Vorbemerkung: Am 13. März 2023 stimmte die Bundesregierung der Lieferung von Flugzeugen durch Polen an die Ukraine zu. Ein Jahr später im Februar / März wird der Streit um die Lieferung von TAURUS Marschflugkörpern angeheizt. Bisher lehnt Bundeskanzler Scholz solche Lieferungen ab. Der französische Staatspräsident schließt die Entsendung von Bodentruppen nicht aus. Die Eskalationsschraube dreht sich immer weiter. Wir beschreiben das und die Gefahr eines Atomkrieges. Zum Schluss gehen wir auf Alternativen ein:
Deutsche militärische Unterstützung der Ukraine: Stand 4. Januar 2023
Wir erinnern daran: Zunächst weigerte sich die Bundesregierung überhaupt Waffen an die Ukraine zu liefern und berief sich dabei auf die Koalitionsvereinbarung. Diese Position hielt die Bundesregierung auch kurz nach dem Beginn des Krieges aufrecht. Am 22. Februar 2022 forderte pax christi die Bundesregierung auf, bei ihrer Haltung zu bleiben.
Die Bundesregierung veröffentlicht regelmäßig eine Überischt über den Stand ihrer militärischen Unterstützung der Ukraine. Den aktuellen Stand hier lesen.
„Leichte“ Waffen:
Am 31. März 2022 schrieben wir:
„Die Süddeutsche Zeitung meldete heute, der Regierung liege „eine Liste mit Rüstungsgütern im Wert von 300 Millionen Euro vor, die an die Ukraine geliefert werden können … Darunter befinden sich 2.650 Panzerfäuste vom Typ Matador … und 18 Aufklärungsdrohen“.
Im Wochenrythmus werden immer neue Waffenlieferungen Deutschlands an die die Ukraine gemeldet.
„Deutschland wird der Ukraine noch mehr Waffen liefern. Die Lieferungen würden sich an dem orientieren, was Deutschland bisher bereits geliefert habe, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Bisher waren dies Panzerfäuste und Flugabwehrraketen. Er verwies auf Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, die gesagt habe, dass man entsprechende Waffen direkt bei Rüstungskonzernen bestellen könne“. „Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock „bestätigte, dass die EU das Volumen für Waffenlieferungen verdoppeln und somit auf insgesamt eine Milliarden Euro aufstocken werde. Deutschland zahlt dafür weitere 130 Millionen Euro“.
Nach 80 Jahren sorgt die Bundesregierung dafür, dass deutsche Waffen wieder gegen russisches Militär eingesetzt werden.
Schwere Waffen
Einen Monat später, nach einer wochenlangen massiven Kampagne von Politikern und Politikerinnen von GRÜNEN, FDP und CDU/CSU, orchestriert von den Leitmedien aus Presse und Fernsehen, – eine Kampagne wie sie der Autor dieses Beitrags in seinem ganzen Leben noch nicht erlebt hat – beschloss der Bundestag am 28. April 2022 in einer ganz großen Koalition von Regierungsparteien und CDU/CSU, auch schwere Waffen an die Ukraine zu liefern: „Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, … die Lieferung benötigter Ausrüstung an die Ukraine fortzusetzen und womöglich zu beschleunigen und dabei auch die Lieferung auf schwere Waffen und komplexe Systeme, etwa im Rahmen des Ringtausches zu erweitern, ohne die Fähigkeit Deutschlands zur Bündnisverteidigung zu gefährden“, so der beschlossene Antrag. Das heißt: Jede Ausrüstung, die von der Ukraine „benötigt“ wird, soll geliefert werden. Die Lieferung „benötigter“ Ausrüstung soll nur dadurch eingeschränkt sein, dass die „Fähigkeiten Deutschlands zur Bündnisverteidigung nicht gefährdet“ werden.
Noch wenige Tage zuvor hatte Bundeskanzler Scholz vor einer Eskalation mit unabsehbaren Folgen gewarnt: „Ich tue alles, um eines Eskalation zu verhindern, die zu einem Dritten Weltkrieg führt. Es darf keinen Atomkrieg geben.“. Jetzt wird die Bundesregierung mit Bundeskanzler Scholz an der Spitze auch von der SPD aufgefordert genau das zu tun, wovor der Bundeskanzler vorher gewarnt hatte.
Am 26. April 2022 hatte der US-Verteidigungsminister Lloyd Austin 40 Staaten zu einer Konferenz auf die Ramstein Air Base eingeladen. Austin wörtlich: „Die Ukraine glaubt daran, dass sie gewinnen kann, und alle hier glauben das auch.“. Auf monatlichen Besprechungen soll in Zukunft nachgebessert werden.
Damit hatten die USA das Ziel klargestellt: Der Krieg gegen Russland soll gewonnen werden.
Während CIA-Chef Burns davor gewarnt hatte, die nukleare Bedrohung nicht zu unterschätzen, will der amerikanische Präsident weitere 33 Milliarde Dollar für die Ukraine im Repräsentantenhaus beschließen lassen,
Sie eskalieren sehenden Auges immer mehr. Sie löschen Feuer mit Benzin.
Nach dem Frankreich die Lieferung sogenannter „Spähpanzer“ des Typs AMX-10 RC angekündigt hatte, berichtete schon am 5. Januar 2023 die Presse, Bundeskanzler Olaf Scholz habe nach einem Telefonat mit Biden entschieden, Schützenpanzer vom Typ Marder an die Ukraine zu liefern. Zusätzlich wird die Diskussion über die Lieferung von Leopard 2 angeheizt. Indem der Bundeskanzler die Entscheidung, welche Waffen Deutschland in die Ukraine liefert, von Anfang an und ausschließlich von der Entscheidung der Verbündeten in der NATO abhängig macht, macht sich Scholz zum Gefangenen der NATO: Verschärfen die NATO und vor allem die USA die Gangart und befürworten die Lieferung von noch gefährlicheren Waffen, schließt sich Deutschland dem an.
