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FAQ zur Ausschreibung der S-Bahn Kurzfassung

Inhaltsverzeichnis:

1. Was verbirgt sich hinter der Ausschreibung des S-Bahn Betriebs?

Nicht sparsame Haushaltsführung, sondern die drohende Privatisierung des S-Bahn Betriebs. 

Weiterlesen hier: 

1.a. Manche ärgern sich über die Gewinne in Millionenhöhe, die in jedem Jahr von der S-Bahn GmbH an die  Deutsche Bahn AG abgeführt werden, und begründen damit die Notwendigkeit einer Ausschreibung.

Die Gewinne, die jährlich an die deutsche Bahn AG, die immer noch zu hundert Prozent in staatlicher Hand ist, rechtfertigt aber nicht eine Privatisierung, durch die zumindest ein Teil dieser Gewinne in die Taschen der Eigner eines privaten Betreibers umgelenkt würden. Besser wäre es, wenn die Gewinne in einem landeseigenen Unternehmen verbleiben könnten. Das wird aber mit einer Ausschreibung nicht erreicht. 

1.b. Andere begründen die Notwendigkeit einer Ausschreibung mit dem Jahr 2009, als die S-Bahn GmbH Monate lang nur sehr eingeschränkt den Fahrbetrieb aufrechterhalten konnte. 

Der eingeschränkte Fahrbetrieb im Jahr 2009 ist alles andere als ein Argument für die Privatisierung. Im Gegenteil: Es vermittelt eine Ahnung davon, wohin eine Privatisierung der S-Bahn GmbH führen kann. Damals reichte allein die Vorbereitung der Privatisierung, dass die S-Bahn nur noch eingeschränkt fahren konnte.

Siehe. Gewinnabführung der S-Bahn GmbH für die Jahre 2001 bis 2008 mit Kommentierung

1.c. Es wird auch gesagt, dass nicht länger mit der Ausschreibung gewartet werden kann, weil neue S-Bahn-Wagen benötigt werden und beschafft werden müssen. Der Senat hat inzwischen die Gründung einer Landesanstalt für Schienenfahrzeuge beschlossen. 

Ja, im Abgeordnetenhaus wird zur Zeit ein Gesetz zur Errichtung einer solchen Landesanstalt beraten. Die Schienenfahrzeuge werden Eigentum dieser Anstalt und diese Anstalt eine Einrichtung des Landes Berlin sein. Nach Angaben des Senats ist der Einsatz der neuen landeseigenen Fahrzeuge ab Winter 2027/28 vorgesehen. Gäbe es einen landeseigenen S-Bahn Fahrdienst, könnten von ihm diese Wagen genutzt werden. Wäre das nicht naheliegend? Wäre es nicht naheliegend, dass diese landeseigenen Fahrzeuge von einem landeseigenen Fahrdienst betrieben und in landeseigenen Werkstätten instand gehalten werden?  Weil aber die Deutsche Bahn AG das Land Berlin nicht an der S-Bahn GmbH beteiligen will und eine Ausschreibung zulässt, kann der Berliner Senat eine Privatisierung des S-Bahn Fahrdienstes nur verhindern, indem er einen eigenen S-Bahn Fahrdienst aufbaut. Eine Ausschreibung der S-Bahn Fahrdienste ist nicht notwendige Voraussetzung für die Beschaffung neuer S-Bahn Fahrzeuge (siehe unten unter 9.).

2. Was bedeutet die Ausschreibung für meinen Arbeitsplatz bei der S-Bahn Berlin GmbH?

Wenn die S-Bahn GmbH die Ausschreibung verliert, fällt dieser Arbeitsplatz bei der S-Bahn GmbH weg. Genauer: Es fällt der Arbeitsplatz weg, der direkt oder indirekt vom Betrieb der Nord-Süd Bahn oder der Stadtbahn oder von der Instandhaltung der Fahrzeuge auf diesen Teilnetzen abhängt.

Wenn die Ausschreibung durchgezogen wird, die Instandhaltung in den Werkstätten zum Teil ausgelagert werden. Die S-Bahn GmbH bietet in der laufenden Ausschreibung zusammen mit Siemens und Stadler. Diese Privatfirmen werden nicht nur die Fahrzeuge liefern, sondern auch auch für die schwere Instandhaltung zuständig sein, für die jetzt die Werkstätten der S-Bahn GmbH zuständig sind.

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3. Müssen alle Beschäftigten der S-Bahn GmbH, die aufgrund der Ausschreibung ihren Arbeitsplatz verlieren, von dem neuen Betreiber übernommen werden?

Nein. Die Ausschreibung garantiert nicht die Übernahme aller Beschäftigten, die aufgrund der Ausschreibung ihren Arbeitsplatz verlieren.  

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4. Wenn ich bei einem möglichen neuen Betreiber beschäftigt werde, was passiert mit meinen TV- Ansprüchen, die ich bei der S-Bahn Berlin hatte?

Diese TV-Ansprüche gelten nicht mehr. Tarifverträge, für die die Beschäftigten viele Jahre gekämpft haben, verlieren auf einen Schlag ihre Wirksamkeit. Die Ansprüche gehen allerdings nicht ganz verloren. Sie leben individuell als Teil des Arbeitsvertrages weiter. Das gilt aber nur für einen Teil der Beschäftigten.

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5. Für wen sind die Regelungen aus Tariftreue wichtig?

Die Tariftreue ist für alle wichtig, die ein neuer Betreiber nicht von der S-Bahn GmbH übernommen hat, die aber bei ihm Tätigkeiten ausführen, für die früher die S-Bahn GmbH zuständig war. Die Regelungen zur Tariftreue greifen für die Lokführer und sollen nach dem Ausschreibungstext auch für die Arbeitskräfte in der Instandhaltung gelten.

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6. Tariftreue –  ist das nicht was Gutes?

Tariftreue ist besser als keine Tariftreue, aber schlechter als Tarifbindung.

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7. Als Lokführer bin ich doch gut abgesichert. Kann es mir nicht egal sein, bei wem ich arbeite?

Nein, eine gute Absicherung ist das nicht, wenn die Bindung an die bisherigen Tarifverträge verloren geht und die Ansprüche der Lokführer nicht mehr durch Tarifvertrag, sondern nur noch durch den einzelnen Arbeitsvertrag abgesichert sind. Zudem führt das Fehlen einer Bindung an die bisherigen Tarifverträge zu einer Spaltung in der Belegschaft des neuen Betreibers: Dort werden die Lokomotivführer zu unterschiedlichen Arbeitsbedingungen arbeiten, je nachdem ob ein Lokführer von der S-Bahn GmbH übernommen wurde oder nicht. Und schließlich führt der Betrieb und die Instandhaltung durch einen privaten Betreiber zur Arbeitsverdichtung. Diese Arbeitsverdichtung wird alle treffen. Auch die Lokführer werden von den Folgen der Arbeitsverdichtung nicht verschont. Auch die Fahrgäste der S-Bahn werden das zu spüren bekommen.

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8. Wer soll denn, außer der S-Bahn Berlin GmbH, dieses Netz betreiben können?

Ob auch andere Bewerber als die S-Bahn GmbH in der Lage sind, 2/3 des S-Bahn-Netzes zu betreiben und die neuen Fahrzeuge instand zu halten, kann mit guten Gründen bezweifelt werden, insbesondere wenn bedacht wird, dass die Aufteilung der S.Bahn unter verschiedene private Unternehmen (Zerschlagung der S-Bahn) zu erheblichen Abstimmungs- und Koordinationsprobleme zwischen den zahlreichen möglichen Beteiligten führen wird. Trotzdem wird viel dafür getan, andere Bewerber als die S-Bahn GmbH zum Zuge kommen zu lassen. Anstatt mit viel Geld private Unternehmen zu fördern sollte dieses Geld für eine Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs auf der Schiene verwendet werden.

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9. Ist eine Vergabe des S-Bahn-Verkehrsbetriebes und der Instandhaltung der S-Bahn-Fahrzeuge ohne Ausschreibung möglich (so genannte Direktvergabe)?

Ja, eine Ausschreibung kann vermieden werden, eine Direktvergabe ist möglich. Dazu muss die Deutsche Bahn AG die Kontrolle über die S-Bahn GmbH an das Land Berlin oder an die beiden Länder Berlin und Brandenburg abgeben. Die deutsche Bahn AG muss nicht die gesamte S-Bahn GmbH verkaufen, sondern kann einen Teil der Anteile behalten – als Grundlage für eine enge Zusammenarbeit zwischen S-Bahn GmbH und Deutscher Bahn AG auch in der Zukunft. Wer darauf besteht, dass die Kontrolle über die S-Bahn GmbH bei der Deutschen Bahn AG bleibt, kommt auf Dauer an einer Ausschreibung mit all den drohenden schädlichen Folgen nicht vorbei. So sind die geltenden gesetzlichen Regelungen.

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Zusatzfrage: Bei einem landeseigenen Bahnunternehmen ist nicht in jedem Fall gesichert, dass es an die Tarifverträge gebunden ist, die für die S-Bahn GmbH gelten. Welchen Nutzen haben also die Beschäftigten von einem landeseigenen Bahnbetrieb?

Wenn die Deutsche Bahn AG erhebliche Anteile an der S-Bahn GmbH an das Land Berlin verkauft und dadurch ein landeseigener Bahnbetrieb entsteht, bleibt die bestehende Bindung an die Tarifverträge erhalten. Wenn das Land Berlin ein eigenes Bahnunternehmen gründet, muss dieses Unternehmen sofort an alle Tarifverträge gebunden werden, die für die S-Bahn GmbH gelten. Die Erfahrungen zeigen, dass dies durchaus nicht gesichert ist. Die Erfahrungen zeigen aber auch, dass die Einflussmöglichkeiten, eine solche Tarifbindung zu erzwingen, in einem landeseigenen Unternehmen größer sind als in einem voll privatisierten Unternehmen.

10. Ist ein Abbruch der schon veröffentlichten Ausschreibung möglich?

Das Argument, „der Zug ist abgefahren“, ist wenig überzeugend. Der Zug kann gestoppt werden. Ein Abbruch der Ausschreibung ist jederzeit möglich.

11. Welche Möglichkeiten habe ich als Beschäftigte, meinen Unmut gegenüber den Plänen der Regierung kundzutun?

Der Betriebsrat kann Betriebsversammlungen einberufen.

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12. Darf ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen aufgrund der Pläne in den Streik treten?

Es ist für alle Gewerkschaften von sehr großer Bedeutung, dass endlich eine Gewerkschaft auch zu einem politischer Demonstrationsstreik aufruft. Das könnte ein Streik der S-Bahner gegen die Ausschreibung und die damit verbundenen Verschlechterungen sein. Ein zusätzliches Streikziel könnte ein Sozialtarifvertrag für den Fall sein, dass die S-Bahn GmbH nicht den Zuschlag bekommt. Der Streik könnte an einem der Freitage stattfinden, an dem fridays-for-future zum Klimastreik aufrufen. Das Haftungsrisiko ist kalkulierbar.

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13. Kann mir gekündigt werden, wenn ich mich weigere, Beschäftigter des neuen Betreibers zu werden, und meinen Arbeitsvertrag mit der S-Bahn GmbH nicht aufgeben will?

Nein, Widerspruch ist möglich – ohne die Gefahr gekündigt zu werden.

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Vollständiger Text

Zur weiteren Information empfehlen wir: FAQ des Bündnisses EINE S-BAHN FÜR ALLE und Kommentierung der FAQ der Partei die Linke Berlin

Zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit

Zivilgesellschaftliches Handeln, das politisch und antifaschistisch ist, ist gemeinnützig

Vorbemerkung: An mehreren Stellen im folgenden Text sind Worte blau markiert. Dahinter verbergen sich links zu vertiefenden Beiträgen.

15.10.2020 Zuerst wurde Attac die Gemeinnützigkeit aberkannt, später traf Campact die Aberkennung der Gemeinnützigkeit. Dagegen bildete sich eine Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, in der sich Vereine und Stiftungen zusammen schlossen. Ihre Forderung: Zivilgesellschaft ist gemeinnützig.

Im November 2019 wurde auch der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund des Antifaschisten) die Gemeinnützigkeit entzogen. Auch die VVN-BdA foderte: Antifaschismus ist gemeinnützig.

1. Was will ein Verein erreichen, der als gemeinnützig anerkannt werden will?

Diejenigen, die an einen gemeinnützigen Verein spenden, können diese Spende von  ihren zu versteuernden Einkünften absetzen. Ein gemeinnütziger Verein kann entsprechende Spendenbescheinigungen ausstellen. Wichtig ist auch, dass Zuschüsse aus öffentlichen Kassen regelmäßig an die Gemeinnützigkeit gebunden sind. Zudem befreit die Anerkennung der Gemeinnützigkeit einen Verein von zahlreichen Steuern, insbesondere von der Körperschaftssteuer (entspricht der Einkommenssteuer bei natürlichen Personen) und Gewerbesteuer. Diese Steuerbefreiung gilt vor allem für die Vereinseinnahmen aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden, Erbschaften, Zuschüssen usw.

Da die Aberkennung der Gemeinnützigkeit für drei Jahre rückwirkend gilt, drohen der VVN-BdA Zahlungen an das Finanzamt im fünfstelligen Bereich.

2. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung als gemeinnützig

Wenn die Finanzämter einem Verein die Gemeinnützigkeit aberkennen, berufen sie sich auf  zwei gesetzliche Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen:

  1. Der Verein muss gemeinnützige Zwecke verfolgen[1] und
  2. Der Verein darf nicht extremistisch sein.[2].

zu 1.

Ein Verein ist gemeinnützig, wenn er Zwecke verfolgt, die die Allgemeinheit fördern. Diese Zwecke sind in der Abgabenordnung im Einzelnen aufgeführt[3]. Bei Attac und den anderen Vereinen , denen die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde, geht es um die erste Voraussetzung: Welche Zwecke darf ein gemeinnütziger Verein verfolgen und wie darf er sie verfolgen?

zu 2.

