Gemeinsame Erklärung der G 20 im Jahr 2023

Es ist instruktiv, die Erklärungen der G 20 des Jahres 2022 und des Jahres 2023 miteinander zu vergleichen. Der Textabschnitt zum Krieg in der Ukraine enthielt im Jahr 2022 unter Bezugnahme auf die entsprechende UN-Resolution eine direkte Verurteilung Russlands:

Wir bekräftigten unsere nationalen Positionen, wie wir sie in anderen Foren zum Ausdruck gebracht haben, darunter im VN-Sicherheitsrat und in der VN-Generalversammlung, die in der Resolution ES-11/1 vom 2. März 2022, die mit einer Mehrheit (von 141 zu 5 Stimmen, bei 35 Enthaltungen und 12 Abwesenheiten) angenommen wurde, die Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine auf das Schärfste missbilligt und den vollständigen und bedingungslosen Abzug aus dem Hoheitsgebiet der Ukraine fordert.“ Dabei wurde 2022 anerkannt: „Es gab andere Sichtweisen und unterschiedliche Bewertungen der Situation und von Sanktionen.

In der Erklärung der G 20 des Jahres 2023 wird zwar – wie im Jahr 2022 – die UN-Resolution ES-11/1 bekäftigt. Eine ausdrücklich Verurteilung, bei der Russland namentlich genannt wird, findet sich aber in der Erklärung von 2023 nicht mehr.

Auch in der Erklärung der G 20 des Jahres 2023 findet sich der Satz: „Der Einsatz oder die Androhung von Atomwaffen ist unzulässig“.

Aufschlussreich ist, dass in der Erklärung der G 20 des Jahres 2023 gefordert wird, „die sofortige und ungehinderte Lieferung von Getreide, Lebensmittel und Düngemitteln aus der russischen Föderation und der Ukraine„. Dabei werden gewürdigt „die Bemühungen der Türkei und die von den Vereinten Nationen vermittelten Istanbuler Abkommen, bestehend aus der Vereinbarung zwischen der Russischen Föderartion und dem Sekretarial der Vereinten Nationen über die Förderung, russischer Lebensmittel und Düngemitteln auf den Weltmärkten.“ In der Berichterstattung unserer Leitmedien wird in der Regel Russland für die Nichtlieferung von „Getreide, Lebensmittel und Düngemitteln aus der russischen Föderation und der Ukraine“ verantwortlich gemacht (siehe auch unser Beitrag „Meister der Doppelmoral„).

Auch dem Deutschlandfunk am 9.9.2023 konnte man diese Verschiebungen in den Erklärungen der G 20 des Jahres 2022 und 2023 entnehmen.

Der Abschnitt, der sich in der Erklärung von 2023 mit dem Krieg in der Ukraine befasst hat folgenden Wortlaut:

Wir nehmen mit großer Sorge das unermessliche menschliche Leid und die negativen Auswirkungen von Kriegen und Konflikten in der ganzen Welt zur Kenntnis.

Was den Krieg in der Ukraine betrifft, so haben wir unter Hinweis auf die Diskussion in Bali unsere nationalen Standpunkte und die vom VN-Sicherheitsrat und der VN-Generalversammlung angenommenen Resolutionen (A/RES/ES-11/1 und A/RES/ES-11/6) bekräftigt und betont, dass alle Staaten in einer Weise handeln müssen, die mit den Zielen und Grundsätzen der gesamten VN-Charta im Einklang steht. Im Einklang mit der UN-Charta müssen sich alle Staaten der Androhung oder Anwendung von Gewalt zum Zwecke des Gebietserwerbs gegen die territoriale Integrität und Souveränität oder politische Unabhängigkeit eines Staates enthalten. Der Einsatz oder die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen ist unzulässig.

Wir bekräftigen, dass die G20 das wichtigste Forum für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit ist, und erkennen an, dass die G20 zwar nicht die Plattform für die Lösung geopolitischer und sicherheitspolitischer Fragen ist, dass diese Fragen jedoch erhebliche Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben können.

Wir haben das menschliche Leid und die negativen zusätzlichen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine im Hinblick auf die weltweite Nahrungsmittel- und Energiesicherheit, die Versorgungsketten, die makrofinanzielle Stabilität, die Inflation und das Wachstum hervorgehoben, was das politische Umfeld für die Länder erschwert hat, insbesondere für die Entwicklungsländer und die am wenigsten entwickelten Länder, die sich noch immer von der COVID-19-Pandemie und den wirtschaftlichen Störungen erholen, die die Fortschritte bei der Verwirklichung der SDGs zunichte gemacht haben. Es gab unterschiedliche Ansichten und Einschätzungen der Situation.

Wir würdigen die Bemühungen der Türkei und die von den Vereinten Nationen vermittelten Istanbuler Abkommen, bestehend aus der Vereinbarung zwischen der Russischen Föderation und dem Sekretariat der Vereinten Nationen über die Förderung russischer Lebensmittel und Düngemittel auf den Weltmärkten und der Initiative für den sicheren Transport von Getreide und Lebensmitteln aus ukrainischen Häfen (Schwarzmeer-Initiative), und fordern ihre vollständige, rechtzeitige und wirksame Umsetzung, um die sofortige und ungehinderte Lieferung von Getreide, Lebensmitteln und Düngemitteln aus der Russischen Föderation und der Ukraine sicherzustellen. Dies ist notwendig, um den Bedarf in den Entwicklungsländern und den am wenigsten entwickelten Ländern, insbesondere in Afrika, zu decken.

In diesem Zusammenhang haben wir die Bedeutung der Aufrechterhaltung der Nahrungsmittel- und Energiesicherheit betont und dazu aufgerufen, die militärische Zerstörung oder andere Angriffe auf die entsprechende Infrastruktur einzustellen. Wir haben auch unsere tiefe Besorgnis über die negativen Auswirkungen von Konflikten auf die Sicherheit der Zivilbevölkerung geäußert, die bestehende sozioökonomische Anfälligkeiten und Verwundbarkeiten verschärfen und eine wirksame humanitäre Reaktion behindern.