Seit dem 25. Januar 2023 steht fest: Es werden auch schwere Panzer geliefert. Deutschland liefert 14 Leopard und erlaubt auch anderen Staaten die Lieferung dieser Schweren Panzer an die Ukraine. Die Eskalationsschraube dreht sich immer weiter.
Flugzeuge
Am 13. März 2023 berichtete die Tagesschau: „Deutschland genehmigt „MIG“-Lieferung Polens.“ Die Tagesschau erinnert: „Polen hatte kurz nach der russischen Invasion in die Ukraine im Februar 2022 die Lieferung von Kampfflugzeugen des sowjetischen Typs MiG-29 erwogen. Sie sollten über den US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Deutschland an die Ukraine gehen. Damals kam dies nicht zustande. Die USA und die NATO mahnten lange zur Zurückhaltung.“
Nach am 31. März 2023 konnte man in der Berliner Zeitung lesen. „Polen will keine Kampfjets aus Deutschland an die Ukraine liefern.“ Nach Angaben der Berliner Zeitung hatte im Jahr 2002 Polen 23 Kampfjets vom Typ MIG 29 von Deutschland gekauft, die Deutschland von der NVA der DDR übernommen hatte. Eine Lieferung dieser Flugzeuge sei an die Zustimmung der Bundesrepublik gebunden.
Die Berliner Zeitung weiter: „Aber auch die Debatte über die Lieferung westlicher Kampfjets ist in vollem Gange. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat vergangene Woche beim EU-Gipfel in Brüssel per Videobotschaft noch einmal eindringlich darum gebeten: „Wir brauchen moderne Flugzeuge.“ … In Frankreich wird darüber spekuliert, ob Flugzeuge vom Typ Mirage 2000-9 an die Ukraine übergeben werden sollen. „Ich schließe absolut nichts aus“, hat Präsident Emmanuel Macron dazu gesagt. Und die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin überraschte bei ihrem jüngsten Ukraine-Besuch mit der Aussage, man könne über die Bereitstellung finnischer Hornet-Kampfjets diskutieren. Auch der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte hat sich beim Besuch von Kanzler Scholz Anfang der Woche offen für die Lieferung westlicher Kampfjets gezeigt.“
Am 25. Januar 2023 hatte der Stern noch berichtet: „Scholz definiert auch rote Linien für die weitere militärische Unterstützung der Ukraine. Die Lieferung von Kampfflugzeugen oder die Entsendung von Bodentruppen schließt er aus. „Dass es nicht um Kampfflugzeuge geht, habe ich ja sehr früh klargestellt und mache das auch hier“, sagt Scholz. Als kurz nach Kriegsbeginn über Flugverbotszonen diskutiert worden sei, hätten er und US-Präsident Joe Biden gesagt: „Das werden wir nicht tun. Und an dieser Haltung hat sich gar nichts geändert und wird sich auch nichts ändern.“ Er fügt hinzu: „Bodentruppen werden wir in keinem Fall schicken. Ich habe gesagt, es wird keine direkte Beteiligung von Nato-Soldaten in dem Ukraine-Krieg geben. Das ist bisher nicht der Fall und das wird auch in Zukunft nicht der Fall sein. Und darauf können sich alle verlassen“, sagt der Kanzler. „Das ist von Anfang an so gesagt worden, nicht nur von mir, sondern auch vom amerikanischen Präsidenten. Und zusammen sollte das ja wohl ein gewichtiges Wort sein.“
Die roten Linien, die der Bundeskanzler bisher regelmäßig definierte, wirft der Bundeskanzler nach einiger Zeit mit derselben Regelmäßigkeit um.
TAURUS – Marschflugkörper
„Am 22. Februar beschloss der Bundestag den Antrag der Ampelfraktionen: Die Regierung müsse die »langanhaltende Bedrohung« durch Russland zum Anlass für »die Lieferung von zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensystemen und Munition« nehmen. Inhaltlich glich er dem Gegenantrag der CDU/CSU mit dem einen Unterschied, als »weitreichendes Waffensystem« wurde namentlich der Marschflugkörper TAURUSi genannt. Ein anderes »weitreichendes Waffensystem« hat Deutschland auch nicht zu bieten. Auch Bündnis90/Die Grünen fordern explizit eine Lieferung von TAURUS an Kiew.
Die Debatte um eine Lieferung von TAURUS an die Ukraine geht schon seit Monaten. TAURUS wird als das Waffensystem gehandelt, mit dem Russland endgültig besiegt werden könne.“
Die Presse und GRÜNE, FDP und die CDU/CSU machen Druck, TAURUS Mittelstreckenraketen an die Ulraine zu liefern. Bis jetzt verweigert Bundeskanzler Scholz diese Lieferung.
- Hohe Offiziere sprechen über den Einsatz von Taurus gegen die Krim-Brücke.
- TAURUS: Atomwaffenfähig?
1. Hohe deutsche Offiziere sprechen über den Einsatz von TAURUS gegen die Krim-Brücke
RT hat in einem podcast ein Gespräch hoher deutscher Offiziere über den Einsatz von TAURUS veröffentlicht: https://podtail.com/de/podcast/rt-deutsch-podcast Bundeskanzler Scholz begründet bisher seine Ablehnung des Einsatzes von TAURUS damit, dass er vermeiden will, dass Deutschland Kriegspartei wird. Man kann darüber streiten, ob Deutschland nicht schon jetzt Kriegspartei ist. Aber diejenigen, die diesen Einsatz von TAURUS immer heftiger fordern, scheint das nicht zu kümmern. Und Scholz hat nicht das erste Mal rote Linien gezogen und sie dann gerissen. Wir erinnern uns an sein Versprechen, keine schweren Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern. Die Offiziere sagen in dem abgehörten Gespräch: Dieser Einsatz von TAURUS „wird nicht kriegsentscheidend sein“. Sie sprechen über einen möglichen Einsatz gegen die Krim-Brücke. Jedenfalls heizt ein Einsatz von TAURUS-Flugkörpern den Krieg an; wer glaubt, alle Konsequenzen im Blick zu haben, kann sich täuschen. Inzwischen bestätigte das Verteidigungsministerium dieses Gespräch
Die Berliner Zeitung unterscheidet in den Reaktionen auf die Veröffentlichung dieses podcast zwischen den Vielen, die das ausschließlich als eine Frage der Spionage und Spionageabwehr sehen, und den sehr Wenigen, die sehen, dass Deutschland immer mehr die Sicherheit der Bevölkerung in Deutschland gefähret. So zitiert die Berliner Zeitung Sevim Dagdelen: „“Die Angriffsplanungen führender Bundeswehroffiziere mit Taurus inklusive ihrer Vertuschungsabsicht sind weder mit dem Grundgesetz noch mit dem Völkerrecht vereinbar. Der Krieg in der Ukraine ist kein deutscher Verteidigungskrieg. Russland hat Deutschland nicht angegriffen. Diese Planspiele riskieren eine direkte Kiegsbeteiligung Deutschlands und gefähren so massiv die Sicherheit der Bevölkerung in Deutschland. Dieser Wahnsinn muss sofort gestoppt werden! Wir brauchen dringend einen Waffenstillstand und Diplomatie statt eine weitere Eskalation direkter Kriegsbeteiligung.“
