sein, dass die NATO ihre „Politik der offenen Tür“ gegenüber der Ukraine beendet. Die russische Regierung will nicht, dass die NATO ihren Einfluss weiter bis zu den russischen Grenzen ausweitet.
Auch unser Ziel kann nicht die weitere Ausweitung der NATO sein. Denn die NATO ist kein Garant für Frieden und Freiheit.
Die Ukraine soll neutral sein, wie zum Beispiel Österreich, die Schweiz oder Irland.
Krieg beenden statt anheizen
„Deutschland kommt eine Schlüsselrolle zu“, heißt es in einer Erklärung ehemaliger Generale und Diplomaten vom Dezember 2021, die vor der Gefahr eines Krieges warnten.
Das Problem ist, dass die Bundesregierung diese Schlüsselrolle dazu nutzt, den Krieg anzuheizen, anstatt ihn zu beenden.
Die Bundesregierung will wirtschaftlich ihre Vormachtstellung im Rahmen der EU ausbauen. Sie will ein Deutschland, das – im Windschatten der USA – Europa vom Atlantik bis Odessa dominiert[10]siehe auch der Artikel einer Ukrainerin unter dem Titel „Ich bin Ukrainerin – und kann kein Blau-Gelb mehr sehen“ im Freitag 13/22. Militärisch sichert Deutschland diese Vormachtstellung in Europa unter dem Schirm der NATO ab. Diese imperialen Ziele Deutschlands sind nicht unsere Ziele.
Sollen wir zu den Waffenlieferungen der Bundesregierung schweigen?
Unterstützen wir, dass die Bundesregierung es zulässt, dass Söldner aus Deutschland in die Ukraine reisen, um sich dort an dem Krieg zu beteiligen?
Wollen wir wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland unterstützen, ein Wirtschaftskrieg, der nach den Worten der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock das Ziel hat, Russland zu „ruinieren“? Einige fordern einen noch schnelleren Ausstieg aus dem Import russischer Energie. Die Verhandlungen des Wirtschaftsministers Habeck (Bündnis 90/ DIE GRÜNE) mit dem Emirat Katar – kein Leuchtturm von Demokratie und Menschenrechten – haben gezeigt, dass es bei der Verringerung des Importanteils russischer fossiler Energie weder um die Menschenrechte noch um das Klima geht. Es geht um einen Wirtschaftskrieg gegen Russland. Wer das als Antwort auf die Invasion Russlands in die Ukraine befürwortet, sollte sich allerdings fragen, ob es nicht andere wirksamere Mittel gibt, den Krieg zu beenden, die der Bevölkerung in Russland und hier in Deutschland weniger Lasten aufbürdet.
Hier meine Antwort auf die Frage:
2. Was fordern, um den Krieg zu beenden?
Wir sollten unsere Forderungen an die richten, die in unserem Land die Politik bestimmen. Der Grund: Auf die Bundesregierung können wir zuallerst und am unmittelbarsten einwirken. Für deren Politik sind auch wir verantwortlich. Wir wiederholen aus der Erklärung ehemaliger Generale und Diplomaten vom Dezember 2021: „Deutschland kommt eine Schlüsselrolle zu“.
Am 6. April 2022 erklärte der Generalsekretär der NATO, Jens Stoltenberg „Dieser Krieg kann noch sehr lange dauern.“
Mit den massiven Aufrüstungen, die für die nächsten Jahren für die Bundeswehr beschlossen wurden, wird jedenfalls der gegenwärtige Krieg in der Ukraine nicht beendet.
Um diesen Krieg in der Ukraine jetzt zu beenden, müssen wir fordern:
- Kein Waffenexport aus Deutschland in die Ukraine!
- Keine Söldner in die Ukraine! Keine Anwerbung von Söldnern in Deutschland!
- Beendigung der verdeckten Beteiligung der NATO am Krieg in der Ukraine!
- Für eine neutrale Ukraine, die Ukraine niemals in die NATO!
- Waffen und Soldaten der verbündeten NATO-Länder raus den Ländern der NATO-Osterweiterung! Keine US-Raketenabwehrstellungen in Rumänien und Polen!
- Kurz- und Mittelstreckenrakten sollen weder die NATO noch Russland bedrohen können. Dies gilt für konventionelle und für Nuklearraketen. Schluss mit der „nuklearen Teilhabe“ Deutschlands, Italiens, der Niederlande, Belgiens und der Türkei!
Nun zu der wichtigen Frage: Warum würde der Krieg jetzt beendet, wenn diese Forderungen erfüllt werden?
Die Antwort: Weil das auch die Forderungen der russischen Regierung sind. Das sind die Forderungen, die die russische Regierung mit der NATO in einem Vertrag vereinbaren wollte. Der Vertrag wurde im Dezember an die NATO übersandt. Die NATO antwortete im Januar 2022. Sie lehnte bis auf ein paar Forderungen wie zum Beispiel die Installierung eines Telefon zwischen Russland und den USA alle substantiellen Verpflichtungen ab. Wenige Wochen später war der Krieg da.
Gerade bei diesen fünf Forderungen, die ganz wesentlich zu einem raschen Kriegsende beitragen können, herrscht Uneinigkeit in der Friedensbewegung und in den Gewerkschaften.
Viele zögern wohl deswegen, sich hinter diese Forderungen zu stellen, weil es auch Forderungen der russischen Regierung sind. Aber wenn unser Ziel klar ist – ein schnelles Kriegsende mit wenig Opfern – und wenn diese Forderungen diesem Ziel dienen, warum sollten wir uns nur deswegen nicht dafür einsetzen, weil sie auch von Russlands erhoben werden?