Außerdem gibt es ein Ausschlusskriterium, also eine Voraussetzung, die nicht erfüllt sein darf, wenn ein Verein als gemeinnützig anerkannt werden will[4]: Er darf

  • keine Bestrebungen fördern,
    • die gegen den  Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder
    • gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung

gerichtet sind[5] und

  • nicht dem Gedanken der Völkerverständigung zuwiderhandeln.

Verfassungsgrundsätze, die zur freiheitlich demokratischen Grundordnung zählen, werden im Gesetz, das die Arbeit des Verfassungsschutzes regelt, aufgeführt[6].

Ein Verein, der diese Bedingungen aus der Abgabenordnung nicht erfüllt, gilt als extremistisch und hat damit keinen Anspruch, als gemeinnützig anerkannt zu werden.

Das Finanzamt meint, bei der Aberkennung der Gemeinnützigkeit der VVN-BdA sich darauf stützen zu können, dass die VVN-BdA extremistisch sei.

In der Abgabenordnung ist weiter geregelt, wer was zu beweisen hat. Danach wird davon ausgegangen, dass die Vereine, die in einem Verfassungsschutzbericht eines Bundeslandes oder des Bundes als extremistische Organisationen aufgeführt werden, auch extremistisch sind; der betroffene Verein hat die Gelegenheit, diese Vermutung des Verfassungsschutzes zu widerlegen[7]. Das Finanzamt muss nicht den Vollbeweis antreten, dass ein Verein “extremistisch” ist, wenn es diesem Verein die Gemeinnützigkeit entzieht. Das wird manchmal auch Beweislastumkehr genannt

3. Warum wurde attac und anderen Vereinen die Gemeinnützigkeit aberkannt?

Anders als bei der VVN-BdA geht es bei attac, campact und den anderen Vereinen, die sich in der Allianz “Rechtsicherheit für politische Willensbildung” zusammen geschlossen haben, um die Frage: Welche Zwecke darf ein gemeinnütziger Verein verfolgen und wie darf er sie verfolgen?

Die Allianz fordert eine Änderung der gesetzlichen Grundlagen, so dass ihnen nicht mehr die Gemeinnützigkeit entzogen werden kann. Die Abgabenordnung soll so geändert werden, dass zivilgesellschaftliches Engagement als gemeinnützig anerkannt werden muss:

Einen ersten Schritt in dieser Richtung taten die Bundesländer auf der Sitzung des Bundesrats am 9. September. Sie entschieden sich für die Aufnahme weiterer Zwecke in die Abgabenordnung. Auch Vereine, die diese neuen Zwecke verfolgen, sollen als gemeinnützig anerkannt werden. Aber das reicht nicht aus, wie aktuelle Petitionen zeigen, z.B. https://www.openpetition.de/petition/online/engagement-gegen-rassismus-ist-gemeinnuetzig-der-bundestag-muss-dies-garantieren.

Ein anderer Vorschlag wurde jedoch abgelehnt, der attac und anderen Vereinen die Gemeinnützigkeit zurück gegeben hätte: Die Mehrheit der Länderfinanzminister hatte wenige Tage zuvor gegen die Stimmen der CDU/CSU folgenden Vorschlag gemacht: „Die Steuervergünstigung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine steuerbegünstigte Körperschaft bei der Verfolgung ihrer steuerbegünstigten Zwecke politisch tätig wird, wenn ihre steuerbegünstigte Tätigkeit mit einer politischen Zielsetzung verbunden ist“. Dieser Vorschlag hätte den Vereinen auch erlaubt, politisch für ihre Forderungen einzustehen ohne Furcht vor der Aberkennung der Gemeinnützigkeit. Die Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ begrüßte diesen Vorschlag und kommentierte ihn so: „Würde der Vorschlag ins Gesetz aufgenommen, würde damit prinzipiell anerkannt, dass gemeinnützige Organisationen natürlich auch mit politischen Mitteln wirken können, etwa mit Demonstrationen, Bürgerbegehren und Forderungen an den Bundestag, Länderparlament oder die Kommune“.

Die Allianz macht noch einen dritten Vorschlag: „Um sich für Demokratie zu engagieren, brauchen Vereine und Stiftungen die gesetzliche Erlaubnis, sich bei Gelegenheit über ihren Zweck hinaus zu engagieren, sonst wird dem Chorverein die Gemeinnützigkeit entzogen, wenn er zur antirassistischen Mahnwache aufruft“.

Die politisch Verantwortlichen sind nicht bereit, diese Forderungen der Allianz zu erfüllen, und sie sind auch nicht bereit, die Aberkennung der Gemeinnützigkeit der VVN-BdA rückgängig zu machen.

Etwas verallgemeinernd lässt sich die Zielrichtung der Aberkennung der Gemeinnützigkeit so beschreiben:

  • Zivilgesellschaftliches Handeln soll nicht politisch sein und
  • politisches Handeln soll nicht antifaschistisch sein.

Es geht darum, diese Zielrichtung umzudrehen:

  • Gemeinnützig ist zivilgesellschaftliches Handeln, das politisch ist, und
  • gemeinnützig ist politisches Handeln, das antifaschistisch ist.

Das ist ein großes politisches Programm.

Damit ein gemeinsames Handeln in diese Richtung erreicht wird, kommt es darauf an, dass sich alle der Allianz für “Rechtssicherheit der politischen Willensbildung” in ihren Forderungen gegenseitig unterstützen. Das heißt: Die VVN-BdA unterstützt die übrigen Vereine in deren Forderungen und umgekehrt. Das ist nicht selbstverständlich. Denn alle Änderungsvorschläge, die attac, DemoZ und den anderen Vereine weiter helfen, sind keine Lösung für die VVN-BdA, der die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde, weil sie vom Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuft wurde. Es ist also ein gegenseitiges Verständnis für die Forderungen der ‘anderen’ notwendig. Die weiteren Ausführungen haben den Zweck, die Gründe und Hintergründe der Aberkennung der Gemeinnützigkeit der VVN-BdA genauer darzustellen und so für eine gemeinsames Handeln aller zu werben, denen die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde oder denen diese Aberkennung droht.

4. Wie unterscheiden sich die Gründe für die Aberkennung der Gemeinnützigkeit der VVN-BdA von den Gründen der anderen Vereine?

Wir wiederholen: Wenn die Finanzämter einem Verein die Gemeinnützigkeit aberkennen, berufen sie sich auf  zwei gesetzliche Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen:

  • Der Verein muss gemeinnützige Zwecke verfolgen[1] und
  • Der Verein darf nicht extremistisch sein.[2].

Bei Attac und den Vereinen der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ geht es um die erste Voraussetzung: Welche Zwecke darf ein gemeinnütziger Verein verfolgen und wie darf er sie verfolgen? Bei der VVN-BdA geht es um die zweite Voraussetzung: Wann verfolgt ein Verein verfassungswidriger Bestrebungen, so dass er nicht mehr als gemeinnützig anerkannt werden soll? 

5. Warum ist die Aberkennung der Gemeinnützigkeit verfassungswidrig? Zum Begriff ‘Extremismus’ und seiner Anwendung.

Die gesetzlichen Regelungen, auf die sich die Berliner Behörde stützt, verstoßen unter zwei Gesichtspunkten gegen das Grundgesetz:

a. Es ist nicht mit der Verfassung vereinbar, die Finanzbehörde eines Bundeslandes über ein einfaches Gesetz an die Einstufung des Verfassungsschutzes eines anderen Bundeslandes zu binden.
b. Der Maßstab ‚extremistisch‘, an dem entschieden wird, ob ein Verein gemeinnützig ist oder nicht, ist verfassungswidrig.

Im Einzelnen:


zu a. Die Bindung des Berliner Finanzamtes an die Einstufung des Bayrischen Verfassungsschutzes ist verfassungswidrig

Das Berliner Finanzamt muss sich nicht vom Bayrischen Verfassungsschutz vorschreiben lassen, ob es bei einer bundesweiten Organisationbei von einer linksextremen Organisation auszugehen hat oder nicht: Diese Zuständigkeit hat der bayrische Verfassungsschutz nicht und kann ihm auch nicht durch einfaches Gesetz zugewiesen werden. Eine solche Zuweisung ist unvereinbar mit dem Grundgesetz.

Die Abgabenordnung muss insoweit geändert werden.

zu b. Der Begriff extremistisch ist durch seine Unbestimmtheit und – soweit er bestimmt ist –  durch seine Instrumentalisierung als Kampfbegriff gegen Demokratie, gegen das Grundgesetz und gegen alle sozialistischen Optionen verfassungswidrig. Im Einzelnen:

Der Begriff “Extremismus”, wie er unter anderem in der Abgabenordnung verwendet wird, zeichnet sich zunächst einmal durch seine Unbestimmtheit aus.

Wenn anhand eines solchen unbestimmten Maßstabes in ein Grundrecht eingegriffen wird, ist das verfassungswidrig. Die Erwähnung der VVN-BdA im bayrischen Verfassungsschutzbericht[10] und die Aberkennung der Gemeinnützigkeit durch das Finanzamt sind Eingriffe in Grundrechte. Besonders schwerwiegend ist die Aberkennung der Gemeinnützigkeit als Eingriff in das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit, weil das zu erheblichen finanziellen Belastungen für diese Vereinigung führen kann. Ein solcher Eingriff muss verhältnismäßig sein. Dazu muss er bestimmt sein. Das fehlt dem Begriff ‘Linksextremismus’. Er enthält keine klaren Vorgaben, nach denen sich die Vereine richten können[11]. Er kann von Verfassungsschutzdiensten beliebig ausgefüllt werden.

Aus dem Begriff des Extremismus, wie er in der Abgabenordnung verwendet wird, wurde vom Verfassungsschutz (aber nicht nur vom Verfassungsschutz) ein Begriff des Linksextremismus entwickelt, der sich ebenfalls durch seine Unbestimmtheit auszeichnet und dadurch ebenfalls für den Verfassungsschutz ein weites Feld der Anwendung eröffnet. Seine Anwendung – gegen Demokraten, Sozialisten und Kommunisten gerichtet – prägt bis heute die  Bundesrepublik und öffnet dadurch dem Rechtsextremismus, der dieselbe Zielrichtung verfolgt, Tür und Tor. Mit der AfD als größter Oppositionspartei im Bundestag  sollte deutlich geworden sein, dass die Gefahr von rechts kommt. Dem sollte der Kampf für ein antifaschistisches Deutschland entgegen gestellt werden. Das geht nur, wenn Antifaschismus nicht mehr als linksextremistisch und damit als verfassungswidrig gilt.   

In dieser Auseinandersetzung geht es darum, an Traditionen aus der Zeit unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg anzuknüpfen, wie sie von Demokraten, Sozialisten und Kommunisten gemeinsam entwickelt wurden und im Schwur von Buchenwald zum Ausdruck kommen. Dem entsprechend müssen die bestehenden gesetzlichen Grundlagen ausgelegt, angewendet und – wo notwendig – genauer gefasst werden. Es geht um eine entsprechende Orientierung der staatlichen Einrichtungen. Und es geht darum, die ökonomischen Grundlagen für eine antifaschistische Gesellschaft zu schaffen[12], um dem großen Ziel näher zukommen: “Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!” Antifaschismus als Verfassungsauftrag. Wenn Antifaschismus Verfassungsauftrag ist, ist die Aberkennung der Gemeinnützigkeit der VVN-BdA verfassungswidrig. Entscheidend ist die Einstufung der VVN-BdA als verfassungswidrig und der Begriff des Extremismus selbst, der verfassungswidrig ist.

Zur Begriffsbildung des Extremismus während der Restauration der Adenauerzeit hier.

Bei dieser Frage geht es nicht nur um die bayrische Verfassungsschutzbehörde. Auch das Verwaltungsgericht München hat die Wertungen der VVN-BdA durch den bayrischen Verfassungsschutz als „linksextremistisch beeinflusst“ gebilligt und damit vielleicht ein noch verheerenderes Zeichen gesetzt als die Verfassungsschutzbehörde selbst. Es hat der Meinung des Verfassungsschutzes den gerichtlichen Segen gegeben. Ob diese Meinung nun als Meinung der Behörde des Verfassungsschutzes daher kommt oder in anderer Form, es lohnt sich, sich damit gründlich auseinanderzusetzen . Der stellvertretende Vorstehe des Berliner Finanzamtes für Körperschaften hatte keinerlei Probleme, in einem Gespräch mit der VVN-BdA sämtliche Argumente des Verwaltungsgerichts München zu übernehmen, die das Verwaltungsgericht seinerseits vom Verfassungsschutz übernommen hatte.

6. Reicht die Einstufung “linksextremistisch beeinflusst” als Voraussetzung für eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit?

Hat der bayrische Verfassungsschutz die VVN-BdA als „linksextremistisch“ oder als „linksextremistisch beeinflusst“ eingestuft? Offensichtlich geht das Berliner Finanzamt davon aus, dass die VVN-BdA vom bayrischen Verfassungsschutz als “linksextremistisch” eingestuft wurde.

Diese Frage ist aus zwei Gründen nicht unwichtig. Erstens hat der Bundesfinanzhof hat schon im Jahr 2012 klargestellt, dass die Vermutung, dass ein Verein extremistisch ist, voraussetzt, dass dieser Verein in einem  Verfassungsschutzbericht auch ausdrücklich als „extremistisch“ eingestuft wird[31].

Zweitens würde man die Aberkennung der Gemeinnützigkeit wegen Linksextremismus ins Uferlose ausweiten, wenn man keinen Unterschied zwischen ‚linksextremistisch‘ und ‚linksextremistisch beeinflusst‘ machen würde.

Tatsächlich wird die VVN-BdA im Bericht des bayrischen Verfassungsschutzes 2018 nur als „linksextremistische beeinflusst“, nicht aber als „linksextremistisch“ eingestuft [32].

Damit ist die Voraussetzung aus der Abgabenordnung nicht erfüllt, nach der das Finanzamt davon auszugehen hat, dass die VVN-BdA linksextremistisch ist. Der Streit wäre beendet und die Finanzbehörde müsste der VVN-BdA die Gemeinnützigkeit wieder zurückerkennen. Das hat die Finanzbehörde aber bisher nicht getan.

