Eine Erinnerung, die Gegenwart und der dritte Oktober 2024

Ein Interview mit Helma Fries. Seit 1981 ist Helma in der Berliner Compagnie tätig, deren Mitbegründerin sie auch ist. Hier spielte sie in allen Produktionen, ist zusammen mit Elke Schuster künstlerische Leiterin und darüber hinaus verantwortlich für die Stücktexte wie für die Print-Grafik. 2009 erhielt die Berliner Compagnie den nationalen Aachener Friedenspreis.

Helma über sich selber:

Es ist etwas verwirrend,

aber im Grunde ganz einfach: Auf der Bühne und im Film spiele ich Männerrollen (als Gerhard bzw. H.G. Fries); im Alltag jedoch - und laut Amtsgericht Schöneberg ganz offiziell - bin ich

Frau Helma Fries

Inhaltsverzeichnis

Vorwort:

Wie sind wir auf die Idee gekommen, Helma Fries zu einem Gespräch einzuladen.?

Im Zuge der Vorbereitungen der Friedensdemo am 03. Oktober 2024 erhielt die Initiative „1918unvollendete Revolution“ eine E-Mail von Helma Fries, in der sie uns auf Ihr Plakat aus dem Jahre 1981 aufmerksam machte. Zufälligerweise fand ich unter den vielen Teilnehmern der Friedensdemo das Plakat, ohne zu wissen, dass es Helma war.

Auf Ihrer Mail hin, antwortete ich und frug Helma, ob sie für uns etwas über die Plakataktion schreiben würde. Darauf hin war Ihre Antwort, schreiben weniger, jedoch wäre sie für ein Interview bereit. Daraufhin entschieden wir uns zu einem spontanen Theaterbesuch mit anschließendem Interview.


Hier das Interview:

eine kleine Gliederung des Interviews:

Das Interview führte Benedikt Hopmann und die Aufnahme sowie Bearbeitung erledigte Ingo Müller. Das Interview wurde am 06. Oktober durchgeführt.

0:04 Vorstellung des Plakates durch Benedikt:

ab 0:56 – Unser jetziger Bundeskanzler Scholz war mal aktiv in der Friedensbewegung, hier ein Beispiel:


ab 0:06 geht Helma kurz auf die Anzahl der Stützpunkte der USA und Russland ein

ab 6:45 geht sie kurz auf die Rede von Gerhard Eppler, Rede zum Gedenktag am 75. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion ein.

ab 7:45 geht sie auf die Rede Putins im Bundestag ein wo er bejubelt wurde, 2007 auf der Münchener Konferenz genau das Gegenteil.

ab 8:37 zur Thematik Verhandlungen 2022 Russland – Ukraine

ab 9:47 geht Helma auf die Protokolle der Kuba-Krise ein

ab 22:35 berichtet Helma über den Appell an Menschen in den USA:

ab 23:50 wird über Daniel Ellsberg gesprochen

ab 24.30 die Sammlung von Unterschriften von Bischöfen und NATO-Generalen

Foto: Helma Fries, leider gibt es keine besseres Bild vom Plakat

ab 30:57 liest Helma das letzte Zitat von Daniel Ellsberg auf dem Plakat vor:

„Die US-amerikanische Regierung ist zu einem Nuklearkrieg entschlossen. Um sich Rohstoffe und Weltmärkte zu sichern, ist sie – nach den großen Verlusten der USA im Vietnamkrieg – nunmehr bereit, kleine, sog. taktische Atomwaffen ( z.B. die Neutronenbombe) gegen Befreiungsbewegungen und Länder der Dritten Welt einzusetzen, die selber keine Atomwaffen besitzen. Da anzunehmen ist, dass jene Länder mit der UdSSR verbündet sind, soll diese von einem Gegenschlag mit ihren eigenen taktischen Atomwaffen abgeschreckt werden: durch die in Europa aufgestellten Pershing II und Cruise Misseles. 
Sollte sich die UdSSR davon nicht abschrecken lassen, der USA in einem Land der Dritten Welt atomar zu antworten, würde sie durch die von Westeuropa aus gestarteten Mittelstreckenraketen so hart angeschlagen, dass sie – unterhalb der Selbstmordoption eines Angriffs mit Interkontinentalwaffen auf die USA – nur noch zu einem Gegenschlag auf Westeuropa fähig ist. Der Nuklearkrieg bliebe auf Europa begrenzt; die UdSSR wäre schwer verwundet, Europa eine verseuchte Wüste mit Millionen Toten, die USA aber blieben verschont.
Die USA weisen Europa die Funktion eines Puffers zu, der verhindern soll, dass ein begrenzter Atomkrieg in der Dritten Welt zu einem für die USA selbst tödlichen, globalen Nuklearkrieg eskaliert.“

Daniel Ellsberg, vormaliger Präsidentenberater und Atomkriegsexperte des US-Verteidigungsministerium, in einer Rede an der TU Berlin am 29.6.81


Kleine Bildergalerie

Foto: Ingo Müller, Benedikt Hopmann und Helma Fries im Gespräch, 06.10.2024


Das Plakat:

Foto: Ingo Müller

Die Texte der Zitate:

Linke Spalte

„Wir leben in einer Vorkriegs- und nicht in einer Nachkriegszeit“
Eugene Rostow, Leiter der Rüstungskontroll- und Abrüstungsbehörde der USA, in Playboy 12/82, S. 300

„Die militärischen Planer der USA sind überzeugt, daß es früher oder später zum Krieg zwischen den USA und der UdSSR kommen wird – und dieser Krieg wird ein nuklearer sein.
Die Amerikaner gehen davon aus, das der dritte Weltkrieg ebenso wie der Erste und Zweite in Europa ausgefochten wird.“
US-Admiral La Rocque, Frankfurter Rundschau, 29.04.1981

„Das Schlachtfeld des nächsten konventionellen Krieges wird Europa sein und nicht die Vereinigten Staaten“
US-Verteidigungsminister Weinberger, Frankfurter Rundschau, 29.04.1981

„ Es ist einfach eine Tatsache, dass – wie unglücklich und schrecklich das auch für die Welt sein würde – möglicherweise einige Kernwaffen zum Einsatz kommen könnten im Zusammenhang mit einem Krieg, der bis zu jenem Zeitpunkt ausschließlich auf dem europäischen Schauplatz geführt worden wäre.“
US-Verteidigungsminister Weinberger,
in einem Fernsehinterview mit der NBC am 27.10.81
nach: Der Plan Euroshima. Aus Reden und Schriften v. R. Reagan, A. Haig, C. Weinberger u.a., Köln 1982, S. 24/25

„Schließlich hat Japan den Atomangriff nicht nur überlebt, sondern hat danach eine Zeit der Blüte erlebt.“
Eugene Rostow, Leiter der Rüstungskontroll- und Abrüstungsbehörde der USA, nach Robert Scheer: Und brennend stürzen Vögel vom Himmel.
Reagan und der „begrenzte“ Atomkrieg, München 1983, S. 157

„Die kommenden Jahre werden für die Sache des Westens entscheidend sein“rief Reagan aus, weil der Kommunismus überwunden werde. Der Präsident will sich nicht mit Anklagen gegen den Kommunismus aufhalten: „Wir werden ihn abschließen als ein trauriges, bizarres Kapitel der Geschichte, dessen letzte Seiten eben geschrieben werden.“
US-Präsident Reagan in einer Rede am 18.05.81 nach Neue Züricher Zeitung vom 21.05.81

„Wie Sie wissen, gehe ich immer wieder auf Eure alten Propheten im Alten Testament und auf die Anzeichen zurück, die Armageddon (die biblische Entscheidungsschlacht zwischen Gut und Böse) ankündigen. Ich ertappe mich dabei, dass ich mich Frage, ob wir die Generation sind, die erlebt, wie das auf uns zukommt.“
US-Präsident Reagan nach „Die Welt“ vom 30.10.83

Rechte Spalte

„Die geplante Verlegung des US-Oberkommandos für Europa von Stuttgart-Vaihungen nach Großbritannien begründete NATO Oberbefehlshaber Rogers in einem Hearing des US-Repräsentantenhauses im März 82: „Die Schaffung eines überlebensfähigen Kriegshauptquartiers ist eine dringende Anforderung an das European Command…“
die Tageszeitung vom 17.12.82


Spiegel: „Ist die Stationierung der Pershing II in der Bundesrepublik sowie die Cruise Missiles in der Bundesrepublik und in anderen westlichen Ländern überhaupt verhandelbar?“ Rostow: „Nein. Dies ist eine Verpflichtung, eine Entscheidung, die von der NATO getroffen wurde…“
Eugene Rostow, Leiter der Rüstungskontroll- und Abrüstungsbehörde der USA, „Spiegel“ 30/81


„Der NATO-Plan, 108 Pershing II und 464 landgestützte Cruise Missiles zu stationieren, beabsichtigt nicht, ein Gegengewicht gegen die SS-20 zu schaffen… Die Nato braucht eine gute Anzahl dieser 572 Startrampen, ob nun die Sowjetunion ihre 22-20 bis auf Null abbaut oder nicht.“
Colin S. Gray, Beauftragter Reagans für Abrüstung, in seinem Artikel: „Die Idee der strategischen Überlegenheit“, in Air Force Magazine 3/82, S. 62f.


