Wolodimir Selenskij – Fernsehfeldherr des Tages

Arnold Schölzel in der Jungen Welt vom 18. März 2022:

„Der Mann versteht sein TV-Handwerk: Seine Videoansprache im Bundestag am Donnerstag beendete er wie üblich mit dem Ruf »Ruhm der Ukraine!«, worauf die Abgeordneten sich erhoben und stehend Beifall klatschten. Die Parole wurde vor mehr als 80 Jahren von der »Organisation Ukrainischer Nationalisten« (OUN) populär gemacht. Deren Mitglieder kämpften u. a. im Bataillon »Nachtigall« an der Seite der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg und ermordeten Hunderttausende Juden, Polen und Rotarmisten. Seit 2018 ist der Ruf mit dem Zusatz »Ruhm den Helden!« offizieller militärischer Gruß in der ukrainischen Armee. Einer der OUN-Anführer, Stepan Bandera (1909–1959), wurde Anfang 1933 nach dem Vorbild Hitlers und Mussolinis zum »Führer« gewählt. Die heutige Ukraine ehrt ihn mit Statuen (laut Neuer Zürcher Zeitung gegenwärtig 40), jährlichem Aufmarsch zu seinem Geburtstag und mit der Benennung von Straßen und Plätzen. Die Parole aus Selenskijs Mund spiegelt eine in seinem Land populäre deutsch-ukrainische Tradition wider.

Ganz in diesem Sinn hatte der Präsident zuvor von der Bundesrepublik verlangt, endlich den Dritten Weltkrieg zu beginnen – mit einer Flugverbotszone über der Ukraine. Begründung: Wieder werde versucht, in Europa ein ganzes Volk zu vernichten. Durch die russische Invasion sei erneut eine Mauer entstanden. Den durch Erfinder Joseph Goebbels etwas belasteten Ausdruck »Eiserner Vorhang« vermied er, verlangte aber von Kanzler Olaf Scholz persönlich: »Zerstören Sie diese Mauer. Geben Sie Deutschland die Führungsrolle, die es verdient.«

Selenskij war 2019 mit dem Versprechen, Frieden im Donbass und mit Russland herbeizuführen, zum Präsidenten gewählt worden. Seitdem tat er alles, um den Krieg der Kiewer Regierung gegen die eigenen Landsleute in der Ostukraine weiterzuführen. Der Faschistenschlachtruf gehört dazu“.

Rüstung und Grundgesetz

Poster Abrüstung

In dem Aufruf „Abrüsten statt aufrüsten!“ heißt es:

„Die Bundesregierung plant, die Rüstungsausgaben nahezu zu verdoppeln, auf zwei Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung (BIP). … Militär löst keine Probleme. Schluss damit.“

Für diesen Aufruf werden seit mehreren Jahren Unterschriften gesammelt, unter anderem von der IG Metall und von ver.di – bisher 180.000.

Mit dem Ukrainekrieg scheint der Bundeskanzler das zwei-Prozent Ziel fest im Blick zu haben. Auf Dauer? Jürgen Wagner schreibt im IMI-online Dienst am 16. März: „Unklar war lange, ob das Sondervermögen zu diesem Betrag „on top“ hinzukommen würde, wie es sich unter anderem die Verteidigungministerin gewünscht hätte. Wenigstens das scheint aber nicht der Fall zu sein: Gemäß der vom Kabinett beschlossenen Eckwerte des Bundeshaushalts bleibt es für dieses Jahr bei den geplanten 50,3 Milliaren Euro, bis 2026 soll der reguläre Verteidigungshaushalt bei 50,1 Milliarden eingefroren werden. Die sich hier ergebende Lücke zu den zwei Prozent des BIP soll über das Sondervermögen gefüllt werden. Einiges ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch unklar, etwa ob für das zwei-Prozent-Ziel der offizielle Haushalt oder die der NATO übermittelten Zahlen herangezogen werden sollen. Die liegen deutlich höher, weil darin einige – wenn auch nicht alle – verdeckten Kosten mit enthalten sind (2021: 46,9 Milliarden (offiziell) vs. 53,1 Milliarden (gemäß NATO-Kriterien)).

… Ein Militärhaushalt von zwei Prozent des BIP müsste im Jahr 2026 laut Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) rund 85 Milliarden umfassen, er müsste also gegenüber den jetzigen Planungen um eine Größenordnung von rund 35 Milliarden angehoben werden.