Wir rufen alle Staaten auf, die Grundsätze des Völkerrechts, einschließlich der territorialen Integrität und Souveränität, des humanitären Völkerrechts und des multilateralen Systems zur Sicherung von Frieden und Stabilität zu wahren. Die friedliche Beilegung von Konflikten und die Bemühungen um Krisenbewältigung sowie Diplomatie und Dialog sind von entscheidender Bedeutung. Wir werden uns gemeinsam darum bemühen, die negativen Auswirkungen des Krieges auf die Weltwirtschaft zu bekämpfen, und begrüßen alle relevanten und konstruktiven Initiativen, die einen umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine unterstützen, der alle Ziele und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen zur Förderung friedlicher, freundschaftlicher und gutnachbarschaftlicher Beziehungen zwischen den Nationen im Geiste von "Eine Erde, eine Familie, eine Zukunft" wahrt.

Die heutige Zeit darf nicht vom Krieg geprägt sein.

Die gesamte Abschlusserklärung kann auch auf den Seiten der Bundesregierung nachgelesen werden.

Die gesamte Abschlusserklärung im englischen Wortlaut [1]Der Text ist in englischer Fassung zu finden unter G20 Information Center: http://www.g20.utoronto.ca/2023/230909-declaration.html. Dabei kann der Abschnitt zur Ukraine hier nachgelesen werden.

References

References
1 Der Text ist in englischer Fassung zu finden unter G20 Information Center: http://www.g20.utoronto.ca/2023/230909-declaration.html

Faschismus

Im Kampf gegen den Faschismus kann immer noch der Schwur von Buchenwald Richtschnur sein: “Die Vernichtung des Nazismus ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel”. Es ist ein der wichtigen gegenwärtigen Aufgaben, herauszuarbeiten, was Faschismus ist. Dabei dürfen die historischen Erfahrungen nicht vergessen werden.

Wir beschäftigen uns ausführlich mit dem Begriff des “Extremismus” als Kampfbegriff gegen Linke und Demokraten. Die größte und älteste antifaschistische Organisation Deutschlands, die Vereinigung der Verfolgten des Nazregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA), die sich auf ihre Fahnen geschrieben hat: “Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!”, konnte sich erfolgreich gegen die Einstufung als extremistisch wehren. Die Junge Welt kämpft bis heute auch mit juristischen Mitteln gegen die Einstufung als linksextrem druch den Verfassungsschutz.

Auf dieser Unterseite sind unter anderem folgende Texte zu finden:

  • Gespräch mit Bärbel Schindler-Saefkow über Antifaschismus in der DDR
  • Im Grundgesetz finden sich viele Spuren von dem, was gleich nach dem Ende des 2. Weltkrieg Konsens war …
  • In Wort und Ton: Interview mit Esther Bejarano, 2015 NDR
  • Der Begriff “Extremismus” wird als Waffe gegen Kommunisten und Demokraten gebraucht.
  • Die Junge Welt wird dadurch bekämpft, dass sie vom Verfassungschutz als “extremistisch” eingestuft wird.

weiterlesen hier:

“In der Lampenschirmfabrik Paulus, Ritterstraße 16, mußte Hanni Meyer (1921-1943) als Jüdin Zwangsarbeit leisten. Sie verbreitete mit der jüdisch-kommunistischen Widerstandsgruppe um Herbert Baum antifaschistische Flugschriften. Am 4. März 1943 wurde Hanni Meyer im Alter von 22 Jahren in Berlin-Plötzensee hingerichtet.” Foto: Ingo Müller

Vor 40 Jahren: Der Mann, der die Welt rettete

Wie Oberst Petrow den Atomkrieg verhinderte

Die Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt“ ruft die Medien und die Friedensbewegung dazu auf, mit Berichten und Aktionen an Oberstleutnant Stanislaw Petrow zu erinnern, der die Welt vor 40 Jahren (am 26. September 1983) vor einem Atomkrieg bewahrte. Dem damaligen sowjetischen Offizier ist es zu verdanken, dass die atomare Befehlskette in Russland nicht gestartet wurde, obwohl sowjetische Frühwarnsatelliten der Kommandozentrale einen Angriff mit zunächst einer, dann insgesamt fünf US-Atomraketen auf die Sowjetunion meldeten. Der leitende Offizier Petrow interpretierte dies jedoch als Fehlalarm, da im Ernstfall mit viel mehr Raketenstarts gleichzeitig hätte gerechnet werden müssen.

Die damalige Lage war höchst angespannt: Die Stationierung von Pershing II-Raketen und Cruise Missiles in der Bundesrepublik stand unmittelbar bevor, und in den USA wurde über einen gewinnbaren Atomkrieg räsoniert. Die atomwaffenfrei-Kampagne macht darauf aufmerksam, dass wir aktuell wieder in einer Lage höchster Anspannung hinsichtlich eines möglichen Atomkrieges stehen. „Die Bundesregierung muss darauf drängen, dass die USA Russland und China neue Abrüstungsverhandlungen mit der Zielsetzung einer vollständigen nuklearen Abrüstung anbieten, wie es im Atomwaffensperrvertrag vereinbart wurde“, so Kampagnensprecher Martin Singe. Parallel dazu wiederholt die Kampagne ihre Aufforderung an die Bundesregierung, für den Abzug der US-Atombomben aus Büchel zu sorgen und dem Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten. „Ebenfalls gilt es, den Ukraine-Krieg schnellstmöglich durch Verhandlungen ohne Vorbedingungen zu beenden, um das sinnlose Töten und Sterben in der Ukraine zu stoppen und einer möglichen Eskalation bis hin zum Atomkrieg zuvorzukommen“, ergänzt Hildegard Slabik-Münter von der Friedensgruppe Daun.

Hinweis: Der Film „Der Mann, der die Welt rettete. Wie Oberst Petrow den Atomkrieg verhinderte“ ist in der arte-Mediathek noch bis zum 30.12.2023 verfügbar: https://www.arte.tv/de/videos/039911-000-A/der-mann-der-die-welt-rettete/.
 

Republik Vanuatu gegen Klimakatastrophe

Der Planet steht vor einer existenziellen Klimakrise.

Das Völkerrecht enthält bereits Verpflichtungen zur Vermeidung von Umweltschäden und zum Schutz der Menschenrechte. Wie können diese Verpflichtungen angewendet werden, um die notwendigen Klimaschutzmaßnahmen der Staaten zu verstärken?