„Nehmen wir an, es handelt sich um 100 Ziele … wenn wir alle diese 100 Ziele treffen könnten, würden wir jedes Mitglied des Politbüros erwischen, jedes Mitglied des Zentralkomitees, wir würden alle entscheidend wichtige Bürokraten töten, wir würden also dem sowjetischen Huhn den Kopf abschneiden…“
Colin S. Gray in der Washington Post vom 14.05.82


„Grundlage der Atomkriegsstrategie [der USA] wäre die sogenannte Enthauptung, d. h. Schläge gegen die politische und militärische Führung und gegen die Verbindungslinien der Sowjetunion.“
Leitlinien-Dokument des Pentagon, New York Times 30.05,82, nach Blätter für deutsche und internationale Politik 3/83 „Sage niemand, er habe es nicht wissen können“, S. 413


„Es gibt wichtigere Dinge, als im Frieden zu leben.“
US-Außenminister Haig, vor dem Senatsausschuss für Auswärtige Beziehungen 18.1.81 ( s. Blätter für deutsche und internationale Politik 2/81, S. 183f. Und 10781, S. 116f.)


„Die US-amerikanische Regierung ist zu einem Nuklearkrieg entschlossen. Um sich Rohstoffe und Weltmärkte zu sichern, ist sie – nach den großen Verlusten der USA im Vietnamkrieg – nunmehr bereit, kleine, sog. taktische Atomwaffen ( z.B. die Neutronenbombe) gegen Befreiungsbewegungen und Länder der Dritten Welt einzusetzen, die selber keine Atomwaffen besitzen. Da anzunehmen ist, dass jene Länder mit der UdSSR verbündet sind, soll diese von einem Gegenschlag mit ihren eigenen taktischen Atomwaffen abgeschreckt werden: durch die in Europa aufgestellten Pershing II und Cruise Misseles.
Sollte sich die UdSSR davon nicht abschrecken lassen, der USA in einem Land der Dritten Welt atomar zu antworten, würde sie durch die von Westeuropa aus gestarteten Mittelstreckenraketen so hart angeschlagen, dass sie – unterhalb der Selbstmordoption eines Angriffs mit Interkontinentalwaffen auf die USA – nur noch zu einem Gegenschlag auf Westeuropa fähig ist. Der Nuklearkrieg bliebe auf Europa begrenzt; die UdSSR wäre schwer verwundet, Europa eine verseuchte Wüste mit Millionen Toten, die USA aber blieben verschont.
Die USA weisen Europa die Funktion eines Puffers zu, der verhindern soll, dass ein begrenzter Atomkrieg in der Dritten Welt zu einem für die USA selbst tödlichen, globalen Nuklearkrieg eskaliert.“
Daniel Ellsberg, vormaliger Präsidentenberater und Atomkriegsexperte des US-Verteidigungsministerium, in einer Rede an der TU Berlin am 29.6.81


EU: Ausweg aus dem gefährlichen Vasallen-Status

Im Zangengriff des kapitalistisch-militärisch-medialen US-Imperiums wird die EU volkswirtschaftlich, politisch, sozial und kulturell verarmt, degradiert, mit Kriegshaushalten überzogen und als Stellvertreter in die tödliche US-Geopolitik einbezogen, auch in einen möglichen 3. Weltkrieg. Das hat eine Vor-Geschichte. Und der Ausweg?

Werner Rügemer

Foto. Ingo Müller, Werner Rügemer 2023

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Das erste Muster: Marshall-Plan mit NATO

Mit dem Marshall-Plan förderten die USA nach 1945 die Re-Industrialisierung in Westeuropa, aber auch neue Industrialisierung durch US-Konzerne. Die Gelder gab es nur, wenn antifaschistische, linke, kommunistische Parteien und nationalbewußte Politiker wie Charles de Gaulle aus den Regierungen vertrieben oder korrumpiert waren. In Griechenland flossen die Gelder erst, als US-Militär die antifaschistische Befreiungsbewegung niedergebombt und die Monarchie wieder eingesetzt hatte. Der Marshall-Plan förderte den Absatz von US-Produkten, die Anbindung der Währungen an den Dollar. Hinzu kam Hollywood-Kultur und neue kapitalfinanzierte Wissenschaft, zu der z.B. die „Kritische Theorie“ gehörte.

Unternehmen und Banken, die NS-Komplizen und Kriegsgewinnler waren, in Deutschland, aber auch im NS-besetzten West-, Nord- und Südeuropa – und auch in den USA selbst – , wurden weder bestraft noch entflochten noch enteignet. Diese Politik war abgesichert durch hard power: Das von den USA geführte Militärbündnis NATO, verstärkt durch US-Militärstützpunkte in den NATO-Mitgliedsstaaten.1

In Westeuropa, insbesondere im „westlichen Schaufenster“, dem provisorischen Separatstaat Bundesrepublik Deutschland, blühte deshalb nicht nur der alte Reichtum der NS-Kollaborateure. Auch für große Teile der abhängig Beschäftigten entstand ein steigender Wohlstand: Er war aber nur ein Zugeständnis auf Zeit.

EU-Osterweiterung: abhängiger Oligarchen-Kapitalismus

Ab 1990 organisierten US-Berater die Umgestaltung der ex-sozialistischen Staaten. In der deutschen Treuhand-Anstalt dominierten McKinsey, Price Waterhouse Coopers, JP Morgan: Die Unternehmen der sozialistischen DDR wurden zu Schleuderpreisen verkauft, nach einigen Jahren verkleinert oder stillgelegt. Mithilfe von EU-Subventionen ersetzten Filialen und Zulieferer westlicher Konzerne die alte Industrie – die Löhne sind auch 30 Jahre später noch niedriger als im „vereinten“ Westdeutschland, junge Menschen wandern aus.

So wurde in den Staaten Osteuropas der Typus des abhängigen Oligarchen-Kapitalismus etabliert: Ausländische Konzerne – Auto-, Energie-, Logistik-, Handels- und Pharmabranche – nutzen die Standorte selektiv für Zulieferfirmen oder Filialen, so etwa der Handelskonzern Amazon. Die Regierungen erlassen Steuern und finanzieren Infrastruktur. Die EU vergibt Subventionen, Gewerkschaften werden geschwächt, Löhne sind niedrig. Die strategischen Entscheidungen fallen im Ausland. Gleichzeitig bilden einheimische Oligarchen privat-staatliche Monopole. Bis zu einem Viertel der arbeitsfähigen Einwohner sind als billige Wanderarbeiter im Ausland unterwegs, saisonal oder dauerhaft, im Bau, in der häuslichen Pflege, in Krankenhäusern und Altenheimen, in Gastronomie und Prostitution.

Politisch vollzogen wird dies – wie schon bei Marshall-Plan und NATO – durch politisch rechtsgerichtete Regierungen unterschiedlicher Couleur, ob konservativ, liberal oder auch sozialdemokratisch. In Jugoslawien förderten NATO und EU rassistische, rechte bis faschistoide Kräfte und damit die nationalistische Aufspaltung in sechs Kleinstaaten – obwohl dieselben westlichen Propagandisten Nationalismus und Rassismus ansonsten heftig anprangern.2

Priorität NATO: Alle osteuropäischen Staaten wurden zuerst Mitglied der NATO, erst danach durften sie Mitglied der EU werden. Weitere Staaten sind schon Mitglied der NATO, so Nordmazedonien, Montenegro und Albanien. Sie bleiben volkswirtschaftlich verarmt, wichtig als Militärstützpunkte in Richtung Russland.

Nur Russland wehrte sich gegen den US-Zugriff

Zunächst klappte diese Strategie auch gegenüber dem wichtigsten US-Zielstaat, Russland: Der nach 1990 erste, prowestlich-korrupte Präsident Boris Jelzin förderte den Ausverkauf der Unternehmen mithilfe westlicher Investoren und Berater und einheimischer Oligarchen. Die Volkswirtschaft schrumpfte, die Bevölkerung verarmte, Selbstmorde und Alkoholkonsum nahmen zu.

Putin wurde zur Führungsfigur des Widerstands: Der Kapitalismus wurde zwar nicht abgeschafft, wird aber im nationalen Interesse gestaltet. Einige Oligarchen machen mit, einige haben ihren Sitz nach London oder Israel verlegt. Die russische Wirtschaft erholte sich, die NATO blieb draußen: So wurde Russland zum verhetzten Systemfeind – obwohl das NATO-Gründungs-Narrativ „böser Kommunismus“ erstens gefälscht war und zweitens sowieso gegenstandslos ist.

Fazit: Die USA wollen keineswegs die Demokratie und „die freie Marktwirtschaft“ verbreiten, auch nicht „den Kapitalismus“, auch keine volkswirtschaftliche Entwicklung, sondern nur eine selektive Standortpolitik für US- und verbundene westliche Investoren und deren antisoziale private Gewinne. Dies wird abgesichert durch die NATO, zusätzliche US-Militärstützpunkte, US-Berater und -Stiftungen und mithilfe politisch rechter Kräfte.

