Immer wieder verbreiteten die USA in den vergangenen Wochen Nachrichten über eine unmittelbar bevorstehende Invasion Russlands in die Ukraine. Vor wenigen Tagen kündigte die USA erneut eine Invasion Russlands für Mittwoch, den 16. Februar 2022, an. Aus diesem Anlass wird hier die mündliche Begründung zu einem Initiativantrag veröffentlicht, der auf der Landesdelegiertenkonferenz der VVN-BdA Berlin am 12. Februar 2022 beschlossen wurde.
Der Initiativantrag wurde zusammen mit einem Neuköller Antrag angenommen. Beide Anträge unterstützten eine Weihnachtsanzeige der Friedensbewegung 2021 »Widerstand gegen Aufrüstung und Krieg – Aufbruch für Abrüstung und Frieden«. Der Inhalt dieser Anzeige ist am Ende des Initiativantrags im Wortlaut abgedruckt.
Hier die Rede zur Begründung des Initiativantrages:
„Ihr habt sicher die Nachrichten in den letzten Wochen verfolgt.
Immer aufs Neue wird berichtet, dass in den nächsten Tagen Russland die Ukraine überfällt. Die russische Regierung kann sagen, was sie will, dass sie keinen Krieg gegen die USA will, dass sie eine atomwaffenfreie Zone will, dass sie Sicherheiten will – alles spielt keine Rolle.
Dass Russland Sicherheiten fordert, ist allerdings mehr als verständlich.
Dass Lettland, Litauen, Estland, Polen, Ungarn, Rumänien einmal Mitglied der NATO würden – wer hätte das vor dem Zusammenbruch des Warschauer Pakts gedacht?
Wer hätte gedacht, dass Deutschland einmal im Verein mit den USA nicht ausschließen will, dass die Ukraine und Georgien ebenfalls NATO-Mitglieder werden?
Ich möchte daran erinnern, dass die NATO ein aggressives Militärbündnis ist, das zum Beispiel vor gut 20 Jahren Jugoslawien mit einem Krieg überzog. Der damalige Bundeskanzler Schröder hat später selbst eingeräumt, dass dies ein Völkerrechtsbruch war. Deutsche Piloten bombardierten Jugoslawien. Wer hätte gedacht, dass es einmal soweit kommen würde?
Morgen hören wir wieder, dass Putin übermorgen die Ukraine überfällt. Dann kommt drei Tage später die Bekanntmachung, dass das ein Irrtum war, aber „in der nächsten Woche ist es soweit. Es ist nur noch nicht bekannt, ob Putin schon den Entschluss gefasst hat“.
Das Gefährliche ist, die Menschen gewöhnen sich daran.
Auch besteht die Gefahr, dass in diesem aufgeheizten Klima, jede Provokation unabsehbare Folgen haben kann.
Wir wissen: Die VVN-BdA hat den Kampf für den Erhalt des Friedens immer für eine ihrer wichtigsten Aufgaben betrachtet. Und sie hat sich nie gescheut, die Kriegstreiber zu benennen, die Rüstungsprofiteure, die Herren des Kapitals, die nach neuen Absatzmärkten suchen.
Der Schwur von Buchenwald sagt: „Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel“.
Darum geht es. Darum kämpfen wir.
Ich denke, der BO Friedrichshain-Kreuzberg der VVN-BdA ist es ganz gut gelungen, den Kampf gegen Krieg und Aufrüstung zu einem festen Bestandteil ihrer gewöhnlichen Arbeit zu machen. Kleine Kundgebungen vor einer Werbefirma in der Kohlfurter Straße in Kreuzberg unter dem Motto „Kein Werben fürs Sterben“ gehören dazu, aber auch die Teilnahme an berlinweiten Aktionen.
Ich bitte Euch an der Kundgebung am 18. Februar 2022 um 17 Uhr am Brandenburger Tor teilzunehmen.
Und ich bitte Euch, unseren Antrag zu unterstützen.