7. Sind die Tatsachen widerlegt, die Anknüpfungspunkte für die Einstufung der VVN-BdA als “extremistisch” sein sollen?

In der Zeitung der VVN-BdA antifa[13] berichtet die Bundesprecherin der VVN-BdA Cornelia Kerth  über ein Gespräch mit dem Berliner Finanzamt für Körperschaften. Der stellvertretende Vorsteher dieses Finanzamtes habe betont, dass die VVN-BdA  in einer Phase sei, in der es „nicht mehr darum ginge Zweifel an der Schlüssigkeit der vom Inlandsgeheimdienst vorgetragenen Behauptungen aufkommen zu lassen“, sondern dass die VVN-BdA diese Behauptungen nunmehr so widerlegen müssten, dass keine Zweifel an der Darstellung der VVN-BdA möglich seien.

In dem Gespräch der VVN-BdA mit dem Berliner Finanzamt referierte die Sachgebietsleiterin, was die VVN-BdA widerlegen müsse, um die Vermutung, die VVN-BdA sei “linksextremistisch, zu entkräften: „„kommunistischer Faschismusbegriff“, Einfluss der DKP, Äußerungen von einzelnen Funktionärinnen und Funktionären, Zusammenarbeit mit gewaltbereiten Autonomen, Blockaden“[13]

Das ist genau das, was im Verfahren vor der Bayrischen Verwaltungsgerichtsbarkeit der Bayrische Verfassungsschutz als Indizien für seine Einstufung der VVN-BdA vorgetragen hatte[14]. Kein anderes Bundesland und auch nicht der Bundesnachrichtendienst stufen die VVN-BdA noch als  linksextremistisch ein[15]. Wenn der Verfassungsschutz von 15 anderen Bundesländern und auch der Bundesnachrichtendienst die VVN-BdA nicht mehr als linksextremistisch einstufen, dann müsste schon alleine diese Tatsache die Einstufung der VVN-BdA als „linksextremistisch“ durch den bayrischen Verfassungsschutzes nachhaltig erschüttern.

Aber auch wenn man die einzelnen Tatsachen durchgeht, die der Verfassungschutz anführt, ist nicht nachvollziehbar, warum sie „tatsächliche Anknüpfungspunkte“ für eine Wertung der VVN-BdA auch nur als linksextremistischen beeinflusst’ sein sollen. Schon gar nicht rechtfertigen sie eine Einstufung als ‘linksextremistisch’.

Wir wollen die einzelnen “Anknüpfungspunkte” im Folgenden durchgehen (siehe die folgenden Buchstaben a bis d.):

a. Anknüpfungspunkt “kommunistischer Antifaschismus”

Cornelia Kerth, Sprecherin der VVN-BdA, hat darauf direkt geantwortet, dass die VVN-BdA eine Parteien und Spektren übergreifende Organisation ist, in der es unterschiedliche Zugänge zum Antifaschismus gibt, und dass sich die VVN-BdA auf Gemeinsames konzentriert: „Dazu gehört auch, dass wir kein von einer einheitlichen Weltanschauung geprägtes Verständnis von Faschismus und Antifaschismus haben“[16]. Der VVN-BdA lässt sich nicht in gute und schlechte Antifaschistinnen und Antifaschisten spalten.

Zugleich sei daran erinnert, dass selbst die CDU in ihrem Ahlener Programm 1947 erklärte: „Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden“[17]. Sie forderte eine „Neuordnung von Grund aus“ und die Vergesellschaftung der Bergwerke und der eisenschaffenden Großindustrie. Selbst die CDU erklärte in ihrem Ahlener Programm: „Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden“[17]. Sie forderte eine „Neuordnung von Grund aus“ und die Vergesellschaftung der Bergwerke und der eisenschaffenden Großindustrie. War das, was die CDU damals forderte, kommunistischer Antifaschismus? Das Ziel des bayrischen Verfassungsschutzes ist es, die VVN-BdA Mitglieder aufzuspalten in gute und schlechte Antifaschisten. Mitglieder der DKP gehören dann zu den schlechten Antifaschisten.

Im Übrigen sei auf die sehr instruktive Stellungnahme von RA Hans E. Schmitt-Lermann verwiesen. Dieser Vortrag kann auch in Youtube als Film angesehen werden.

b. Anknüpfungspunkt “Einfluss der DKP”

Abgesehen davon, dass der bayrische Verfassungsschutz den Einfluss von DKP Mitgliedern in der VVN-BdA übertreibt, haben wir dargelegt, dass das Problem der Begriff “Extremismus” ist und nicht die DKP. Die Mitglieder der DKP in der VVN-BdA sind kein Anknüpfungspunkt dafür, dass die VVN-BdA Bestrebungen fördert, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind.

Till Müller-Heidelbeg schreibt zum Einfluss der DKP in der Bayrischen VVN-BdA: “Nach den Zahlen des Verfassungsschutzes sind wenig als 7% der Mitglieder der VVN-BdA auch Mitglieder der DKP Wie sollen diese denn die übrigen 93% Mitglieder linksextremistisch beeinflussen oder dominieren? Dasselbe gilt für den Vorstand. Von den drei Mitgliedern des Sprecherkreises des Landesvorstandes ist evtl. ein Mitglied auch Mitglied der DKP, ohne dort aber irgendeine Funktion zu haben. Und von den insgesamt 15 Mitgliedern des Vorstandes der VVN-BdA Landesvereinigung Bayern haben gerade drei Mitglieder auch eine Mitgliedschaft in der DKP. Die übrigen Vorstandsmitglieder sind parteilos oder gehören anderen, im Bayrischen Landtag vertretenen, Parteien an, so dass von einer DKP-Beeinflussung nicht die Rede sein kann. Der Landesverfassungsschutzbericht verschweigt auch geflissentlich , dass vier bayrische Landtagsabgeordnete und mindestens eine bayrische SPD-BundestagsabgeordneteMitglied der VVN-BdA sind. Dass nach der Argumentation von Verfassungsschutz und Finanzamt die VVN-BdA folglich sozialdemokratisch beeinflusst oder dominiert ist, wird verständlicherweise von diesen im Prozess vor dem Finanzgericht München nicht vorgetragen”[18].

c. Anknüpfungspunkt “Äußerungen von einzelnen Funktionärinnen und Funktionären

Als tatsächlicher Anhaltspunkt wird noch angeben: “Äußerungen von einzelnen Funktionärinnen und Funktionären“. Als Beispiel wird unter anderen diese Äußerung aus einer Rede auf dem 4. Bundeskongress im Jahr 2011 zitiert: „Faschismus ist im Deutschen ein mehrdeutiges Wort: es bezeichnet eine Organisation, Bewegung oder Partei, eine Ideologie und eine Staatsform, die faschistische Diktatur genannt wird. Und diese Diktatur ist eine der denkbaren, möglichen und verwirklichten Ausprägungen bürgerlicher Herrschaft. Das ist das Wesen der Sache und des Streits. Eine Ausprägung neben anderen: der konstitutionellen Monarchie, der parlamentarischen Republik oder auch dieser oder jener Form autokratischer Herrschaft. In welchen Formen die bürgerliche Gesellschaft ihren staatlichen Rahmen findet, hängt nicht in erster Linie von Überzeugungen ab, wiewohl die beim Handeln von Menschen immer im Spiele sind, sondern davon, welche von ihnen den in der Gesellschaft dominierenden Interessen und deren Verfechtern dient, sie fördert und womöglich auch sichert“.

Der Verfassungsschutz und mit ihm das Verwaltungsgericht würdigt diesen Ausschnitt aus der Rede eines “maßgeblichen Vertreters der marxistischen Faschismustheorie innerhalb der der VVN-BdA” so: “Dieses spezifische Verständnis von „Antifaschismus“ der DKP und in der VVN-BdA erinnert an den „Antifaschismus“ als Staatsdoktrin der ehemaligen DDR, wonach alle nicht-sozialistischen Staaten, also auch die Bundesrepublik Deutschland, „faschistisch“ waren (siehe auch die Bezeichnung der ehemaligen Berliner Mauer als „antifaschistischer Schutzwall“). Es setzt sich fort in den zu Beginn der 1980er-Jahre entstandenen …-Gruppen, die sich auch auf die autonome Szene erstrecken”.

Doch es steht nirgendwo in dem Text, dass alle nicht-sozialistischen Staaten faschistisch waren. Im Text ist nur von “Einer Ausprägung neben anderen” die Rede: “der konstitutionellen Monarchie, der parlamentarischen Republik oder auch dieser oder jener Form autokratischer Herrschaft”. Deutschland hatte bis zum Ende des 1. Welktieges einen Kaiser, dann herrschte während der Weimarer Republik eine bürgerliche Demokratie und ab 1933 ein faschistisches Regime. Und das alle auf der Basis einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Was ist an diesem Text falsch oder gar extremistisch? Oder will der Verfassungsschutz und das Verwaltungsgericht München nur den berühmten Satz von Rosa Luxemburg bestätigen, dass revolutionär ist, zu sagen, was ist? Will vielleicht demnächst auch der Verfassungsschutz die IG Metall als linksextremistisch einstufen, weil sie in ihrer Satzung die “Überführung von Schlüsselindustrien und anderen markt- und wirtschaftsbeherrschende Unternehmungen in Gemeineigentum” fordert und sich damit auf Artikel 15 des Grundgesetzes beruft, der diese Möglichkeit eröffnet? “Das Grundgesetz ist wirtschaftspolitisch neutral” erklärte das Bundesverfassungsgericht mehrfach[29] . Das Grundgesetz fordert den Sozialstaat, aber keineswegs die Marktwirtschaft[30] .

d. Anknüpfungspunkt “Zusammenarbeit mit gewaltbereiten Autonomen” und “Aufruf zur Blockade”

Und schließlich bleiben noch als tatsächliche Anhaltspunkte: “Zusammenarbeit mit gewaltbereiten Autonomen, Blockaden“. In diesem Zusammenhang meint der stellvertretende Vorstehers des Berliner Finanzamtes, zu den vom Verfassungsschutz vorgetragenen Behauptungen, die von der VVN-BdA zu widerlegen seien, gehöre, dass sie das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nicht respektiere. Der Respekt vor diesem Grundrecht sei unvereinbar mit dem Aufruf zu Blockaden: „In dieser Hinsicht würde es wohl schwierig sein, Zweifel auszuräumen“, so das Berliner Finanzamt[30].    

Das Berliner Finanzamt empfiehlt der VVN-BdA zur Überprüfung, ob die Aberkennung der Gemeinnützigkeit rechtmäßig ist, den Gang zum Verwaltungsgericht in Berlin. Aber das war für die VVN-BdA keine Option. Die VVN-BdA hatte schon einmal gegen ihre Einstufung als “extremistisch” erfolglos geklagt. Das Verwaltungsgericht in München nicht einmal ein Rechtsmittel dagegen zugelassen. Gegen diese Nichtzulassung hatte die VVN-BdA Beschwerde eingelegt. Ebenfalls erfolglos.

Statt dieser unsinnigen Empfehlung an die VVN-BdA, hätte das Finanzamt gut daran getan, sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs einmal genauer anzusehen, bei dem die VVN-BdA die Zulassung der Berufung beantragt hatte. Es ging konkret um die Blockaden gegen den Naziaufmarsch in Dresden im Jahr 2010. Der Bayrische Verwaltungsgerichtshof war viel vorsichtiger in der rechtlichen Bewertung dieser Blockadeaktionen. Zunächst schrumpft im Verständnis des bayrischen Verwaltungsgerichtshofs der Vorwurf “Schulterschluss mit gewaltbereiten Gruppen” zusammen auf “nicht mehr, als dass die Bundes- und Landesvereinigung der VVN-BdA mit den genannten Gruppen gemeinsame politische Aktionen … durchgeführt haben”, wobei der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich erklärt: “Nicht verbunden ist mit dieser Feststellung, dass die VVN-BdA Mitglieder selbst Gewalt ausgeübt hätten”. Der Verwaltungsgerichtshof räumt ein, dass umstritten ist, ob sich strafbar macht, wer an einer Sitzblockade teilnimmt ist. Zudem spricht Vieles dafür, dass die Polizei es versäumt hat, die Auflösung der Sitzblockaden zu verfügen. Unumstritten ist, dass ohne vollziehbare Auflösungsverfügung keine Verpflichtung besteht, eine Sitzblockade zu beenden. Der Aufruf der VVN-BdA aus Anlass des Nazi-Aufmarsches in Dresden 2010 berechtigt ebenfalls nicht, der VVN-BdA mangelnden Respekt vor der Meinungsäußerungsfreiheit vorzuwerfen. Es bleibt nicht, was der VVN-BdA vorzuwerfen wäre. Die Einzelheiten mit Belegen hier:

Fazit:

Die Anwendung “extremistisch” bzw. “extremistisch beeinflusst” auf die VVN-BdA vollzieht das Verwaltungsgericht München so, dass es zunächst zwischen guten und schlechten Antifaschisten differenziert und dann keine Probleme hat, die älteste und größte antifaschistische Organisation VVN-BdA als schlechte, also extremistische Organisation einzuordnen, die den Rechtsextremismus lediglich als “vordergründige Aktivität” bekämpft:

Nach verfassungsschutzrechtlicher Bewertung des Bundes (siehe etwa Verfassungsschutzbericht 2010 des Bundesministeriums des Innern, Internet) ist das Ziel der sogenannten Antifaschismus-Arbeit – in linksextremistischen Organisationen – „der Kampf gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung als kapitalistisches System, um die angeblich diesem Gesellschaftssystem immanenten Wurzeln des Faschismus zu beseitigen“; die Bekämpfung des Rechtsextremismus sei dabei lediglich eine vordergründige Aktivität. Die in diesem Zusammenhang oft geäußerte Parole „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“ (siehe hierzu ausführlich Klageerwiderung, Abschnitt 1.4.3.6) erscheint damit in einem anderen Licht. Wie der Beklagte zutreffend ausführt, dient die Parole schlicht der Bekämpfung und Diskreditierung missliebiger anderer Meinungen. Die Deutungshoheit darüber, was unter „Faschismus“ zu verstehen ist, nehmen die genannten Gruppen für sich in Anspruch[2].