US-Investoren kaufen europäische Unternehmen

US-Konzerne, Banken und Berater betreiben seit hundert Jahren Filialen in West-Europa, seit 1990 auch in Ost-Europa, so Coca Cola, Ford, General Electric, IBM, Esso, UPS, McDonald’s, JP Morgan, McKinsey. Auch die neuen Digitalkonzerne wie Apple, Microsoft, Google, Amazon, Facebook, Uber, AirBnB und US-Beratungsfirmen wie Accenture und Freshfields betreiben Filialen in EU-Staaten mit führender Stellung in ihren Branchen.

Aber seit der Jahrtausendwende kaufen US-Kapitalakteure bestehende europäische Unternehmen. Private Equity-Investoren wie Blackstone und KKR („Heuschrecken“) sind spezialisiert auf mittelständische Unternehmen. „Europa ist für uns der beste Markt der Welt“, bilanzierte Stephen Schwarzman, Chef von Blackstone, nach dem Super Return International, dem Treffen von 5.000 Private-Equity-Managern 2024 in Berlin.3

Und die erste US-Kapitalisten-Liga mit BlackRock, Vanguard & Co. ist seit der Finanzkrise ebenfalls auf Einkaufstour. Sie sind nun führende Eigentümer der wichtigsten Unternehmen, Banken, Wohnungskonzerne in Deutschland, Frankreich, Belgien, Luxemburg, Großbritannien, den Niederlanden usw., auch in der Schweiz. Zum Beispiel sind sie in allen 40 Unternehmen des deutschen DAX vertreten sowie im MDAX.4 Die meisten Gewinne gehen in die USA, während die Lebensverhältnisse verteuert und die Arbeitseinkommen gesenkt werden, in der gesamten EU.5

Dafür werden die Regierungen und die EU beraten von US-Firmen wie McKinsey, Accenture, KPMG, PwC, EY, Freshfields, Standard&Poor’s. Beispiel Deutschland: Zusätzlich waren im Jahre 2022 mindestens 179 Ex-Mitarbeiter dieser Firmen im deutschen Bundeskanzleramt, in Bundesministerien und Bundesbehörden als hochbezahlte Mitarbeiter angestellt.6 Im deutschen Wirtschaftsministerium unter dem grünen Minister Robert Habeck wurde eine BlackRock-Managerin aus London zur Leiterin der Grundsatzabteilung ernannt. PwC wurde in diesem Ministerium als offizielle Prüfbehörde installiert: US-Berater entscheiden über staatliche Subventionen an Unternehmen bei der Energietransformation.7

Deshalb haben die seit dem Ende des 2. Weltkriegs jahrzehntelang regierenden Parteien – ob konservativ, christlich, liberal, sozialdemokratisch – die Mehrheiten der abhängig Beschäftigten verarmt, haben immer weiter an Wählerzustimmung verloren, haben als gemäßigte Rechtskräfte das Erstarken neuartiger Rechtskräfte gefördert: übrigens besonders in Staaten, die noch enger mit den USA verbunden sind: In England und Israel.

Obamas wirtschaftlich-militärische Geopolitk

Die US-Regierung unter Barack Obama ließ sich in der Finanzkrise von BlackRock beraten und förderte dessen globale Expansion. Er förderte das US-Frackinggas und machte es zu einer geopolitischen Waffe. Es ist extrem umweltschädlich, es ist zudem für die Anwohner tödlich: Sie sterben früher. Die USA wurden weltgrößter Exporteur. Obama gab dem Gas dafür einen grünen Anstrich: Er ließ es umbenennen in „natürliches“ Gas, Liquified Natural Gas, LNG. So machen auch grüne Parteien und grüne Investmentfonds bei der militärisch unterstützten Geopolitik mit.8

Mit dem Ukraine-Krieg setzten die USA ihre Ziele durch: 1. die EU vom russischen Gas abtrennen und vom viel teureren LNG abhängig machen, 2. die EU-Staaten zusätzlich auf noch höhere Kriegshaushalte festlegen, gegen Russland und China.

Deutschland I: De-Industrialisierung

So nahm die EU die US-Gesetze von 2022 zur Re-Industrialisierung der USA ohne Kritik hin: Den Inflation Reduction Act (IRA) und den CHIPS and Science Act.

So schließen energieintensive Chemiekonzerne Abteilungen in Deutschland. Bayer verlagert vor allem in die USA. BASF erweitert mit 10 Milliarden Euro den schon bestehenden, großen Standort in China – dort erweitern auch Covestro und Wacker ihre Produktion. Der erfolgreichste deutsche Heizungsbauer, Viessmann, wurde vom US-Konkurrenten Carrier gekauft. Thyssen-Krupp will – trotz zwei Milliarden an staatlichen Subventionen – tausende Beschäftigte bei der Stahltochter entlassen und den tschechischen Investor Kretinsky beteiligen. US-“Heuschrecken“ kaufen Mittelständler, andere Mittelständler machen pleite.9 US-Berater dominieren beim Arrangement von Käufen und Umstrukturierungen.10

Zwei führende deutsche Industriebranchen werden abgeschrumpft: Die Autokonzerne halten sich noch durch Produktion und Verkauf von Luxusautos, in den USA und vor allem in China; die Zulieferer werden in die USA, nach Osteuropa oder China ausgelagert, oder machen dicht, wenn sie beim e-Auto nicht mitkommen. VW will erstmals in Deutschland Werke schließen, Beschäftigte entlassen, den jahrzehntelangen Vertrag mit der Gewerkschaft beenden. Ähnliches gilt für den Maschinen- und Anlagenbau.11

Deutschland II: Re-Industrialisierung

Aber auch die Re-Industrialisierung steht unter US-Regie. Apple, Google, Microsoft, Palantir & Co. übernehmen noch mehr die Digitalisierung von Unternehmen, Finanzen, Handel, Medien, Schulen, Wissenschaft, Gesundheit, Infrastruktur und Behörden. Apple, Amazon und Microsoft errichten neue Datenzentren und Clouds. Google führt bei den transatlantischen Unterseekabeln.12

Der Pharmakonzern Eli Lilly baut eine neue Fabrik in Rheinland-Pfalz. Intel baut im strukturschwachen Ostdeutschland die größte Chipfabrik Europas – die 10 Milliarden Euro an Subventionen kommen aus allen öffentlichen Haushalten, von der EU, von der deutschen Regierung, von der Landesregierung Sachsen-Anhalt und von der Stadt Magdeburg. Intel lässt sich aber gleichzeitig neue Chipfabriken in Polen und Israel subventionieren.

Der größte Chiphersteller der Welt, TSMC aus Taiwan, baut ebenfalls im de-industrialisierten Ostdeutschland eine hochsubventionierte Chipfabrik – die europäischen Konzerne Bosch, Infineon und NXP dürfen mit 10 %-Anteilen mitmachen. Tesla hat die weitaus größte, subventionierte Fabrik für e-Autos in Deutschland errichtet und will weiter ausbauen, im strukturschwachen Brandenburg.13 Der US-Chiphersteller Wolfspeed baut eine Fabrik im Saarland, wo die Stahlwerke geschlossen wurden. Wie in den DAX-Unternehmen sind BlackRock&Co. auch führende Aktionäre in den genannten US-Konzernen, aber auch bei TSMC.

Zur Re-Industrialisierung unter US-Dominanz gehört auch die Rüstung. So steht der größte Rüstungskonzern in Deutschland, Rheinmetall, der in den letzten Jahren besonders stark expandierte, nach 150 Jahren deutscher Tradition jetzt unter US-Regie: Der größte Aktionär heißt nun BlackRock, danach folgen Bank of America und Goldman Sachs.

Kaputte Infrastruktur: Bahn, Brücken, Atomabfälle

Gleichzeitig bleiben elementare industrielle Strukturen Deutschlands auf dem Niveau kolonial verarmter Staaten:

*Das staatliche Bahnunternehmen Deutsche Bahn hat zu wenig und zu alte Schienen; Stellwerke und elektrische Oberleitungen sind ständig reparaturbedürftig – Zugausfälle und stundenlange Verspätungen sind tägliche Erfahrung von Millionen Kunden.

*Etwa 10.000 Brücken, die meist noch aus der Nachkriegszeit stammen, sind marode, aber nur einige Dutzend werden in jahrelangen Verfahren mühsam saniert, vorrangig für Militärtransporte.14

*Die atomaren Abfälle liegen in 16 Zwischenlagern, teilweise in maroden ehemaligen Bergwerken, teilweise ungenehmigt. Das Endlager soll jetzt bis 2074 gefunden werden.15

*Großprojekte wie der Bahnhof Stuttgart, der Flughafen Berlin, das Kölner Opern- und Theaterhaus und Renommier-Hochhäuser ausländischer Investoren ziehen sich jahrzehntelang hin, verteuern sich unkalkulierbar.

*Miet- und Eigentumswohnungen werden kaum mehr gebaut, die bestehenden werden verteuert, die Obdachlosigkeit steigt.

Leuchtturm des Kapitalismus“: Spaltung arm – reich

BlackRock koordiniert den Wiederaufbau der Ukraine: Sie soll, so Vorstandschef Lawrence Fink, digitalisiert und entbürokratisiert zum „Leuchtfeuer für die Kraft des Kapitalismus“ werden.16 Je mehr vorher zugunsten von BlackRock-Aktionären zerstört wird – BlackRock gehört zu den führenden Aktionären der Rüstungs-, Energie-, Digital- und Frackingindustrie der USA -, desto lukrativer ist die Re-Industrialisierung der Ukraine.