Der offensichtliche Versuch, dieses Problem der nächsten Bundesregierung vor die Füße zu legen, könnte allerdings an der CDU scheitern, die ihre erforderlich Zustimmung zur Grundgesetzänderung davon abhängig macht, dass es eine dauerhafte Garantie für einen Verteidgungshaushalt oberhalb der zwei-Prozent-BIP-Linie gibt“.

Das bestätigte der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU am 20. März in einem Interview mit dem Tagesspiegel:

Ohne CDU/CSU klappt die nötige Grundgesetzänderung nicht. Unter welchen Bedingungen stimmt die CDU/CSU zu?

Merz: … Wir sprechen mit der Regierung über ein umfassendes Gesetz zur Beschaffung von Rüstungsgütern und der Finanzierung der Bundeswehr. Wir halten uns an den Satz, den der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung gesagt hat: „Wir wollen ab sofort mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts dauerhaft für die Bundeswehr investieren.“ Und von diesem Ziel sind wir auch nach der Kabinettsentscheiung von dieser Woche weit entfernt.

Warum?

100 Milliarden können die Lücke, die wir alljährlich haben, nur für vier bis fünf Jahre schließen. Der Verteidigungshaushalt muss kontinuierlich aufwachsen, wir dürfen nicht nur ein Sondervermögen von 100 Milliarden einmalig über die nächsten Jahre verteilen. Dann wären wir spätestens 2026 wieder beim selben Elend.“

Vor Jahren forderte die CDU/CSU, eine Schuldenbremse im Grundgesetz. Die staatlichen Ausgaben sollten auf die staatlichen Einnahmen begrenzt werden. Die SPD stimmte dafür und so wurde das Grundgesetz entsprechend geändert. Weil die Regierungsparteien jetzt befürchten, dass eine Ausgabe von 100 Milliarden Euro gegen diese im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse verstoßen könnte, planen sie eine weitere Änderung des Grundgesetzes, für die sie die CDU/CSU benötigen.

Das Ziel:

Für alle Ausgaben gilt die Schuldenbremse – nur nicht für die Rüstungsausgaben.

Wir brauchen kein 100 Milliarden Programm, um in den nächsten vier Jahren einen Rüstungshaushalt von über zwei Prozent des BIP sicherzustellen. Wir brauchen keinen Rüstungshaushalt von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP). Daher brauchen wir auch keine Grundgesetzänderung.

Zwei Reden von Ferat Kocak – eine gehalten, eine verhindert.

Ferat Kocak

Die verhinderte Rede

3. März 22: Friedensdemo von fridays for future.

Foto: Ingo Müller

Die Verhinderung seiner Rede gegen Krieg, Rassismus & Aufrüstung auf der Friedensdemo vor fridays for Future Berlin kommentiert Ferat Kocak so: „Meine Rede die ich am 3. März 2022 auf der #fridaysforfutureberlin Friedensdemo in Berlin nicht halten durfte, aufgrund meiner Positionierung zur Nato. #standwithukraine Ergänzung: Fridays for Future Berlin hat sich entschuldigt und meine Rede auf Instagram und Twitter verbreitet. Ich supporte weiterhin FFF beim globalen Klimastreik am 25. März im Antifa Block, denn wir haben viele gemeinsame Kämpfe noch vor uns. Ich hab sehr viel Solidarität erhalten. Was mich richtig geflasht hat war die Solidarität von FFF Ukraine.“

Hier die Rede, die Ferat Kocak, antirassistischer Aktivist, halten wollte:

Mit freundlicher Genehmigung von Ferat.

Die gehaltene Rede

18. März 22: Geradedenken gegen Querdenken

Foto: Ingo Müller

Unten ist eine zweite Rede von Ferat Kocak zu hören, auf der Kundgebung „Geradedenken gegen Querdenken und Rechts„, 18.03.2022 über sein Erlebnis: “NSU 2.0 bedroht mich rassistisch seit 2019”:

und zum Ukraine-Krieg:

Die Audioaufnahmen werden mit freundlicher Genehmigung von Ferat Kocak veröffentlicht.