Das Verwaltungsgericht München unterstellt der Antifaschismus-Arbeit der VVN-BdA als Ziel, „den Kampf gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung als kapitalistisches System, um die angeblich diesem Gesellschaftssystem immanenten Wurzeln des Faschismus zu beseitigen“. Mit dieser Definition der freiheitlich demokratischen Grundordnung als ausschließlich kapitalistisches System setzen sich jedoch Verfassungsschutz und Verwaltungsgericht München selbst in Widerspruch zum Grundgesetz und begeben sich damit in die Verfassungswidrigkeit. Denn das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach hervorgehoben, dass das Grundgesetz nicht auf ein kapitalistisches Wirtschaftssystem festgelegt ist[2]. Das Verwaltungsgericht München erklärt in diesem Zusammenhang, die Parole “Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen” diene “schlicht der Bekämpfung und Diskreditierung missliebiger anderer Meinungen”. Faschismus als eine “andere Meinung” zu bezeichnen, sit eine Verharmlosung des Faschismus, der Millionen Menschen in den KZ’s umbrachte und noch mehr Millionen Menschen im Krieg vernichtete. Die Gleichsetzung von freiheitlich demokratischer Grundordnung und kapitalistischem System ist grundgesetzwidrig, während diejenigen, die sich auf den Schwur von Buchenwald berufen und den Faschismus mit seinen Wurzeln beseitigen wollen, im Einklang mit dem Grundgesetz handeln. Sie erkennen in unserer Verfassung einen antifaschistischen Auftrag, den es umzusetzen gilt. Sie fühlen sich damit den besten Traditionen dieses Landes verpflichtet.

Alle vom Berliner Finanzamt genannten “tatsächlichen Anknüpfungspunkte” sind widerlegt – im Wesentlichen in dem Sinne, dass die behaupteten Tatsachen keine Anknüpfungspunkte dafür sind, dass die VVN-BdA “Bestrebungen fördert, die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richten”, wie es in der Abgabenordnung heißt.

Nicht die VVN-BdA muss sich ändern. Das Verständnis unseres Grundgesetzes muss sich ändern. Nicht der Schwur von Buchenwald, sondern der Extremismus-Begriff in seiner Anwendung gegen Demokraten und Sozialisten ist ist unvereinbar mit antifaschistischen Prägung des Grundgesetzes und deshalb verfassungswidrig.

8. Ist Wolfgang Thierse ein Extremist oder wie kommt das Finanzamt zu der Auffassung, ein Aufruf zur Blockade eines Nazi-Aufmarsches sei unvereinbar mit dem Respekt vor der Meinungsäußerungsfreiheit?

Das Finanzamt übernahm die Meinung des bayrischen Verfassungsschutzes. Dessen Meinung teilte auch das Verwaltungsgericht München. Hintergrund dieser Rechtsmeinung ist eine Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das diese Rechtsprechung im Jahr 2001/2002 in einem „in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte beispiellosen Konflikt“[19] vor allem mit dem Oberverwaltungsgericht Münster durchsetzte.

Im Einzelnen:

a. Konkret wird der VVN-BdA vorgeworfen, sie habe dazu aufgerufen den Naziaufmarsches in Dresden im Jahr 2010 zu blockieren.

Zudem gab es einen von zahlreichen Organisationen unterstützten Aufruf vom 13.2.2010, der lautete: „Dresden kein Naziaufmarsch – Gemeinsam blockieren!“ und zur Begründung hieß es: „Im Jahr 2009 marschierten fast 7000 Nazis durch unsere Stadt. Ihr Ziel ist es, die Verbrechen des Nazi-Regimes zu leugnen und Nazi-Deutschland zum eigentlichen Opfer des 2. Weltkrieges um zu deuten. Wir aber wissen: Der verbrecherische Krieg ging von Nazi-Deutschland aus und kehrte 1945 nach Dresden zurück“. Und weiter: „Nie wieder werden wir den AnhängerInnen des verbrecherischen Nazi-Regimes unsere Städte überlassen!“. Für die Gegen-Demonstrierenden kam es darauf an, dass Nazis aus ganz Europa in Dresden demonstrieren.

Für das Verwaltungsgericht München war es jedoch genau umgekehrt. Dem Verwaltungsgericht reichte es, dass die Versammlung genehmigt wurde und die Gegendemonstranten diese genehmigte Versammlung blockieren wollten. Dem Verwaltungsgericht kam es erkennbar nicht darauf an, dass die Ausgangsdemonstration ein Naziaufmarsch war. Von dieser Position aus entwickelt es folgende Wertung der Blockaden von Nazi-Aufmärschen: „Die …. oft geäußerte Parole „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“ … erscheint damit in einem anderen Licht. Wie der Beklagte (das ist der bayrische Verfassungsschutz, Anmerkung des Autors) zutreffend ausführt, dient die Parole schlicht der Bekämpfung und Diskreditierung missliebiger anderer Meinungen.”[20]

Die Gegenposition zu dieser Meinung des Verwaltungsgerichts München: Die Demonstranten haben mit zivilgesellschaftlichen Mitteln nur das getan, was Aufgabe des Staates gewesen wäre. Der Staat hätte diese Demonstration von mehreren tausend Nazis am 13.2.2010 in Dresden aus Anlass des 65. Jahrestages der alliierten Bombardierung verbieten müssen. Das eröffnet eine andere Sicht auf die Blockadeaktionen: Sie blockierten eine Demonstrations- und Meinungsäußerungsfreiheit, die es für die Nazis in Dresden nicht hätte geben dürfen.

b. Die Frage, ob die Zulassung von Nazi-Aufmärsche verfassungswidrig ist, hatte im Jahr 2001 und in den Folgejahren zu einem „in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte beispiellosen Konflikt“[19] geführt, der bis heute nicht wirklich beendet ist. Immer wieder wurden Entscheidungen, in denen das Oberverwaltungsgerichts NRW behördliche Verbote von Nazi-Aufmärsche bestätigt hatte, vom Bundesverfassungsgericht kassiert. Die Entscheidungen des Oberverwaltungsgericht NRW bleiben ein Meilenstein in der bundesdeutschen Rechtsprechung und bis heute aktuell.

Das Oberverwaltungsgericht NRW sah die Meinungsäußerungsfreiheit durch die Verfassung immanent begrenzt, weil das Grundgesetz eine antifaschistische Ausrichtung habe. Diese antifaschistische Ausrichtung verlange demonstrative Meinungsäußerungen, die die  nationalsozialistische Diktatur, ihre führenden Vertreter und Symbolfiguren verherrlichen, auch dann zu verbieten, wenn (noch) kein Straftatbestand erfüllt ist. Dagegen erkannte das Bundesverfassungsgericht nur die im Strafgesetzbuch bestimmten Grenzen an (Beleidigung, Verleumdung, Volksverhetzung, Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen usw.). Nur wenn eine Meinungsäußerung strafbar sei, könne eine Versammlung mit diesem Inhalt verboten werden. Gleichzeitig hob das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung des hessischen Verwaltungsgerichthof auf. Der hessische Verwaltungsgerichtshof sah in dem Motto „Herren im eigenen Lande statt Knechte der Fremden“ den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt. Das Bundesverfassungsgericht sah diesen Straftatbestand nicht erfüllt und begründete das in folgender Weise: Nach Ansicht des hessischen Verwaltungsgerichthofes werde mit dem Motto in Anknüpfung an die Herrenrassen-Ideologie des nationalsozialistischen Gedankenguts gesagt, dass „die deutsche Bevölkerung in der Knechtschaft der im Bundesgebiet ansässigen Ausländer“ leben müsse. Angesichts der Mehrdeutigkeit des Mottos hätte sich der Verwaltungsgerichtshof nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts jedoch mit der von den Veranstaltern geltend gemachten Deutungsalternative auseinandersetzen müssen. Danach soll sich mindestens der zweite Teil des Mottos, dass man nicht Knecht der Fremden sein möchte, auf eine in der Zukunft mögliche, von ihnen abgelehnte Entwicklung beziehen.

Das Bundesverfassungsgericht verbietet also demonstrative Meinungsäußerungen von Nazis nur dann, wenn sie einen Straftatbestand wie etwa Beleidigung, Volksverhetzung usw. erfüllen und legt gleichzeitig diese Meinungsäußerungen so aus, dass etwa der Straftatbestand Volksverhetzung nur selten erfüllt ist.     

Das Bundesverfassungsgericht begründete seine Position mit der herausragenden Bedeutung der Meinungsfreiheit: „Die Meinungsfreiheit ist für die freiheitlich demokratische Ordnung des Grundgesetzes schlechthin konstituierend“[21]. Und: „Die plurale Demokratie des Grundgesetzes vertraut auf die Fähigkeit der Gesamtheit der Bürger, sich mit der Kritik an der Verfassung auseinander zu setzen und sie dadurch abzuwehren“[22].  Aber die “plurale Demokratie” der Weimarer Republik konnte den folgenden Hitler-Faschismus nicht verhindern. Diese historische Tatsache bleibt auch 75 Jahre nach dem Ende des deutschen Faschismus und des 2. Weltkrieges aktuell. Sie war das Fundament, auf dem das Grundgesetz beschlossen wurde: Antifaschismus als Verfassungsauftrag. Das wird in den Begründungen des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts unter dem Vorsitz von Dr. Michael Bertrams mit den entsprechenden Konsequenzen berücksichtigt.

Hier zu den Einzelheiten der Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts NRW, des hessischen Verwaltungsgerichtshofes und des Bundesverfassungsgerichts, das sowohl die Entscheidung aus NRW als auch die aus Hessen kippte.

Der Streit wurde mit einem Beitrag des Bundesverfassungsrichters Hoffmann-Riem und einer Erwiderung von Dr. Bertrams in der Frankfurter Rundschau fortgesetzt:

Hoffmann-Riem gab seiner Veröffentlichung die Überschrift „Die Luftröhre der Demokratie“ – eine pointierte Formulierung, um Bedeutung und Funktion der Demonstrationsfreiheit zu veranschaulichen. Die Unterüberschrift seines Artikels lautete: „Der Rechtsstaat ist stark genug, um auch die Demonstrationsfreiheit für Neonazis auszuhalten“. Damit war auch schon die Kernaussage des Artikels zusammengefasst. Für die Demonstrationsfreiheit von Neonazis soll nicht gelten: ‘Wehret den Anfängen!’, sondern: ‘Das muss der Rechtsstaat aushalten!’

Der Präsident des Oberverwaltungsgerichts Bertrams fasste in seiner Erwiderung seine Position so zusammen: “Für den demokratischen Willensbildungsprozess sind die vom Grundgesetz geächteten Anschauungen von Neonazis ohne Bedeutung. Speziell diesen Anschauungen hat das Grundgesetz mit seinem historischen Gedächtnis eine klare Absage erteilt. Mit anderen Worten: Die Freiheit des Andersdenkenden ist ein hohes Gut. Diese Freiheit muss in der wehrhaften Demokratie des Grundgesetzes aber dort ihre Grenze finden, wo der Versuch unternommen wird, das menschenverachtende Gedankengut des Dritten Reiches wiederzubeleben. Handelt es sich bei der Demonstrationsfreiheit um die “Luftröhre der Demokratie”, dann gehen – um im Bild zu bleiben – Neonazis der Demokratie an die Gurgel. Eine wehrhafte Demokratie muss dem entgegentreten und dafür sorgen, dass ihr nicht irgendwann von geschichtsblinden Barbaren die Luft zum Atmen genommen wird“[23]Hier der Streit in der Frankfurter Rundschau im Detail.

c. In der Folgezeit wurden insbesondere die Nazi-Kundgebungen in Wunsiedel, wo Hitlers Stellvertreter Hess beerdigt war, immer größer. Sie konnten aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nicht verboten werden. Die ganz überwiegende Mehrheit im Bundestag wollte jedoch nicht weiter tatenlos zusehen und beschloss eine Ergänzung des Verbots der Volksverhetzung  im Strafgesetzbuch[24]. Das führte zu einem Verbot der Nazi-Aufmärsche in Wunsiedel.

Im Jahr 2009 erklärte das Bundesverfassungsgericht dieses Verbot der Nazi-Aufmärsche in Wunsiedel und auch die unter anderem dafür geschaffene Ergänzung im Strafgesetzbuch für verfassungskonform[25].  

d. Ob damit in der Sache der Konflikt beendet ist, der 2001 zwischen dem Oberverwaltungsgericht NRW und dem Bundesverfassungsgericht begann, wird kontrovers diskutiert[26]. Es ist unstreitig, dass die Ergänzung im Strafgesetzbuch aufgrund seiner spezifischen Ausgestaltung in der Praxis kaum angewendet werden kann. Auch für ein Verbot des Nazi-Aufmarsches in Dresden im Jahr 2010 reichte diese neu geschaffene Rechtsgrundlage nicht.

Anderes hätte wohl gegolten, wenn sich das Verständnis von der antifaschistischen Grundausrichtung der Verfassung, wie vom Oberverwaltungsgerichts NRW vertreten, beim Bundesverfassungsgericht durchgesetzt hätte. Dann hätte das Treffen von tausenden Nazis aus ganz Europa in Dresden verboten werden können. Es hätte also genau das durchgesetzt werden können, was so viele Demonstranten in Dresden forderten. 