Durch die Kriegshaushalte der europäischen NATO-Staaten werden die abhängig Beschäftigten noch mehr verarmt: Die Arbeitsverhältnisse werden noch mehr flexibilisiert, verbilligt, entrechtet – Ältere werden vorzeitig ausgesondert; immer mehr Überstunden werden nicht bezahlt. Junge willige Fachkräfte werden nicht mehr vorrangig aus Osteuropa geholt, sondern aus noch ärmeren Drittstaaten wie Indien, Argentinien und Marokko. Lebensmittel, Energie, Mieten, Mobilität, Krankheitsbehandlungen und Medikamente, Altersheime werden verteuert, die Renten werden abgesenkt und privatisiert, die Lebenserwartung sinkt.17 Dies trifft auch die jahrzehntelang als systemrelevant gehätschelte middle class, in den USA schon seit drei Jahrzehnten, in den reichen EU-Staaten einige Zeit später.

Gleichzeitig kommen die neuen Aufsteiger im Gefolge von BlackRock&Co. zusammen mit ihrer zivilen Privatarmee der Berater, ihrer politischen Mittäter und deren „neuen Werte“ der egoistischen Ich-Inszenierung zu neuem, elitärem Reichtum. BlackRock&Co. anonymisieren ihre superreichen Geldgeber mithilfe von Briefkastenfirmen in einem Dutzend Finanzoasen zwischen den Cayman Islands, Luxemburg und Amsterdam und verarmen damit die westlichen Staaten, die sich immer mehr überschulden, auch durch immer mehr Schattenhaushalte, ohne Aussicht auf reguläre Rückzahlung – die USA an erster Stelle: Gleichzeitig verlangen und erhalten die führenden Kapitalisten beispiellos hohe staatliche Subventionen.

Der Ausweg: Souveränitäten und Kooperationen

Die anhand von Deutschland verdeutlichte Logik wuchert abgeschwächt und unterschiedlich in der ganzen EU. Deshalb warnte die Chefin des größten italienischen Unternehmens, ENI (Erdöl, Energie), Emma Marcegallia, vor dem G-7-Treffen 2024: „Wenn wir so weitermachen, werden wir unseren Wohlfahrtsstaat nicht aufrechterhalten, an den Technologiesprüngen scheitern und unsere Lebensqualität verlieren.“18

Deshalb brechen Widersprüche auf, noch verhalten: Die deutschen Autokonzerne VW, BMW und Daimler lehnen die von der EU geplanten Strafzölle auf China-Importe ab.19 Spanien, Frankreich und Belgien importieren Gas aus Russland. Serbien beschloss mit China 2024 eine Schicksalsgemeinschaft und einen Freihandelsvertrag, China baut die Bahnverbindung zwischen den Hauptstädten Budapest und Belgrad. Spanien, Irland und Norwegen erkennen Palästina als eigenen Staat an. China baut eine Batteriefabrik in Ungarn, die beiden Staaten bauen ihre Kooperationen aus, Regierungschef Viktor Orban verhandelt gegen die Spitze der EU mit der Ukraine, Russland und China über einen Waffenstillstand in der Ukraine.20

US- und EU-Sanktionen werden immer erfindungsreicher umgangen. Indien wurde zum größten Zwischenhändler der sanktionierten russischen Energie. Nach zwei Jahren westlicher Sanktionen überholte Russland Mitte 2024 die USA als Gaslieferant in Europa und blüht wirtschaftlich auf.21

Eigentlich müssen die unregulierten Schattenbanken BlackRock & Co. und ihre neuartigen Monopole reguliert, entflochten, enteignet, in Gemeineigentum überführt werden. Aber dies sind bisher nur vereinzelte Stimmen. Sogar der US-orientierte European Council on Foreign Relations (ECFR) stellte fest, nach einem Jahr Ukraine-Krieg: „Europa als US-Vasall – das ist unklug für beide Seiten“, und, so der ECFR: Nur die VR China wolle und könne „die internationale Ordnung neu gestalten, wirtschaftlich, diplomatisch, militärisch, technologisch“; China sei zudem „das Herzstück vieler kritischer Lieferketten, von denen die USA und ihre Verbündeten abhängen“.22

Wobei „China“ eben nicht nur den Staat China bedeutet, sondern auch die kontinentalen Formate SCO (Asien), CELAC (Lateinamerika), FOCAC (Afrika), 14+1 (Osteuropa) und vor allem BRICS: Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika mit inzwischen weiteren Staaten wie VAE, Ägypten, Iran – und alle ohne chinesische Militärstützpunkte – im systemlogischen Unterschied zur militärisch begleiteten, kriegstreibenden Globalisierung nach US-Muster.

Selbst das Forschungsinstitut der deutschen Unternehmer stellt fest: Es war und ist die nationale Souveränität, die Chinas Aufstieg zur erfolgreichsten Volkswirtschaft ermöglicht hat.23 Also: Deutschland, Frankreich, Europa – auf zur Souveränität!

*Raus aus der NATO!

*Raus mit den US-Militärstützpunkten!

*Raus aus den Rüstungs- und Kriegshaushalten!

*Europäische Sicherheit mit Russland!

*Industrielle und Handels-Kooperationen mit den aufbrechenden Staaten, die sich in internationalen Formaten wie BRICS organisieren!

*Ausbau der öffentlichen Infrastruktur!

*BlackRock & Co. und ihre Unternehmen wie Amazon, Apple, Microsoft, Facebook & Co. regulieren, entflechten, enteignen, die sinnvollen Teile in national und sozial gestaltetes Eigentum überführen!24


Aktuelle Buchveröffentlichung zum Thema: Werner Rügemer: Verhängnisvolle Freundschaft.

Verhängnisvolle Freundschaft
Wie die USA Europa eroberten
Erste Stufe: Vom 1. zum 2. Weltkrieg

www.werner-ruegemer.de


1Werner Rügemer: Verhängnisvolle Freundschaft. Wie die USA Europa eroberten, zunächst vom 1. zum 2. Weltkrieg, Köln 2023, Seite 241 ff.

2 Werner Rügemer: Imperium EU. ArbeitsUnrecht, Krise, neuer Widerstand. Köln 2020

3„Europa ist für uns der beste Markt der Welt“, Handelsblatt 7.6.2024

4Werner Rügemer: Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts, 4. aktualisierte Auflage, Köln 2024

5Reallöhne in der EU deutlich unter Vorkrisenniveau, Hans Böckler-Stiftung 1.7.2024

6Bundesregierung gibt 580 Millionen Euro für Berater aus, Der Spiegel 11/2022

7PwC: Wie Habecks Haus eine Beratungsfirma glücklich macht, Die Zeit 39/2023

8Werner Rügemer: Tödliches Fracking, telepolis.de 29. März 2022

9Firmeninsolvenzen auf Zehn-Jahres-Hoch, ntv.de 8.8.2024

10Werner Rügemer: Waschstum pervers – Die neuen „Dealmaker“ der deutschen Wirtschaft, nachdenkseiten.de 22.9.2023

11Deutscher Maschinenbau auf Talfahrt, PwC Frankfurt/Main 22. 4.2024

12Amazon investiert 10 Milliarden Euro in Deutschland, FAZ 20.6.2024

13Tesla wants to double size of plant near Berlin, New York Times 22.7.2023

14Brückensanierung wird teurer als gedacht, tagesschau.de 8.5.2024

15Endlager für Atommüll verzögert sich, zdf.de 7.8.2024

16Der Billionenplan für die Ukraine, Wirtschaftswoche 21.6.2023

17DPWV: Paritätischer Armutsbericht 2024. Berlin März 2024

18„So wird Europa irrelevant“, FAZ 12.6.2024

19Ein Schutz, den niemand will. Warum die deutsche Autoindustrie Strafzölle auf China-Importe ablehnt, FAZ 2.7.2024

20Hungary’s Orban meets China’s Xi in mission to end Russia-Ukraine war, Al Jazeera 9 Jul 2024

21Russia overtook US as gas supplier to Europe in May, Financial Times 15.06.2024

22ECFR: The art of vassalisation – How Russia’s war on Ukraine has transformed transatlantic relations, 4 April 2023

23IW: Konkurrenzdruzck aus China für deutsche Firmen, IW-Report 30/2024, Seite 6

24Werner Rügemer: BlackRock & Co. enteignen! 3. Auflage Frankfurt/Main 2023, siehe auch www.blackrocktribunal.de: Materialien nnd Veranstaltungen


„Dieser Beitrag erschien zuerst im „Freidenker Nr. 3-24 und wir bedanken uns bei Werner Rügemer zur Verfügungstellung seines Beitrag für unsere Webseite“

ZÄHMEN UND TRÄNEN

Im folgenden das Berlin Bulletin Nr. 227 11. Oktober 2024 von Victor Grossman. Lesenswert seine Beschreibung der DDR, in der er jahrzehntelang lebte.

Der 7. Oktober war für viele ein Tag der Tränen. Einige wurden für Familienmitglieder vergossen, die während des Angriffs der Hamas vor einem Jahr starben oder gefangen genommen wurden. Andere – und ich fürchte, weitaus mehr – trauerten um die mehr als 40.000 Menschen, die seither in Gaza getötet wurden. Jetzt kommen noch die Toten im Libanon hinzu. Und ebenso bittere Tränen beim Gedanken an die vielen, vielen Kinder, die überlebt haben – als Waisen, mit amputierten Gliedmaßen, mit körperlichen und seelischen Narben, die sie ihr Leben lang belasten werden.