Die Republik Vanuatu führte erfolgreich eine Koalition von 132 Nationen an, die ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in den Haag (Niederlande) forderte, um Klarheit darüber zu gewinnen, wie bestehende internationale Gesetze angewendet werden können, um Maßnahmen gegen den Klimawandel zu stärken, Menschen und Umwelt zu schützen und das Pariser Abkommen zu retten.

Vanuatu führt eine Kerngruppe von Nationen an die den Beschluss einschließlich der am Ende formulierten Fragen an den Internationalen Gerichtshf entwarfen. Herzlichen Glückwunsch an die Führer von Vanuatu, Antigua & Barbuda, Costa Rica, Sierra Leone, Angola, Deutschland, Mosambik, Liechtenstein, Samoa, Föderated States of Micronesia, Bangladesh, Marokko, Singapur, Uganda, Neuseeland, Vietnam, Rumänien und Portugal.

Die Klimaresolution an den IGH wurde am 29. März 2023 während der 77. Sitzung der UN-Generalversammlung im Konsens angenommen, in der sie den Internationalen Gerichtshof aufforderte, ein Gutachten über die Verpflichtungen der Staaten nach internationalem Recht vorzulegen, die Rechte heutiger und zukünftiger Generationen vor den negativen Auswirkungen des Klimawandels zu schützen.

Nun wird der Gerichtshof das erbetene Gerichtsverfahren einleiten.

Der Wortlaut der ANGENOMMENE RESOLUTION

Ersuchen um ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs zu den Verpflichtungen der Staaten in Bezug auf den Klimawandel

Die Generalversammlung,

[PP1] in der Erkenntnis, dass der Klimawandel eine beispiellose Herausforderung zivilisatorischen Ausmaßes darstellt und dass das Wohlergehen heutiger und künftiger Generationen der Menschheit davon abhängt, dass wir unverzüglich und dringend auf ihn reagieren,

[PP2] unter Hinweis auf seine Entschließung 77/165 vom 14. Dezember 2022 und alle seine anderen Entschließungen und Beschlüsse zum Schutz des Weltklimas für die heutigen und künftigen Generationen der Menschheit sowie auf seine Entschließung 76/300 vom 28. Juli 2022 über das Menschenrecht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt,

[PP2bis] ferner unter Hinweis auf seine Resolution 70/1 vom 21. Oktober 2015 mit dem Titel „Unsere Welt verändern: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“.

[PP3] ferner unter Hinweis auf die Resolution 50/9 des Menschenrechtsrats vom 7. Juli 2022 und alle früheren Resolutionen des Menschenrechtsrats zu Menschenrechten und Klimawandel sowie die Resolution 48/13 des Menschenrechtsrats vom 8. Oktober 2021 sowie auf die Notwendigkeit, die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rolle der Frau zu gewährleisten,

[PP4] unter Betonung der Bedeutung der Charta der Vereinten Nationen, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der Internationalen Pakte über bürgerliche und politische Rechte und über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen, des Wiener Übereinkommens zum Schutz der Ozonschicht, des Montrealer Protokolls über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt und des Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung neben anderen Übereinkünften sowie der einschlägigen Grundsätze und Verpflichtungen des Völkergewohnheitsrechts, einschließlich derjenigen, die in der Erklärung der Stockholmer Konferenz über die menschliche Umwelt und in der Erklärung von Rio über Umwelt und Entwicklung zum Ausdruck kommen, auf das Verhalten der Staaten im Laufe der Zeit in Bezug auf Tätigkeiten, die zu den Klimaänderungen und ihren nachteiligen Auswirkungen beitragen,

[PP5] unter Hinweis auf das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen, das Kyoto-Protokoll und das Übereinkommen von Paris als Ausdruck der Entschlossenheit, der Bedrohung durch die Klimaänderungen entschieden entgegenzutreten, mit der dringenden Aufforderung an alle Vertragsparteien, diese vollständig umzusetzen, und mit Besorgnis zur Kenntnis nehmend, dass eine beträchtliche Lücke klafft sowohl zwischen der Gesamtwirkung der derzeitigen national festgelegten Beiträge der Staaten als auch den Emissionsreduktionen, die erforderlich sind, um den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2°C über dem vorindustriellen Niveau zu halten und die Anstrengungen zur Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1. 5°C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, und zwischen dem derzeitigen Anpassungsniveau und dem Niveau, das erforderlich ist, um auf die nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels zu reagieren,

[PP6] ferner unter Hinweis darauf, dass das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen und das Übereinkommen von Paris so umgesetzt werden, dass sie der Gerechtigkeit und dem Grundsatz der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und jeweiligen Fähigkeiten im Lichte der unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten Rechnung tragen,

[PP7] mit der zutiefst besorgniserregenden Feststellung, dass die Treibhausgasemissionen weiter ansteigen, obwohl alle Länder, insbesondere die Entwicklungsländer, für die nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels anfällig sind und die Länder, die für die nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels besonders anfällig sind und erhebliche Kapazitätsengpässe haben, wie die am wenigsten entwickelten Länder und die kleinen Inselstaaten unter den Entwicklungsländern bereits eine Zunahme dieser Auswirkungen erleben, einschließlich anhaltender Dürren und extremer Wetterereignisse, Landverlust und -verschlechterung, Anstieg des Meeresspiegels, Küstenerosion, Versauerung der Ozeane und Rückzug der Gebirgsgletscher, was zur Vertreibung der Betroffenen führt und die Ernährungssicherheit, die Verfügbarkeit von Wasser und die Existenzgrundlagen sowie die Bemühungen zur Beseitigung der Armut in all ihren Formen und Dimensionen und zur Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung weiter gefährdet,

[PP8] mit größter Besorgnis Kenntnis nehmend von dem wissenschaftlichen Konsens, der unter anderem in den Berichten der Zwischenstaatlichen Sachverständigengruppe für Klimaänderungen zum Ausdruck kommt, dass die anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen eindeutig die Hauptursache für die seit Mitte des 20. Jahrhunderts beobachtete globale Erwärmung sind, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel, einschließlich häufigerer und intensiverer Extremereignisse, weitreichende nachteilige Auswirkungen und damit verbundene Verluste und Schäden für Natur und Menschen verursacht hat, die über die natürlichen Klimaschwankungen hinausgehen, und dass in allen Sektoren und Regionen die am stärksten gefährdeten Menschen und Systeme unverhältnismäßig stark betroffen sind,