Dr. Bertrams verabschiedete sich im Jahr 2013 in den Ruhestand, wiederholte aber seine Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts immer wieder, zuletzt am 24. Juni 2019 im Kölner Stadtanzeiger: „Der liberale Umgang des Bundesverfassungsgerichts mit der Meinungsfreiheit von Neonazis hat meines Erachtens einen hohen Anteil an der zunehmenden Unverfrorenheit ihres Auftretens und daran, dass diese Neonazis bei uns ein bedrohliches Klima geschaffen haben“[27]. Ein schwerwiegender Vorwurf an das Bundesverfassungsgericht.

e. Nach dem Verständnis des Bundesverfassungsgerichts vom Grundgesetz war genau das, was die Demonstranten in Dresden als einen großen Erfolg betrachteten – die Verhinderung einer  Demonstration von tausenden Nazis aus ganz Europa – verfassungswidrig. Der Verfassungsrichter Hoffmann-Riem zu diesem Thema schon im Jahr 2002 in der Frankfurter Rundschau: “Dabei sind …. die Vorgaben zu respektieren, die in der Konsequenz der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen: „… Auch Gegendemonstrationen stehen dafür als Mittel bereit … Gegendemonstrationen, mit dem Ziel, die Durchführung eine anderen Demonstration zu verhindern, genießen in dieser Zielsetzung nicht den Schutz der Verfassung. Oberbürgermeister oder Stadträte würden den Schutzauftrag … verletzen, wenn sie dazu aufriefen, mit Gegendemonstrationen oder auf andere Weise möglichst viele staatliche Plätze zu besetzen, um der rechtsextremen Ausgangsdemonstration keinen Raum zu lassen.“ [28]   

Was die Gegendemonstranten in Dresden als Erfolg feierten, war nach der Rechtsprechung im Sinne des Bundesverfassungsgerichts ein Misserfolg. Die Polizei erfüllte ihrer Schutzverpflichtung nicht so wie sie vom Bundesverfassungsgericht auch für Nazi-Aufzüge als notwendig erachtet wird. Sie war nicht in der Lage Demonstranten und Gegendemonstranten auseinander zu halten und löste auch nicht die Blockaden auf.  Das führte wiederum dazu, dass es an der Aufhebungsverfügung der Blockaden durch die Polizei fehlte. Ohne vollziehbare Auflösungsverfügung besteht aber mit Sicherheit keine Verpflichtung, eine Sitzblockade zu beenden. Die Konsequenz: Es bleibt nichts, was der VVN-BdA im Zusammenhang mit dieser Blockade vorzuwerfen, dazu im Einzelnen hier:

 9. Der Berliner Finanzsenator ist voll verantwortlich!

Der stellvertretende Leiter des Finanzamtes für Körperschaftssteuer teilte der VVN-BdA mit, dass „die grundsätzlichen Entscheidungen in Abstimmung mit der Senatsverwaltung getroffen wurden und werden“[8].

Für die Aberkennung der Gemeinnützigkeit der VVN-BdA ist der Berliner Finanzsenator Herr Kollatz voll verantwortlich: hier weiterlesen.

Es ist schon mehr als erstaunlich, dass sich der rot-rot-grüner Berliner Senat ausgerechnet vom bayrischen Verfassungsschutz vorschreiben lässt, was die VVN-BdA zu widerlegen habe, wenn sie weiter von der Berliner Finanzbehörde als gemeinnützig anerkannt werden will. Der Berliner Senat  hat dabei offensichtlich keinerlei Bedenken, den Maßstab ‚linksextremistisch‘ in der Lesart des bayrischen Verfassungsschutzes zu übernehmen.

Cornelia Kerth in ihrem Bericht über das Gespräch der VVN-BdA mit der Berliner Finanzbehörde: „Es scheint tatsächlich die Linie des Senats und der Senatsverwaltung zu sein, uns davon überzeugen zu wollen, dass die Gesetzgebung sie zwinge, uns die Gemeinnützigkeit abzuerkennen“[9].

Die Berliner Finanzbehörde meint also, sie sei durch Gesetz dazu gezwungen, sich als Berliner Bär am Nasenring des bayrischen Verfassungsschutzes gegen die VVN-BdA als die älteste und größte antifaschistische Organisation in Stellung bringen lassen.

Doch dem ist nicht so. Die Gründe:

  • Die Regelungen in der Abgabenordnung auf die sich die Finanzbehörde stützt, sind verfassungswidrig (siehe oben unter 5.)
  • Selbst wenn man meint, diese Regelungen seien nicht verfassungswidrig, hätte die Berliner  Finanzbehörde allen Grund, die Vermutung des bayrischen Verfassungsschutzes inzwischen als widerlegt anzusehen (siehe oben unter 8.)
10. Ist die Berliner Finanzbehörde und der Berliner Finanzsenator verpflichtet, der VVN-BdA die Gemeinnützigkeit abzuerkennen?

Nein, das Berliner Finanzamt ist nicht dazu verpflichtet, der VVN-BdA die Gemeinnützigkeit abzuerkennen. Im Gegenteil . Die Finazbehörde handelt rechtswidrig, wenn sie weiter die Aberkennung der Gemeinnützigkeit aufrecht erhält.

Nach der geltenden Regelung hat die Berliner Finanzbehörde schon deswegen nicht davon auszugehen, dass die VVN-BdA “linksextremistisch” ist, weil sie im bayrischen Verfassungsschutzbericht nur als “linksextremistisch beeinflusst” erwähnt wird (siehe unter 6.). Aber selbst wenn man die VVN-BdA als “linksextremistisch” einstufen würde, ist das widerlegbar und, wie wir gezeigt haben, widerlegt. (siehe unter 8.)

Noch bedeutsamer ist aber, dass die Regeln in der Abgabenordnung, auf die sich die Finanzbehörde stützt, verfassungswidrig sind (siehe unter 5.). Die Finanzbehörde ist nicht verpflichtet, verfassungswidrig zu handeln. Wir haben die Verfassungswidrigkeit im Einzelnen gezeigt. Insbesondere ist der “Extremismus-Begriff” und seine Anwendung auf Demokraten, Sozialisten und Kommunisten verfassungswidrig (siehe unter 5.).

11. Wie lässt sich das Ziel der Aberkennung der Gemeinnützigkeit der VVN BdA zusammenfassen?

Der Begriff Linksextremismus wird so ausgefüllt, dass jedes ernsthafte antifaschistische Handeln in die Nähe des Linksextremismus gerückt werden kann. Das ist unvereinbar mit der beschrieben antifaschistischen Prägung des Grundgesetzes.

12. Wie lässt sich das Ziel der Aberkennung der Gemeinnützigkeit aller Vereine zusammenfassen?

Das hinter der Aberkennung der Gemeinnützigkeit stehende Ziel kann so beschrieben werden: Zivilgesellschaftliches Handeln soll nicht politisch und politisches Handeln soll nicht antifaschistisch sein.

13. Welches Ziel kann dem entgegen gesetzt werden?

Unsere Ziel sollte in die umgekehrte Richtung gehen:

Zivilgesellschaftliches Handeln, das politisch und antifaschistisch ist, ist gemeinnützig.

[1]   § 51 Absatz  1 Abgabenordnung (AO): https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/

[2] § 51 Absatz  3 Abgabenordnung (AO): https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__51.html

[3] § 52 Absatz  2 Abgabenordnung (AO): https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/

[4]  § 51 Absatz  3 Abgabenordnung (AO):  https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__52.html  in Verbindung mit § 4 Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG AO):  https://www.gesetze-im-internet.de/bverfschg/_4.html

[5]  “Eine Steuervergünstigung setzt zudem voraus, dass die Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes fördert und dem Gedanken der Völkerverständigung nicht zuwiderhandelt“ (§ 51 Abs. 3 Satz 1 AO). In § 4 Abs. 1 BVerfSchG werden diese Bestrebungen aufgelistet  (Bestrebungen, die gegen den  Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind) näher bestimmt.

[6]  In § 4 Abs 2 BVerfSchG werden  die Verfassungsgrundsätze aufgeführt, die zur freiheitlich demokratischen Grundordnung gehören.

[7] „Bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisationen aufgeführt sind, ist widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Satz 1 nicht erfüllt sind“ (§51 Absatz  3 Satz 2 Abgabenordnung (AO)

[8]   antifa Beilage September/Oktober 2020, Seite 1    

[9] antifa Beilage September/Oktober 2020, Seite 1    

[10] es geht um das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das auch für Vereinigungen als juristische Personen gilt Art. 2. Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art 19 Abs. 3 GG vgl. Verwaltungsgerichts München Az.: VG München vom 2.10.2014 M 22 K 11.2221 Rn. 31 (https://openjur.de/u/775502.html) mit Verweis auf BVerwG v. 21.8.2008 BVerwGE 131, 171    

[11] Verstoß gegen den rechtsstaatlichen Bestimmheitsgrundsatz nach Art. 20 Abs. 2 GG, siehe Fisahn/ Schmidt „Kein Gnadenakt des Finanzamtes“ Forum Wissenschaft 1/20 S.51, 52-53. Fisahn/Schmidt zitieren BVerfG 8.12.2010 – 1 BvR 1106/08 Rn.20, wo das Bundesverfassungsgericht schon 2010 bezogen auf den Begriff des Rechtsextremismus feststellte: „Ob eine Position als rechtsextremistisch – möglicherweise in Abgrenzung zu ‚rechtsradikal‘ oder ‚rechtsreaktionär‘ – einzustufen ist, ist eine Frage des politischen Meinungskampfes und der gesellschaftlichen Auseinandersetzung“. Das gilt erst recht für den Begriff des Linksextremismus.   

[12] Siehe Artikel 15 Grundgesetz, auf den sich auch die Berliner Kampagne “Deutsche Wohnen & Co enteignen” stützt  

[13]  antifa BEILAGE September/Oktober 2020, Seite 1    

[14]  Urteil des Verwaltungsgerichts München Az.: VG München vom 2.10.2014 M 22 K 11.2221 https://openjur.de/u/775502.html                                                     

[15]  Willms, Thomas (2020): Helden ja – Verbände nein. Der Kampf gegen die VVN-BdA,  vorgänge.Zeitschrift für Bürgerrechteund gesllschaftspolitik Nr. 229 /59(1)), S. 125-132, 126, 127

[16] antifa BEILAGE September/Oktober 2020, Seite 1

[17] https://www.kas.de/de/einzeltitel/-/content/das-ahlener-programm-der-cdu-der-britischen-zone-vom-3.-februar-1947/

[18] Till Müller-Heidelberg in Kerth / Kutsch “Was heißt hier eigentlich Verfassungsschutz?”, Köln 2020, S. 115  

[19]  Battis/Grogoleit „Die Entwicklung des versammlungsrechtlichen Eilrechtsschutzes – eine Analyse der neuen BVerfG-Entscheidungen“ NJW

[20] Urteil des Verwaltungsgerichts München Az.: VG München vom 2.10.2014 M 22 K 11.2221
(https://opnejur.de/u/775502.html)2001, 2051, 2053

[21] BVerfG v. 24. März 2001 1 BvQ 13/01, siehe auch: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2001/03/qk20010324_1bvq001301.html  

[22] BVerfG v. 24. März 2001 1 BvQ 13/01, siehe auch: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2001/03/qk20010324_1bvq001301.html  

[23]  https://www.ovg.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilung/01_archiv/2002/25_020715/index.php; siehe auch https://nrw-archiv.vvn-bda.de/texte/0103_njw.htm     

[24] § 130 Abs. 4 StGB   

[25] BVerG v. 04. November 2009 1 BvR 2105/08, siehe auch: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2009/11/rs20091104_1bvr215008.html  

[26] Konflikt beigelegt nach Ridder,Breitbach, Deiseroth VersammlugsR 2. Auflg. 2020 § 15 Rn. 167; zurückhaltender Dürig-Friedel/Enders § 15 Rn. 48§ 130 Abs. 4 StGB   

[27] https://www.ksta.de/politik/rechtsextreme-ex-verfassungsrichter-karlsruhe-zu-liberal-im-umgang-mit-neonazis-32750400

[28]  Hoffmann-Riem in FR v. 11.7.2002      

[29]  BVerGE 4, 7/17; 7, 377/400; 50, 290/338; siehe Fisahn “Sozialisierung, Wirtschaftsdemokratie und Grundgesetz” in “Gün,Hopmann,Niemerg “Gegenmacht statt Ohnmacht” S. 136, 139

[30] Andreas Fisahn “Sozialisierung, Wirtschaftsdemokratie und Grundgesetz” in Gün,Hopmann,Niemerg (Hrsg.) “Gegenmacht statt Ohnmacht” Hamburg 2020 S. 136, 139

[31]  das Urteil des Bundesfinanzhofes vom 11.4.2012 Az.: 1 R 11/11 (https://datenbank.nwb.de/Dokument/Anzeigen/439331/) zitiert als Grundlage für die Aberkennung der Gemeinnützigkeit „die widerlegbare Vermutung des § 51 Abs. 3 Satz Zweitens 2 Abgabenordnung i.d.F. des JStG 2009“, die voraussetzt, dass „die betreffende Körperschaft (hier: ein islamisch-salafistischer Verein) im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eine Landes für den zu beurteilenden Veranlagungszeitraum ausdrücklich als extremistisch eingestuft wird“. Derselbe Leitsatz findet sich in dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14. März 2018 Az.: V R 36/16 wieder. Wieder ging es um einen islamisch-salafistischen Verein

[32]Verfassungsschutzbericht Bayern 2018, unter diesem Stichwort  in der Suchmaschine abrufbar; dort auf Seite 235 unter 6.2.3

Was fordern zur Verbesserung des Rechts der Gemeinnützigkeit?

21. Juli 2021 von benhop

Nicht nur der VVN-BdA wurde die Gemeinnützigkeit aberkannt. Zwar hat die VVN-BdA die Gemeinnützigkeit inzwischen wiedererlangt. Aber die Gefahr einer erneuten Aberkennung der Gemeinnützigkeit ist nicht vollständig gebannt, weil Rechtsgrundlage für die Aberkennung nicht geändert wurde. Zudem geht auf dieser gesetzlichen Grundlage die Bedrohung weiter, anderen antifaschistischen Vereinen die Gemeinnützigkeit zu entziehen.

Auch anderen Vereinen der Zivilgesellschaft wurde die Gemeinnützigkeit aberkannt oder droht die Aberkennung der Gemeinnützigkeit.

Was muss geschehen, damit diese Vereine die Gemeinnützigkeit zurückerhalten? Was muss im Recht geändert werden, um die Anerkennung der Gemeinnützigkeit für diese Vereine, die zivilgesellschaftliches Engagement zeigen, dauerhaft zu sichern?

Unterschiedliche Begründungen für die Aberkennung der Gemeinnützigkeit

I. Es gibt zwei unterschiedliche Begründungen für die Aberkennung der Gemeinnützigkeit. Zur unterschiedlichen Begründung für die Aberkennung der Gemeinnützigkeit einerseits wegen angeblichen ‘Extremismus’ einerseits, wie er z.B. der VVN vorgworfen wurde, und wegen der politischen Verfolgung von Vereinzwecken andererseits, wie es z.B. attac und anderen Vereinen vorgeworfen wird, weiterlesen hier:

Forderungen zur Sicherung der Gemeinnützigkeit

II. Allgemein muss die Forderung lauten: Zivilgesellschaftliches Handeln, das politisch und antifaschistisches ist, ist gemeinnützig! Das trifft den Kern des Konfliktes, mit dem sich alle Vereine konfrontiert sehen, denen die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde oder die davon bedroht sind.