Mediziner*innen in Russland und der Ukraine rufen zum Frieden auf

„Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine dauert an und fordert Menschenleben. Eine Eskalation des Konflikts kann zu noch schwerwiegenderen Folgen führen: andere Länder und Atomanlagen könnten betroffen werden, sogar der Einsatz von Atomwaffen ist möglich.
Wir stehen vor einer großen Tragödie in der Mitte Europas, die durch politische Entscheidungsträger verursacht wird, die nicht in der Lage sind, miteinander zu sprechen und einander zu verstehen. Amtsträger, die einseitige Vorteile für ihr Land anstreben, ohne Rücksicht auf die Rechte und die Sicherheit anderer Länder.
Die Arbeit aller Ärzt*innen dieser Welt ist eng verbunden mit dem Grundsatz, sie gleichberechtigt und ohne Vorurteile auszuführen. Die jüngste COVID-19-Pandemie hat allen vor Augen geführt wie verletzlich medizinisches Personal sein kann, wenn die Gesundheitssysteme durch ein Desaster solchen Ausmaßes überfordert sind. Krankheit, Tod und Burnout bei medizinischem Personal haben die Notwendigkeit unterstrichen, viel Zeit, Geld und Ressourcen in die Ausbildung und Vorbereitung kompetenter und qualifizierter medizinischer Fachkräfte zu investieren.
Russland und die Ukraine sind seit den Anfängen ihrer Geschichte eng miteinander verbunden. Es ist schwer, eine Person in Russland zu finden, die (oder deren Freund*innen) keine Verwandten in der Ukraine hat. Beide Länder sind ein Teil Osteuropas. Sie teilen enge wirtschaftliche und kulturelle Verbindungen. Das ist der Grund, weshalb alle Ärzt*innen in der Region die aktuelle Situation mit
großer Besorgnis sehen. Die gefährlichste aller möglichen Bedrohungen ist die nukleare Bedrohung ….“

Die russische und die ukrainische Sektion der International Physicians for the Prevention of Nuclear War (IPPNW) haben heute eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der sie sich gegen den Krieg in der Ukraine aussprechen und vor einer weiteren Eskalation bis hin zum Atomkrieg warnen. Die Erklärung vereint die Mediziner*innen über die Kriegsgrenzen hinweg und baut auf dem Grundsatz der ärztlichen Pflicht, Menschen gleichberechtigt und ohne Vorurteile zu helfen. Sie betont zudem die tiefe Verbindung zwischen Russland und Ukraine: familär, kulturell und ökonomisch ….“

Hier die gesamte Erklärung lesen:

Diese gemeinsame Erklärung von Mediziner*innen Russlands und der Ukraine vom 16. März 2022 veröffentlichte die Vereinigung der IPPNW am 17. März 2022 auf ihrer website mit folgender Einleitung:

„Die russische und die ukrainische Sektion der International Physicians for the Prevention of Nuclear War (IPPNW) haben heute eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der sie sich gegen den Krieg in der Ukraine aussprechen und vor einer weiteren Eskalation bis hin zum Atomkrieg warnen. Die Erklärung vereint die Mediziner*innen über die Kriegsgrenzen hinweg und baut auf dem Grundsatz der ärztlichen Pflicht, Menschen gleichberechtigt und ohne Vorurteile zu helfen. Sie betont zudem die tiefe Verbindung zwischen Russland und Ukraine: familär, kulturell und ökonomisch …. Das Statement wurde nicht öffentlich namentlich unterzeichnet, um die Ärzt*innen auf beiden Seiten zu schützen.“

Whistelblowerin Katharina Gun

„George Bush und Tony Blair, vor allem aber Tony Blair, vermittelten der Öffentlichkeit den Eindruck, sie seien an einer diplomatischen Lösung in Sachen Irak interessiert … In Wirklichkeit aber suchten sie händeringend nach einer Zustimmung der Vereinten Nationen, um den Krieg zu rechtfertigen, den sie offenbar wollten … Man hat uns aufgefordert, an einem illegalen Verfahren mitzuwirken. Mit dem letztendlichen Ziel, eine militärische Intervention wider das Völkerrecht herbeizuführen.“