[PP9] in der Erkenntnis, dass mit dem Anstieg der Temperaturen die Auswirkungen von Klima- und Wetterextremen sowie von langsam eintretenden Ereignissen eine immer größere soziale, kulturelle, wirtschaftliche und ökologische Bedrohung darstellen werden,

[PP10] unter Betonung der Dringlichkeit, die Maßnahmen und die Unterstützung, einschließlich der Finanzierung, des Aufbaus von Kapazitäten und des Technologietransfers, zu verstärken, um die Anpassungsfähigkeit zu verbessern und kooperative Ansätze für eine wirksame Reaktion auf die nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels sowie für die Abwendung, Minimierung und Bewältigung von Verlusten und Schäden im Zusammenhang mit diesen Auswirkungen in Entwicklungsländern, die für diese Auswirkungen besonders anfällig sind, umzusetzen

[PP11] in ernster Besorgnis darüber, dass das Ziel der Industrieländer, bis 2020 gemeinsam 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr im Zusammenhang mit sinnvollen Minderungsmaßnahmen und Transparenz bei der Umsetzung zu mobilisieren, noch nicht erreicht wurde, und mit der dringenden Aufforderung an die Industrieländer, das Ziel zu erreichen,

beschließt, in Übereinstimmung mit Artikel 96 der Charta der Vereinten Nationen den Internationalen Gerichtshof gemäß Artikel 65 der Satzung des Gerichtshofs um ein Gutachten zu folgender Frage zu ersuchen:

„Unter besonderer Berücksichtigung der Charta der Vereinten Nationen, des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen, des Übereinkommens von Paris, des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen, der Sorgfaltspflicht, der in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte anerkannten Rechte, des Grundsatzes der Verhütung erheblicher Umweltschäden und der Pflicht zum Schutz und zur Erhaltung der Meeresumwelt,
(1) Welche völkerrechtlichen Verpflichtungen haben die Staaten, um den Schutz des Klimasystems und anderer Teile der Umwelt vor anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen für die Staaten sowie für heutige und künftige Generationen zu gewährleisten?
(2) Welche Rechtsfolgen ergeben sich aus diesen Verpflichtungen für Staaten, wenn sie durch ihre Handlungen und Unterlassungen dem Klimasystem und anderen Teilen der Umwelt erheblichen Schaden zugefügt haben, und zwar in Bezug auf:
(a) Staaten, einschließlich insbesondere kleiner Inselentwicklungsstaaten, die aufgrund ihrer geographischen Lage und ihres Entwicklungsstandes durch die nachteiligen Auswirkungen der Klimaänderungen geschädigt oder besonders betroffen oder für sie besonders anfällig sind?
(b) Völker und Einzelpersonen der gegenwärtigen und künftigen Generationen, die von den nachteiligen Auswirkungen der Klimaänderungen betroffen sind?“

Atomkrieg

In den folgenden Beiträgen beschäftigen wir uns mit der Gefahr des Einsatzes von Atombomben.

Inhalt:


9. August 2024 IALANA: Chinas Initiativee zum Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen aufgreifen

Die IALANA veröffentlichte eine Erklärung, in der sie fordert, eine Initiative Chinas vom Juni diesen Jahres aufzugreifen. In dieser Initiative hatte China alle offziellen Atommächte aufgefordert, auf den Ersteinsatz von Atomwaffen zu verzichten

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Drei Fragen zum Angriff auf das russische Atomraketen-Frühwarnsystem: Oberst Reisner antwortet

26.Mai 2024. Ein mutmaßlicher ukrainischer Drohnenangriff gegen eine Radaranlage des russischen Atom-Frühwarnsystems, das anfliegende interkontinentale Atomraketen erkennen soll, hat angeblich schweren Schaden angerichtet. Das birgt laut Militärexperten Oberst Markus Reisner hochbrisanten Zündstoff für eine neuerliche, gefährliche Eskalation. Oberst Reisner beantwortet die drei Schlüsselfragen:

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IALANA: Atomwaffen für die Europäische Union – ein Verstoß gegen geltendes Rechts

Einige Politiker- und Expertenkreise haben im Vorfeld der Wahl des Europäischen Parlaments eine Diskussion um „Atomwaffen für die EU“ angestoßen. Was immer der Hintergrund dafür sein mag, IALANA betont, dass derartige Pläne. nicht nur moralisch fragwürdig sind, sondern auch geltendem Recht zuwiderlaufen.
Atomwaffen sind – wie vielfach in Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen betont – eine Bedrohung für die gesamte Menschheit und das friedliche Zusammenleben der Staaten. Ihr Einsatz ist mit unermesslichem Leid verbunden, läuft der UN-Charta zuwider und stellt ein Menschlichkeitsverbrechen dar.

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6. August – Hiroshima: Für eine Welt ohne Atomwaffen

Gedenken an den Atombombenabwurf auf Hiroshima im Jahr 2022 in Berlin

Jedes Jahr am 6. August, der Tag an dem die erste Atombombe auf Hiroshima abgeworfen wurde, findet in Berlin eine eindrucksvolle Gedenkfeier an der Weltfriedensglocke im Friedrichshainer Volkspark statt. Organisiert wird sie von der Friedensglockengesellschaft Berlin e.V., unter Mitwirkung von Organisationen aus der Friedensbewegung und vom Berliner Bezirk Friedrichshain Kreuzberg. Die Friedensglocke, gestiftet von der in Tokio ansässigen World Peace Bell Association, symbolisiert die Erinnerung an die Opfer der Bombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki sowie die Mahnung, dass solch ein Verbrechen nicht wieder geschieht.

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IALANA stellt sich am 75 Jahrestag der Menschenrechte gegen den Ruf nach Atomwaffen für Europa

Die Internationale der Juristen gegen den Atomkrieg (IALANA) hat am 75. Jahrestag dazu aufgerufen, den Vertrag über Nichweiterverbreitung von Atomwaffen zu stärken und dem Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten. Sie hat die jüngsten Erklärungen des ehemaligen Außenministers der GRÜNEN, Joseph Fischer, und des Historikers, Herfried Münkler, deutlich verurteilt. Im Folgenden die Erklärung der IALANA in vollem Wortlaut.