Und doch gab es an diesem Tag auch ein paar weniger schmerzliche Tränen, einfach bei der Erinnerung an ein Ereignis, das lange, lange zurückliegt, völlig schmerzfrei war und für einige damals ein sehr freudiges Ereignis war. Vor 75 Jahren wurde in einem kleinen, sehr zerrütteten, sehr rückständigen Winkel eines Landes die Deutsche Demokratische Republik geboren.

Aber wie viele waren damals skeptisch! Nur vier Jahre zuvor hatten sich hier kleine Gruppen zusammengeschlossen, die aus dem Exil, aus Widerstandsbewegungen oder alliierten Armeen zurückgekehrt waren, Konzentrationslager und Gefängnisse überlebt hatten oder Jahre des ängstlichen Schweigens beendet hatten. Was sie vereinte, war eine brennende Mission; nach zwölf Jahren des Schreckens und der Verwüstung, körperlich und seelisch, waren sie entschlossen, etwas Neues zu schaffen, gereinigt von den Giften des Faschismus, des Rassismus und des menschenfeindlichen Hasses, und auf diesem Fundament einen Staat zu errichten, der Hunger, Armut und die ständige Angst vor Verzweiflung in einer Woche, einem Monat oder einem Jahr überwindet, frei von gieriger Ausbeutung, von der Unterdrückung von Frauen und Kindern, und sich dem Erreichen von Freundschaft und Zusammenarbeit mit seinen Nachbarn und anderen Völkern und Kulturen auf allen Kontinenten verschreibt.

Das kleine Land, das daraus hervorging – oder der kleine Teil eines Landes – sah sich einer gebrochenen, zerrissenen Bevölkerung gegenüber, die durch die Vergiftung der vergangenen Jahre oder durch einen zynischen Unglauben an weitere Pläne oder Theorien verdorben war. Es sah sich schon vor seiner Geburt heftigen Angriffen mit Worten, später mit Bildern gegenüber, die von Meistern der Verdrehung der Wahrheit und unaufhörlicher, geheimer Aktivitäten und Rekrutierungen geprägt waren. Die Angriffe wurden von denen motiviert und organisiert, die von Ausbeutung, Expansion, Feindseligkeit und Konflikten mit Nachbarn profitiert hatten und die Spaltung mit solch schrecklichem Erfolg einsetzten, Giganten wie Krupp, Siemens, Bayer, BASF, die Deutsche Bank, Rheinmetall und der Landadel, die Junkers, die jeden preußischen und deutschen Krieg unterstützt hatten, die sich zusammenschlossen und gemeinsam mit Hitler ganz Europa ausraubten und so viele Millionen versklavten oder töteten. Sie alle waren aus Ostdeutschland vertrieben worden – wenn sie nicht bereits vor der vorrückenden Roten Armee und dieser kleinen Gruppe antifaschistischer Träumer geflohen waren. Sie beherrschten erneut einen viel größeren Teil Deutschlands, waren aber von ihren Rückkehrplänen besessen.

Und am Ende erwiesen sie sich als stärker und erfolgreich. 1990 konnten sie ihre Ausbeutung mit moderneren Werkzeugen und Waffen, aber demselben alten Ziel, ja der Notwendigkeit der Expansion, wieder aufnehmen. Auch sie feierten letzte Woche ein Jubiläum und begingen den 3. Oktober, das Datum ihres Triumphs im Jahr 1990, ihre glorreiche „Wiedervereinigung“ Deutschlands – die einige Ostdeutsche als Annexion oder Kolonisierung bezeichnen. Es war dieser Sieg, ein Triumph für die einen, der aber selbst nach so vielen Jahren bei denen von uns, die einst von unseren Wunschvorstellungen und Träumen beseelt waren, bittere Tränen hervorrief.
Trotz der vielen Jahre hassen diejenigen, die die DDR hassten, sie auch heute noch. Tatsächlich scheinen sie sie zu fürchten und beschimpfen weiterhin fast täglich ihre Erinnerungen – als würden sie einen alten Pferdekadaver treten, der noch beißen oder mit einem oder zwei Hufen ausschlagen könnte. Sie sind besorgt; vielleicht bewahren selbst diejenigen, die keine Tränen für eine längst vergangene Zeit haben, noch ein paar unerwünschte Erinnerungen an die DDR auf und geben sie sogar weiter.

Oh ja, es wurden Fehler gemacht, manchmal große Fehler, und Schandflecken, deren Verschwinden niemand wirklich bedauern kann. Einige wurden von Menschen gemacht, die durch zwölf Jahre Kampf gegen den Faschismus, mit so viel Leid und so vielen Verlusten, verhärtet und engstirnig geworden waren, selbst als sie alterten, und zwar auf eine Weise, die es schwierig machte, eine Beziehung zu Generationen ohne solche Erfahrungen und ohne solche Sorgen zu finden, dass diejenigen, die ihrer kleinen Republik feindlich gesinnt waren, oft dieselben Männer oder ihre Erben waren, die einst für das deutsche und weltweite Elend verantwortlich waren. Außerdem hatten viele DDR-Führungskräfte diese Jahre in der UdSSR verbracht, mit ihren großen Errungenschaften – vor allem der Hauptlast bei der Niederlage der mächtigen Nazi-Kriegsmaschinerie –, aber auch mit so vielen Elementen der Unterdrückung. Viel zu selten lernten sie, auf eine Weise zu sprechen und zu schreiben, die bei großen Mehrheiten auf uneingeschränkte Zustimmung oder Begeisterung stieß.

Und doch, trotz Fehlern und Makeln, wie viele Wunder wurden vollbracht! So grundlegende Dinge wie: Keine Arbeitslosigkeit, keine Schließung einer Abteilung, Fabrik oder Mine ohne einen gleichwertigen Arbeitsplatz für alle. Gleicher Lohn für Frauen und junge Arbeitnehmer, mit einem halben Jahr bezahlten Mutterschaftsurlaub und einem bezahlten „Haushaltstag“ pro Monat. Kostenlose, unumstrittene Abtreibungen. Für eine begrenzte monatliche Steuer alle Arzt- und Zahnarztbesuche, wobei Krankenhausaufenthalte zu 100 % abgedeckt sind. Hörgeräte, Brillen, alle verschriebenen Untersuchungen und Medikamente, vierwöchige Kuraufenthalte zur Erholung oder Vorbeugung – und das alles ohne einen Pfennig zu verlangen! Dazu drei Wochen bezahlter Urlaub, oft in Gewerkschaftshotels an Seen oder am Meer.

Hinzu kommt eine völlig kostenlose Ausbildung, von der vollständigen Kinderbetreuung bis hin zur Lehre, dem College und dem Studium, mit Stipendien, die Unterbrechungen durch Jobben oder Geldverdienen überflüssig machen und bei denen es keine Studienkredite gibt. Die Miete für eine Wohnung betrug weniger als zehn Prozent des Einkommens, die Fahrtkosten in der Stadt und auf dem Land zwanzig Pfennig, die Preise für Bäckerei, Molkerei, Lebensmittel und Metzgerei waren überall gleich, erschwinglich und über all die Jahre eingefroren. Sogar das Wort „Tafel“ war unbekannt; jeder hatte in jedem Beruf und in jeder Schule Anspruch auf ein gutes Mittagessen für weniger als eine Mark – in Deutschland die Hauptmahlzeit des Tages. Niemand musste hungern. Oder war obdachlos; Zwangsräumungen waren gesetzlich verboten. Der Wohnungsnot wurde mit einem gigantischen Programm begegnet, jedem Stadtbewohner eine angenehme moderne Wohnung zu verschaffen. Etwa zwei Millionen waren gebaut – bis zur Vereinigung. Heute erweist sich dieses Problem aufgrund „bedauerlich hoher Zinsen und steigender Kosten“ als unlösbar – außer bei Super-Luxus-Gentrifizierungsprojekten. Zu DDR-Zeiten hatten sogar Ex-Sträflinge nach Verbüßung ihrer Strafe Anspruch auf einen Arbeitsplatz und eine Wohnung!

Was die Makel, ja sogar Grausamkeiten betrifft, so werden immer wieder die Schnüffelei und Spionage der „Stasi“, die Einschränkung der Berliner Mauer, die Zensur in den Medien und in der Kunst angeprangert. Ihr Anliegen war nicht nur die harte Erfahrung der Vergangenheit der Männer an der Spitze, sondern vor allem, dem extremen Druck aus dem „Westen“ entgegenzuwirken, der von einer Gesellschaft gestützt wurde, die reich an Geld und Einfluss jener alten Kriegsherren war, die wieder – oder immer noch – an der Macht waren, und die von den üppigen Dollarmillionen des Marshall-Plans sowie den reichen Ressourcen an Eisen, guter Steinkohle und anderen Mineralien, die im Osten so fehlten, profitierte. Die DDR bot fast allen Menschen einen angemessenen, sicheren Lebensstandard mit immer mehr Haushaltsgeräten, Autos und Auslandsreisen. Unsere Touristenattraktionen waren das schöne Prag, Budapest, Leningrad, Moskau, unsere „Alpen“ die Hohe Tatra in der Slowakei, unsere „karibischen“ Strände die Sandstrände des Schwarzen Meeres in Bulgarien, Rumänien, Sotschi oder, näher gelegen, die kühle, aber schöne Ostsee, wo fast die Hälfte der Badegäste in fröhlicher, unbefangener, vollständiger DDR-Nacktheit badete.