So kommentierte Katharine Gun, Übersetzerin und Analystin beim GCHQ, die eine als streng geheim klassifizierte Nachricht auf ihrem E-Mail-Account, die Frank Koza, Stabschef der NSA-Abteilung „Regionale Ziele“, am 31. Januar 2003 an die Mitarbeiter des Government Communications Headquarters (GCHQ), dem britischen Spionage-Pendant zum amerikanischen NSA, geschickt hatte. Laut dieser E-Mail ging darum, dass die NSA „eine Flut von Maßnahmen durchführt, die sich insbesondere gegen die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats (UNSC) richtet (abzüglich USA und GB natürlich)“. Ziel war, die Meinungsbildung namentlich unter den nichtständigen Mitgliedsstaaten im Sicherheitsrat auszuforschen: Angola, Chile, Kamerun, Bulgarien, Guinea, Pakistan. Grundsätzlich interessierte sich der Stabschef für „die ganze Palette an Informationen, die den US-Politikgestaltern einen Vorteil verschafft. In der Absicht Resultate zu erzielen, die sich positiv auf US-Interessen auswirken und Überraschungen abwenden“[1]zit. nach Marcia und Thomas Mitchell: The Spy Who Tried To Stop A War, Katharina Gun and the Secret Plot to Sanction the Iraq Invasion, London 2019, S. 3. Koza fordert die britischen Geheimdienstler auf, mit eigenen Mitteln den UNSC auszuspionieren.

Am 27. Januar 2003 hatte der Schwede Hans Blix, Waffeninspekteur der UN, in einem Bericht festgestellt, dass Bagdad den Vorgaben der UN-Resolution 1441 zur Überprüfung seiner Waffenarsenale entsprochen habe. ABC Waffen seien nicht gefunden worden.

Nach einem Abwägen von mehrere Tagen druckte Katharina Gun diese E-Mail aus und übergab sie einer freien Journalistin, die das an Martin Bright, einen Redakteur des Observer weitergab. Nach gründlichen Recherchen und erheblichen internen Konflikten veröffentlichte der Observer am 3. März 2003 diese E-Mail und die Ergebnisse der weiteren Recherche unter der Schlagzeile: „Enthüllt: Schmutzige Tricks der USA, um die Abstimmung im Irak zu gewinnen“.

Drei Tage nach der Veröffentlichung, am 5. März, offenbarte sich Katharina Gun ihren Vorgesetzten.

Am 5. Februar 2003 plädierte Außenminister Colin Powells vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für den Sturz Saddam Husseins und den Krieg gegen die Irak im Monat darauf. Die Begründung: Saddam Hussein verfüge über Massenvernichtungswaffen. Zwei Jahre später, im September 2005, bedauerte Powell in einem ABC-Interview diese Rede vor dem Sicherheitsrat. Die Behauptung, dass Saddam Hussein über Massenvernichtungswaffen verfügt habe, sei falsch gewesen.

Den Prozess, den die Staatsanwaltschaft gegen Katharina Gun wegen Geheimnisverrats anstrengte, gewann Katharina Gun. Ihr Anwalt Emmerson rückte die Frage der Legalität des Irakkrieges in den Mittelpunkt. Gun habe gehandelt, um größeren Schaden von Großbritannien abzuwenden und den Tod britischer Soldaten zu verhindern. Dem Rechtsbruch Gun’s sei der deutlich schwerer Rechtsbruch der Regierung Tony Blair’s vorausgegangen. Emmerson hatte Akteneinsicht in Regierungsdokumente beantragt. Generalstaatsanwalt Goldsmith war gleichzeitig Berater des Außenministeriums und hatte in dieser Funktion zunächst mitgeteilt, dass es eine UN-Resolution notwendig sei, um gegen den Irak gewaltsam vorzugehen, dann aber hatte er seine Haltung geändert und am 7. März erklärt, eine Invasion sei grundsätzlich „gesetzeskonform“, ohne eine zweite UN-Resolution. Offensichtlich wollte Goldsmith nicht, dass die Legalität des Irak-Krieges vor dem Gericht erörtert würde. So zog die Staatsanwaltschaft ihre eigene Anklage zurück. Katharina Gun sagte unmittelbar nach ihrem Freispruch: „Ich würde es wieder tun“.

Der Irak-Krieg kostete in der Zeit zwischen 2003 und 2006 nach den Schätzungen der 2. Lancet Studie 390.000 bis 940.000 Menschen, nach einer Studie der WHO 151.000 Menschen das Leben. Allerdings bezieht die Studie eine recht willkürlich definierte Auswahl ziviler Opfer von Gewalt ein. Betrachtet man an alle erfassten Toten, so ergab auch diese Studie der WHO eine Verdoppelung der jährlichen Tdesfälle ab 2003.