III. Zur Frage, welche Forderungen zur Rückerlangung oder Verteidigung der Gemeinnützigkeit bei Vereinen wie attac und anderen Vereinen, die mit Vorwürfen der politischen Verfolgung von Vereinszwecken konfrontiert werden, gestellt werden müssen, weiterlesen hier:

IVZur Rückgewinnung und Sicherung der Gemeinnützigkeit von Vereinen wie der VVN-BdA, deren Ziel antifaschistische Tätigkeit ist, muss gefordert werden, dass die derzeit geltende Regelung in § 51 Absatz 3 Satz 2 der Abgabenordnung durch folgende Regelung ersetzt wird: Körperschaften, die eine Verherrlichung oder Wiederbelebung des nationalsozialistischen Herrschaftssystems fördern oder die Verbreitung von militaristischem, rassistischem, antisemitischem, antiziganistischem oder völkischem Gedankengut oder entsprechende Aktivitäten zulassen, erhalten keine Steuervergünstigung“.

Zur Begründung dieser Forderung :

Die zur Zeit geltende Regelung lautet: “Bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, ist widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfüllt sind”[1]Denn Satz 1 , auf den Bezug genommen wird, regelt Voraussetzungen für eine Steuervergünstigung: “Eine Steuervergünstigung setzt zudem voraus, dass die Körperschaft nach ihrer Satzung und … Continue reading). Das heißt: Diese Körperschaft erhält keine Steuervergünstigung [2]] VG München vom 2.10.2014 M22 K 11.2221 Rn. 58.

4 Gründe für eine Änderung der Abgabenordnung in diesem Sinne:

1. Keine Beweislastumkehr

In dem Wort “widerlegbar” ist eine Umkehr der Beweislast enthalten: Wenn auch nur ein Verfassungsschutz einen Verein als “extremistisch” einstuft, muss der Verein beweisen, dass er nicht “extremistisch” ist, um die Anerkennung der Gemeinnützigkeit nicht zu verlieren. Das muss geändert werden: Diejenigen , die der VVN-BdA die Gemeinnützigkeit aberkennen wollen, müssen die volle Beweislast dafür tragen, dass die VVN-BdA extremistisch ist. Im derzeit noch laufenden außergerichtlichen Verfahren der VVN-BdA gegen die Aberkennung der Gemeinnützigkeit müsste also die Finanzbehörde die volle Beweispflicht dafür tragen, dass die VVN-BdA “extremistisch” ist.

2. Keine Deutungshoheit des Verfassungsschutzes

Nach geltendem Recht darf der Verfassungsschutz einen Verein öffentlich als “extremistisch” bewerten ohne die Quellen zu nennen, die dieser Bewertung zugrunde liegen. Das ist nicht hinnehmbar. Erst recht nicht hinnehmbar ist, dass die zuständige Finanzbehörde dann davon auszugehen hat, dass diese Organisation “extremistisch” ist. Das gilt schon dann, wenn der Verfassungsschutz auch nur eines Bundeslandes diese Organisation als “extremistisch” in seinem Verfassungsschutzbericht erwähnt (§ 51 Absatz 3 Satz 2 Abgabenordnung). Dieser Automatismus muss beendet werden. Es ist nicht hinnehmbar, dass für eine Einstufung als „extremistisch“ eine Vermutung des Verfassungsschutzes ausreichen soll. Der Verfassungsschutz mag Tatsachen liefern, deren Wahrheitsgehalt und Eignung als Anknüpfungspunkte vom Gericht geprüft werden muss. Mehr aber nicht. Auf keinen Fall darf im Gesetz festgeschrieben werden, dass aus einer Einstufung des Verfassungsschutzes als “extremistisch” automatisch eine Verpflichtung der Finanzämter folgt, dieser Einstufung eines Verfassungsschutzes zu folgen und die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, wenn der Verein die Vermutung des Verfassungsschutzes nicht widerlegen kann. Weder der bayrische Verfassungsschutz noch irgendein anderer Verfassungsschutz darf in dieser Weise den politisch Verantwortlichen und der zuständigen Finanzbehörde Vorgaben machen.

3. Begriff “Extremismus” ausschließen

Das größte Problem ist jedoch der Begriff “Extremismus” selbst und seine Anwendung. Dieser Begriff löste den Begriff des Totalitarismus ab, mit dem bald nach 1945 der Kampf gegen den Faschismus gegen seine Gegnerinnen und Gegner gewendet wurde.

Das Bundesverfassungsgericht hat den Begriff des Extremismus in seiner Anwendung als Rechtsextremismus als ungeeignet verworfen, um damit ein Publikationsverbot auszusprechen: “Das dem Beschwerdeführer auferlegte Publikationsverbot erstreckt sich allgemein auf die Verbreitung von … rechtsextremistischem Gedankengut. Mit dieser Umschreibung ist weder für den Rechtsanwender noch für den Rechtsunterworfenen das künftig verbotene von dem weiterhin erlaubten Verhalten abgrenzbar und damit im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch nicht hinreichend beschränkt. … dem Verbot der Verbreitung rechtsextremistischen Gedankenguts (fehlt es) an bestimmbaren Konturen. Ob eine Position als rechtsextremistisch – möglicherweise in Abgrenzung zu “rechtsradikal” oder “rechtsreaktionär” – einzustufen ist, ist eine Frage des politischen Meinungskampfes und der gesellschaftswissenschaftlichen Auseinandersetzung. Ihre Beantwortung steht in unausweichlicher Wechselwirkung mit sich wandelnden politischen und gesellschaftlichen Kontexten und subjektiven Einschätzungen … . Die Verbreitung rechtsextremistischen … Gedankenguts ist damit kein hinreichend bestimmtes Rechtskriterium, mit dem einem Bürger die Verbreitung bestimmter Meinungen verboten werden kann” [3]BVerG vom 08.12.2010 – 1 BvR 1106/08 Rn. 20. Was für den Begriff Rechtsextremismus gilt, muss auch für den Begriff Linksextremismus und erst recht für den Oberbegriff Extremismus gelten, dem es noch mehr an “bestimmbaren Konturen” fehlt.

Der Begriff „Extremismus“ erlaubt es, Faschisten und seine Gegnerinnen und Gegner, also die Täter und die von ihnen gequälten Opfer in eins zu setzen. Der im Jahr 2009 in die Abgabenordnung aufgenommene § 51 Absatz 3 Satz 2 steht in dieser Tradition, die dazu führt, dass der größten und ältesten antifaschistischen Organisation VVN-BdA die Gemeinnützigkeit aberkannt, bisher gewährte Steuerentlastungen entzogen und ihre Arbeit damit erschwert wird.

Die VVN-BdA als Organisation einzustufen, die verfassungswidrige Bestrebungen fördert, entbehrt jeder Grundlage. Im Gegenteil: Die VVN-BdA ist es, die den antifaschistischen Gehalt des Grundgesetzes verteidigt. Die Arbeit der VVN-BdA ist notwendiger als je zuvor angesichts der zunehmenden Verbreitung von militaristischem, rassistischem, antisemitischem, antiziganistischem und völkischem Gedankengut und entsprechenden Aktivitäten.

4. Antifaschismus als Verfassungsauftrag gilt auch bei der Anerkennung der Gemeinnützigkeit

Der Begriff Extremismus und damit der § 51 Absatz 3 Satz 2 der Abgabenordnung muss also gestrichen werden. Diese Streichung darf nicht dazu führen, dass Vereine, die die Verherrlichung oder Wiederbelebung des nationalsozialistischen Herrschaftssystems fördern oder die Verbreitung von militaristischem, rassistischem, antisemitischem oder antiziganistischem Gedankengut oder entsprechende Aktivitäten zulassen, als gemeinnützig anerkannt werden. Die Ersetzung durch die vorgeschlagene Formulierung ist die konkret Anwendung des Antifaschismus als Verfassungsauftrag im Gemeinnützigkeitsrecht.


References

References
1 Denn Satz 1 , auf den Bezug genommen wird, regelt Voraussetzungen für eine Steuervergünstigung: “Eine Steuervergünstigung setzt zudem voraus, dass die Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes fördert und dem Gedanken der Völkerverständigung nicht zuwiderhandelt” (§51 Absatz 3 Satz 1 AO; https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__51.html
2 ] VG München vom 2.10.2014 M22 K 11.2221 Rn. 58
3 BVerG vom 08.12.2010 – 1 BvR 1106/08 Rn. 20

Bundestag gegen Gemeinnützigkeit von Attac und VVN-BdA

16. Dezember 2020 von benhop

Mittwoch, den 16. Dezember 2020. Heute hat der Bundestag entschieden: Zivilgesellschaften wie attac und die VVN-BdA, die politisch und antifaschistisch handeln, bekommen auch weiterhin keine sichere Rechtsgrundlage für die Anerkeennung ihrer Organisation als gemeinnützig. In einer Stellungnahme der Allianz “Rechtssicherheit für politische Willensbildung”, in der sich inzwischen rund 180 Vereine – darunter auch die VVN-BdA – zusammen geschlossen haben, kann nachgelesen, was erreicht wurde und was nicht erreicht wurde. Unter dem Stichwort “Was wir noch nicht erreicht haben” werden folgende Forderungen genannt:

  • Klarstellungen zu politischen Tätigkeiten, zur Tätigkeit über den eigenen Zweck.
  • Folgen des Attac-Urteils aufgreifen und den Zweck der politischen Bildung zeitgemäß interpretieren, auch den Zweck der Förderung des demokratischen Staatswesens.
  • Weitere neue Zwecke wie Förderung der Menschenrecht, des Friedens, der sozialen Gerechtigkeit.
  • Streichung der Beweislastumkehr bei Verfassungsschutz-Behauptungen

Es ist klar: Weder Attac noch die VVN-BdA sind einen Schritt weiter gekommen.

Was die VVN-BdA angeht, ist eine Mehrheit im Bundestag nicht einmal bereit ist, die Rechtsgrundlage so zu ändern, dass die Beweislastumkehr gestrichen wird; das heißt, die zuständige Finanzbehörde – im Fall der VVN-BdA das Berliner Finanzamt für Körperschaftssteuer – muss also weiterhin nicht in vollem Umfang beweisen, dass die VVN-BdA “extremistisch” ist, vielmehr gilt weiterhin: Die VVN-BdA muss weiterhin ihr “Unschuld” beweisen, weil der bayrische Verfassungsschutz sie als “extremistisch beeinflusst” eingestuft hat. Dabei geht es nicht nur um die Beweisverteilung, sondern auch darum, dass der Verfassungsschutz  auch nur eines Bundeslandes durch seine Einstufung als “extremisitsch” solche Vorgaben für die Aberkennung der Gemeinnützigkeit machen kann. Neben der Streichung der Beweislastumkehr, sollte das immer auch thematisiert werden.   

Der Kern des Problems liegt allerdings in dem Begriff “extremistisch”. Es ist nicht nur gravierend, dass der bayrische Verfassungsschutz und die bayrische Verwaltungsgerichtbarkeit keinerlei Probleme damit haben, die VVN-BdA als “extremistisch” einzustufen, und die Berliner Finanzbehörde ernsthaft prüft, ob die VVN-BdA “extremistisch” ist –  und das, wie die Behörde ausdrücklich versichert, in Abspreche mit den politisch Verantwortlichen. Diese Behörde hat auch keinerlei Probleme mit dem Begriff “Extremismus”; denn dieser Begriff steht ja schließlich im Gesetz. Aber dieser Begriff “Extremismus” ist mit dem Bemühen um eine  antifaschistische Orientierung der Gesellschaft unvereinbar. Das habe ich in meinem Vorschlag für eine gesetzliche Änderungberücksichtigt. Man kann sich allerdings fragen: Wenn sich im Bundestag nicht einmal eine Mehrheit für die notwendige Streichung der Beweislastumkehr findet, warum soll man dann zusätzlich weiter gehende Forderungen stellen?
Die Antwort auf diese Frage gibt die Alliianz selbst, wenn sie aus dem bisherigen Ergebnis der Verhandlungen vollkommen zu Recht den Schluss zieht: “Wir werden uns als Allianz “Rechtssicherheit für politische Willensbildung” gemeinsam mit unseren Mitgliedsorganisationen weiterhin für die Schaffung eines sicheren Rechtsrahmens für zivilgesellschaftliches Handeln einsetzen”. Denn ich glaube, dass  die Forderung nach Streichung der Beweislastumkehr ausreicht, um dieser von der Allianz geforderte sicherere Rahmen für die VVN-BdA, die Mitglied in der Allianz ist, nicht geschaffen wird, wenn nur die Streichung der Beweislastumkehr gefordert wird (siehe auch mein Vorschlag für eine gesetzliche Änderung).   

Wo und wie das auch immer möglich ist sollte die Diskussion über die notwendigen Forderungen und Wege ihrerr Durchsetzung dieser geführt werden, um einen sichereren Rechtsrahmen für antifaschistische Arbeit zu schaffen.  

Zur Wiederanerkennung der Gemeinnützigkeit der VVN-BdA

Antifaschisten sind gemeinnützig, nicht Nazis

Auf Initiative der Basisorganisation (BO) der VVN-BdA Friedrichshain – Kreuzberg hatten die BO, der Landesverband Bayern und die Bundesvereinigung am 25. März zu einer ersten dieser vier online-Veranstaltungen zum Thema „Wer oder was ist gemeinnützig?“ eingeladen. Weit über hundert Menschen nahmen teil. Christian Viefhaus berichtete über den erfolglosen Versuch, die Erwähnung der VVN-BdA aus dem bayrischen Verfassungsschutzbericht herauszuklagen. Cornelia Kerth beschrieb, wie das Berliner Finanzamt umstandslos der Meinung des bayrischen Geheimdienstes und Verwaltungsgerichts München folgte und der Bundesvereinigung die Gemeinnützigkeit entzog – nach Bekunden der Finanzbehörde in enger Abstimmung mit Finanzsenator Kollatz (SPD), der von einer rot/rot/grünen Parlamentsmehrheit getragen wird. Diese ganz große Koalition über 1, 5 Jahre musste jeden Demokraten beunruhigen.