2. Taurus: Atomwaffenfähig?
„»TAURUS« (Abkürzung für »Target Adaptive Unitary and Dispenser Robotic Ubiquity System«) ist ein Marschflugkörper deutscher Produktion mit einer Reichweite von mehr als 500 Kilometern. Er wird von Flugzeugen abgefeuert, ist schwer zu bekämpfen und kann als »Bunkerknacker« auch tief vergrabene und gehärtete Ziele zerstörenii. Bundeskanzler Scholz wird nachgesagt, er lehne (bislang) die Lieferung von TAURUS nach Kiew ab, weil Moskau so in die Reichweite einer deutschen Mittelstreckenrakete gelangt und Deutschland zur Kriegspartei macht. »Wir dürfen an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein«, führte Scholz am 26. Februar auf einer Pressekonferenz aus. Die Sorge, Kriegspartei gegen Russland zu werden, ist berechtigt. Doch diese Debatte verschleiert einen weitaus gefährlicheren Aspekt:
Wenn eine TAURUS auf russische Ziele anfliegt, kann die russische Abwehr nicht wissen, wie diese TAURUS konkret bewaffnet ist. Die russische Verteidigung müsste davon ausgehen, dass der TAURUS-Marschflugkörper einen nuklearen Sprengkopf trägt. Ein nuklearer Gegenschlag könnte die Folge sein, jedes Leben in Europa ein Ende finden.
Die NATO hat in Osteuropa ein Raketenabwehrsystem aufgebaut und bekundet offiziell, ihre Marschflugkörper nicht nuklear zu bewaffnen. Landgestütze Mehrzweck-Abschussrampen der NATO in Rumänien und in Polen sind als Raketenabwehrsystem deklariert. Russland betrachtet diesen Abwehrschirm dennoch als Teil der Nuklear-Strategie der USA, weil die Marschflugkörper in kürzester Zeit auch mit atomaren Sprengköpfen bestückt werden können. …“
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Bodentruppen
Am 27. Februar 2024 meldet die Tagesschau:
„Bei einer Hilfskonferenz in Paris haben über 20 Länder mehr und schnellere Hilfe für die Ukraine beschlossen. Auch der Einsatz von westlichen Bodentruppen wird inzwischen nicht mehr ausgeschlossen.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schließt den Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine durch sein Land nicht aus. Nichts sei ausgeschlossen, um einen russischen Sieg in der Ukraine zu verhindern, sagte Macron nach Abschluss einer Ukraine-Hilfskonferenz am Abend in Paris.
Bei dem Treffen von über 20 Staats- und Regierungschefs, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), habe es zwar keine Einigkeit zum Einsatz von Bodentruppen gegeben, sagte Macron. „Aber in der Dynamik darf nichts ausgeschlossen werden. Wir werden alles tun, was nötig ist, damit Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann.“
Dann wäre die NATO ganz unverhüllt beteiligt. Der Beginn des Dritten Weltkrieges?
Atomwaffen
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
Am 4. Mai 2022 veröffentlichte die Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) einen Leitartikel von Nikolas Busse mit dem Titel „Auch der Westen hat Atomwaffen“.
Busse zielt auf eine Bedrohung der Menschheit von ungeheurem Ausmaß: „Wenn Putin ernsthaft in Erwägung ziehen sollte, eines oder mehrere NATO-Mitglieder mit Atomwaffen anzugreifen, dann riskiert er die völlige Zerstörung Russlands“.
„… man kann einiges dafür tun, dass die nukleare Schwelle so hoch ist, dass selbst jemand wie Putin es nicht wagt, sie zu überschreiten. Dass die Bundesregierung neue Kampfflugzeuge für die nukleare Teilhabe anschaffen will, ist ein wichtiger Beitrag dazu“.
Über den Einsatz der US-Atomwaffen innerhalb der NATO entscheiden die USA.
Der Leitartikler fragt nicht, zu welchem Risiko die USA bereit sind.
Er fragt nicht, ob die USA zu einem Zweitschlag bereit wären, obwohl die Ukraine nicht Mitglied der NATO ist.
Er fragt nicht, ob die USA zu diesem Risiko bereit wären, wenn die Ukraine Mitglied der NATO würde.
Er fragt nicht, ob es möglich ist, das Risiko einer „völligen Zerstörung“ auf Russland zu begrenzen.
Inhaltsverzeichnis:
Militärmanöver mit „begrenztem Atomwaffeneinsatz“
Im Guardian berichtete Julian Borger am 24. Februar 2020 über ein US-Manöver, in dem ein „begrenzter Atomwaffeneinsatz“ gegen Russland simuliert wurde. Das habe ein führender Pentagon-Mitarbeiter bestätigt.
