„Ich war ein Verfolgter des NS-Regimes“

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Konrad Adenauers Narrative nach der Niederlage des NS-Regimes

Gastautor: Werner Rügemer

„Ich war ein Verfolgter des NS-Regimes“ –

mit diesem Narrativ trat Konrad Adenauer nach Ende des NS-Regimes in der Öffentlichkeit auf. So erzählt es auch heute die Konrad Adenauer-Stiftung.

Aber der spätere CDU-Vorsitzende und Bundeskanzler war kein Verfolgter des NS-Regimes. Im Gegenteil. Adenauer, führendes Mitglied der katholischen Zentrumspartei, bewunderte von Anfang an den Führer des italienischen Faschismus, Benito Mussolini. Der schloss 1929 den Lateranvertrag mit dem Vatikan. Dadurch wurde der Katholizismus zur faschistischen Staatsreligion. Adenauer als Kölner Oberbürgermeister beglückwünschte den Diktator: „Der Name Mussolini wird in goldenen Buchstaben in die Geschichte der katholischen Kirche eingetragen!“. Mussolini dankte dem „dottor h.c. adenauer primo borgomastro Koeln“ im Namen aller Katholiken und aller Italiener.

Als einzige deutsche Stadt errichtete deshalb Köln ein italienisches Kulturinstitut. 1931 unterschrieb Adenauer mit dem Ideologen des italienischen Faschismus, Kulturminister Giovanni Gentile, den Vertrag zwischen der Stadt Köln und dem italienischen Staat. Das Institut wurde Petrarca-Haus genannt und sollte „die Kenntnis der italienischen Kultur, insbesondere des heutigen Italiens, in Deutschland verbreiten.“

1930 öffnete Adenauer dem international bekanntesten Antisemiten die Tore Kölns. Mit besonderen, auch heimlichen Vorteilen gewann er Henry Ford, im Wettbewerb mit anderen Städten, für die Gründung einer deutschen Filiale.

1932 gab Adenauer dem Jugendsekretär der faschistischen Partei, Carlo Scorza, ein Interview. Scorza sammelte Stellungnahmen in ganz Europa. Aus Deutschland trugen neben Adenauer auch Hitler, der Kölner Erzbischof Kardinal Schulte und der NS-Ideologe Rosenberg zu der Sammlung bei. Sie erschien in Italien als Buch. Adenauer äußerte darin „tiefe Bewunderung für das große Werk, das in Italien vollbracht worden ist“. Der Faschismus habe „unbestreitbar mehr geleistet als der Parlamentarismus“, vor allem gegen die bolschewistische Gefahr.

So handelte Adenauer auch in Deutschland. Zur Überwindung der politischen Krise müssen „alle konservativen Kräfte zwischen Zentrum und NSDAP“ versammelt werden, erklärte er im August 1932. „Die Zentrumspartei verlangt dringend den Eintritt der Nationalsozialisten in die Reichsregierung.“

Adenauer war mit dem Bankier Kurt Freiherr von Schröder befreundet. Sie kannten sich aus dem Kölner Rotary Club und als Mitglieder des Preußischen Herrenhauses. Sie waren Nachbarn im Kölner Villenviertel Lindenthal und besuchten sich mit Ehefrauen zum Abendessen. Der Bankier war Mitglied der NSDAP. Adenauer überreichte dem Nachbarn in dessen Villa 1932 die schriftliche Garantieerklärung: Das Zentrum wird „Hitler unvoreingenommen nur nach dessen Leistungen beurteilen und als Reichskanzler tolerieren“. Im Rotary-Club warb Adenauer im Dezember 1932 vor Industriellen und Bankern dafür, „dass, sobald die politische Lage das erlaubt, in Preußen eine Regierung zusammen mit den Nationalsozialisten gebildet wird.“

Am 4.1.1933 führte Bankier von Schröder in seiner Kölner Villa Hitler und den Zentrumspolitiker und Exkanzler Franz von Papen zusammen. Damit wurde die Kanzlerschaft Hitlers eingefädelt, mit von Papen als Vizekanzler.

Als Präsident des preußischen Staatsrats erklärte Adenauer einige Wochen später: In Preußen ist „eine Regierungsbildung zwischen NSDAP und Zentrum sofort möglich“, mit Hermann Göring als Ministerpräsident. So hatte Adenauer seine eigene Partei demontiert und zum Sieg des NS-Regimes beigetragen.

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Dieser Vortrag wurde bei einer öffentlichen Lesung des VS in Köln letztes jahr vorgelesen. Besten Dank an Werner für die

Zusendung.

Beitragsfoto: Ingo Müller, Werner Rügemer während einer Veranstaltung.