Die Pressesprecherin der VVN-BdA Hannah Geiger konnte inzwischen bekannt geben, dass das Berliner Finanzamt für das Jahr 2019 und die Jahre 2016 bis 2018 die Gemeinnützigkeit der VVN-BdA wieder anerkannt hat. Die Presseerklärung der VVN-BdA hier lesen:

Das ist ein wichtiger Erfolg; denn vor allem die Rücknahme der Aberkennung für die Jahre 2016 bis 2018 konnte das Finanzamt nur in Abweichung vom bayrischen Verfassungschutz entscheiden, der für diese Jahre die VVN-BdA als “extremistisch” eingestuft hatte. Das Berliner Finanzamt weicht damit übrigens auch von der bayrischen Verwaltungsgerichtsbarkeit ab, die zumindest bestätigt hatte, dass die VVN-BdA “extremistisch beeinflusst” ist.

Doch die Rechtsgrundlagen, auf der der VVN-BdA die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde, ist damit nicht beseitigt. Die VVN-BdA ist daher nicht davor geschützt, dass ihr erneut die Gemeinnützigkeit aberkannt wird, wenn der Geheimdienst auch nur eines Bundeslandes die Bundesorganisation wieder als „extremistisch“ einstuft – etwa auf Betreiben der AfD.

Es geht um einen tiefliegenden Konflikt, der noch längst nicht ausgestanden ist. Es geht darum, ob Staat und Gesellschaft in diesem Land antifaschistisch ausgerichtet werden können oder nicht. Daher bleiben auch die drei weiteren online-Veranstaltungen zur Frage “Wer oder was ist gemeinnützig?” aktuell.

Das Thema der 2. online-Veranstaltung am 26. Mai wird die Geschichte der VVN-BdA sein. Sie wurde über viele Jahre in den alten Bundesländern als „extremistisch“ eingestuft. Auch der „Extremistenbeschluss“ des Jahres 1972 traf viele Mitglieder der VVN-BdA, darunter Anne Kahn, die darüber berichten wird. Der Beschluss wurde bis heute nicht aufgehoben; er führte zu rund 3,5 Millionen Überprüfungen, 1.256 Ablehnungen von Bewerbungen und 265 Entlassungen. Dr. Ulrich Schneider, Bundessprecher der VVN-BdA und Historiker, wird über das auch nie aufgehobene KPD-Verbot von 1956, die drakonischen Strafen gegen Kommunisten danach und die Verfolgung der VVN-BdA zu dieser Zeit sprechen. Es ging nie allein um die Verfolgung von Kommunisten. Aber sie werden bis heute mit völliger Selbstverständlichkeit als „Extremisten“ eingestuft. Waren sie keine Antifaschisten? Wurden sie nicht in den KZs ermordet? Ist das zu vernachlässigen? In den Konzentrationslagern haben Menschen mit den unterschiedlichsten Weltanschauungen zusammengestanden. Das hat schließlich im KZ Buchenwald zur Befreiung durch die Häftlinge selbst geführt, kurz vor der Befreiung durch die amerikanische Armee. An diesem Erbe, das in dem Schwur von Buchenwald seinen Ausdruck gefunden hat, hält die VVN-BdA fest.

Das Problem ist die Doktrin des „Extremismus“, die Faschisten und Antifaschisten, Täter und Opfer, Mörder und Gemordete gleichsetzt. Das wird das Thema der 3. Online-Veranstaltung mit Gaby Heinecke und Sarah Schulz sein. Es müssen gesetzliche Regeln gefunden werden, die Antifaschisten fördern und nicht Nazis. Die Abgabenordnung, die generell „extremistischen“ Organisationen die Gemeinnützigkeit aberkennt, muss geändert werden. Zudem muss ein Gesetz verhindern, dass die AfD nach den nächsten Bundestagswahlen für ihre Desiderius-Erasmus Stiftung jährlich 60 Millionen € aus Steuergeldern bekommt.

Schon 2014 wurde Attac die Gemeinnützigkeit aberkannt. Danach traf es weitere Vereine. Das wird das Thema der 4. online-Veranstaltung sein. Teilnehmen werden die VVN-BdA, Attac, change.org und Prof. Andreas Fisahn, der im Auftrag von attac Verfassungsbeschwerde einreichte. Es wird um das gemeinsame Handeln aller Betroffenen gehen.

Streik

Einführung

Diese Seite beschäftigt sich ausschließlich mit dem Thema Streik.

Über den Streik haben wir 1918 Demokratie und Frieden durchgesetzt. Die erste deutsche Republik wurde 1918 durch einen Generalstreik erzwungen und 1920 gegen den Kapp-Lüttwitz Putsch verteidigt.

Später hatten die Beschäftigten diese Kraft nicht mehr – mit verheerenden Folgen.

Was wir einmal über den Streik erzwungen haben, müssen wir über den Streik verteidigen können. Der politische Streik ist unverzichtbar.

Gefährlich ist die schrittweise Zerstörung der Demokratie und der Krieg zerstört alles. Dagegen müssen wir uns mit den Mitteln des Streiks wehren können.

Doch in Deutschland stoßen wir mit Aufrufen zu Streiks gegen den Krieg, zu Klimastreiks, mit Aufrufen zu Arbeitsniederlegungen gegen Rechts oder mit Aufrufen zu Streiks für die Rechte der Frauen an die Grenzen eines restriktiven und rückständigen Streikrechts.

An den Anfang der folgenden Beiträge haben wir den Wiesbadener Appell “Für ein umfassendes Streikrecht” gestellt.

Ausgelöst durch diesen Appell fassten viele Gewerkschaften auf ihren Gewerkschaftstagen Beschlüsse, in denen sie sich für ein besseres Streikrecht aussprachen.

Doch die Herrschenden in Deutschland bestehen weiter darauf, dass der Streik auf den Abschluss von Tarifverträgen gerichtet sein muss. Das schließt politische Streiks aus, die eben nicht auf einen Tarifvertrag mit den Unternehmen gerichtet sind. Deswegen sollen politische Streiks nach deutschem Recht verboten sein. Und weil nur Gewerkschaften einen Tarifvertrag abschließen können, sollen auch nur Gewerkschaften zum Streik aufrufen dürfen. Deswegen sollen Streiks ohne Gewerkschaft ebenfalls verboten sein.

Deutschland bricht damit seit Jahren Völkerrecht.

Seit Jahren erklären die zuständigen europäische Kontrollgremien, dass das „Verbot aller Streiks, die

  • nicht auf Tarifverträge ausgerichtet sind und
  • nicht von den Gewerkschaften ausgerufen oder übernommen werden“

ein Verstoß gegen die Europäische Sozialcharta ist[1]AuR 1998, S. 156.

Seit Jahren fordern diese Kontrollgremien Deutschland auf, das deutsche Streikrecht diesen europäischen Standards anzupassen – bisher vergeblich, obwohl Deutschland sich zur Einhaltung dieser Charta verpflichtet hat.

Das Streikrecht ist ein Menschenrecht.

Eine Verbesserung kann nur erstreikt werden. Das gilt sowohl für den verbandsfreien als auch für den politischen Streik.

Die Gorillas-Beschäftigten haben einen wichtigen ersten Schritt getan. Jetzt ist es an den Gerichten deren mutiges Handeln zu schützen und das rückständige deutsche Streikrecht an die Europäische Sozialcharta anzupassen.


Foto: Ingo Müller

Kampagne “Für ein umfassendes Streikrecht!”

Hier informieren wir über die Kampagne ” Für ein umfassendes Streikrecht”.

Weiterlesen hier:


Rechtsstreit der Gorillas-Beschäftigten für ein besseres Streikrecht

Informationen zu dem Rechtstreit der Gorillas-Beschäftigten für ein besseres Streikrecht:

Weiterlesen hier


Warnstreik in Hanau. Foto: Ingo Müller

Inhalt dieser Seite (Autor: Benedikt Hopmann) :

A. Allgemeines zum Streikrecht

B. Einzelfälle

C. Geschichte


Wiesbadener Appell:

Foto: Ingo Müller

Im Jahr 2012 wurde der Wiesbadener Appell “Für ein umfassendes Streikrecht” veröffentlich. Dieser Appell wurde von mehreren tausend Menschen unterschrieben. Er ist bis heute aktuell. Alle Beiträge auf dieser Seite verfolgen das Ziel dieses Wiesbadener Appells: Für ein umfassendes Streikrecht.

Hier weiter in dem Wiesbadener Appell lesen


Für den eiligen Leser: Streik(un)recht in Deutschland – Drei Fragen und drei Antworten

Hier kann sich die eilige Leserin oder der eilige Leser einen ersten Überblick über die Thematik verschaffen.

Hier drei Fragen und drei Antworten zum Streik(un)recht in Deutschland lesen


Das Streikrecht ist ein Menschenrecht

Das Recht auf Streik ist eines der wichtigsten Grundrechte.

Immer wenn wir streiken, geht es nicht nur um den Arbeitslohn und die Arbeitszeit, also um die Notwendigkeit unsere Lebensgrundlagen zu verteidigen.

Im Streik setzen die abhängig Beschäftigten immer auch der Fremdbestimmung durch das Kapital, der jeder Beschäftigte unterworfen ist, ihre Selbstbestimmung entgegen. Der Streik ist daher Ausdruck des Artikel 1 Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Dieser Artikel 1 ist ein wichtiges Zeugnis der antifaschistischen Prägung des Grundgesetzes und der Streik herausragend als kollektiver Ausdruck und kollektive Einforderung dieser Menschenwürde.


Gewerkschaften: Ordnungsfaktor oder Gegenmacht?

Das Bundesarbeitsgericht beantwortete diese Frage 1963 im Zusammenhang mit der Illegalisierung des verbandsfreien Streiks eindeutig. Die IG Metall hielt wenige Jahre später dagegen.

Weiterlesen hier


Liste politischer Streiks nach dem 2. Weltkrieg in Westdeutschland

Hier eine (unvollständige) Liste von politischen Streiks, die der Arbeitsrechtler Prof. Dr. Wolfgang Däubler aufzählt und die hier wörtlich widergegeben wird.

weiterlesen hier


Was ist ein politischer Streik?

Juli 18, 2021

Die Frage, was ein politischer Streik ist, wird unterschiedlich beantwortet und ist abhängig davon, ob die Frage aus sozialpolitischer oder rein juristischer Perspektive beantwortet wird. Der Streit, ob ein politischer Streik verboten ist, bezieht sich nur auf den politischen Streik im juristischen Sinne.

Weiterlesen hier


Politischer Streik verboten?

Die Diskussion um den politischen Streik wird aktuell geführt, weil fridays for future den Klimastreik fordert, weil im Jahr 2020 Tausende gegen Rechts aus Anlass der Morde in Hanau politisch streikten und weil in jedem Jahr am 8. März die Frauenbewegung fordert, für die Rechte der Frauen politische zu streiken.

In der Presse wird allerdings verbreitet, der politische Streik sei verboten. Die Bundeszentrale für politische Bildung ist da sehr viel vorsichtiger.

Wir begründen, warum der politische Streik nicht verboten ist. Wir schlagen einen Musterprozess vor, damit diese Position herrschende Meinung wird.

weiterlesen hier:


Recht auf politischen Streik

Vortrag vor der IGBAU Jugend in Würzburg (Foto: Alex Seus)

Der französische Gewerkschaftsbund CGT vermeldete Rekordzahlen. Bis 2,8 Millionen Menschen folgen den gemeinsamen Aufrufen aller französischer Gewerkschaften zum politischen Streik. Es ist längst an der Zeit, dass dieses mächtige Werkzeug der Arbeiter:innen wieder in den Vordergrund rückt. Wenn von Erhöhung des Renteneintrittsalters und einer Verlängerung der Wochenarbeitszeit geredet wird, Mieten explodieren, die Klimakatastrophe ungebremst auf uns zu rast, während Großkonzerne abräumen, kann man nicht glauben, dass sich das bei der nächsten Wahl schon irgendwie richten lässt. Für diese gesellschaftlichen Probleme die Arbeit niederzulegen, ist in Deutschland immer noch mit kontroversen Diskussionen verbunden. Doch der Streik, der politische Ziele verfolgt, darf kein Tabu mehr sein! Wie lange wollen wir uns noch von einem Nazi-Juristen vorschreiben lassen, für welche Ziele wir streiken dürfen? RA Benedikt Hopmann zeigt, warum die herrschende Meinung, der politische Streik wäre verboten, falsch ist. Es geht darum, das Potential in diesem Werkzeug wieder zu entdecken und welche Möglichkeit gegeben sind, dieses Recht wieder zu erlangen!

Hier der podcast, in dem man sich einen Vortrag anhören kann, den Benedikt Hopmann am 28. Februar auf Einladung der IG BAU Jugen in Würzburg gehalten hat.


Foto: IG Metall Senioren-Arbeitskreis

Auf Einladung des Arbeitskreises der Senioren der IG Metall Berlin beantwortete Benedikt Hopmann am 23. Februar 2022 neun Fragen, die der Arbeitskreis zum politischen Streikrecht gestellt hatte. Auf den Vortrag folgte eine lebendige Diskussion. Der Referent bedankte sich für die Einladung und die Möglichkeit zu einem so wichtigen Thema vor 38 Metallerinnen und Metallern sprechen zu können.  

Hier den Vortrag lesen:


Recht auf verbandsfreien Streik

2. August 2021. Am Freitag, den 30. Juli, lud die Aktion ./. Arbeitsunrecht zu einer Veranstaltung  mit dem Thema “Mythos ‘wilder’ Streik und Illegalität” in den Nachbarschaftsladen Kommune65 in Berlin ein. RA Benedikt Hopmann hielt einen Vortrag zu diesem Thema. Etwas gekürzt ist  der Vortrag am 3. August auf der Themenseite der Zeitung “Junge Welt” unter dem Titel “Scharfe Waffe” nachzulesen. Hier zunächst der Vortrag als Video, dann der Vortrag als Text (mit Fußnoten).