Aber Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut, und auch nicht das totale Utopia. Das Warensortiment in Westdeutschland, das vielleicht nur von dem der USA übertroffen wurde, konnte von seinem kleinen Bruder nicht erreicht werden. Erschwerend kam in den letzten Jahren hinzu: die Milliarden, die für die neu benötigte Elektronik für den Maschinenexport benötigt wurden, mussten von der kleinen DDR ohne Hilfe von Sony, IBM, Silicon Valley oder sogar der angeschlagenen UdSSR aufgebracht werden. Dann die Milliarden, die ausgegeben wurden, um in einem immer moderneren Wettrüsten nicht zu weit zurückzufallen. Und schließlich das riesige Wohnungsbauprogramm, das allesamt bezahlt werden musste, ohne die Mieten, Fahrpreise, Preise für Grundnahrungsmittel zu erhöhen oder mehr für Gesundheit, Bildung und Kultur zu verlangen oder stark subventionierte Kinder- und Jugendclubs, Bücher, Schallplatten, Theater, Oper, Ballett und sogar Musicals zu streichen.

Aber immer mehr Errungenschaften wurden als selbstverständlich angesehen, während die Menschen Abend für Abend neidisch westliche Fernsehsendungen in ihrer eigenen Sprache verfolgten, in denen das luxuriöse Leben, das dort bewusst zur Schau gestellt wurde, durch die Ölbaron-Serie „Dallas“ symbolisiert wurde. War das nicht ein tolles Leben?!

Solche Attraktionen kamen den unermüdlichen Versuchen zugute, die am besten ausgebildeten Ostdeutschen, qualifizierte Maschinisten, Ingenieure, Ärzte, Professoren und sogar Schriftsteller und Schauspieler, abzuwerben, indem man ihnen weniger Einschränkungen, weitaus umfassendere internationale Verbindungen und vor allem weitaus höhere Gehälter, schöne Villen und schnittige Autos versprach. Es war nicht so einfach, zu widerstehen. Für die Jüngeren gab es oft ein Vorwort: „Schließe zuerst deine Ausbildung ab, auf Kosten der DDR. Dann haben wir einen guten Job für dich.“ Die Berliner Mauer war ein harter Versuch, dies zu verhindern, aber sie konnte es nie vollständig verhindern, ohne jegliche Reisen zu verbieten.

Heute wird das Reisen nicht behindert, und dafür sind alle dankbar. Ich erinnere mich an die Jahre, als selbst das Wort „Mauer“ offiziell tabu war und durch den offiziell korrekten Begriff „antifaschistischer Schutzwall“ ersetzt wurde. Wir alle wussten, dass die Mauer nicht errichtet wurde, um uns vor anderen zu schützen, sondern um uns drinnen zu halten, und der peinliche Schönfärberbegriff wurde immer mit einem sarkastischen Grinsen – oder einer Grimasse – ausgesprochen.

Victor Grossmann auf Youtube zur DDR im Jahr 2018:

Aber wenn ich mir das heutige Deutschland ansehe, muss ich nachdenken. In der DDR führte ein beschmiertes Hakenkreuz, sei es auf einer Schultoilette oder auf einem alten jüdischen Grabstein, sofort zu polizeilichen Ermittlungen und, wenn es aufgedeckt wurde, oft zu einer Bestrafung, selbst wenn es sich um einen Kinderstreich handelte. Aber das war eine extreme Seltenheit, bis kurz vor dem Ende, als junge West-Berliner Rassisten freier zu Besuch kamen und ihren Einfluss ausbreiteten.

Hakenkreuze und Ähnliches sind heute ebenfalls verboten, aber ihre Befürworter und Anhänger sind überall. Viele Städte und Dörfer, insbesondere in verärgerten, benachteiligten und rebellischen östlichen Gebieten, sind eine leichte Beute für faschistische Ideen und faschistische Aktionen, mit kaum verhüllten Slogans, die bei lauten Konzerten gesungen, bei Fußballspielen gerufen, bei Körpertraining oder in Schützenvereinen skandiert werden und von Staatsanwälten, Polizisten, Richtern und Bürgermeistern toleriert werden – aus Angst oder Gefälligkeit. Sie haben Unterstützer auf hoher Ebene; jahrelang war der Chef des FBI-Äquivalents ein AfD-Anhänger; nicht wenige Berliner Polizisten sind ihre schützenden Freunde.

Ja, die letzten Tränen an diesem 7. Oktober erinnern vielleicht an die Hoffnungen von vor 75 Jahren. Keiner der Träumer unter den Ruinen im Jahr 1949 hätte sich vorstellen können, dass eines Tages Polizisten wieder alte und junge Nazis abschirmen würden, die Horst-Wessel-Lieder grölen, während sie durch die wiederaufgebauten Straßen Berlins marschieren, manchmal an meinen Fenstern vorbei auf einem Boulevard, der – noch – immer den Namen Karl Marx trägt.

Und nun verrät eine politische Partei, die nicht offen faschistisch, aber rassistisch, nationalistisch und prokapitalistisch ist, mit gelegentlichen Versprechern ihre Art von Nostalgie für die Größe und Macht Deutschlands in alten Zeiten. Wie ein Strudel zieht sie kleinere, offen extremere Gruppen an. Sie hat eine alarmierende Stärke erlangt. In nationalen Umfragen duelliert sich diese Alternative für Deutschland (AfD) mit den Sozialdemokraten um den zweiten Platz. Bei den jüngsten Landtagswahlen verpasste sie in Brandenburg und Sachsen nur knapp den ersten Platz. In Thüringen, wo die LINKE zehn Jahre lang an der Spitze stand, hat die AfD den ersten Platz errungen. Normalerweise hätte sie das Recht, den Ministerpräsidenten zu stellen, aber niemand will mit ihr eine Mehrheit von 50+ bilden.

Unterdessen scheint die deutsche Wirtschaft mit einem Wachstum nahe oder unter Null, hohen Stromkosten für Industrie und Haushalte nach der Abschaltung (und Zerstörung) russischer Gas- oder Ölpipelines und verflüssigtem Fracking-Gas aus dem fernen Amerika, das sowohl die Haushalte als auch die Umwelt an den Küsten gefährdet, zum Stillstand zu kommen. Die führende Industrie, die Automobilproduktion, steckt in einer Krise, gibt China die Schuld, ist aber nicht glücklich über den Konflikt mit seinem wichtigsten Handelspartner. Volkswagen (VW), das Kronjuwel des Landes, droht mit der Schließung großer Werke in Ost- und Westdeutschland, während die Arbeiter, die aufgrund lang vergangener Kämpfe zu den Bestbezahlten gehören, damit drohen, ihre ruhigere Rolle durch altbewährte Militanz zu ersetzen, was zu den allgemein wütenden Aufständen beiträgt, die durch die gestiegenen Mieten und Lebensmittelpreise verursacht werden, die für einige bereits unerschwinglich sind.

Die AfD hat von der wachsenden Unzufriedenheit stark profitiert. Und die Linken, die den Kampf gegen die Profiteure hätten anführen sollen? Leider sind sie gespalten! Die LINKE, die nach der Vereinigung der Ost- und Westparteien gegründet wurde, erreichte 2009 nach der Rezession mit 11,9 % der Stimmen und 76 Sitzen im Bundestag ihren Höhepunkt und wurde damit zur stärksten Oppositionspartei. Doch vom Erfolg verwöhnt – mit bis zu 30 % in ostdeutschen Hochburgen, die Koalitionen auf Landesebene ermöglichten – hofften einige Parteiführer, sich auch auf Bundesebene mit Sozialdemokraten und Grünen zusammenschließen zu können. Um dies zu erreichen, reduzierten sie jegliche alarmierende Militanz und bewegten sich in Richtung akzeptabler keynesianischer Positionen, die das kapitalistische System lockern und verbessern sollten, ohne wirklich darauf abzuzielen, es abzuschaffen, außer, wer weiß, in einer unbestimmten Zukunft.

Am deutlichsten wurde dieser Wandel in der Außenpolitik. Die Parteiführung der LINKEN rückte von ihrer früheren scharfen Opposition gegen die NATO und deren Tsunami-Expansion ab, die auf eine vollständige Einkreisung Russlands abzielte, sie verwässerte die Ablehnung aller Waffenlieferungen in Konfliktgebiete und schwankte in ihrer Haltung zu den Kriegen in der Ukraine und im Gazastreifen. Doch eine Minderheit in der Partei mit ihrer dynamischen, bei vielen beliebten Vorsitzenden Sahra Wagenknecht widersetzte sich den Kompromissen und forderte Verhandlungen für Frieden in der Ukraine, keine weitere Unterstützung für Netanjahu, eine Räumung der amerikanischen Raketenbasen auf deutschem Boden und eine Abkehr von der Abhängigkeit von den USA zugunsten der Verfolgung des Friedens in der Ukraine mit der Wiederaufnahme des Handels und normaler Beziehungen zu Russland.