Die Ziele der Bundesregierung teilen wir jedenfalls nicht. Denn wenn die Bundesregierung den Abzug aller russischen Truppen aus der Ukraine fordert, dann fordert sie das ohne Verzicht der NATO auf ihre Politik der offenen Tür.
Die Bundesregierung darf den Krieg nicht weiter anheizen, sondern muss sich mit allen ihren Möglichkeiten für ein Ende des Krieges einsetzen.
Die Bundesregierung darf nicht weiter kritiklos der Politik der USA folgen. Der Krieg in der Ukraine ist eine deutliche Mahnung: Von den USA vorangetriebene Konflikte in Europa zerstören Europa, nicht die USA.
3. Aufrufe:
Appell für den Frieden:
Es gibt inzwischen zahlreiche offene Briefe und Aufrufe zum Krieg in der Ukraine. Doch dieser Appell richtet sein Augenmerk auf das, was den Krieg schnell beenden könnte. Darüber berichten die großen Zeitungen und Fernsehsender wenig. Aufrufe an Putin helfen da kaum weiter. Dieses Deutschland hat eine Verantwortung. Um diese Verantwortung geht es.
Unter den Erstunterzeichnerinnen und Erstunterzeichner sind nur wenige Prominente, aber viele Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter und viele Mitglieder der ältesten und größten antifaschistischen Organisation in Deutschland, der VVN-BdA. Wir wissen: Die Folgen des Krieges treffen nur selten die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft, aber immer uns, ob wir nun in der Ukraine, in Russland oder in Deutschland leben. Tausende zahlen das mit ihrem Leben. Immer haben wir die wirtschaftlichen Lasten zu tragen.
Der Appell beginnt so:
“Als Bundeskanzler Scholz am 27. Februar 2022 auf einer Sondersitzung des Bundestages einen Sonderfonds für die Bundeswehr im Umfang von 100 Milliarden Euro verkündete, erhoben sich die meisten Abgeordneten emotional bewegt von ihren Sitzen, brachen in Jubel aus und klatschten Beifall, als gälte es, einen großen Sieg zu feiern …” Hier den Appell für den Frieden lesen.
Hier weitere Aufrufe, für die derzeit Unterschriften gesammelt werden und die ich unterschrieben habe; denn sie gehen in Richtung Frieden und Abrüstung.
Zwei offene Briefe an den Bundeskanzler:
Beide offenen Briefe richten sich gegen die Waffenexport an die Ukraine. Einer dieser beiden offenen Briefe wurde von der Emnma-Reaktion auf den Weg gebracht und inzwischen von weit über 250.000 Menschen unterschrieben. Die beiden offenen Briefe hier lesen
Abrüsten statt aufrüsten:
Der Aufruf wird „Abrüsten statt aufrüsten“ von dem Netzwerk Friedenskooperative organisiert. Er richtet sich dagegen, dass die Rüstung auf 2 Prozent der wirtschaftlichen Leistung Deutschland (BIP) erhöhrt wird. Für den Aufruf werden seit mehreren Jahren Unterschriften gesammelt. Inzwischen unterstützen diesen Aufruf 180.000 Menschen. Er wird auch von den Gewerkschaften unterstützt …. weiterlesen hier …
Manifest gegen den Krieg
„Das Ungeheuerliche ist geschehen: Der Krieg ist endgültig in unseren Alltag in Europa zurückgekehrt. Derzeit werden die großen Städte in der Ukraine zu Schlachtfeldern. Friedliche Menschen werden von Granaten und Raketen zerfetzt oder unter den Trümmern ihrer Behausungen begraben …“ weiterlesen hier …
Bedeutsam sind die Forderungen in diesem Manifest: weiterlesen hier
Appell – Demokratie und Sozialstaat bewahren
Dieser Appell wird von sehr vielen Organisationen unterstützt; innerhalb weniger Tage haben ihn sehr viele Menschen unterschrieben
References
↑1 | Klaus von Dohnanyi „Nationale Interessen. Orientierung für deutsche und eurropäische Politik in Zeiten globaler Unruhen“ 3. Auflg., München 2022, S. 104 |
---|---|
↑2, ↑6 | Kommentar von Reinhard Veser FAZ vom 21. März 2022 Seite 1 |
↑3 | Stefan Kornelius in SZ 4.04.2022 |
↑4 | https://de.wikipedia.org/wiki/Stefan_Kornelius |
↑5 | https://de.wikipedia.org/wiki/Atlantik-Br%C3%BCcke |
↑7 | siehe Rudi Rupp: Teil 1, Teil 2 und Teil 3; diese Beiträge von Rupp stammen aus dem Jahr 2018; am Ende meint Rupp, dass der INF Vertrag enorm gefährdet sei; 2019 haben die USA diesen Vertrag gekündigt. |
↑8 | siehe Rudi Rupp: Teil 3; dieser Beitrag von Rupp stammt aus dem Jahr 2018; am Ende meint Rupp, dass der INF Vertrag enorm gefährdet sei; 2019 haben die USA diesen Vertrag gekündigt: zur Vertragskündigung hier lesen |
↑9 | zur Vertragskündigung hier lesen |
↑10 | siehe auch der Artikel einer Ukrainerin unter dem Titel „Ich bin Ukrainerin – und kann kein Blau-Gelb mehr sehen“ im Freitag 13/22 |