Der Guardian: „Dieses Manöver war nicht nur deshalb außergewöhnlich, weil das US-Verteidigungsministerium von der umstrittenen Annahme ausging, in einem begrenzten Atomkrieg mit Russland siegen zu können, ohne einen die Welt vernichtenden umfassenden Atomkrieg riskieren zu müssen, sondern weil auch Journalisten bis ins Detail darüber informiert wurden …
Nach einem schriftlichen Hintergrundbericht höherer Pentagon-Mitarbeiter hat auch Verteidigungsminister Mark Esper an der Stabsübung im US Strategic Command in Nebraska teilgenommen. In der Übung, die eine Krise simulierte, in der Russland im Rahmen einer Offensive auch eine US-Militärbasis in Europa mit (einer Atomrakete) angegriffen hat, spielte Esper den US-Verteidigungsminister, vertrat also sich selbst.
„Das Szenario war ein in Europa ausgetragener Konflikt mit Russland, in dem sich die Russen dafür entscheiden, eine Atomwaffe geringer Sprengkraft gegen eine (US-)Militärbasis auf dem Territorium eines NATO-Staates einzusetzen,“ informierte ein höherer Offizieller. „Der Verteidigungsminister musste beim US-Präsidenten rückfragen, wie darauf reagiert werden sollte.“
Der Offizielle ergänzte, in der Übung sei entschieden worden, „mit einem begrenzten Atomschlag zu antworten“. Für eine begrenzte Antwort habe sich der Einsatz einer kleinen Anzahl von Atomwaffen geringer Sprengkraft – zum Beispiel von auf U-Booten stationierten (Trident-)Raketen mit dem neuen Sprengkopf W67-2 (der eine Sprengkraft von „nur“ 5 bis 7 Kilotonnen hat) – angeboten, die, wie im Januar bekannt wurde, Ende letzten Jahres erstmals im Atlantik Verwendung fanden.
Als das Pentagon über dieses Manöver informierte, rechtfertigte es auch die Indienststellung des Sprengkopfes W67-2. „Das ist eine angemessene Antwort auf die Änderung der russischen Atomwaffendoktrin, die jetzt auch den Einsatz von Atomwaffen mit geringerer Sprengkraft vorsieht,“ äußerte ein führender Offizieller“ .
Der Guardian fasst das Militärmanöver mit begrenztem Einsatz von Atomwaffen „geringer“ Sprengkraft (taktische Atomwaffen, das heißt keine strategischen Atomwaffen) so zusammen:
„Die Befürworter der neuen US-Atomwaffen behaupten, diese würden gebraucht, um Moskau vom Einsatz taktischer Atomwaffen abzuschrecken, weil die Russen dann mit einer entsprechenden US-Antwort rechnen und nicht mehr darauf hoffen könnten, dass die USA auf die Vergeltung mit strategischen Atomraketen verzichten würden.
Abrüstungswillige befürchten aber, dass sich in den Regierungen der USA und Russlands die (irrige) Meinung durchsetzen könnte, ein umfassender Atomkrieg ließe sich vermeiden, weil man in kleineren Konflikten auch durch den Einsatz taktischer Atomwaffen siegen könne (wodurch die Schwelle zu einem die Welt vernichtenden Atomkrieg sehr viel niedriger würde)“.
Dohnanyi zur Strategie der „flexible response“.
Die USA verfolgen mit ihrer nuklearen Abschreckung eine Strategie der „flexible response“
Klaus von Dohnanyi schreibt in seinem jüngst erschienen Buch zur Nuklear-Strategie der „flexible response“:
„Die äußere Sicherheit Europas gründet ausschließlich auf der NATO, das heißt letzten Endes auf der Verteidigungsstrategie der USA. Denn was immer Europa materiell zur Finanzierung der NATO beiträgt: Am Ende werden die USA alle Entscheidungen in der eigenen Hand behalten“.
Von Dohnanyi beschreibt die US-amerikanische Verteidigungsstrategie durch Atomwaffen so: „Washington hat als Eigentümer dieser Waffen seit Jahrzehnten diese Strategie der „flexible response“ erläutert, wie es jetzt auch Präsident Biden durch seine Erklärung bestätigte: „Solange nicht die USA selbst angegriffen werden, wird ein Einsatz der Atombomben nicht erfolgen“. Das war allerdings die offizielle Verteidigungsdoktrin der USA als „flexible response“ schon seit den frühen sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Bereits de Gaulle hatte früh darauf aufmerksam gemacht: „Flexible response“ verlagere jedes mögliche Kriegsgeschehen in Europa ausschließlich auf die Staaten der EU selbst … „.
Klaus von Dohnanyi weiter: „Als die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) im Mai 2021 von der Erklärung Präsident Bidens berichtete, kommentierte sie, wenn diese ergänzende Abschreckungsstrategie durch die NATO angenommen werde, werde das Zweifel unter den Alliierten entstehen lassen und den Zusammenhalt der NATO gefährden: Die NATO bedürfe einer schnellen Reaktion, um erneut die Hauptfragen nuklearer Strategie zu diskutieren. Was jedoch an diesem Kommentar der DGAP am meisten erstaunt, ist die Meinung, es handele sich um einen „bedeutenden Kurswechsel innerhalb der Sicherheitspolitik der USA“. Das eben ist genau nicht der Fall! Bidens Erklärung schuf keine neue Lage, sie war vielmehr schon US-amerikanisches strategisches Dogma seit den sechziger Jahren des vorherigen Jahrhunderts! Dass die neue Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag jedoch weiterhin davon ausgeht, dass Europa nuklear verteidigt werde, ist angesichts der nun über sechzig Jahre alten „flexible response“-Strategie völlig unverständlich“.
Damit kommt Klaus von Dohnanyi zu dem entgegengesetzten Ergebnis des Leitartiklers der FAZ: „Wir müssen keine Kampfflugzeuge beschaffen, um nukleare Sprengköpfe zu transportieren, die nur zur Verteidigung der USA gedacht sind“.
Atomwaffenrisiko und Russland-Ukraine-Krieg
Prof. Dr. Karl Hans Bläsius ist Informatiker und Initiator der Initiative Atomkrieg aus Versehen.
Im Zusammenhang mit dem Russland-Urkaine-Krieg beschäftigt er sich zunächst mit dem bewussten Einsatz von Atomwaffen.