Da die LINKE von zu vielen als „nur ein weiterer Teil des Establishments“ angesehen wurde und entsprechend abstimmte, spitzte sich der innerparteiliche Streit im Februar 2023 zu, als ihre Führung eine von Wagenknecht angeführte Friedenskundgebung boykottierte. Trotz des Boykotts war die Kundgebung mit bis zu 50.000 Teilnehmern ein großer Erfolg. Der wütende Protest gegen den Boykott führte dazu, dass viele die Partei verließen, und im Januar 2024 gründete Sahra mit einer Gruppe von Anhängern eine neue Partei, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Bei den Wahlen zur Europäischen Union erhielt das neue BSW, das kaum organisiert war, 6,2 % und beschämte damit die LINKE, die auf tragische 2,7 % abstürzte und bei drei kürzlich abgehaltenen Landtagswahlen in Ostdeutschland weiter einbrach. Sie verlor ihren Ministerpräsidentenposten in Thüringen verlor, in Sachsen nur knapp durchkam und in Brandenburg eine totale Katastrophe erlebte, von einem Höchststand von 28 % im Jahr 2008 auf 3 % abstürzte – und das ohne einen einzigen Abgeordneten.

Es gibt zwei Hauptgründe für die Erfolge – nur für die AfD und die neue Wagenknecht BSW, die die meisten Wähler nicht, wie einige gehofft und erwartet hatten, der angeschwollenen AfD abspenstig gemacht hat, sondern vielmehr der zusammenbrechenden Mutterpartei LINKE.

Zweifellos zum Teil, weil die BSW, wie die AfD, gegen die Einwanderung nach Deutschland war. Die AfD, offen rassistisch, um „die deutsche Kultur zu schützen“. Die BSW, so Sahra, um die Rechte der Arbeitnehmer in Deutschland zu schützen; „Wirtschaftsmigranten“ sollten in ihren Heimatländern bleiben und ihre Probleme dort lösen. Diese Position, die sicherlich ernsthafte Probleme widerspiegelt, kam einigen zu nahe an die AfD-Tiraden heran – erfreut sich aber in vielen Kreisen der Arbeiterklasse, insbesondere in Ostdeutschland, trauriger Beliebtheit.

Aber die beiden haben noch eine weitere überraschende Gemeinsamkeit. Diese liegt weder in der fanatischen Unterstützung der AfD für den („anti-muslimischen“) Netanjahu noch in ihrer Unterstützung für die deutsche Wiederbewaffnung, den Wehrdienst und das „heroische Deutschland, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft!“ Aber sie stimmt mit der BSW in der Ablehnung von Waffenlieferungen, der Ausmusterung von US-Waffen in Deutschland und einem Waffenstillstand und Friedensverhandlungen in der Ukraine überein.

Vielleicht spiegelt dies die Betonung der AfD auf ein starkes Deutschland wider, das die Bindungen und die Abhängigkeit von den USA ersetzt. Aus welchem Grund auch immer, ähnelt ihr Ruf nach Frieden dem des BSW und den Gefühlen von 70 % der Ostdeutschen und vielleicht 40 % der Westdeutschen. Dies könnte ihre Erfolge und die Verluste aller anderen Parteien, die einen „Krieg bis zum Tod“ befürworten, erklären.

Dieser Aufruf erzürnt die Krupp-Rheinmetall-Clique, die jetzt mit Kriegen Milliarden verdient. Aber es gab auch hoffnungsvolle Überraschungen: Die Minsterpräsidenten der drei östlichen Bundesländer, die den Wind vor Ort spürten, widersetzten sich ihren nationalen Parteien, der christlichen CDU und der SPD, indem sie es wagten, davor zu warnen, dass die Ausweitung des Ukraine-Krieges mit Waffen größerer Reichweite, von denen einige aus Deutschland stammen, zu einer Katastrophe führen kann und überdacht werden muss. Bisher eine fast strafbare Ketzerei! Aber sie sind es, die sich Gedanken darüber machen müssen, trotz Tabus Koalitionen zu bilden, mit oder ohne AfD, BSW oder sogar Resten der LINKEN. Alle drei drängen auf den Abzug der US-Waffen!

Am 3. Oktober, dem „Tag der deutschen Einheit“, gab es in Berlin erneut eine große Friedenskundgebung mit 40.000 Teilnehmern (laut Veranstalter, laut Polizei 10.000). Zu den Rednern gehörten erfreulicherweise nicht nur Sahra, sondern auch eine führende Vertreterin der LINKEN und, was heutzutage mutig ist, ein ehemaliger, bekannter Sozialdemokrat und sogar ein Rentner der bayerischen Christdemokraten – keiner von ihnen in Rivalität, sondern in gemeinsamer Sorge!

Weitere Überraschungen: Nach dem miserablen Wahlergebnis der lautesten Kriegspartei, der Grünen, treten nun beide Parteivorsitzenden zurück. Ebenso der junge Generalsekretär der Sozialdemokraten (aus gesundheitlichen Gründen, wie er betont). Der christliche Kandidat für die Kanzlerwahl nach der Bundestagswahl im nächsten Jahr, Friedrich Merz, ehemals Blackrocks Millionärschef in Deutschland, wurde gewählt. Er will mehr Waffen …

Tatsächlich wird trotz aller Zweifel und politischen Wirren lauter denn je die Kriegstrommel gerührt. Es wird eine zentrale Frage auf dem Kongress der LINKEN vom 18. bis 20. Oktober sein. Wer wird die derzeitigen Ko-Vorsitzenden ersetzen, die ebenfalls zurücktreten? Können die konsequent linken Kräfte in der Partei diejenigen verdrängen oder schwächen, die Kompromisse predigen und gleichzeitig laut oder leise die NATO und Netanjahu unterstützen?

Wird eine Rezession alle Konflikte auf die Spitze treiben? Es gibt viele Fragezeichen in einer Zeit, in der weniger Tränen, nostalgisch oder nicht, gefragt sind, als vielmehr Maßnahmen gegen Rassisten und Faschisten, gegen IDF-Bomber, gierige Milliardäre und Klimazerstörer. Vor allem in einem Kampf um die Abwendung eines Krieges, der plötzlich und endgültig alle Fragen und Meinungsverschiedenheiten lösen könnte – mit totaler Vernichtung.

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Parlamentarische Versammlung erkennt Julian Assange als „politischen Häftling“ an und warnt vor abschreckender Wirkung seiner harten Behandlung

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Die Parlamentarische Versammlung des Europarates (PACE) hat ihre tiefe Besorgnis über die „unverhältnismäßig harte Behandlung“ von Julian Assange zum Ausdruck gebracht und erklärt, das diese einen „gefährlichen Abschreckungseffekt“ ausübe, der den Schutz von Journalistinnen und Journalisten sowie Whistleblowern auf der ganzen Welt untergrabe.

Bei der Verabschiedung einer Entschließung, die auf einem Bericht von Thórhildur Sunna Ævarsdóttir (Island, SOC) beruht, erklärte die Versammlung, die Behandlung Assanges rechtfertige seine Einstufung als „politischer Häftling“ gemäß der 2012 vereinbarten Definition. Sie verwies dabei auf die schweren Anschuldigungen, die von den Vereinigten Staaten von Amerika gegen ihn erhoben wurden und die ihn – in Verbindung mit seiner Verurteilung nach dem US-Spionagegesetz – dem Risiko einer lebenslangen Haftstrafe aussetzen, „wegen etwas, das im Wesentlichen aus der Sammlung und Veröffentlichung von Informationen bestand“.

quelle: https://www.coe.int/de/web/portal/-/pace-recognises-julian-assange-as-a-political-prisoner-and-warns-against-the-chilling-effect-of-his-harsh-treatment

Hier seine Rede vor der Parlamentarische Versammlung am 1. Oktober 2024, in engl.

Die Inhaftierung und Verurteilung von Julian Assange und ihre abschreckenden Auswirkungen auf die Menschenrechte. hier eine Zusammenstellung der schriftlichen Änderungsanträge:

Abstimmungsverhalten

Julian Assange bei der Anhörung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vor der Plenardebatte zu seinem Fall: „Ich habe mich des Journalismus schuldig bekannt“

Ausschuss äußert tiefe Besorgnis über die harte Behandlung von Julian Assange und warnt vor abschreckender Wirkung auf die Presse


Kleine Dokumentensammlung:

23.05. 2023: Entschließungsantrag eingebracht von Frau Thórhildur Sunna ÆVARSDÓTTIR und anderen Mitgliedern der Versammlung


13.09.2024: Bericht Ausschuss für Recht und Menschenrechte


01.10.2024: Zusammenstellung der schriftlichen Änderungen (endgültige Fassung)


02.10. 2024: Entschließung – vorläufige Fassung


Landesarbeitsgericht bestätigt Verbot des Kitastreiks – aber das muss noch nicht das ‚Ende vom Lied‘ sein

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat das Verbot des Kitastreiks bestätigt.