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Atomkrieg aus Versehen – wie groß ist die Gefahr heute?

Es gibt eine empfehlenswerte Homepage mit dem Titel „Atomkrieg aus Versehen“. Seit dem ersten Einsatz einer Atombombe in Hiroshima besteht die Angst vor einem Atomkrieg mit verheerenden Folgen. Dass es bisher nach Hiroshima und Nagasaki nicht zu weiteren Atomwaffeneinsätzen gekommen ist, wird insbesondere der Abschreckungsstrategie zugeschrieben, die von einer gesicherten gegenseitigen Vernichtung im Falle eines Angriffs ausgeht: „Wer als erster schießt, stirbt als zweiter.“ Trotz dieser Abschreckungsstrategie kann es aber zu einem Atomkrieg aus Versehen kommen. In der Vergangenheit gab es einige Situationen, in denen es nur durch großes Glück nicht zu einem Atomkrieg aus Versehen kam. Warum dieses Risiko besteht und in den nächsten Jahren und Jahrzehnten stark steigen wird, wird auf diesen Seiten beschrieben.

Zu dem Thema „Atomkrieg aus Versehen“ veröffentlichte die Morgenpost am 4. Oktober 2023 einen lesenwerten Artikel: „1983 wäre es durch einen Fehlalarm fast zu einer atomaren Eskalation gekommen. Stanislaw Petrow wusste damals: „Wenn ich jetzt einen Fehler machte, löse ich den Dritten Weltkrieg aus“. Experten halten solche Szenarien weiterhin für möglich. Er habe doch nur seine Arbeit gemacht, meinte der Offizier. Er habe damals einen Fehlalarm vermutet, weil er gelernt habe, dass die Amerikaner einen Atomkrieg gleich mit Hunderten Raketen starten würden, nicht mit vier oder fünf. Doch wenige Jahre vor seinem Tod 2017 erklärte Petrow, Lage und Strategie hätten sich geändert: Es sei inzwischen gut möglich, dass ein Gegner mit einzelnen Raketen zuerst zentrale Kommunikationsanlagen zerstöre, bevor der massive Angriff beginne. Heute in der gleichen Situation, sagte Petrow, „da würde ich mich anders verhalten“[1]siehe: Morgenpost vom 4. Oktober 2023; in der FAZ wird Petrow ebenfalls gefragt, ob erheute wieder so handeln würde und Petrow antwortet, dass er scih in der gleichen Situation anders verhalten … Continue reading. Weiterlesen


26. September 1983: Der Mann der die Welt rettete

„Kurz nach Mitternacht kündigt sich im Luftüberwachungsbunker Serpuchow-15 südlich von Moskau der Dritte Weltkrieg an. Stanislaw Petrow, Oberstleutnant der Sowjetarmee, hat sich gerade eine Tasse Tee gemacht. Als diensthabender Chef des Frühwarnzentrums blickt er von seinem Steuerpult im oberen Stock herunter auf den großen Saal mit 80 Offizieren und Computerspezialisten. An der Stirnwand hängt die große elektronische Weltkarte mit den Standorten feindlicher US-Raketen. Für die Soldaten hat bis eben Routine die Nacht vom 25. auf den 26. September 1983 bestimmt: „Wie immer kontrollierten wir das Satellitensystem“, erinnert sich Petrow später. Doch gegen 0.15 Uhr an diesem Montag wird vollkommen unerwartet Alarm ausgelöst.

Petrow: „Die ganze Festbeleuchtung ging an, die Sirenen heulten auf.“ In großen roten Buchstaben blinkt auf den Bildschirmen das Wort „Raketenstart“. Das Frühwarnsystem meldet den Aufstieg einer amerikanischen Interkontinentalrakete mit maximaler Wahrscheinlichkeit. Der 44-jährige Ingenieur hat einen klaren Auftrag: Er muss die Kommandozentrale informieren, sofort, damit die Führung rechtzeitig den atomaren Gegenangriff auslösen kann. Maximal 25 Minuten bleiben bis zum Einschlag der US-Rakete“[2]siehe: Morgenpost vom 4. Oktober 2023 .

Über Stanislaw Petrow, der die Welt rettete, und den Film dazu in der arte-Mediathek bis zum 31.12.2023 hier weiterlesen.


6. August: Jahrestag des Abwurfs der Atombombe auf Hiroshima

Text der Gedenktafeln:

HiroshimaNagasaki
Erinnerung und Mahnung
Am 06. August 1945, 8.15 Uhr, wurde über der dicht
besiedelten Stadt Hiroshima ein bis dahin unbekannter
Sprengsatz zur Explosion gebracht – die Atombombe.
Hiroshima:
Tote am Angriffstag 45.000
Folgeopfer bisher 91.000
Alljährlich wird im August an dieser Weltfriedensglocke
ein Bekenntnis für den Frieden abgelegt.
Berlin, dem 06.08.2005
Gestiftet von der Friedensglockengesellschaft Berlin e. V.
Erinnerung und Mahnung
Am 09. August 1945, 11.02 Uhr, wurde über der dicht besiedelten japanischen Stadt Nagasaki eine Atombombe gezündet.
Nagasaki:
Tote am Angriffstag 22.000
Folgeopfer bisher 56.000
Alljährlich wird im August an dieser Weltfriedensglocke ein
Bekenntnis für den Frieden abgelegt.
Berlin, dem 06.08.2005
Gestiftet von der Friedensglockengesellschaft Berlin e. V.