Er weist zunächst darauf hin, dass das Prinzip „Wer zuerst schießt, stirbt als zweiter“ in der aktuellen Situation schon allein deswegen nicht gilt, weil die Ukraine keine Atomwaffen besitzt.
Er gibt zu Bedenken, „dass die Auswirkungen eines Atomkriegs für alle Seiten so gravierend sind, dass auch in Krisen- und Kriegszeiten eine große Hemmschwelle für den Einsatz von Atomwaffen bestehen wird“.
Angesichts der Tatsache, dass inzwischen Atomwaffen mit geringer Sprengkraft entwickelt wurden, warnt er jedoch, dass „die Hemmschwelle sinken könnte“.
Bläsius weiter: „Es kann auch andere Szenarien geben, die zu einem bewussten Einsatz von Atomwaffen führen könnten. Beispielsweise besteht besteht die Gefahr, dass eine Atommacht, die in existenzielle Not gerät, den Einsatz von Atomwaffen in Erwägung zieht. Die Strategiepapiere Russlands sehen den Einsatz von Nuklearwaffen dann vor, wenn die Existenz der Russischen Föderation auf dem Spiel steht. Dabei ist es irrelevant, ob dieser Zustand militärisch oder wirtschaftlich herbeigeführt wird. Wenn Sanktionen gegen eine Atommacht so schwerwiegend sind, dass eine existenzielle Notlage entsteht, könnte dies das Risiko eines Einsatzes von Atomwaffen erhöhen. Ähnliches gilt für schwerwiegende Cyberangriffe auf ein Land. Die Frage ist, wann ist eine solche Grenze erreicht? Das Spektrum eines möglichen Schadenspotenzials erstreckt sich kontinuierlich von „gering“ bis „riesig“ bzw. „total“.
Für das Setzen einer Schwelle für einen nuklearen Angriff gibt es großen Ermessensspielraum innerhalb dieses kontinuierlichen Spektrums. Zu Beginn der Angriffe auf die Ukraine am 24.2.2022 hat der russische Präsident erklärt: „Jetzt ein paar wichtige, sehr wichtige Worte für diejenigen, bei denen die Versuchung aufkommen könnte, sich von der Seite in das Geschehen einzumischen. Wer auch immer versucht, uns zu behindern, geschweige denn eine Bedrohung für unser Land und unser Volk zu schaffen, muss wissen, dass die Antwort Russlands sofort erfolgen und zu Konsequenzen führen wird, die Sie in Ihrer Geschichte noch nie erlebt haben. Wir sind auf jede Entwicklung der Ereignisse vorbereitet. Alle notwendigen Entscheidungen wurden in dieser Hinsicht getroffen. Ich hoffe, dass ich gehört werde.“
Diese Drohung wird als Drohung mit Atomwaffen interpretiert.
Auch eine drohende Niederlage einer Atommacht in einer konventionellen Auseinandersetzung könnte zum Einsatz von Nuklearwaffen führen.
Am 27.2.2022 hat Russland seine „Abschreckungskräfte“ in Alarmbereitschaft versetzt, dazu gehören auch Atomwaffen.[4] Zwar war dies auch 2014 bei der Annexion der Krim geschehen, aber dieses Mal ist die Situation deutlich gefährlicher. Dies auch wegen bereits ausgesprochener und auch möglicher weiterer Sanktionen. Wenn eine solche Maßnahme wie die Alarmbereitschaft einmal gutging, muss das nicht immer so sein. Das gilt auch für andere Bereiche. Wenn beispielsweise ein riskantes Manöver im Straßenverkehr gut gegangen ist, bedeutet das nicht, dass solche Manöver immer gut gehen. Im Gegenteil: die Risikobereitschaft kann sich erhöhen, bis es zu einem schwerwiegenden Unfall kommt“.
Atomwaffeneinsatz aus Versehen
Dann beschreibt Prof. Dr. Bläsius die Gefahr eines Atomkrieges aus Versehen:
„Frühwarnsysteme für nukleare Bedrohungen basieren auf Sensoren und sehr komplexen Computer-Netzwerken und dienen dazu, Angriffe mit Atomwaffen so früh zu erkennen, dass ein Gegenschlag ausgelöst werden kann (bezeichnet als „Launch on Warning“), bevor die angreifenden Atomraketen einschlagen und eine Gegenreaktion erschweren oder verhindern.
In Frühwarnsystemen kann es aber zu Fehlalarmen kommen, d.h. es wird ein Angriff mit Atomwaffen gemeldet, obwohl keine Bedrohung vorliegt. Solche Alarmmeldungen sind dann besonders gefährlich, wenn politische Krisensituationen vorliegen, eventuell mit gegenseitigen Drohungen oder wenn in zeitlichem Zusammenhang mit einem Fehlalarm weitere Ereignisse eintreten, die zur Alarmmeldung in Zusammenhang gesetzt werden könnten. In der Vergangenheit gab es einige Situationen, in denen es nur durch großes Glück nicht zu einem Atomkrieg aus Versehen kam“.
Prof. Dr. Bläsius beschreibt die Gefahr eines Atomkrieges aus Versehen auch mit Blick auf den Russland-Ukraine-Krieg:
„Sehr kritisch sind solche Fehlalarme, wenn aufgrund entsprechender Drohungen oder sonstiger Erkenntnisse mit einem nuklearen Angriff des Gegners gerechnet wird bzw. ein solcher Angriff als plausibel gilt. Dann besteht die Gefahr, dass die Bewertungsmannschaft von einem tatsächlichen Angriff ausgeht und eine Entscheidung für eine Gegenreaktion treffen muss“.
Prof. Bläsius bezieht sich auf seine Ausführungen, dass eine Atommacht in existenzieller Not auch den Einsatz von Atomwaffen erwägen könnte, und fährt dann fort: „Angenommen es kommt in dieser Situation zu einem Fehlalarm mit einer nuklearen Angriffsmeldung: Wird der scheinbar angegriffene Staat dann auch abwarten und auf die Zweitschlagfähigkeit vertrauen oder eher einen sofortigen nuklearen Gegenschlag beschließen?
