IALANA fordert Ermittlungen gegen Bundeskanzler Merz wegen öffentlicher Billigung von Straftaten |
Am 17. Juni 2025 erklärte Bundeskanzler Merz in einem Fernsehinterview des ZDF zum Angriff Israels auf den Iran vom 13. Juni 2025: „Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle. Wir sind von diesem Regime auch betroffen… Ja, Drecksarbeit, die Israel da gemacht hat. Ich kann nur sagen: größten Respekt davor, dass die israelische Armee den Mut gehabt hat, die israelische Staatsführung den Mut dazu gehabt hat, das zu machen.“ Was war die von ihm gelobte „Drecksarbeit“? Vier Tage vorher hatte Israel mit dem Ziel, das (behauptete) iranische Atomwaffenprogramm vollständig zu zerstören, in einem lang vorbereiteten Überraschungsangriff gezielt neun zivile Wissenschaftler, teilweise einschließlich ihrer Familien getötet und im ganzen Land nukleartechnische Anlagen bombardiert. Die getöteten iranischen Wissenschaftler waren: Fereydoon Abbasi, Experte für Kerntechnik und ehemaliger Chef der iranischen Atomenergiebehörde; Mohammad Mehdi Tehrantschi, Physiker und Präsident der Islamischen Azad-Universität; Akbar Motalebi Zadeh, Experte für Chemietechnik; Saeed Barji, Experte für Werkstofftechnik; Amir Hassan Fakhahi, Physiker; Abd al-Hamid Minoushehr, Experte für Reaktorphysik; Mansour Asgari, Physiker; Ahmad Reza Zolfaghari Daryani, Experte für Kerntechnik; und Ali Bakhouei Katirimi, Experte für Maschinenbau. Da ein bewaffneter Angriff des Iran gegen Israel unbestritten nicht unmittelbar bevorstand, handelte es sich bei dem Auch die gezielte Tötung der iranischen Wissenschaftler war ein Kriegsverbrechen. § 11 Absatz 1 Nr. 1 VStGB stellt Angriffe mit militärischen Mitteln gegen Zivilpersonen als Kriegsverbrechen unter Strafe, die an den Feindseligkeiten nicht unmittelbar teilnehmen. Die betroffenen Wissenschaftler waren nicht Angehörige bewaffneter Kräfte und damit Zivilpersonen (Art. 50 1. Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen in Verbindung mit Art. 4 A Nr. 1-3, 6 III. Genfer Abkommen). Nach § 11 Absatz 1 Nr. 2 VStGB macht sich zudem strafbar, wer mit militärischen Mitteln einen Angriff gegen zivile Objekte richtet, solange sie durch das humanitäre Völkerrecht als solche geschützt sind, u.a. „Anlagen und Einrichtungen, die gefährliche Kräfte enthalten.“ Am 13. Juni bombardierten die israelischen Streitkräfte u.a. die Atomanlagen von Fordo, Natans und Isfahan. Atomanlagen, in denen mit radioaktiven Stoffen gearbeitet wird und u.a. Uran angereichert wird; sie enthalten offenkundig gefährliche Kräfte. Auch Artikel 56 des 1. Zusatzprotokolls zu den Genfer Verträgen benennt ausdrücklich Kernkraftwerke als „Anlagen oder Einrichtungen, die gefährliche Kräfte enthalten.“ Demnach dürfen diese nicht einmal angegriffen werden, wenn sie militärische Ziele darstellen, sofern ein solcher Angriff gefährliche Kräfte freisetzen und dadurch schwere Verluste unter der Zivilbevölkerung verursachen kann. Diese bislang von der IAEO kontrollierten Anlagen waren nicht dem iranischen Militär zugeordnet und sind daher als zivile Objekte einzuordnen. Bei den Angriffen auf diese Anlagen handelt es sich entsprechend ebenfalls um Kriegsverbrechen. Nach § 140 Nr. 2 Strafgesetzbuch (StGB) in Verbindung mit § 138 Absatz 1 Nr. 5 StGB ist die Billigung von Kriegsverbrechen gemäß §§ 8-12 VStGB sowie eines Verbrechens der Aggression gemäß § 13 VStGB strafbar. § 140 StGB verlangt dazu eine Bedrohung des öffentlichen Friedens infolge der Billigung. Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamburg (Urteil vom 31.1.2023, Az. 5 Ws 5 – 6/23) reicht es für die Bedrohung des öffentlichen Friedens bei diesen Auslandsstraftaten allerdings aus, dass die Täter des Kriegsverbrechens oder der Aggression, oder auch Führungspersonen anderer Staaten, ermutigt werden können, von solchen Straftaten zur Durchsetzung eigener nationaler Interessen verstärkt Gebrauch zu machen. Insofern reiche es, dass das Vertrauen in die Unverbrüchlichkeit der internationalen Friedensordnung beeinträchtigt wird. Wenn sich der deutsche Bundeskanzler öffentlich positiv zu Kriegsverbrechen äußert, darf davon ausgegangen werden, dass das weltweit zur Kenntnis genommen wird. Damit wird die von Bundeskanzler Merz gezeigte Haltung zugleich zum Muster für die Bewertung anderer Angriffskriege oder Kriegsverbrechen Dritter, wie z.B. der ergänzenden Bombardierung der iranischen Atomanlagen von Fordo, Natans und Isfahan durch die USA am 22. Juni 2025. Nicht nur der Angriffskrieg Israels einschließlich der Bombardierung von Atomanlagen und der Tötung von Atomwissenschaftlern, sondern gerade auch die Billigung dieses Angriffs durch den Bundeskanzler leisten, ob gewollt oder ungewollt, einen gefährlichen Beitrag zur Schwächung des Völkerrechts. Durch den Bundeskanzler gibt Deutschland damit zu erkennen, dass es bei der Beurteilung von Angriffskriegen und Kriegsverbrechen mit zweierlei Maß misst. Während es den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine einschließlich der begangenen Kriegsverbrechen (völkerrechtlich völlig zutreffend) unmissverständlich verurteilt, wird ein israelischer Angriffskrieg auf den Iran einschließlich der begangenen Kriegsverbrechen (offensichtlich völkerrechtswidrig) gebilligt. Dieses politische Verhalten ist unverantwortlich und erfordert eine strafrechtliche Bewertung durch die zuständige Staatsanwaltschaft Berlin. IALANA begrüßt daher, dass fünf deutsche Hochschullehrer bereits Strafanzeige gegen den Bundeskanzler wegen der oben zitierten Äußerung erstattet haben und unterstützt ihre Ausführungen in der Begründung der Anzeige. Bei der strafrechtlichen Betrachtung sollte nicht vergessen werden, dass Deutschland bislang mit dem Iran eine langjährige diplomatische Beziehung verband, die hilfreich war für das Zustandekommen des Atomabkommens von 2015 (Gemeinsamer umfassender Aktionsplan, JCPOA) zwischen Iran, den UN-Vetomächten, der EU und Deutschland. Unter Präsident Trump stiegen die USA 2018 grundlos aus diesem Abkommen aus und setzten die alten und neuen Sanktionen gegen den Iran in Kraft. Der Iran jedoch hielt sich lange weiter an den Vertrag und hoffte, in Verhandlungen auf eine neue Einigung mit den USA. Diese wurden durch Israels Angriff jetzt hinfällig. Indem sich die Bundesregierung in diesem Konflikt offen an die Seite Israels und der USA stellt, katapultiert sie sich ins diplomatische Abseits. Mit Sorge sehen wir, dass die jetzigen Angriffe auf den Iran für das von der UN angestrebte Ziel einer atomwaffenfreien Zone Westasien kontraproduktiv sind. In der Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag (NPT) wurde 2010 dazu eine Staatenkonferenz beschlossen, die an der beharrlichen Weigerung Israels, daran teilzunehmen, bisher gescheitert ist. Wenn führende westliche Staaten den Iran als Mitgliedstaat im NPT mit verbrieftem Recht auf zivile Nutzung von Atomenergie gewaltsam von jeder Nutzung ausschließen und andere wie die BRD Völkerrechtsbrüche hinnehmen oder gar belobigen, kann der Iran auf die Achtung des Völkerrechts seitens des Westens realistisch nicht mehr zählen. Wenn es Bundeskanzler Merz und dem Westen darum geht, eine iranische Atombombe zu verhindern, gibt es keine realistische Alternative zum Völkerrecht und der Rückkehr zum Ansatz des Atomabkommens von 2015. Pressekontakt: Lucas Wirl, info [at] ialana [Punkt] de, 0176 64110 3500 |
Pressekontakt: Lucas Wirl, info [at] ialana [Punkt] de, 0176 64110 3500 Download Presseerklärung Download Strafanzeige |