„Jedes Jahr am 6. August, der Tag an dem die erste Atombombe auf Hiroshima abgeworfen wurde, findet in Berlin eine eindrucksvolle Gedenkfeier an der Weltfriedensglocke im Friedrichshainer Volkspark statt. Organisiert wird sie von der Friedensglockengesellschaft Berlin e.V., unter Mitwirkung von Organisationen aus der Friedensbewegung und vom Berliner Bezirk Friedrichshain Kreuzberg. Die Friedensglocke, gestiftet von der in Tokio ansässigen World Peace Bell Association, symbolisiert die Erinnerung an die Opfer der Bombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki sowie die Mahnung, dass solch ein Verbrechen nicht wieder geschieht.“

Text von:  Werner Ruhoff; Foto: Ingo Müller, 06.08.2023

weiterlesen hier


Die Stationierung von Atomwaffen in Nicht-Atomwaffenländern

Vorbemerkung: Aus Anlass des 78. Jahrestages des Abwurfs der Atombombe auf Hiroshima durch die USA im Folgenden ein Artikel über die Stationierung von Atomwaffen in Nicht-Atomwaffenländern. Zu diesen Ländern gehört auch Deutschland. Der Artikel, der kürzlich im Bulletin of the Atomic Scientist veröffentlicht wurde, enthält einen Rückblick  auf die kontroversen Diskussionen der NPT-Vertragsstaaten (NPT = Non Proliferation Treaty = NVV = Nicht-Verbreitungs- Vertrag von Kernwaffen) , sowie auch einen Ausblick auf die bei der RevCon (RevCon = Konferenz zur Überprüfung des NVV) zu erwartenden weiteren Verhandlungen über eine weltweite Beendigung der Nuklearen Teilhabe.

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Die Informationsstelle für Militarisierung berichtete schon 2019, dass die USA die atomare Erstschlagfähigkeit erringen wollen.

Selenski drohte vor Beginn des Ukrainekrieges am 19. Februar auf der Münchener Sicherheitskonferenz, den Verzicht der Ukraine auf Atomwaffen zurückzunehmen.

Putin erklärte im September 2022 in seiner Rede zur Teilmobilisierung: “Sollte die Integrität unseres Landes bedroht werden, … werden wir nicht zögern, alle Mittel einzusetzen, die uns zur Verfügung stehen.”

Selenski forderte Anfang Oktober den atomaren Erstschlag der NATO gegen Russland.

Biden warnt vor einem “Armaggedon” und erklärt wenige Tage später, er rechne nicht mit einem Atomeinsatz durch Putin.

Russland warnte vor dem Einsatz einer schmutzigen Waffe durch die Ukraine.

Der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr Harald Kujat, der von 2000 bis 2005 Vorsitzender des NATO Militärausschusses war, warnt vor einer immer weiter gehenden Eskalation bis zum Nuklearkrieg.

Der AtomwaffenexperteTed Postol warnte schon im März 2022 in einem Interview: “Wenn wir es tun, sind wir alle tot”.

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References

References
1 siehe: Morgenpost vom 4. Oktober 2023; in der FAZ wird Petrow ebenfalls gefragt, ob erheute wieder so handeln würde und Petrow antwortet, dass er scih in der gleichen Situation anders verhalten würde, er begründet das so: „Abgesehen von der Weltlage hat sich auch die militärische Strategie geändert. Heute würde man wohl mit einzelnen Raketen zuerst die Kommunikationsanlagen des Gegners ausschalten und erst danach massiv zuschlagen.“ FAZ vom 18.02.2013: file:///C:/Users/Benedikt/Downloads/Offizier%20Petrow%20im%20Gespr%C3%A4ch_%20%E2%80%9EDer%20rote%20Knopf%20hat%20nie%20funktioniert%E2%80%9C.pdf
2 siehe: Morgenpost vom 4. Oktober 2023

Die USA liefern Streubomben – die Bundesregierung unterstützt das – Juristinnen und Juristen nehmen Stellung.

Die USA liefern Streumunition an die Ukraine. Die Bundesregierung unterstützt das. Dazu nahm die deutsche Sektion der IALANA am 26. Juli 2023 Stellung. Die IALANA ist die internationale Vereinigung der Juristinnen und Juristen gegen atomare Waffen. Hier die Stellungnahme der IALANA:

Der nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, hat am 8. Juli 2023 der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass US-Präsident Joe Biden trotz Bedenken und nach langem Zögern entschieden habe, die Ukraine durch Lieferung von Streumunition zu unterstützen. Die US-Regierung sei sich des Risikos bewusst, dass Zivilisten durch nicht explodierende Munition zu Schaden kommen. Es bestehe jedoch auch ein großes Risiko, wenn russisches Militär weiteres ukrainisches Staatsgebiet erobere und ukrainische Zivilisten unterwerfe. Zur Verteidigung brauche die Ukraine dringend weitere Artilleriemunition. Biden selbst betonte, der Schritt sei mit dem US-Kongress und den Verbündeten abgesprochen.

Streumunition ist durch das am 1. 8. 2010 in Kraft getretene Übereinkommen zum Verbot von Streumunition von zahlreichen Staaten völkerrechtlich geächtet. Dieser völkerrechtliche Vertrag hat inzwischen 111 Mitgliedsstaaten. Weitere 13 haben unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert. Die hauptsächlichen Erzeuger- und Verwender-Nationen USA, Russland, China und Israel gehören dem Vertragswerk nicht an. Die Ukraine zählt ebenfalls zu der Gruppe der Staaten, die diesem Übereinkommen nicht beigetreten ist. Weil eine einheitliche Staatenpraxis und auch die übereinstimmende Rechtsüberzeugung der Staaten fehlen, ist derzeit ausgeschlossen, dass das Übereinkommen zum Verbot von Streubomben zum Völkergewohnheitsrecht und damit für alle Staaten verbindlich geworden ist. Die Lieferung der Streumunition durch die USA in die Ukraine verstößt daher nicht gegen das Übereinkommen zum Verbot von Streumunition.

Trotzdem bleibt der Einsatz von Streumunition weiterhin sehr problematisch. In dem Gutachten vom 8. 7. 1996 hat der Internationale Gerichtshof (IGH) unter Ziffer 95 festgestellt, dass nach den Prinzipien und Regeln des für den bewaffneten Konflikt verbindlichen humanitären Völkerrechts Methoden und Mittel der Kriegsführung verboten sind, die jede Unterscheidung zwischen zivilen und militärischen Zielen ausschließen. Unter Ziffer 78 beschreibt der IGH dieses Prinzip als eins der „kardinalen Prinzipien“ des humanitären Völkerrechts, wonach Staaten „niemals Waffen einsetzen dürfen, die nicht zwischen zivilen und militärischen Zielen unterscheiden können.“ Das ist aber bei der Streumunition der Fall, weil sie einerseits beim Einsatz streut – also nicht präzise eingesetzt werden kann – und andererseits ein Teil der Submunition nicht explodiert, und somit zu Landminen wird, die nach Ende der Kampfhandlungen jahrelang eine erhebliche Gefahr für die Zivilbevölkerung darstellen. Diese Eigenschaften von Streumunition machen deren Einsatz in der Regel unverhältnismäßig.