Besonders gefährlich kann es werden, wenn die aktuelle Situation in der Ukraine weiter eskaliert und auch die Nato in kriegerische Aktionen einbezogen wird. Dann kann es auch leicht zu nuklearen Auseinandersetzungen kommen. Vor diesem Risiko warnen auch militärische Experten.
Bei einer drohenden Niederlage in einem konventionellen Krieg zwischen Atommächten könnte die unterlegene Seite den Einsatz von Atomwaffen in Erwägung ziehen. Des Weiteren wird jeder Fehlalarm in einem Frühwarnsystem für nukleare Bedrohungen in solchen Situationen extrem gefährlich. Wenn ohnehin schon kriegerische Auseinandersetzungen laufen, dann könnte eine Alarmmeldung in Bezug auf Atomwaffen auch sehr leicht aus plausibel eingeschätzt werden und den aktuellen Erwartungen entsprechen. Dann wäre es auch wirkungsvoller, eine Gegenreaktion einzuleiten, bevor die gegnerischen Atomwaffen einschlagen und eine Gegenreaktion erschweren. Kriegerische Konflikte zwischen Atommächten werden von Cyberangriffen begleitet sein, auch diese erhöhen das Risiko von Fehlinterpretationen bei Fehlalarmen in Frühwarnsystemen“.
Zwischenbilanz zu den Gefahren eines Atomkriegs
1.
Wir wiederholen zunächst, wie der Guardian das Militärmanöver mit begrenztem Einsatz von Atomwaffen „geringer“ Sprengkraft (taktische Atomwaffen im Unterschied zu strategischen Atomwaffen) zusammenfasst:
„Die Befürworter der neuen US-Atomwaffen behaupten, diese würden gebraucht, um Moskau vom Einsatz taktischer Atomwaffen abzuschrecken, weil die Russen dann mit einer entsprechenden US-Antwort rechnen und nicht mehr darauf hoffen könnten, dass die USA auf die Vergeltung mit strategischen Atomraketen verzichten würden.
Abrüstungswillige befürchten aber, dass sich in den Regierungen der USA und Russlands die (irrige) Meinung durchsetzen könnte, ein umfassender Atomkrieg ließe sich vermeiden, weil man in kleineren Konflikten auch durch den Einsatz taktischer Atomwaffen siegen könne (wodurch die Schwelle zu einem die Welt vernichtenden Atomkrieg sehr viel niedriger würde)“.
2.
In dem Militärmanöver, über das der Guardian berichtete, wurde von einem Angriff Russlands auf eine US-Militärbasis in Europa ausgegangen. Betrachtet man dies als einen unmittelbaren Angriff auf die USA selbst, so wäre das eine Reaktion im Rahmen der „flexible response“, wie sie Klaus von Dohnanyi beschreibt.
Auch wenn man – anders als von Dohnanayi – annimmt, dass die USA bei einem russischen Angriff auf ein NATO-Mitglied zu einem atomaren Gegenschlag bereit sind, gilt in jedem Fall:
- Die USA verlagert jedes mögliche Kriegsgeschehen in Europa ausschließlich auf die Staaten der EU selbst.
- Auch einen Krieg mit Atomwaffen glauben die USA auf Europa beschränken zu können.
- Es geht immer um den Einsatz nuklearer Waffen von „geringer Sprengkraft“, so dass nicht mehr uneingeschränkt gilt: „Wer als erster schießt, stirbt als zweiter“
- Daher gilt auch nicht mehr die aus dieser Überzeugung hergeleitete Konsequenz, ein Atomkrieg werde niemals ausgelöst werden.
3.
Von Dohnanyi zu den Konsequenzen:
„Das aber heißt, dass Europa im Falle eines russischen Angriffs nach amerikanischer und NATO-Strategie zum alleinigen Kriegsschauplatz würde, ohne jedes Risiko für das Heimatland USA. Deutschland aber wäre, als vermutliche Nachschubbasis, sofortigen Raketenangriffen ausgesetzt. Haben die NATO oder die Bundesregierung den Deutschen jemals erklärt, was die heutige Verteidigungsstrategie eigentlich für ihr Land bedeuten würde? Die nukleare NATO bietet nämlich als heutige militärische Organisation keinerlei Garantie für Europas Unversehrtheit. Natürlich stellt auch die konventionelle Verteidigungsbereitschaft der NATO ein gewisses Risiko für jeden Angreifer da. Nur solange Russland selbst an einer Aggression nicht interessiert ist, ist Europa wirklich sicher. Eine entsprechende Haltung russischer Politik zu festigen und herzustellen, bleibt die vorrangige Aufgabe deutscher und europäischer Diplomatie! Dauerhafte Sicherheit kann es nur mit und nicht gegen Russland geben“.
Seit dem Februar 2022 versucht die NATO jedoch alles, die letzten Brücken zu Russland einzureißen. Sie wollen gegen Russland gewinnen. Warum sollte davon ausgegangen werden, dass Russland das zulässt? Je mehr die NATO den Krieg gegen Russland intensiviert, desto größer die Gefahr, dass Russland seinerseits Atomwaffen einsetzt.
4.