Es korrigierte allerdings die Begründung der Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin in einem wichtigen Punkt. Das Landesarbeitsgericht folgte nicht der Begründung des Arbeitsgerichts, dass der Kitastreik schon deswegen verboten sei, weil das Land Berlin aus der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) ausgeschlossen werden könne.[1]In der Pressemitteilung des Landesarbeitsgericht heißt es: „Das Risiko des Landes, aufgrund des Beschlusses der TdL aus dem Arbeitgeberverband ausgeschlossen zu werden, überwiege nicht das … Continue reading

Das Landesarbeitsgericht stützt das Verbot des Kitastreiks allein auf die Friedenspflicht. Diese Friedenspflicht ergebe sich aus § 52 TV-L. Dazu heißt es in der Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts:

„Diese Regelung speziell für Beschäftigte des Sozial- und Erziehungsdienstes der Länder Berlin, Bremen und Hamburg sei in der Tarifrunde zwischen der TdL und der Gewerkschaft ver.di im Dezember 2023 vereinbart worden. Ausgangspunkt dieser Vereinbarung sei die von ver.di geäußerte Erwartung gewesen, die Regelungen zur Entlastung von Erzieherinnen und Erziehern in der TV-L aufzunehmen, die ver.di tariflich mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände im Jahr 2022 geregelt hatte (TVöD-VKA). Dazu gehörten u.a. eine monatliche Zulage für Erzieherinnen und Erzieher und jährlich zwei Rehabilitationstage. Im Zuge der Tarifverhandlungen mit der TdL sei über die diesbezüglichen Regelungen aus dem TVöD-VKA verhandelt worden. Ergebnis der Verhandlung sei die Aufnahme der Zulagenregelung in den TV-L gewesen, während sich die Gewerkschaft mit den weiteren Punkten nicht habe durchsetzen können. Da alle Regelungen des TVöD-Pakets Gegenstand der Verhandlungen gewesen seien, sei dieses Paket abschließend geregelt worden. Die aktuellen Streikforderungen seien teilweise in diesem Regelungspaket enthalten, nämlich hinsichtlich der Regenerationstage und hinsichtlich der Vorbereitungszeit. Dadurch werde die Friedenspflicht verletzt.“[2]https://www.berlin.de/gerichte/arbeitsgericht/presse/pressemitteilungen/2024/pressemitteilung.1493394.php

Dieses Urteil des Landesarbeitgerichts im vorläufigen Verfahren gilt zunächst und kann vollstreckt werden. Nur über ein sogenanntes Hauptsacheverfahren kann dieses Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben werden. Ein solches Hauptsacheverfahren kann sehr lange dauern …

In der Stellungnahme von Ver.di zur Entscheidung des Landesarbeitsgerichts heißt es: „ver.di sieht in dem Urteil eine deutliche Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung sowohl in Berlin als auch bundesweit. Die Gewerkschaft kündigt vor diesem Hintergrund eine intensive Prüfung des Urteils an. Auf der Grundlage dieser Prüfung behält sich ver.di vor, das Land Berlin zu zwingen, ein Hauptsacheverfahren einzuleiten.[3]In der Pressemitteilung von ver.di zu der Entscheidung des Landesarbeitsgericht heißt es unter anderem: “Das Landesarbeitsgericht hat am heutigen Freitag, dem 11. Oktober 2024, den Streik für … Continue reading

Der Streik mit den bisherigen Forderungen ist „auf unbestimmte Zeit untersagt“, wie ver.di richtig in ihrer Pressemitteilung erklärt.

Aber es gibt einen Satz in der zitierten Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts, der einen Ansatz bietet, den Kitastreik doch durchzuführen. Dieser Satz lautet: „Die aktuellen Streikforderungen seien teilweise in diesem Regelungspaket enthalten, nämlich hinsichtlich der Regenerationstage und hinsichtlich der Vorbereitungszeit.“ Nach Ansicht des Landesarbeitsgericht sollen insoweit die Streikforderungen gegen die Friedenspflicht verstoßen.

Dieser Satz bedeutet, dass mit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts noch nicht das ‚Ende vom Lied‘ eingeläutet worden sein muss. Denn die Gewerkschaften könnten die Streikforderungen um die Forderungen ‚bereinigen‘, die nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts gegen die Friedenspflicht verstoßen. Dann wäre der Weg für die Gewerkschaften frei, doch noch zu einem Erzwingungsstreik aufzurufen.

Es geht also darum, zu prüfen, ob die Streikforderungen so geändert werden können, dass die Gewerkschaften doch noch zum Streik aufrufen können. Dabei ist auch zu prüfen, ob zugleich das Hauptsacheverfahren weiter betrieben werden kann.

Darüber kann erst endgültig entschieden werden, wenn die Begründung des Landesarbeitsgerichts vorliegt.

Siehe auch: Kitastreik – Info’s und Mitteilungen

References

References
1 In der Pressemitteilung des Landesarbeitsgericht heißt es: „Das Risiko des Landes, aufgrund des Beschlusses der TdL aus dem Arbeitgeberverband ausgeschlossen zu werden, überwiege nicht das Grundrecht der Gewerkschaft auf Arbeitskampfmaßnahmen aus Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die TdL rechtlich gehindert wäre, ihren Beschluss unter besonderen Umständen zu ändern. Deshalb seien Streiks zur Durchsetzung von Tarifverhandlungen mit dem Land Berlin über Arbeitsbedingungen der Erzieherinnen und Erzieher in den Eigenbetriebs-Kitas des Landes Berlin nicht grundsätzlich unzulässig.“ Siehe: https://www.berlin.de/gerichte/arbeitsgericht/presse/pressemitteilungen/2024/pressemitteilung.1493394.php
2 https://www.berlin.de/gerichte/arbeitsgericht/presse/pressemitteilungen/2024/pressemitteilung.1493394.php
3 In der Pressemitteilung von ver.di zu der Entscheidung des Landesarbeitsgericht heißt es unter anderem: “Das Landesarbeitsgericht hat am heutigen Freitag, dem 11. Oktober 2024, den Streik für pädagogische Qualität und Entlastung bei den Kita-Eigenbetrieben untersagt. ver.di sieht in dem Urteil eine deutliche Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung sowohl in Berlin als auch bundesweit. Die Gewerkschaft kündigt vor diesem Hintergrund eine intensive Prüfung des Urteils an. Auf der Grundlage dieser Prüfung behält sich ver.di vor, das Land Berlin zu zwingen, ein Hauptsacheverfahren einzuleiten. Dies hat jedoch keine Auswirkung mehr auf die laufende Tarifauseinandersetzung. Mit dem Urteil des Landesarbeitsgerichts sind weitere Streikmaßnahmen auf unbestimmte Zeit untersagt. ver.di wird nach Vorliegen der Entscheidungsgründe des LAG seine weiteren Optionen für den Bereich der Beschäftigten in den Kita- Eigenbetrieben des Landes Berlin prüfen.” Zur Pressemitteilung von ver.di hier:

05.10.2024 Demo – Solidarität mit Palästina -Impressionen

Stopp den Genozid – Keine Waffen für Israel.

Am 5. Oktober 2024 führte das „Vereinigte Palästinensische Nationalkomitee “ unter dem Motto – „Solidarität mit Palästina – Stopp dem Genozid – Keine Waffen für Isreal- Stoppt die Polizeigewalt in Berlin“ eine Demo durch. Die Auftaktkundgebung wurde am „Platz der Luftbrücke“ durchgeführt und danach ging der Proteszug in Richtung Berlin Mitte los.

Mehrere Redner berichteten aus eigenen Erfahrungen über Polizeigewalt. Sie wiesen darauf hin, dass sie der Politik und der Polizei Gespräche angeboten haben. Jedoch niemand nahm dieses Angebot an. Seit einem Jahr wird diese Polizeigewalt, mit zunehmender Brutalität fortgeführt. Ständig wird ihnen Antisemitismus und Israelhass vorgeworfen. Des weiteren wurde ihnen die Frage gestellt, was Kinder hier zu suchen haben? Sie antworteten, „dass diese Kinder auch das Recht haben sich zu äußern, viele von Ihnen haben, u. a. durch deutsche Waffen ihre Eltern, Familienangehörige und Freunde verloren. Also was spricht dagegen, das sie hier mitmachen? Deutschland achtet doch auch nicht darauf, dass die Waffen des israelischen Militärs Kinder töten.“


Auch Thomas, von der jüdische Stimme, wurde auf die Bühne gebeten. Hier seine kleine Botschaft:


Und hier eine kleine Fotoauswahl:

Friedensdemo 03. Oktober 2024 in Berlin – Impressionen

Am 3. Oktober fand in Berlin die große Friedensdemo, mit ca.50 000 Teilnehmer statt. Diese stand unter dem Motto: “Nein zu Krieg und Hochrüstung! Ja zu Frieden und internationaler Solidarität”. Drei Auftaktkundgebungen mit anschließenden Demozüge zur Siegessäule, wo die Abschlußkundgebung statt gefunden hat. Ich befand mich an der Auftaktkundgebung am Gleisdreieck und zeige hier einige Impressionen, diese sind in 3 Bereiche gegliedert sowie eine kurzes Video des Demo-Zuges.

Anschließend erfolgen ausgewählte Redebeiträge.

Inhaltsverzeichnis


Anlaufstelle Gleisdreieck


Demozug zur Siegessäule


Kurzvideo Demozug


Siegessäule


Ausgewählte Redebeitrage:

Dr. Peter Gauweiler, CDU/CSU

Sahra Wagenknecht Demo Berlin Rede 3 Oktober 2024


Iris Hefets (Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost) / Nadija Samour (de-paläst. Anwältin)