Der Vortrag kann über eine Sendung des freien Radios LORA hier angehört werden:

Der Vortrag als Text: weiterlesen hier

Kompletter Vortrag mit Diskussion als Video: Weiterhören hier


Artikel 6 Europäische Sozialcharta und Stellungnahmen des Sachverständigenausschusses

Über das Streikrecht nach Artikel 6 Nr. 4 Europäische Sozialcharta und zu den Stellungnahmen des internationalen Sachverständigenausschusses EASR, der die Einhaltung der Sozialcharta auch in Deutschland kontrolliert, gibt es hier Informationen.


Ein besseres Streikrecht kann nur erstreikt werden!

Foto: Ingo Müller

– Zum Recht auf den politischen Streik und zum Recht auf den Streik gegen Unternehmensentscheidungen –

30. September 2020. Obwohl es nach dem Zweiten Weltkrieg mehrere politische Streiks gab, setzten die Gerichte ab  1952 die Illegalisierung von politischen Streiks durch. Grundlage war ein Gutachten von Hans Carl Nipperdey, der sich damit als erster Präsident des Bundesarbeitsgerichts empfahl. Im Faschismus hatte er sich als Kommentator des faschistischen Arbeitsrechts hervor getan.

Dieses Verbot war ein Bruch mit der Rechtsprechung der Weimarer Republik. Auch wenn in der Weimarer Republik das Streikrecht massiven Einschränkungen unterworfen war, ein Streik war nicht schon allein deswegen rechtswidrig, weil er politisch war. Diese Rechtsprechung, über die Altmaier die Studentin belehrt, ist also ein elendes Kapitel deutscher Nachkriegsrechtsprechung – ein Knebel gegen freiheitliches Handeln der abhängig Beschäftigten. Das 1968 mit der Notstandsgesetzgebung in das Grundgesetz aufgenommene Widerstandsrecht zur Verteidigung „dieser Ordnung“ hat wenig daran geändert: Dieses Widerstandsrecht schützt zwar einen politischen Generalstreik wie den gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch im Jahr 1920, ist aber nicht anwendbar, wenn die Demokratie schleichend ausgehöhlt wird, wenn es darum geht einen Krieg zu verhindern oder eine Klimakatastrophe abzuwenden.

Einzelheiten zum Recht auf Streik hier weiterlesen:


Politischer Streik durch Tarifvertrag zugelassen

Es gibt einen Tarifvertrag in Deutschland, der den politischen Streik zulässt.

Es würde den Druck auf die Gerichte erheblich erhöhen, den politischen Streik zuzulassen, wenn auch in anderen Tarifverträgen eine solche oder eine ähnliche Regelung aufgenommen würde.

weiter lesen hier


Anwaltsvereine für umfassendes Streikrecht

Foto: Ingo Müller

22. Juni 2022 Die Vereinigung Demokratischer Jurist:innen (VDJ) und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) haben gemeinsam zum Streik der Gorilla-Riders und dem europarechtlichen Streikrecht Stellung genommen.

hier weiterlesen


Kampf für Streikrecht in anderen Ländern

am 1. Februar 2023 streiken britische Gewerkschaften landesweit gegen geplante gesetzliche Einschränkungen des Streikrechts.

Zu diesen Einschränkungen erklärte Premierminister Sunak:

“Man hoffe zwar auf einvernehmliche Lösungen, werde aber sogenannte “minimum safety levels” einführen. Diese Mindeststandards sollen gewährleisten, dass es in wichtigen Bereichen wie etwa dem Gesundheitsdienst, der Feuerwehr oder im Bahnverkehr eine Art Grundversorgung gibt ….”

weiterlesen hier


14. Dezember 2023: Heute wurde die Entscheidung der großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg (EGMR) zum Beamtenstreikrecht veröffentlicht. Die GEW nahm in einem Video zu dieser Entscheidung Stellung.

In einer Pressemitteilung fasste der Kanzler des Gerichtshofes die Entscheidung zusammen.

Sehr interessant sind die Stellungnahmen zwei Richter. Richter Ravarani stimmte zwar der Entscheidung zu, äußerte aber erhebliche Bedenken. Richter Serghides lehnte die Entscheidung der Mehrheit ab, weil er Art. 11 der Europäischen Menschenrechts-konvention (EMK) verletzt sah; er begründete dies in einer gesonderten Stellungnahme.

Die gesamte Begründung der Entscheidung des EGMR kann in Englisch nachgelesen werden.

Wichtige erste Hinweise zu dem Urteil werden in der Stellungnahme der GEW gegeben.

Weiterlesen


Streikrecht im Spiegel der Presse

Hier veröffentlichen wir Artikel der Presse zum Streikrecht.

Weiterlesen hier


Am 20. November 2023 hielt RA Benedikt Hopmann aus Anlass des bundesweit durchgeführten Hochschulaktionstages einen Vortrag “Verbotene Streiks?”

weiterlesen hier


Recht auf Streik – aktuelle PowerPoint-Präsentation, 18.06.2023


Die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) beantragten den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den geplanten Streik von ver.di in Leipzig. Der Warnstreik soll vom 1. März 3 Uhr bis 3. März 6 Uhr früh dauern. Das Gericht sollte diesen Streik untersagen.

Die Leipziger Verkehrsbetriebe argumentieren, tatsächlich richte sich der Streik nicht gegen die Verkehrsbetriebe, sondern gegen die Verkehrspolitik. Das respektable Ziel einer Klima – und Verkehrswende sei ein politisches Ziel. Adressat sei die Politik[1].

Die 14. Kammer des Arbeitsgerichts Leipzig verhandelte am Donnerstag, 29. Februar 2024, um 15:30 Uhr[2] und entschied wenige Stunden später: Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wurde nicht stattgegeben.

Weiterlesen hier


Gorillas: Streit über Streiks

Beschäftigten des Lieferdienstes Gorillas wurde gekündigt, weil sie an einem Streik teilgenommen hatten, zu dem die Gewerkschaft nicht aufgerufen hatte. Knapp 20 Beschäftigte klagen gegen ihre Kündigung. Dieser Rechtsstreit wirft grundlegende Fragen zum deutschen Streikrecht auf.

Alles zum Streit um Streikrecht in den Prozessen der Gorillas beschäftigten hier lesen


Am 6. und 7. November streikten im Hamburger Hafen Beschäftigte der HHLA gegen den Verkauf an die Reederei MSC ohne Aufruf der Gewerkschaften.

Weiterlesen hier


IG Metall 2022 und ver.di 2023 in Hanau-Fulda: Tarifkampf und gemeinsames Handeln gegen Krieg und Klimazerstörung

In Hanau riefen im November 2022 die IG Metall und wenige Monate später im März 2023 ver.di nicht nur zu einem Warnstreik für höhere Löhne, sondern gleichzeitig auch zu einer gemeinsamen Kundgebung mit der Friedensbewegung, fridays for future und der VVN-BdA gegen den Krieg in der Ukraine, gegen die steigenden Rüstungsausgaben und gegen die Zerstörung des Klimas auf.

Wie die IG Metall im November 2022 und ver.di im März 2023 Tarifkampf und Politik mit einander verbanden:

Hier weiterlesen



4. März 2020: Arbeitsniederlegungen gegen Rechts – ein politischer Streik

Foto: Christian von Polentz

Die Beschäftigten von Vorstand, Bezirksleitung und IG Metall-Berlin sowie die Seminarteilnehmer*innen von Arbeit und Leben legten 2020 vor dem IG Metall-Haus zehn Schweigeminuten für die Toten von Hanau ein, weiterlesen hier 

Obwohl es nach dem Zweiten Weltkrieg mehrere politische Streiks gab, waren nach der herrschenden Meinung politische Streiks illegal. Das gilt jedenfalls nach überwiegender Auffassung ab 1952. Entscheidend ist aber, dass sich die abhängig Beschäftigten darüber immer wieder hinwegsetzen. Wir erinnern daran, dass sich die Gewerkschaften nie ihr Recht auf Meinungsfreiheit in Betrieben und Verwaltungen vollständig haben nehmen lassen[2]so in den Proteststreiks in der Zeit vom 25. bis 27.5.1972 wegen des Misstrauensvotums der CDU/CSU Bundestagsfraktion gegen Bundeskanzler Willy Brandt, an denen ca. 1000.000 Arbeitnehmerinnen und … Continue reading.

Auf diese Seite soll ein aktuelles Beispiel beschrieben werden: Die Arbeitsniederlegungen im März 2020, nachdem am 19. Februar 2020 in Hanau 10 Menschen von einem Rechtsradikalen ermordet worden waren. Das war eine politische Arbeitsniederlegung.

weiterlesen hier:

Dieses Bild hat ein leeres alt-Attribut; sein Dateiname ist botan.-Garten-1024x768.jpg.
Foto: ver.di Betriebsgruppe FU Berlin und der Gesamtpersonalrat der FU

Beschäftigte im Botanischen Garten (s. Foto) und anderswo drückten ihre Trauer und Entschlossenheit aus, dem rassistischen und Menschen verachtenden Hass entgegenzutreten. Weiterlesen hier


Klimastreik und Streikrecht

30. September 2020

Im März 2019 belehrte Wirtschaftsminister Peter Altmaier die Studentin Luisa Neubauer, eine Organisatorin der „fridays for future”-Demonstrationen in Berlin: „Sie sagen, dass Sie für das Klima streiken, aber in Deutschland kennen wir keinen politischen Generalstreik. Unser Streikrecht richtet sich immer auf Forderungen, die ein Arbeitgeber liefern kann“[3]SPIEGEL v. 16.3.2019 S. 60 ff.

Foto: Ingo Müller

Man muss dem Wirtschaftsminister fast dankbar sein. Denn damit hat er den politischen Streik überhaupt wieder zu einem Thema gemacht. Er hätte ja auch einfach sagen können: „Schüler dürfen nicht streiken. Es gibt die Schulpflicht und wer dagegen verstößt, muss mit Sanktionen rechnen.” Aber nein, Altmaier spricht über den politischen Streik, den wir in Deutschland „nicht kennen“. Allerdings: Der Anstoß für diese Erklärung kam von der jungen Klimabewegung selbst, die im Jahr 2019 jeden Freitag während der Schulzeit für ihre Zukunft demonstrierte. Neubauer ließ sich denn auch von den Belehrungen Altmaiers nicht beeindrucken: „Als das Streikrecht erfunden wurde, kannte man die Klimakrise ja noch nicht.“

weiterlesen hier:


Klimastreik im Botanischen Garten?

Kleine Streiks gegen die Klimaerwärmung gab es schon zum Beispiel im Botanischen Garten der Freien Universität Berlin (FU), weiterlesen hier.

Wann gibt es den ersten großen Streik gegen die Klimaerwärmung und dienigen, die sie verursacht haben und deswegen auch für die Transformationskosten aufkommen müssen?


Geschichte: 1920 Generalstreik gegen den Kapp-Lüttwitz Putsch

Zum 100. Jahrestag wurde an den Genralstreik gegen den Kapp-Lüttwitz Putsch auf einer Kundgebung. Der Aufruf zu dieser Kundgebung beschreibt, was damals geschah: hier weiterlesen

Auf der Kundgebung erinnerten mehrere Redner und Rednerinnen an diesen Generalstreik, hier das Video dazu hören.


Geschichte: 1922 Rathenaustreik

Im Jahr 1922 riefen die drei Arbeiterparteien SPD, USPD und KPD gemeinsam mit den Gwerkschaften (AGBG und AfA-Bund) zu einem halbtägigen Streik “Zur Verteidigung der Reüpublik und der Grundrechte der Arbeitnehmerschaft” auf, der von Millionen befolgt wurde.

Eine Veranstaltung erinnerte daran; hier das Video dazu hören


Wer war Hans Carl Nipperdey?

Schon während der Weimarer Republik vertrat Hans Carl Nipperdey einen “wirtschaftsfriedlichen” Kurs.

Während des Faschismus setzte er in der Akademie für Deutsches Recht die faschistische Ideologie in Recht um. Er kommentierte u.a. zusammen mit Alfred Hueck und Rolf Dietz das faschistische Arbeitsrecht AOG[1].

Dieser Kommentar erschien 1934. Da war es schon ein Jahr her, dass die Gewerkschaften zerschlagen und die Gewerkschaftshäuser besetzt worden waren. Das AOG hob das Betriebsrätegesetz – Vorläufer des heutigen Betriebsverfassungsgesetzes – und die Tarifvertragsordnung – Vorläuferin des heutigen Tarifvertragsgesetzes – auf[2].

Es war der kalte Krieg und die Restauration unter Adenauer, die Hans Carl Nipperdey in eine Position brachte, in der er das deutsche Streikrecht prägen konnte, zunächst im Streit um die rechtliche Bewertung des Zeitungsstreiks als Gutachter für den Spitzenverband der Deutschen Arbeitgeber BDA[1], dann als 1. Präsident des Bundesarbeitsgerichts. Die Illegalisierung des politischen und verbandsfreien Streiks geht auf Hans Carl Nipperdey zurück.

Während des Faschismus beteiligte er sich an der Ausarbeitung und Kommentierung faschistischen Rechts.

Eine empfehlenswerte Sendung des Deutschlandfunks gibt Einblick nicht nur in diese Person, sondern auch, in welchem Ausmaß das faschistische Arbeitsrecht bis heute das deutsche Arbeitsrecht prägt.

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References

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1 AuR 1998, S. 156
2 so in den Proteststreiks in der Zeit vom 25. bis 27.5.1972 wegen des Misstrauensvotums der CDU/CSU Bundestagsfraktion gegen Bundeskanzler Willy Brandt, an denen ca. 1000.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer teilnahmen; so in den „fünf Mahnminuten für den Frieden“, zu denen DGB und IG Metall am 5.10.1983 wegen der Stationierung von US Raketen aufriefen; so in den Jahren 2000 und 2007, als es zu Arbeitsniederlegungen aus Protest gegen die Rente mit 67 kam, ein Protest , zu dem die IG Metall nicht offiziell aufrief, der aber in den Betrieben von den Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern organisiert wurde
3 SPIEGEL v. 16.3.2019 S. 60 ff