Von Dohnanyi weist daraufhin, dass die US-Verteidigungsstrategie „flexible response“ in der Vergangenheit nicht ausschloss, Deutschland mit Atomwaffen zu bombardieren, und er denkt dabei vor allem an „nukleare Waffen als taktische Waffen“, also an Atomwaffen mit „geringer“ Sprengkraft, die die USA einsetzen und „erheblich zur Zerstörung Deutschlands beitragen“ können. Von Dohnanyi berichtet von einer NATO-Übung Ende der 1970er Jahre, an der er selbst beteiligt war: „So gegen drei Uhr morgens legten wir uns kurz schlafen. Als wir dann nach zwei Stunden aufstanden, erfuhren wir, dass die USA zur Verteidigung Europas gegen den simulierten Angriff kleinere „taktische“ nukleare Sprengsätze über Deutschland abgeworfen hatten, um einen Cordon sanitaire, einen Sicherheitsgürtel, gegen den weiteren russischen Vormarsch zu schaffen. Blech und ich waren überrascht, dass ein solcher Eingriff in die souveränen Rechte der Bundesrepublik ohne Abstimmung erfolgen konnte, und wir schrieben einen entsprechenden ärgerlichen Brief an den Bundeskanzler. Als ich dann etwas später mit Helmut Schmidt zusammentraf, bemerkte er, ihm sei diese Strategie der NATO bekannt und er werde, sowie kriegsähnliche Entwicklungen in Europa erkennbar würden, Deutschland für neutral erklären. Meine Antwort war recht lakonisch: „Dann, Helmut, ist es allerdings zu spät.“ Schmidt selbst hatte ja schon 1961 in „Verteidigung oder Vergeltung“ erklärt, Deutschland habe kein Interesse daran, das zerstörte Deutschland durch eine ‚letzte Schlacht‘ wieder befreit zu sehen“.
5.
Ted Postol, Physiker und Atomwaffenexperte sowie emeritierter MIT-Professor, lehrte vor seiner Zeit am Massachusetts Institute of Technology an der Stanford University und in Princeton und war außerdem wissenschaftlicher und politischer Berater des Chefs der Marineoperationen sowie Analyst im Office of Technology Assessment. Sein Fachwissen über Atomwaffen veranlasste ihn, die Behauptungen der US-Regierung über die Raketenabwehr zu kritisieren, wofür er 2016 den Garwin-Preis der Federation of American Scientists erhielt.
Tred Postol beschreibt die nuklearen Gefahren so:
„Die Russen – die weder verrückt sind noch Selbstmord begehen oder die US-Amerikaner zuerst ermorden wollen – können nur eins tun, um die Begeisterung der US-Amerikaner für einen atomaren Angriff zu bremsen: Sie müssen Vorbereitungen für eine automatisierte Reaktion treffen. Dazu bräuchten sie eigentlich eine Art „Weltuntergangswaffe“, wobei ich nicht weiß, ob sie die wirklich wollen. Im Grunde müssten sie aber so eine Weltuntergangsreaktion vorbereiten, für den Fall, dass die russische Führung bei einem überraschenden atomaren Erstschlag der USA getötet wird.
Die Russen müssten also auch Vorkehrungen für diesen „Worst Case“ treffen. Das erfordert ein sehr kompliziertes System, in dem Fehler auftreten und zu unbeabsichtigten Frühstarts russischer Atomraketen führen können. Im Grunde genommen haben die amerikanische Modernisierungsbemühungen und die bedauerliche Unfähigkeit Russlands, sein Frühwarnsystem gleichwertig zu verbessern, zu einer Situation geführt, die potenziell noch viel gefährlicher ist als vorher, weil viel leichter eine fatale Störung einen Atomkrieg auslösen könnte. Und das kann sowohl ein soziales, ein politisches als auch ein technisches Problem sein“.
Auf Nachfrage, ob er von der Modernisierung der letzten 10 Jahre spreche, die unter Barack Obama begonnen hat, antwortet Ted Postol: „Ja, auf jeden Fall, auf jeden Fall“.
Unmittelbar nach der Zündung einer Atomwaffe
Die Wirkung einer Atomwaffe unmittelbar nach ihrer Zündung beschreibt Ted Postol so: „Wenn eine Atomwaffe auf dem Gefechtsfeld gezündet wird, weiß zunächst niemand, was das bedeutet. War es eine einzelne Waffe? Werden ihr in wenigen Minuten oder Stunden weitere Atomexplosionen folgen? Wird der Gegner, den Sie gerade angegriffen haben, sofort oder erst in einigen Tagen mit einer oder mehreren Waffen nachziehen? Wird er versuchen, ihre Atomwaffenstandorte anzugreifen und ihre wichtigen Kommandozentralen in Bündnisstaaten wie zum Beispiel die US Air Base Ramstein.“.
Die Wirkung einer Atomwaffe
Ted Postol weiter zur Wirkung einer Atomwaffe: “ Wir reden von einer Feuerwand, die alles um uns herum mit der Temperatur des Sonnenmittelpunkts einschließt. Die Explosion von Nuklearwaffen würde uns buchstäblich in weniger als Asche verwandeln. Ich kann nicht genug betonen, wie mächtig diese Waffen sind. Wenn sie detonieren, sind sie vier- oder fünfmal heißer als das Zentrum der Sonne, das 20 Millionen Grad Kelvin hat. Im Zentrum einer Detonation dieser Waffen herrschen 100 Millionen Grad Kelvin. Menschen können sich das Ausmaß dieser Hitze nicht vorstellen. Ich habe wiederholt Artikel über die Folgen der Explosion von Atomwaffen auf Städte geschrieben. Sie sind so schwerwiegend, dass sie die menschliche Vorstellungskraft sprengen. Im Zentrum der Explosion wird die Erdoberfläche fünfmal so heiß, wie das Zentrum unserer Sonne. Im Explosionsgebiet wird buchstäblich alles in weniger als Asche verglühen. Mir fehlen einfach die Worte, um vor dem wirklichen Ausmaß der Gefahr zu warnen“.
„Wenn wir es tun, sind wir alle tot“
Der Atomwaffenexperte Ted Postol erklärte in einem Interview am 25. März 2022: „Ich kann Ihnen nur sagen, der Grund, warum diese Waffen nicht eingesetzt werden können, ist der, dass wir alle sterben werden, wenn wir sie einsetzen. So einfach ist das. Und ich könnte auch noch viel ausführlicher erklären, warum das, was ich gerade gesagt habe, richtig ist. Wenn sie also wieder die Frage stellen, warum wir diese Waffen nicht einsetzen können, ist die einfache Antwort: Wenn wir es tun, sind wir alle tot“.
Was tun?
Alternativen
Krieg sofort beenden
Wir haben in einem gesonderten Beitrag dargelegt, dass es möglich ist, den Krieg sofort zu beenden.