Diese Angaben über diese beiden Studien und die in diesen Studien ermittelten Zahlen der Toten des Irak-Krieges stützt sich auf das Buch des IPPNW: Body Count Opferzahlen nach 10 Jahren „Krieg gegen den terror“ Irak Afghanistan Pakistan, 1. internationale Auflage 2015

Diese Darstellung der Whistleblowerin Katharina Gun stützt sich auf das Buch: Michael Lüders „Die Scheinheilige Supermacht. Warum wir aus dem Schatten der USA heraustreten müssen“ München 2021 S. 105 ff.

Mehr zum Thema Whistleblowing hier:

References

References
1 zit. nach Marcia und Thomas Mitchell: The Spy Who Tried To Stop A War, Katharina Gun and the Secret Plot to Sanction the Iraq Invasion, London 2019, S. 3

Das Streikrecht ist ein Menschenrecht

Das Recht auf Streik ist eines der wichtigsten Grundrechte.

Immer wenn wir streiken, geht es nicht nur um den Arbeitslohn und die Arbeitszeit, also um die Notwendigkeit unsere Lebensgrundlagen zu verteidigen.

Im Streik setzen die abhängig Beschäftigten immer auch der Fremdbestimmung durch das Kapital, der jeder Beschäftigte unterworfen ist, ihre Selbstbestimmung entgegen. Der Streik ist daher Ausdruck des Artikel 1 Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Dieser Artikel 1 ist ein wichtiges Zeugnis der antifaschistischen Prägung des Grundgesetzes und der Streik herausragend als kollektive Ausdruck und kollektive Einforderung dieser Menschenwürde.

„Die Waffen nieder, und zwar alle!“ Lars Hirsekorn auf einer Betriebsversammlung VW Braunschweig

„2016 wollte ich eigentlich nach Istanbul fahren, um über die politische Situation in der Türkei zu diskutieren. Doch kurz vor der Reise kam dann der Putschversuch. In der darauf folgenden Repressionswelle verschwanden alle unsere geplanten Gesprächspartner entweder im Knast oder sind geflohen. Etwas ziellos habe ich mich entschieden, stattdessen nach Odessa zu fahren … Ich schildere meine Erfahrungen, um zu verdeutlichen, das hier keine Waffen helfen“.

So Lars Hirsekorn in seiner Rede während der letzten Betriebsversammlung. Lars Hirsekorn arbeitet im VW Werk Brauschweig. Ich danke Lars Hirsekorn für die Genehmigung, den vollständigen Text seiner Rede hier veröffentlichen zu dürfen:

Guten Morgen liebe Kolleginnen und Kollegen.

Eigentlich wollte ich noch etwas Wahlwerbung für die IG Metall machen und von meinem Bildungsurlaubsseminar in der letzte Woche berichten. Und zur Situation in der Kostenstelle seit der letzten Betriebsversammlung wollte ich auch noch was sagen, aber, 5 Minuten, da gibt es die Konzentration aufs wesentliche.

Bildungsurlaub

Beim Bildungsurlaub entsteht immer der Streit, ob es nun mehr Bildung oder mehr Urlaub ist. Für mich bedeutet die Kombination von Bildung und Urlaub eigentlich immer Horizonterweiterung. Auch wenn einige wohl der Meinung sind, ich wäre eher engstirnig, so erweitere ich doch sehr gerne meinen Horizont.

2016 wollte ich eigentlich nach Istanbul fahren, um über die politische Situation in der Türkei zu diskutieren. Doch kurz vor der Reise kam dann der Putschversuch. In der darauf folgenden Repressionswelle verschwanden alle unsere geplanten Gesprächspartner entweder im Knast oder sind geflohen.
Etwas ziellos habe ich mich entschieden, stattdessen nach Odessa zu fahren. So ging es im September 2016, mit dem Reiseveranstalter „Ex oriente Lux“ zur Perle am Schwarzen Meer. Da ich mich davor nur am Rande mit der Situation in der Ukraine auseinandergesetzt habe, bin ich also in den Buchladen, habe mir 10 Bücher gekauft und fleißig gelesen.