Wenn die Bundesregierung – wie die Erklärung von US-Präsident Biden vermuten lässt – der Lieferung der Streumunition ausdrücklich zugestimmt hat, hätte Deutschland als Mitgliedsstaat gegen seine Staatenverpflichtung aus dem Übereinkommen zum Verbot von Streumunition verstoßen. Denn mit Art. 1 Abs. 1c des Übereinkommens hat sich Deutschland verpflichtet niemanden beim Transport oder Einsatz von Streubomben zu unterstützen. In der Zustimmung könnte nicht nur eine verbotene Unterstützung der USA, sondern auch die innerstaatlich strafbare Förderung der Lieferung nach §§ 18a, 20a des Kriegswaffenkontrollgesetzes (KWKG) liegen.

Schwerwiegender ist, wenn der Transport der Streumunition aus den USA über deutsches Staatsgebiet erfolgt. Das ist höchstwahrscheinlich der Fall, weil es sowohl beim Seetransport als auch auf dem Luftweg der kürzeste Weg wäre. In diesen Fällen könnten die USA die Streumunition nicht ohne ausdrückliche Zustimmung der Bundesregierung transportieren. Für ihre Transport-Flugzeuge benötigte sie Überfluggenehmigungen Deutschlands, für Zwischenlandungen auf US-Stützpunkten in Deutschland Lande- und Starterlaubnis. Diese Erlaubnis darf die Bundesregierung nicht erteilen, weil Deutschland sonst gegen seine Verpflichtungen aus dem Übereinkommen zum Verbot der Streumunition verstoßen würde. Werden die Genehmigungen erteilt, sind die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen, weil nach §§ 18a, 20a KWKG die Durchführung der Streumunition durch das Bundesgebiet strafrechtlich verboten ist.

Die Verbote nach dem humanitären Völkerrecht, nach dem Übereinkommen zum Verbot der Streumunition und nach §§ 18a, 20a KWKG verlieren ihre rechtliche Verbindlichkeit nicht durch den Verteidigungsstatus der Ukraine als völkerrechtwidrig angegriffener Staat. Der IGH hat in seinem Gutachten festgestellt, dass das Notwehrrecht nach Art. 51 UN-Charta eingeschränkt ist, „welche Mittel der Gewalt auch eingesetzt werden“. Verteidigen dürfen sich Staaten nur mit Waffen, welche die Prinzipien und Regeln des humanitären Völkerrechts erfüllen (Ziff. 42). Die Verteidigung mit unterschiedslos auch gegen Zivilisten wirkende Waffen ist wegen Verstoßes gegen das Menschenrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit in Verbindung mit dem humanitären Völkerrecht rechtswidrig. Somit verstoßen sowohl das angreifende Russland als auch die sich verteidigende Ukraine durch den Einsatz von Streumunition gegen das Völkerrecht.

Deutschland ist durch Art. 21 Abs. 2 des Übereinkommens zum Verbot von Streumunition verpflichtet, die Normen, die darin niedergelegt sind, zu fördern und sich nach besten Kräften zu bemühen, „Staaten, die nicht Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind, vom Einsatz von Streumunition abzubringen.“ Das bedeutet, dass die Bundesregierung völkerrechtlich verpflichtet ist, den USA bei der Lieferung und der Ukraine beim Einsatz von Streumunition „in den Arm zu fallen“.

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Deutschland faktisch und völkerrechtlich Kriegspartei

Aus der Stellungnahme der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen „Deutschland ist faktisch Kriegspartei“ ergibt sich, dass Deutschland auch völkerrechtlich Kriegspartei ist. Sevim Dagdelen stützt sich auf ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages (WD). Deutschland ist im Krieg und nur wenige scheint das zu beunruhigen. Wenn diese Beunruhigung existiert, ist sie jedenfalls nicht auf der Straße zu sehen. Hier die Stellungnahme von Sevim Dagdelen und hier das Gutachten des wissenschafltichen Dienstes.

„Whataboutism“ als Kampfbegriff

Wird der Krieg Russlands gegen die Ukraine als völkerrechtswidrig beschrieben, so wird die Gegenfrage “Und was ist mit dem völkerrechtswidrigen Krieg der USA gegen Irak?” als “Whataboutism” entwertet. Die Gegenfrage soll nicht zulässig sein, weil sie das Augenmerk auf einen anderen völkerrechtswidrigen Krieg richtet.

Wenn Gegenfragen wie “Und was ist mit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak?” oder “Und was ist mit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien?” in solcher Weise abqualifiziert werden, ist kein Raum mehr für ein Nachdenken, ob solche “Whataboutism” statt abzulenken nicht eher hinlenken, und zwar auf eine andere Wahrheit hinlenken, die sich hinter der Feststellung “Russlands Krieg ist völkerrechtswidrig” verbirgt.

Wörtlich übersetzt heißt “Whataboutism”: Und was ist mit …?

Es gibt Gründe für die Gegenfrage “Und was ist mit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak?” oder “Und was ist mit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Jugoslawien?” Denn hinter dieser Gegenfrage steckt eine weitere Frage: Wie kann ein Land einen völkerrechtswidrigen Krieg eines anderen Landes anprangern, wenn es selbst völkerrechtswidrige Kriege führt? Es sind die doppelten Standards, die mit der Gegenfrage angesprochen werden. Man kann die doppelten Standards auch einfach als Doppelmoral bezeichnen: Wenn die USA völkerrechtswidrige Krieg führen, ist das in Ordnung, wenn Russland einen völkerrechtswidrigen Krieg führt, ist das zu verurteilen.

Mit dem Einwand “Whataboutism” wird jedes Nachdenken darüber abgeschnitten. Die Gegenfrage “Und was ist mit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien?” wird einfach nur zurückgewiesen. Es wird gar nicht mehr darüber nachgedacht, warum diese Gegenfrage gestellt wird.