Er schlägt konkrete Schritte vor, von denen wir glauben, dass sie auch machbar sind.
Es geht darum, dass alle Mitglieder der VVN-BdA eingeladen werden sollen, gemeinsam zu überlegen, was wir tun können. In einem zweiten Schritt geht es darum, dass wir uns darum bemühen, dass alle Friedensfreunde berlinweit zu einem Treffen eingeladen werden. Und schließlich möchten wir in einer Serie von Plakaten gegen Krieg und Aufrüstung mobilisieren. Soweit die Kräfte reichen soll dies schließlich mit entsprechenden Veranstaltungen verbunden werden.
Ich bitte Euch, den Antrag zuzustimmen und Euch auch an der Umsetzung zu beteiligen“.
Anmerkung zum Umgang der Landesdelegiertenkonferenz der Berliner VVN-BdA mit dem Initiativantrag:
Der Initiativantrag enthält konkrete Schritte, um der Forderung nach Frieden und Abrüstung Nachdruck zu verleihen. Dazu gehörte eine Serie von sieben Plakaten, die verschiedene Gründe in den Fokus rücken sollen, warum wir Kriege ablehnen.
Vor der Annahme dieses Antrags wurde allerdings in einem Änderungsantrag beschlossen, das dritte Plakat in der Plakat-Serie ersatzlos zu streichen. Dieses dritte Plakat sollte unter dem Motto stehen: „Die systematischen Vertragsbrüche der letzten 30 Jahre gegenüber Russland“.
Im Ergebnis ist damit die Auseinandersetzung zwischen Russland und den USA um die Ukraine in der geplanten Plakatserie zu Frieden und Abrüstung nicht mehr enthalten.
Dies war eine fatale Fehlentscheidung.
Wie ist eine solche Entscheidung möglich, obwohl dieses Thema gegenwärtig in allen Medien am meisten behandelt und jeden zweiten Tag ein Krieg in Europa angekündigt wird?
Die Versammlungsleitung begründete ihren Änderungsantrag damit, dass Russland nicht mehr die Sowjetunion sei und auch Verträge gebrochen habe. Der Antragsteller des Initiativantrags wurde als Außenstelle der russischen Botschaft bezeichnet. 19 Stimmen waren für die Herausnahme, 10 dagegen.
Russland will keine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine, die seit 2014 über das Assoziierungsabkommen wirtschaftlich in die EU eingebunden ist. Die NATO und auch die deutsche Bundesregierung schließen eine Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO zwar gegenwärtig, aber nicht für die Zukunft aus. Das kann nicht unser Ziel sein. Die NATO ist ein aggressives Militärbündnis. Das hat die NATO nicht zuletzt im Krieg gegen Jugoslawien gezeigt. Die VVN-BdA kann als Teil der Friedensbewegung nur gegen dieses Militärbündnis und schon gar nicht für seine Erweiterung sein. An erster Stelle muss das Ziel stehen, den Frieden in Europa zu erhalten.
Das alles wird in der Plakatserie nicht mehr thematisiert.
Wenn die VVN-BdA in dieser Situation diese gegen Russland gerichtete Politik unter Verweis auf die beidseitige Vertragsbrüchigkeit nicht einmal mehr benennt, kann sie gegen diese Politik auch nicht angehen.
Es sollten niemals die Verheerungen und über 27 Millionen Toten vergessen werden, für die Deutschland durch die Entfesselung des 2. Weltkriegs in der ehemaligen Sowjetunion verantwortlich ist. Die daraus entstehende Verpflichtung, den Frieden mit Russland zu erhalten und zu sichern, erfüllt Deutschland nicht, wenn es imperiale Interessen verfolgt, die Ukraine über das Assoziierungsabkommen in die EU und sich selbst in die Politik der USA und der NATO einbindet.
Der beschlossene Änderungsantrag wird der Losung der VVN-BdA: „Nie wieder Krieg!“ nicht gerecht.