Die Berliner Zeitung berichtete am 20. Mai 2022, dass sich die New York Times zu einer Kehrwende in ihrer Haltung zum Ukraine- Krieg entschieden habe: „In dem Text verweist die New York Times auf das 40-Milliarden-Dollar-Soforthilfepaket für die Ukraine, das diese Woche verabschiedet wurde – und zitierte gleichzeitig Avril Haines, die Direktorin des Nationalen Nachrichtendienstes. Sie warnte kürzlich vor dem Streitkräfteausschuss des Senats, dass die nächsten Monate unbeständig sein könnten. Der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland könnte „eine unvorhersehbarere und potenziell eskalierende Richtung einschlagen“. Die New York Times spricht in diesem Zusammenhang von „außerordentlichen Kosten und ernsten Gefahren“ und verlangt von US-Präsident Joe Biden Antworten auf die Frage: Wohin soll das alles führen?“
Die deutschen Leitmedien scheinen zu einer solchen kritischen Bewertung der amerikanischen Politik in der Ukraine nicht in der Lage zu sein. Zwei Tage nach der Kehrwende der New York Times war der Tagesspiegel immerhin zur Veröffentlichung eines Gastkommentars des französischen Philosophen Edgar Morin bereit. Morin schreibt: „Zwar erklärt das von den USA geführte westliche Lager keinen Krieg gegen Russland zu führen. Aber seine Intervention für die Ukraine ist ein indirekter Krieg, zu dem ein Wirtschaftskrieg kommt. Wir befinden uns mitten in einer Eskalation, die durch neue gegenseitige Beschuldigungen und neue Wellen gegenseitige Krininalisierung aufrecht erhalten wird. Der indirekte Krieg kann jederzeit durch versehentliche Bombenangriffe auf russisches oder europäisches Territorium ausgeweitet werden. Ein dritter Weltkrieg wäre die Folge, mit taktischen Atomwaffen von begrenzter Reichweite, Drohnen und einem Cyberkeig zur Zerstörung der Kommunikationssysteme … Vor allem aber ist die Eskalation in Richtung eines globalisierten Krieges der Abstieg der Menschheit in den Abgrund. …“
Morin ist 1921 geboren, also hundert Jahre alt. Er hat den Zweiten Weltkrieg miterlebt.
Mit, nicht gegen Russland
Aus der Beschreibung der Gefahren, die mit dem Konfrontationskurs gegen Russland heraufbeschworen werden, ergibt sich der Grundsatz: „Dauerhafte Sicherheit kann es nur mit und nicht gegen Russland geben“
Ohne NATO leben
Helmut Schmidt deutet zudem eine Alternative an, als er schon vor Jahrzehnten daran dachte, bei einer „kriegsähnlichen Entwicklung in Europa“ Deutschland für neutral zu erklären. Genau in dieser „kriegsähnlichen Entwicklung“ leben wir jetzt.
Klaus von Dohnanyi schreibt: „Viele Europäer erkennen inzwischen, was bei einer Verteidigung Europas durch die USA auf europäischem Boden herauskäme: Ein erneut total zerstörtes Europa, aber ein völlig unbeschädigtes US-Amerika. Europa hat eben andere Erfahrungen: Wir wissen, dass wir in einem Krieg mit Russland sogar als Sieger nur die Verlierer sein könnten! Nur Entspannungspolitik könnte die Kriegsgefahr für Europa verringern … Europa kann durch militärische Kraft, sei es die der EU oder die der von den USA beherrschten NATO, nicht wirklich gesichert werden. Das Ziel Europas muss am Ende eine allianzneutrale Position sein. Wer sich selbst gegenüber einem Stärkeren nicht mehr wirkungsvoll verteidigen kann, für den ist es immer sicherer, sich nicht einzumischen in die Konflikte der Größeren und sich auch nicht durch eine Allianz zu binden … Diejenigen Staaten, die während des zweiten Weltkrieges diese Regel befolgten, wie zum Beispiel Schweden, die Schweiz oder auch Spanien, kamen unzerstört aus dem Krieg heraus. Deswegen ist es auch heute im Interesse Europas, einen solchen Kurs anzustreben“
Waffenexporte beenden
Während sich Deutschland vor Kriegsbeginn weigerte, Waffen an die Ukraine zu exportieren, jetzt aber um so mehr Waffen in die Ukraine liefert, verbietet die Schweiz selbst die Überflugerlaubnis für Waffentransporte über ihr Staatsgebiet: „Die Schweiz erteilt angesichts des Ukraine-Krieges keine Überflugerlaubnis für Transporte, die das Ziel einer militärischen Hilfe für die Konfliktparteien haben … Der Bundesrat verwies bei seiner Entscheidung auf die gesetzlich festgeschriebene Neutralität der Schweiz. Dieser Grundsatz sei bereits in Dokumenten erwähnt, die bis ins Jahr 1647 zurückreichten, erklärte die Regierung in einer Broschüre, die infolge des russischen Einmarsches in die Ukraine herausgegeben worden war“.
Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter in Italien haben gezeigt, dass wir nicht ohnmächtig sind: „Italiens Basisgewerkschaften sind in den Arbeiterkämpfen für soziale Gerechtigkeit seit Jahren der radikal antikapitalistische Vortrupp. In der vergangenen Woche rief ihre national führende Unione Sindicale di Base (USB) die Arbeiter des Flughafens „Galileo Galilei“ in Pisa auf, keine Waffen für die Ukraine zu verladen. Der Aufruf, dem die Beschäftigten geschlossen folgten, schloss auch den Kampf gegen die von den USA und der NATO geschürte Kriegshetze ein. In der Folge sah sich der Leiter der Flughäfen in der Toskana, Marco Carrai, zu der Aussage gezwungen, Waffenexporte würden von Pisa aus „nicht mehr stattfinden“. Unterstützt von der USB Porto Livorno demonstrierten am Sonnabend in Pisa Tausende Menschen. Nicht nur Arbeiter, sondern auch Einwohner der Stadt traten unter der Losung „Von der Toskana sollen Brücken des Friedens statt Kriegsflüge ausgehen“ der Kriegshysterie entgegen“.