Ihr könnt euch nicht einmal ansatzweise Vorstellen, wie froh ich heute bin, dass ich es mir auch hier leisten konnte, vor ein paar Jahren meinen Horizont zu erweitern.
Auch wenn ich immer noch etwas ratlos vor euch stehe, so hilft mir diese Reise doch unheimlich, Nachrichten einzuordnen.
„Ex oriente Lux“ ist Spezialist für Ost-Europareisen und steht dabei den sogenannten Farbenrevolutionen eher positiv gegenüber. Entsprechend waren auch die Leute drauf, mit denen wir uns vor Ort getroffen haben.
Auch wenn ich vorher schon in einigen Büchern gelesen habe, welchen großen Einfluss die Ukrainischen Nationalisten bei den Maidan Unruhen hatten, war ich doch von dem Nationalen Größenwahn unserer Gesprächspartner ehrlich überrascht. Schließlich war ja davon auszugehen, das das gemäßigte Leute waren, mit denen wir uns da trafen. Zu einer friedlichen Verhandlungslösung zum Beispiel im Bezug auf Luhansk und Donezk gab es keinerlei Bereitschaft. Im Gegenteil. Lediglich bedingungslose Kapitulation wurden als Alternative zu einer militärischen Lösung gesehen. Dabei wurde dann auch mehrfach Unverständnis darüber geäußert, warum die Ukraine von Deutschland und der EU nicht endlich Waffen bekämen, um die abtrünnigen Gebiete zu erobern. Auf meine Anmerkung, das die faschistischen Bataillone innerhalb der ukrainischen Arme absolut inakzeptabel seien, gab es ihrerseits nur die Antwort, dass seien die Helden der Ukraine und über jegliche Kritik erhaben.

Wie unsere Gesprächspartner, hat auch die Regierung der Ukraine jegliche Deeskalation abgelehnt. Das Minsker Abkommen wurde von Kiew nie umgesetzt und die Politik der letzten Jahre war nur auf Revanche ausgerichtet. Am Freitag haben die USA öffentlich gemacht, das sie allein in 2021 Waffen für über eine Milliarde Dollar an die Ukraine geliefert haben.

Zudem werden faschistische Kriegsverbrecher aus dem 2. Weltkrieg als Nationale Ikonen stilisiert.
Die Ukraine ist ein tief zerrissenes Land und die Bundesregierung sollte sofort darauf drängen, das alle das Land verlassen dürfen, die diesen Krieg nicht mitmachen wollen.

Die Deserteure, das sind die Helden dieses Krieges!

Damit will ich in keiner Art und Weise den Angriff Russlands rechtfertigen. Tatsächlich muss ich gestehen, dass ich der Russischen Regierung mehr Verstand zugetraut habe. So einen Krieg anzufangen, zeugt von absoluten Größenwahn und einer „nach uns die Sinnflut“ Einstellung gegenüber der gesamten Menschheit.

Menschlich eine Tragödie, Politisch eine Katastrophe, ökologischer Wahnsinn.

Ich schildere meine Erfahrungen, um zu verdeutlichen, das hier keine Waffen helfen.

Dieser Krieg muss gestoppt werden und zwar schnell.

Diplomatie ist das Gebot der Stunde!

Dazu bedarf es einer weltweiten Initiative für eine sofortige Befriedung der Politik.

Jede weitere Bewaffnung wird uns nur weiter an den Abgrund führen.

Jede aggressive Wirtschaftspolitikpolitik, wie die der USA, die auf das Plattmachen anderer Staaten abzielt, gehört auf den Müllhaufen der Geschichte.

Wenn Kanzler Scholz jetzt 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr ausgeben will, dann geht das völlig in die falsche Richtung. Die jährlichen Militärausgaben der NATO Staaten sind jetzt schon vier mal so hoch, wie die von China und Russland zusammen.

Auch die Nato-Staaten haben seit Jahren das Völkerrecht und die Vereinten Nationen mit Füßen getreten. Sie haben den Irak und Syrien in Schutt und Asche gelegt, Libyen zerstört und mit deutschen Waffen wird der momentan verheerendste Krieg auf dieser Welt, im Jemen geführt.

Diese Kriege sind nicht zu gewinnen.

Die Klimakrise wird uns in den nächsten Jahrzehnten alles abverlangen, da ist das letzte was wir brauchen eine weitere Aufrüstung.                              

Die Waffen nieder, und zwar alle!