Hinter der Gegenfrage “Und was ist mit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Jugoslawien?” steckt auch die Frage: Wie ernst nehmen die USA und die Bundesregierung den Vorwurf der Völkerrechtswidrigkeit?

Es wird nicht mehr darüber nachgedacht, ob das Argument “Russlands Krieg ist völkerrechtswidrig” ein vorgeschobenes Argument sein könnte, vorgeschoben sowohl von den USA als auch von der Bundesregierung. Wenn ich sage, dass die USA endlos viele völkerrechtswidrige Kriege geführt haben, und wenn das als “Whataboutism” abgetan wird, dann ist es nicht mehr möglich, über die Frage nachzudenken: Warum hat eine deutsche Bundesregierung noch nie diese völkerrechtswidrigen Kriege der USA angeprangert und sich offen auf die Seite dieser völkerrechtswidrig angegriffenen Länder gestellt (Vietnam, Jugoslawien, Nicaragua usw.)? Warum tut sie das erst jetzt mit dem Ukrainekrieg? Warum hat die Bundesregierung im Jugoslawien-Krieg nicht Jugoslawien verteidigt, sondern Jugoslawien mitbombardiert?

Offensichtlich müssen andere Interessen als die Verteidigung des Völkerrechts den Ausschlag geben, wenn die Bundesregierung entscheidet, ob und auf welcher Seite sie sich an einem Krieg beteiligt. Und darauf kommt es an: Die Interessen zu erkennen, die ein Land dazu bewegen, einen Krieg zu rechtfertigen oder gar zu unterstützen.

“Whataboutism” als Einwand, Vorwurf und Kampfbegriff versperrt das Nachdenken über diese Interessen.

Zur Gefahr eines Dritten Weltkrieges

Auf Youtube kann eine Stellungnahme von Klaus von Dohnany zur gegenwärtigen deutschen Außenpolitik und zur Gefahr eines Dritten Weltkrieges angesehen werden. Er verweist auf eine aktuelle Warnung Henry Kissinger’s vor einem Dritten Weltkrieg (unten ab 52:56).

Die Gefahr eines Dritten Weltkrieges ergibt sich unter anderem aus der immer schärferen Konfrontationspolitik der USA gegenüber China. Der Ansatz ist Taiwan, das die USA massiv aufrüsten und gegen die Volksrepublik China in Stellung bringen. Es geht um die Ein-China-Politik Chinas, die die USA zunehmend in Frage stellen.

Nach der Ein-China-Politik sind Festland-China und Taiwan ein Land. „Taiwan heißt offiziell Republik China – im Unterschied zur kommunistischen Volksrepublik China. Das Land wird von den meisten Staaten nicht als souveräner Staat anerkannt – auch von Deutschland nicht. Es ist auch kein Mitglied der Vereinten Nationen. Dort ist die Volksrepublik China Mitglied …“[1]siehe DIE ZEIT v. 12.04.2023 Zunächst war allein Taiwan Mitglied der UNO und vertrat auch die Volksrepublik China in der UNO. Damals war also Taiwan Vertreterin dieser Ein-China-Politik. 1971 übernahm die Volksrepublik China diese Rolle. Bisher wird diese Ein-China-Politik von (fast) allen Staaten respektiert. China hat unmissverständlich erklärt, dass es ein Abweichen von dieser Ein-China Politik durch andere Staaten als ein Überschreiten einer roten Linie betrachtet und nicht hinnehmen werde.

Doch scheinen die USA mit Taiwan gegenüber China zu wiederholen, was sie schon mit der Ukraine gegenüber Russland gemacht haben. Taiwan wird massiv aufgerüstet. Vor China wird eine amerikanische Bastion aufgebaut und zugleich erklären die USA: “Wir wollen die alleinige Weltmacht bleiben und wir wollen nicht, dass China heranrückt an eine vergleichbare Weltmachtposition.”

Wie soll China unter diesen Umständen die Ein-China-Politik verteidigen? Xi Jinping muss sich fragen: “Soll ich warten, bis die Ein-China Politik nicht mehr verteidigt werden kann, weil Taiwan bis an die Zähne bewaffnet ist und sich dann selbstständig machen will?” Die Aufrüstung Taiwans durch die USA -Politik ist nichts anderes als die Vorbereitung eines Dritten Weltkrieges. Und ganz sicher werden die USA die Verantwortung dafür China zuschieben wie sie es auch gegenüber Russland gemacht haben.

Aufschlussreich ist die Position, die Macron in dieser Frage bei seinem Besuch mit von der Leyen in China eingenommen hat: „Die Frage, die wir als Europäer beantworten müssen, ist die Folgende: Liegt es in unserem Interesse, (eine Krise) bei Taiwan zu beschleunigen?“ Macron verneinte und warnte die Europäische Union vor dem Einfluss einer „US-Agenda“ und einer „chinesischen Überreaktion“. Damit fordert Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eine eigenständige Position der EU im Konflikt zwischen China und den USA zu Taiwan.[2]siehe DIE ZEIT v. 12.04.2023

Ebenso aufschlussreich sind die Reaktionen deutscher Politiker auf diesen Vorstoß von Macron: „Mit scharfer Kritik haben SPD, FDP und CDU auf Macrons Äußerungen reagiert. Das sei eine „völlige Fehlbeschreibung der Situation“, sagte Außenpolitiker Norbert Röttgen (CDU) im Deutschlandfunk: „Es geht darum, ob in Taiwan Demokratie, Freiheit und Selbstbestimmung weiter gelten, oder ob wir China mitteilen: Wenn ihr dieses freie, demokratische Land angreift, dann interessiert uns das nicht.“[3]siehe DIE ZEIT v. 12.04.2023 Von Krieg sprechen diese Politiker und Politikerinnen nicht, sie sprechen nur davon, dass uns – anders als Macron es sieht – zu interessieren hat, wenn China Taiwan angreift. Die Konsequenz: Der Dritte Weltkrieg im Namen von „Demokratie, Freiheit und Selbstbestimmung Taiwans“.

Siehe auch Chinas Stellungnahme zur Chinastrategie Deutschlands.

References